Rechtmäßigkeit einer Zurückweisung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Josef Zwilling in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004 (ergangen am ), Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:
I. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird - ersatzlos - aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (kurz Bf) war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum ua. an der Firma beteiligt.
Mit Schriftsatz vom stellte er einen Antrag gemäß § 295 Abs 4 BAO auf Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2004. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Feststellungsbescheid betreffend Firma, der zur Änderung des Einkommensteuerbescheides 2004 beim Bf geführt hätte, keine Bescheidqualität aufweisen würde. Das BFG habe die dagegen eingebrachte Beschwerde aus diesem Grund mit Beschluss zurückgewiesen.
Mit Bescheid vom (zugestellt am ) hat das Finanzamt den Antrag als verspätet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass mit , die Beschwerde der Firma vom ua. gegen den Feststellungsbescheid 2004 als unzulässig zurückgewiesen worden sei. Der Antrag des Bf nach § 295 Abs 4 BAO auf Aufhebung seines (abgeleiteten) Einkommensteuerbescheides 2004, sei nicht innerhalb eines Jahres ab Zurückweisung der Bescheidbeschwerde gegen den Nichtbescheid gestellt worden und somit verspätet.
Dagegen brachte der Bf mit Schriftsatz vom Beschwerde ein und führte begründend aus, dass zwischenzeitig ein weiterer Beschluss des BFG am betreffend Firma ergangen sei, demzufolge die vom Finanzamt erlassene Erledigung als Nichtbescheid zu qualifizieren seien. Daraus sei abzuleiten, dass der Einkommensteuerbescheid 2004, mit dem die Verlustzuweisung aberkannt worden sei, gemäß § 295 Abs 4 BAO aufzuheben sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom (zugestellt am 18.8.) wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Zurückweisung der Beschwerde im Feststellungsverfahren bereits mit , erfolgt sei. Zwar enthalte die Erledigung keinen Hinweis auf die Zustellfiktion iSd § 101 Abs 3 BAO, allerdings sei der Beschluss dem Finanzamt als Partei des Beschwerdeverfahrens gemäß § 265 Abs 5 BAO zugestellt worden. Es liege aus diesem Grund bereits ein wirksam ergangener Beschluss vor (Verweis auf ), der mit Zustellung an das Finanzamt in formeller Rechtskraft erwachsen sei. Die in § 295 Abs 4 BAO vorgesehene Jahresfrist habe bereits zu diesem Zeitpunkt zu laufen begonnen. Der , in dem die Zustellfiktion des § 101 Abs 3 BAO ergänzt worden sei, stelle lediglich eine Ergänzung zum bestehenden Beschluss vom dar.
Daraufhin brachte der Bf am einen Vorlageantrag ein, in dem ergänzend ausgeführt wurde, dass das BFG mit dem Beschluss vom neuerlich über die Beschwerde im Feststellungsverfahren entschieden habe, da der als Zurückweisungsbeschluss intendierten Erledigung des der Hinweis gemäß § 101 Abs 3 BAO gefehlt habe und der Beschluss daher keine Rechtswirksamkeit erlangt habe. Dieser neuerliche Beschluss habe sehr wohl Auswirkung auf die formelle Rechtskraft des ursprünglichen Beschlusses. Die Frist des § 295 Abs 4 BAO beginne daher erst mit dieser Erledigung vom zu laufen.
Das Finanzamt legte am die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Das Bundesfinanzgericht stellt auf Basis des oben geschilderten Verwaltungsgeschehens und der aktenkundigen Unterlagen folgenden entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest:
Der Bf war im Jahr 2004 an der Firma (im Folgenden kurz: GmbH & Co KG) als atypisch stiller Gesellschafter beteiligt.
An die GmbH & Co KG erging am zur GZ RV/4100213/2012 eine Erledigung des BFG, deren Spruch zufolge eine Beschwerde der GmbH & Co KG gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2005 mangels Bescheidqualität der angefochtenen Bescheide als unzulässig zurückgewiesen wurde. Wie sich aus der aktenkundigen Kopie dieser Erledigung ergibt, enthält diese keinen Hinweis im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO.
Am erging an die GmbH & Co KG neuerlich eine Erledigung des BFG zur GZ RV/4100213/2012, mit der die Beschwerde der GmbH & Co KG gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 2004 bis 2005 mangels Bescheidqualität als unzulässig zurückgewiesen wurde. Dabei wurde im Spruch der Erledigung (Spruchpunkt 3.) wie folgt ausgeführt:
"Dieser Beschluss wirkt gegen alle Beteiligten, denen Einkünfte zugerechnet werden (§ 191 Abs 3 BAO). Gemäß § 101 Abs 3 BAO gilt mit der Zustellung einer Ausfertigung dieses Beschlusses an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person die Zustellung als an alle Beteiligten als vollzogen."
Am brachte der Bf einen auf § 295 Abs 4 BAO gestützten Antrag auf Aufhebung des an ihn ergangenen Einkommensteuerbescheides 2004 vom ein.
2. Beweiswürdigung
Die obigen Sachverhaltsfeststellungen sind aktenkundig. Dagegensprechende Umstände sind nicht ersichtlich.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe)
Gemäß § 295 Abs 4 BAO lautet auszugsweise:
"Wird eine Bescheidbeschwerde, die gegen ein Dokument, das Form und Inhalt
- eines Feststellungsbescheides (§ 188) oder
- eines Bescheides, wonach eine solche Feststellung zu unterbleiben hat,
gerichtet ist, als unzulässig zurückgewiesen, weil das Dokument kein Bescheid ist, sind auf das Dokument gestützte Bescheide auf Antrag der Partei aufzuheben oder insoweit abzuändern, als sie sich auf das Dokument stützen. Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen…"
In diesem Zusammenhang wird auf die rechtliche Beurteilung des BFG im Erkenntnis vom ; RV/6100048/2023, verwiesen, der ein nahezu identer Sachverhalt zu Grunde lag.
Der VfGH hatte mit Erkenntnis vom , G 159/2019, den letzten Satz des § 295 Abs 4 BAO idF BGBl I 2013/14 ("Der Antrag ist vor Ablauf der für Wiederaufnahmsanträge nach § 304 maßgeblichen Frist zu stellen.") als verfassungswidrig aufgehoben. Begründend hatte der VfGH dabei unter anderem ausgeführt, der Gesetzgeber habe durch Anknüpfen an die Rechtskraft des abgeleiteten Bescheides - ebenso wie durch Anknüpfen an den Eintritt der Verjährung - in unsachlicher Weise nicht berücksichtigt, dass das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde betreffend die als Grundlagenbescheid intendierte Enunziation erlangt.
Mit der daraufhin mit BGBl I 2021/3 eingeführten Antragsbefristung ("Der Antrag ist innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft der Zurückweisung zu stellen.") sollte den Gesetzesmaterialien zufolge den Ausführungen des VfGH, wonach das Antragsrecht seine rechtserhebliche Bedeutung im Zeitpunkt der Zurückweisung der Beschwerde erlangt, Rechnung getragen werden (IA 1109/A XXVII. GP. 32; AB 492 BlgNR XXVII. GP 19). Unter Rechtskraft iSd § 295 Abs 4 BAO ist in diesem Zusammenhang die formelle Rechtskraft zu verstehen (vgl Ritz, Aufhebung von Nichtbescheiden abgeleiteter Bescheide, AFS 2021, 2). Ein Bescheid ist formell rechtskräftig, wenn er durch ordentliche Rechtsmittel (Beschwerde) nicht oder nicht mehr anfechtbar ist (vgl zB , mwN). Hingegen hindert insbesondere die Möglichkeit einer Revision an den VwGH den Eintritt der Unanfechtbarkeit nicht (vgl zB ; Ritz, Formelle Rechtskraft in Abgabenvorschriften, taxlex 2015, 204 205 mwN).
Grundbedingung für den Eintritt der Unanfechtbarkeit ist die Bekanntgabe der Erledigung nach § 97 BAO. So gilt etwa ein Bescheid erst dann als "erlassen", wenn er einmal nach außen in Erscheinung getreten ist (zB durch Zustellung an eine der im Verfahren beteiligten Parteien). Er kann allerdings nur jenen Parteien gegenüber in formeller Rechtskraft erwachsen, denen er zugestellt worden ist ( 128/50; ).
Die formelle Rechtskraft kann folglich gegenüber einer Partei gegeben sein, während diese gegenüber einer anderen Partei aber (noch) nicht vorliegt (Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581). Der Eintritt der formellen Rechtskraft ist somit bei einem Mehrparteienverfahren stets für jede Partei gesondert zu beurteilen und tritt die formelle Rechtskraft eines Bescheides, der im Mehrparteienverfahren existent geworden ist, nicht gegenüber einer im Verfahren übergangenen Partei ein (vgl zB ).
Einer übergangenen Partei, der eine Erledigung weder schriftlich zugestellt noch mündlich verkündet wurde, kann daher nicht der Eintritt der Rechtskraft entgegengehalten werden (vgl ; Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 581 f; vgl zum Ganzen auch Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68, Stand , rdb.at, Rz 7 mwN).
Obwohl im Verwaltungs- und im Abgabenverfahren somit nicht von einer "Einheitlichkeit der formellen Rechtskraft" ausgegangen werden kann, ist in den gesetzlichen Regelungen regelmäßig, dh sofern sich nicht aus der konkreten Vorschrift anderes ergibt (vgl dazu zB ), mit einer "rechtskräftigen Erledigung" eine Erledigung gemeint, die allen Parteien gegenüber in formeller Rechtskraft erwachsen ist, dh von keiner Partei mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln bekämpft werden kann (vgl Hengstschläger/Leeb, AVG, § 68, Stand , rdb.at, Rz 7 und die dort angeführten Nachweise der Rsp des VwGH).
Entgegen der vom Finanzamt im gegenständlichen Beschwerdefall vertretenen Ansicht kann vor diesem Hintergrund nicht bereits dann von einer "Rechtskraft der Zurückweisung" iSd § 295 Abs 4 BAO ausgegangen werden, wenn die Rechtskraft der Zurückweisung (nur) gegenüber der Amtspartei eingetreten wäre (siehe dazu aber sogleich im Folgenden).
Darüber hinaus sind in diesem Zusammenhang aber auch Besonderheiten der einheitlichen und gesonderten Feststellung iSd § 188 BAO zu beachten:
Gemäß § 191 Abs 1 lit c BAO ergeht ein (Nicht)Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw nicht zugerechnet werden.
Erledigungen werden gemäß § 97 Abs 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind. Damit ein (Nicht)Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten. § 101 Abs 3 BAO erlaubt eine vereinfachte Zustellung an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft durch Zustellung an eine nach § 81 BAO vertretungsbefugte Person (vgl ). Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
Die Wirksamkeit eines Feststellungsbescheides tritt nur beim kumulativen Vorliegen folgender Voraussetzungen ein (vgl ):
1. der Bescheid muss in seinem Spruch seinen Adressaten gesetzmäßig bezeichnen (§ 191 Abs 1 lit c bzw § 191 Abs 2 BAO iVm § 93 Abs 2 BAO),
2. der Bescheid muss seinem Adressaten (im Wege eines Vertreters nach § 81 BAO) zugestellt sein und
3. der Bescheid muss allen Personen, denen (gemeinschaftliche) Einkünfte zugerechnet werden, kraft Zustellfiktion als zugestellt gelten (§ 97 Abs 1 BAO iVm § 101 Abs 3 und 4 BAO).
Das Fehlen auch nur einer dieser Voraussetzungen würde dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Gewinnfeststellungsverfahrens widersprechen und steht der Wirksamkeit einer behördlichen Erledigung als Bescheid entgegen ().
Entfaltet ein Feststellungsbescheid im Sinne des § 188 BAO - bzw im Ergebnis eine als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO intendierte Enunziation - gegenüber einer Person, der gegenüber die einheitliche und gesonderte Feststellung wirken soll, keine Wirkung, so findet nach der stRsp des VwGH eine einheitliche und gesonderte Feststellung insgesamt nicht statt. Entspricht es doch dem Wesen einer einheitlichen Feststellung von Einkünften, dass sie gegenüber allen an der Feststellung Beteiligten wirkt, wie sich dies auch aus § 191 Abs 3 lit b BAO ergibt, wonach einheitliche Feststellungsbescheide gegen alle wirken, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen (; ). Ist die Erledigung nicht für alle Gesellschafter, gegenüber denen über die Einkünfte einheitlich abgesprochen werden soll, wirksam geworden, entfaltet Sie daher im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirkungen (vgl ; ). Die Einheitlichkeit ist mit anderen Worten Wesensmerkmal des Feststellungsbescheides nach § 188 BAO (vgl zB ; ). Die Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit bewirkt somit nicht bloß die Rechtswidrigkeit der Erledigung nach § 188 BAO, sondern deren Unwirksamkeit ().
Nach der stRsp des VwGH gelten dieselben Grundsätze auch für die Zurückweisung einer gegen einen (als Feststellungsbescheid iSd § 188 BAO intendierten) Nichtbescheid gerichteten Bescheidbeschwerde (vgl zB ; ; VwGH18.10.2018, Ra 2018/15/0059, mwN). Folglich hat auch eine mit Beschluss des BFG ausgesprochene Zurückweisung einer gegen den Nichtbescheid gerichteten Beschwerde einheitlich gegenüber allen Beteiligten des Feststellungsverfahrens (somit nicht nur gegenüber dem Beschwerdeführer) zu erfolgen (vgl dazu auch Ritz, VwGH: Einheitlichkeit bei Beschlüssen über die Zurückweisung einer Beschwerde im Feststellungsverfahren, ZSS 2020, 142). Enthält der im Feststellungsverfahren ergangene Zurückweisungsbeschluss des BFG (bzw die als solcher intendierte Enunziation) hingegen keinen Hinweis auf die Rechtsfolge des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO und tritt somit die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO nicht ein, erlangt die - als Beschluss intendierte - Erledigung des BFG im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO keine Rechtswirksamkeit (vgl zB ; , Ra 2021/13/0124; , Ra 2019/15/0072).
Das BFG wollte mit seiner Erledigung vom die Beschwerde der GmbH & Co KG betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO als unzulässig zurückweisen und damit mit Rechtskraftwirkung für alle am Feststellungsverfahren Beteiligten aussprechen, dass die vor ihm bekämpften Feststellungsbescheide nicht wirksam geworden waren. Dennoch hat das Bundesfinanzgericht seine im Rahmen von Feststellungsverfahren ergangene Erledigung nur an die GmbH & Co KG und nicht an alle Gesellschafter adressiert und zugestellt. Mangels eines Hinweises in der betreffenden Erledigung ist die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs 3 zweiter Satz BAO gegenüber den Gesellschaftern, denen Einkünfte zugerechnet werden sollen, nicht eingetreten. Damit ist die Erledigung aber wegen Verletzung des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO unwirksam. Daran ändert der Rsp des VwGH zufolge auch die erfolgte Zustellung der Erledigung an die Amtspartei nichts (vgl ; , Ra 2021/13/0124). Rechtskraft im Sinne des § 295 Abs 4 BAO konnte vor diesem Hintergrund erst der am ergangene Zurückweisungsbeschluss des BFG erlangen. Somit wurde aber der am eingebrachte Antrag jedenfalls innerhalb der in § 295 Abs 4 BAO normierten Jahresfrist gestellt und ist dieser folglich - entgegen der vom Finanzamt vertretenen Ansicht - nicht als verspätet zu qualifizieren. Im vorliegenden Beschwerdefall wurde der Antrag sogar vor Ergehen des Beschlusses des BFG eingebracht. Nach der Rsp kann der Antrag nach § 295 Abs 4 auch zu einem Zeitpunkt gestellt werden, in dem die diesbezüglichen Voraussetzungen noch nicht vorliegen (vgl ; ; ; Ritz/Koran, BAO7, § 295 Rz 21f). Es ist daher unschädlich, dass der Antrag des Bf gemäß § 295 Abs 4 BAO vor ergehen des Beschlusses des BFG gestellt wurde.
Gemäß § 279 Abs 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen. Die Abänderungsbefugnis nach § 279 Abs 1 BAO ("nach jeder Richtung") ist durch die Sache begrenzt. "Sache" ist die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs erster Instanz gebildet hat.
Wenn die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, ist Sache des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht lediglich die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Zurückweisung. Liegt der in erster Instanz angenommene Zurückweisungsgrund (hier: Verspätung) nicht vor, so hat das Verwaltungsgericht den Zurückweisungsbescheid ersatzlos mit der Konsequenz zu beheben, dass die Behörde über den Antrag unter Abstandnahme von dem zunächst gebrauchten Zurückweisungsgrund zu entscheiden hat (; , mwN).
Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Zur gegenständlichen Rechtsfrage, nämlich wann formelle Rechtskraft einer Entscheidung vorliegt, existiert umfangreiche und eindeutige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, auf die sich das gegenständliche Erkenntnis stützt. Aus diesem Grund ist die Revision nicht zuzulassen.
Salzburg, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 101 Abs. 3 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 295 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 188 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100454.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at