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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 29.11.2023, RV/2100441/2022

Unterbringung des Sohnes im SOS Kinderdorf, keine Haushaltszugehörigkeit bei Mutter

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Beatrix Preininger, Auwaldgasse 63, 8041 Graz, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrages für ***1***, geb. xx.xx.2003, für den Zeitraum November 2020 bis Oktober 2021, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerdeführerin (Bf.) beantragte durch ihre Erwachsenenvertretung am die Weitergewährung der erhöhten Familienbeihilfe für ihren am xx.xx.2003 geborenen Sohn ***1*** ab Oktober 2020.

Die Erwachsenenvertretung der Bf. brachte im Rahmen eines Vorhalteverfahrens vor, dass der Sohn der Bf. von Montag bis Donnerstag im Ausbildungs- und Kompetenzzentrum Land ***2*** wohnversorgt werde und von Donnerstagabend bis Montagfrüh bei der Kindesmutter wohne.
Allfällige Kosten der Lebensführung, wie Kleidung, Lebensmittel, Schuhe, etc. würden von der Kindesmutter getragen werden.
Laut Bescheid des Sozialamtes ***3*** vom werden die Kosten für das sozialpädagogisch betreute Wohnen im ABZ ***4*** übernommen und der Sohn der Bf. muss keinen Kostenbeitrag für die Dauer der in Anspruch genommenen Hilfeleistungen leisten.

Die erhöhte Familienbeihilfe für ihren Sohn wurde sodann an die Beschwerdeführerin ausgezahlt und zunächst bis August 2023 befristet.

Am wurde dem Kinder- und Jugendhilfeträger Land ***2*** die Obsorge für den Sohn der Bf. im Bereich Pflege und Erziehung einschließlich der gesetzlichen Vertretung übertragen.

Das Land ***2*** übertrug ab die Obsorge für den Sohn der Bf. im Bereich Pflege und Erziehung samt gesetzlicher Vertretung der Einrichtung SOS Kinderdorf in ***3***.

Am (Grundbetrag) bzw. am (Erhöhungsbetrag) stellte der Sohn der Bf., vertreten durch SOS Kinderdorf, einen Eigenantrag auf Gewährung der Familienbeihilfe und gab an, dass er seit im SOS-Kinderdorf untergebracht sei.

Die erhöhte Familienbeihilfe wurde ab November 2020 dem Sohn der Bf. als Anspruchsberechtigten ausbezahlt.

Am erging der Rückforderungsbescheid für Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag an die Beschwerdeführerin für ihren Sohn ***1*** für den Zeitraum November 2020 bis Oktober 2021. In der Begründung wurden die §§ 2 Abs. 2 und 26 Abs. 1 Familienlastenausgleichsgesetz (FLAG) 1967 zitiert und ausgeführt, dass die Familienbeihilfe für den genannten Zeitraum zurückzufordern sei, da der Sohn nicht mehr im gemeinsamen Haushalt wohne.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin durch ihre Erwachsenenvertretung am die Beschwerde mit der Begründung, dass das Finanzamt im Spruch des Bescheides vom nur die einschlägigen Gesetzesstellen inhaltlich wiedergegeben habe und nicht auf die Situation der Betroffenen eingegangen sei, dazu wurde § 58 Abs. 2 iVm § 60 AVG zitiert.
Weiters sei die Auffassung des Finanzamtes Österreich nicht richtig.
***1*** sei bei seiner Mutter gemeldet und besuche die Einrichtung Ausbildungszentrum des Landes ***2*** gemäß § 8 Teilhabe an Beschäftigung in der Arbeitswelt des Stmk. Behindertengesetzes.
Nach § 2 Abs. 2 FLAG habe ein Kind, wenn es im Haushalt der Eltern (eines Elternteiles) lebt oder wenn die Eltern die Unterhaltskosten finanzieren vorrangig Anspruch auf Familienbeihilfe.
Zum Haushalt einer Person gehöre ein Kind dann, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gelte nicht als aufgehoben, wenn sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält.
Der Sohn verbringe die Wochenenden im Haushalt der Mutter. Aufgrund dessen bestehe weiterhin die Haushaltszugehörigkeit zur Mutter.
Beigelegt war der Meldezettel des Sohnes vom an der Wohnadresse seiner Mutter.

In der abweisenden Beschwerdevorentscheidung vom führte das Finanzamt unter Verweis auf § 2 Abs. 2 FLAG 1967 und § 2 Abs. 5 lit. a FLAG 1967 in der Begründung aus:
"Dem Kinder -und Jugendhilfeträger Land ***2***, dieser vertreten durch die Stadt ***3***, Amt für Jugend und Familie, wurde mit Vereinbarung über die Durchführung der vollen Erziehung vom die Ausübung der Obsorge für das Kind ***1*** geb. xx.xx.2003 im Bereich der Pflege und Erziehung einschließlich der gesetzlichen Vertretung in diesem Bereich übertragen.
Die Stadt
***3***, Amt für Jugend und Familie, ihrerseits hat die Ausübung der Obsorge im Bereich Pflege und Erziehung samt gesetzlicher Vertretung in diesem Bereich mit dem SOS Kinderdorf übertragen.
Laut Auszug aus dem Zentralmeldeamt ist das Kind dort auch seit mit Hauptwohnsitz gemeldet. Bei der Kindesmutter besteht keine Meldung mehr.
Wiederholte Familienbesuche, die vornherein nur auf Zeit angelegt sind (Ausgänge) und sich bloß auf wenige Tage erstreckt, ändern nichts an der dauernden, nicht nur vorübergehenden Heimunterbringung (vgl. ; ).
Durch die Unterbringung im SOS Kinderdorf ist daher die Voraussetzung der Haushaltszugehörigkeit weggefallen.
Das Gesetz verlangt weiters die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten. Das Kind ist auf Kosten der öffentlichen Hand in einer Einrichtung des SOS Kinderdorfes untergebracht. Somit tragen Sie, wenn überhaupt, einen geringen Teil des Unterhaltes für das Kind, den weitaus überwiegenden Unterhalt trägt die öffentliche Hand.
Zusammenfassend wird daher festgestellt, dass das Kind bei Ihnen nicht haushaltszugehörig ist und sie auch nicht überwiegend die Unterhaltskosten für das Kind tragen . Daher liegt keine Anspruchsvoraussetzung für den Familienbeihilfenbezug vor
."

Daraufhin übermittelte die Beschwerdeführerin durch ihre Erwachsenenvertretung nochmals die Beschwerde vom dem Finanzamt, das als Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (Vorlageantrag) gewertet wird.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Gemäß § 2 Abs. 2 FLAG 1967 idgF hat die Person, zu deren Haushalt das Kind gehört, Anspruch auf Familienbeihilfe. Eine Person, zu deren Haushalt das Kind nicht gehört, die jedoch die Unterhaltskosten für das Kind überwiegend trägt, hat dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn keine andere Person nach dem ersten Satz anspruchsberechtigt ist.

Gemäß § 2 Abs. 5 FLAG 1967 gehört ein Kind dann zum Haushalt einer Person, wenn es bei einheitlicher Wirtschaftsführung eine Wohnung mit dieser Person teilt. Die Haushaltszugehörigkeit gilt nicht als aufgehoben, wenn
a) sich das Kind nur vorübergehend außerhalb der gemeinsamen Wohnung aufhält,
b) das Kind für Zwecke der Berufsausübung notwendigerweise am Ort oder in der Nähe des Ortes der Berufsausübung eine Zweitunterkunft bewohnt,
c) sich das Kind wegen eines Leidens oder Gebrechens nicht nur vorübergehend in Anstaltspflege befindet, wenn die Person zu den Kosten des Unterhalts mindestens in Höhe der Familienbeihilfe für ein Kind beiträgt; handelt es sich um ein erheblich behindertes Kind, erhöht sich dieser Betrag um den Erhöhungsbetrag für ein erheblich behindertes Kind (§ 8 Abs. 4).

Das Gesetz räumt den Anspruch auf Familienbeihilfe primär demjenigen ein, zu dessen Haushalt das Kind gehört. § 2 Abs. 5 FLAG fordert für einen gemeinsamen Haushalt eine einheitliche Wirtschaftsführung in einer Wohnung mit einer Person.

Die Gründe, wann die Haushaltszugehörigkeit nicht als aufgehoben gilt, sind im Gesetz taxativ angeführt (§ 2 Abs. 5 lit. a bis c FLAG).

Zu den Kosten des Unterhaltes gehören nicht nur die Kosten für die Unterbringung zB im SOS Kinderdorf, sondern auch die sonstigen Kosten, die für die Pflege und Erziehung eines Kindes aufgewendet werden, wie z B Kosten für Bekleidung, ärztliche Betreuung, zusätzliche Verpflegung, Geschenke. Es ist gleichgültig, ob diese Ausgaben freiwillig oder auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung erfolgen. Diese direkten Unterhaltsleistungen können jedoch nur dann anerkannt werden, wenn sie nachgewiesen werden (vgl. -I/08, vgl. auch Reinalter in Lenneis/Wanke (Hrsg) FLAG2, § 2 Rz 148).

Sachverhaltsmäßig steht fest, dass der Sohn der Bf. spätestens ab November 2020 nicht mehr im Haushalt der Bf. wohnte, sondern im SOS Kinderdorf ***3*** und sich nur an Wochenenden in der Wohnung der Mutter aufhielt. Die vor Oktober 2020 bestehende Haushaltszugehörigkeit des Sohnes bei seiner Mutter liegt ab November 2020 nicht mehr vor, da keine der Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 FLAG 1967 erfüllt sind.

Zum Vorbringen in der Beschwerde wird darauf hingewiesen, dass die von der Erwachsenenvertretung zitierten §§ 58 Abs. 2 iVm § 60 AVG im ggst. Verfahren nicht anwendbar sind.
Weiters stellt der Meldezettel des Sohnes vom an der Wohnadresse seiner Mutter keinen Nachweis für die Haushaltszugehörigkeit im beschwerdeggst. Zeitraum bei der Bf. dar, vielmehr gab der Sohn an, dass er seit im SOS Kinderdorf untergebracht sei.

Dass die Beschwerdeführerin im streitggst. Zeitraum die Unterhaltskosten ihres Sohnes (überwiegend) getragen hat, wurde weder behauptet noch nachgewiesen.

Ob eine Person die Unterhaltskosten für ein Kind überwiegend trägt, hängt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs einerseits von der Höhe der gesamten Unterhaltskosten für ein den Anspruch auf Familienbeihilfe vermittelndes Kind in einem bestimmten Zeitraum und andererseits von der Höhe der im selben Zeitraum von dieser Person tatsächlich geleisteten Unterhaltsbeiträge ab (vgl. zB ; ; , 2011/16/0068).

Das Gesetz verlangt die überwiegende Tragung der Unterhaltskosten, nicht die überwiegende Leistung des - vom Einkommen des Unterhaltspflichtigen und dessen weiteren Sorgepflichten - abhängigen (vgl. Wanke in Wiesner/Grabner/Wanke, EStG § 33 Anm 100) Unterhalts.

Da die Unterhaltskosten des Sohnes von der öffentlichen Hand getragen wurden, steht fest, dass die Bf. seine Unterhaltskosten nicht (überwiegend) getragen hat.

Beim Aufenthalt des Sohnes im SOS Kinderdorf handelt es sich nicht um nur einen vorübergehenden Aufenthalt, da er lt. ZMR bis Februar 2023, also mehr als zwei Jahre im SOS Kinderdorf gemeldet war.

Die Besuche des Sohnes am Wochenende bei seiner Mutter während der Zeit der Unterbringung im SOS Kinderdorf sind nicht geeignet seine Haushaltszugehörigkeit bei der Bf. zu begründen bzw. fortzusetzen, es kommt vielmehr auf das Vorliegen der vorgenannten Voraussetzungen an, wann von einer Haushaltszugehörigkeit ausgegangen werden kann und ob ein Anspruch auf Familienbeihilfe besteht.

Somit sind im vorliegenden Fall die gesetzlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug der Familienbeihilfe nicht erfüllt; eine Haushaltszugehörigkeit des Sohnes bei der Bf. ist im streitggst. Zeitraum nicht vorgelegen und die Bf. hat auch nicht die Unterhaltskosten (überwiegend) getragen.

Der Bezieher der Familienbeihilfe wird in der Mitteilung des Finanzamtes darauf aufmerksam gemacht, dass Änderungen der Verhältnisse, die nach Gewährung der Familienbeihilfe eingetreten sind und die bewirken, dass der Anspruch auf die gewährte Familienbeihilfe erlischt und damit kein Bezug der Familienbeihilfe mehr gegeben ist, umgehend dem Finanzamt bekannt zu geben sind.

Mit diesem Hinweis wird der Bezieher der Familienbeihilfe ausdrücklich darauf hingewiesen, dass ihn eine Verpflichtung trifft, Tatsachen oder Änderungen, die Einfluss auf den Anspruch und damit auf die Auszahlung der Familienbeihilfe haben, dem Finanzamt ohne zeitliche Verzögerung mitzuteilen.

Aus § 26 Abs. 1 FLAG 1967 ergibt sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat (vgl. etwa ; , 1019/77; , 2006/15/0076; , 2008/15/0323; , 2009/15/0089; , 2008/15/0329; , 2007/13/0120; , 2012/16/0047).
Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an (vgl. etwa ; , 98/13/0067), also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142); (vgl. Wanke in Lenneis/Wanke (Hrsg), FLAG2, § 26 Rz 12f).

Die Verpflichtung zur Rückerstattung zu Unrecht bezogener Beihilfen ist also von subjektiven Momenten unabhängig und allein an die Voraussetzung des Fehlens der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug geknüpft. § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat. Entscheidend ist somit lediglich, ob der Empfänger die Beträge zu Unrecht erhalten hat. Ob und gegebenenfalls wie der Bezieher die erhaltenen Beträge verwendet hat, ist unerheblich (vgl. ).

Bezüglich der Kinderabsetzbeträge ist festzustellen, dass diese gemäß § 33 Abs. 3 EStG 1988 dann gewährt werden, wenn der Steuerpflichtige auch Familienbeihilfe bezieht. Der Kinderabsetzbetrag ist somit derart mit der Familienbeihilfe verknüpft, dass ein unrechtmäßiger Bezug der Familienbeihilfe auch den gemeinsam mit der Familienbeihilfe ausbezahlten Kinderabsetzbetrag unrechtmäßig macht. Die Kinderabsetzbeträge waren somit zusammen mit der Familienbeihilfe gemäß § 26 FLAG zurückzufordern.

Somit war wie im Spruch zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Da im vorliegenden Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorliegt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abweicht, ist eine (ordentliche) Revision nicht zulässig.

Graz, am

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