Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 13.09.2023, RV/1300006/2022

Verzollungsumgehung für in der Schweiz gekaufte Waren von netto mehr als € 9.000,00, für die die Schweizer Umsatzsteuerrückvergütung in Anspruch genommen wurde, aber beim Grenzübertritt in die EU kein Zollverfahren beantragt wurde

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/16/0007.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Der Finanzstrafsenat Feldkirch 4 des Bundesfinanzgerichtes hat in der Finanzstrafsache gegen Frau ***Bf1***, geboren 1989, ***Bf1-Adr*** vertreten durch Rechtsanwalt Ing. Dr. Wolfgang Gappmayer, LL.M., Margarethenstraße 22/12, 1040 Wien, wegen des Finanzvergehens der Verzollungsumgehung gemäß § 36 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) über die Beschwerde der Beschuldigten vom gegen das Erkenntnis des Spruchsenates II beim Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde vom , GZ. **FV**, in der Sitzung am in Anwesenheit der Schriftführerin zu Recht erkannt:

Der Beschwerde wird teilweise stattgegeben und das angefochtene Erkenntnis des Spruchsenates im Straf- und Kostenausspruch wie folgt abgeändert:

Über Frau ***Bf1*** wird für die am anlässlich ihrer Einreise beim Zollamt Österreich, Zollstelle Höchst, grob fahrlässig unter Verletzung der zollrechtlichen Gestellungs- und Anmeldepflicht und somit vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union (EU) verbrachten Waren im Gesamtwert von 9.879,73 Euro, auf denen Eingangsabgaben in Höhe von 2.980,53 Euro (Zoll: EUR 804,54 und Einfuhrumsatzsteuer EUR 2.175,99) lasteten, nämlich

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wegen dieser Verzollungsumgehung gemäß § 36 Abs. 3 FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von € 500,00 verhängt.

Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe wird gemäß § 20 FinStrG eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Tagen festgesetzt.

Gemäß § 185 FinStrG sind die Kosten des Strafverfahrens in der Höhe von € 50,00 sowie die Kosten des allfälligen Strafvollzuges zu ersetzen.

Darüber hinaus wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Mit Erkenntnis des Spruchsenates II beim Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde vom , Geschäftszahl **FV**, wurde Frau ***Bf1***, geboren 1989 in Bratislava, Slowakei, slowakische Staatsbürgerin, von Beruf: ***1***, wohnhaft ***Bf1-Adr*** schuldig erkannt, sie habe am Schuhe und Bekleidungsgegenstände anlässlich seiner Einreise beim Zollamt Österreich, Zollstelle Höchst, im Gesamtwert von 9.879,73 Euro, auf denen Eingangsabgaben in Höhe von 2.980,53 Euro lasteten, grob fahrlässig unter Verletzung der zollrechtlichen Gestellungs- und Anmeldepflicht und somit vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union (EU) verbracht.

Dadurch habe sie das Finanzvergehen der Verzollungsumgehung (§ 36 Abs. 1 FinStrG) begangen. Der auf die Waren entfallende Eingangsabgabenbetrag, zugleich strafbestimmender Wertbetrag, belaufe sich auf EUR 2.980,53. Darin sind enthalten; Zoll: EUR 804,54 und Einfuhrumsatzsteuer EUR 2.175,99.

Gemäß § 35 Abs. 4 FinStrG (gemeint wohl: § 36 Abs. 3 FinStrG) werde über die Beschuldigte eine Geldstrafe in der Höhe von € 600,00 und gemäß § 20 FinStrG die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit vier Tagen verhängt.

Gemäß § 185 FinStrG seien die entstandenen Kosten des Finanzstrafverfahrens i.H.v. € 60,00, das sind 10% der verhängten Geldstrafe, zu ersetzen.

Als Begründung wurde ausgeführt:

"Die Beschuldigte ***Bf1*** reiste am Sonntag, den aus der Schweiz kommend bei der Zollstelle Höchst in das Zollgebiet der Europäischen Union ein. Beim Zollamt St. Margrethen ließ sich die Beschuldigte zuvor für die oben angeführten Waren die Ausfuhr aus der Schweiz vom Schweizer Zoll bestätigen. Die Zollstelle Höchst war an diesem Sonntag nicht besetzt. Nachdem der österreichische Zoll von den Ausfuhrförmlichkeiten erfahren hatte, wurde die Beschuldigte angeschrieben und um Auskunft betreffend die Einfuhr der gegenständlichen Waren ersucht.

In ihrem Antwortschreiben erklärte die Beschuldigte, dass ihr die Möglichkeit des steuerfreien Einkaufs in der Schweiz bekannt war. Sie habe die Anweisungen des Händlers befolgt und die Formulare entsprechend ausgefüllt. An der Grenze zwischen der Schweiz und Österreich legte sie die Formulare zur Bestätigung dem Schweizer Zöllner vor. Dieser habe ihr erklärt, dass alles erledigt sei. Anschließend habe sie die abgestempelten Unterlagen in ein Kuvert gegeben und an ***R1*** gesandt. Nach diesem Aufforderungsschreiben des österreichischen Zolls habe sie auf der Homepage von ***R1*** nachgesehen, dort aber auch keine Information über Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Einfuhr von Waren gefunden.

Im Abgabenverfahren teilte die Beschuldigte mit, dass sie sich als Kunde von ***R1*** betrogen fühlte, da sie nicht über die weiteren Verpflichtungen informiert worden sei. Sie habe nicht versucht, etwas zu verbergen. Darüber hinaus zeigte sie sich überrascht, dass die Fa. ***R1*** nicht verpflichtet sei, die Anmeldung der Waren bei der Einreise in die Europäische Union vorzunehmen.

Über die Beschuldigte erging eine Strafverfügung, gegen die aber fristgerecht Einspruch erhoben wurde. Daher trat die Strafverfügung aus dem Rechtsbestand und ab diesem Zeitpunkt war es Sache des Spruchsenats über diese Angelegenheit zu erkennen.

Im Einspruch bringt die Beschuldigte im Wesentlichen vor, dass sie das vorgeworfene Finanzvergehen nicht grob fahrlässig begangen hat. Sie sei vom Händler falsch aufgeklärt worden und habe von den Schweizer Zollbeamten keine ausreichenden Informationen erhalten. Bei der Einspruchswerberin handle es sich um eine Privatperson, die in keiner Weise davon ausgehen konnte, ein gesetzliches Tatbild zu verwirklichen.

In einer Stellungnahme vom verzichtete die Beschuldigte - mittlerweile Mutter einer 2022 geborenen Tochter - auf die mündliche Verhandlung und stellte eine grob fahrlässige Handlungsweise in Abrede.

Der Spruchsenat hat somit erwogen:

Die Beschuldigte kaufte in der Schweiz Waren im Wert von über EUR 9.000,00 ein. Sowohl als sie in die Schweiz (egal ob via Deutschland oder über Österreich) einreiste als auch bei der Ausreise informieren große Tafeln darüber, dass man aus der Europäischen Union aus- bzw. in diese einreist. Die Slowakei ist seit Mitglied der Europäischen Union. Seit dieser Zeit gibt es auch für slowakische Bürger keinerlei Zollgrenzen gegenüber Nachbarländern. Wenn nun die Beschuldigte, die als Regierungsbeamtin der Slowakei arbeitet, in die Schweiz reist, dort Waren im Wert von mehr als ihrem dreifachen Monatsgehalt einkauft, sich die Schweizer Mehrwertsteuer refundieren lässt, indem sie sich die Ausfuhr der Waren bestätigen lässt, darf aus der Sicht des Senates davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigten bewusst sein hätte müssen, dass einer formellen Ausfuhr eine formelle Einfuhr oder zumindest eine Deklaration folgen muss. Die Beschuldigte überquerte die Grenze in Höchst. Bei dieser Zollstelle gibt es eine Informationstafel, dass außerhalb der Öffnungszeiten Zollabfertigungen für nicht anmeldebefreite Waren bei der benachbarten Zollstelle in Lustenau zu erfolgen haben (rund um die Uhr geöffnet). Dieser Verpflichtung ist die Beschuldigte nicht nachgekommen.

Nach Ansicht des Senates vermögen das Verhalten von ***R1***, der Verkäufer und des Schweizer Zöllners die Beschuldigte nicht zu exkulpieren. Bei ***R1*** handelt es sich um ein Unternehmen, das die Dienstleistung übernimmt, den Erstattungsbetrag an nationaler Umsatzsteuer dem Reisenden zu erstatten und die Belege dem Verkäufer zukommen zu lassen. ***R1*** die Verantwortung für die Einfuhr in ein Zollgebiet abzuwälzen, ohne dass dieses Unternehmen in Besitz der Ware ist, ist rechtlich verfehlt. Der Verkäufer will seine Ware verkaufen und bietet dem Käufer die Möglichkeit, bei Ausfuhr der Ware aus dem (Schweizer) Zollgebiet die Schweizer Mehrwertsteuer erstattet zu erhalten. Es ist auch nicht Aufgabe des Verkäufers für eine Verzollung in einem anderen Staat zu sorgen. Letztlich hat der Schweizer Zollbedienstete lediglich sicherzustellen, dass die Ausfuhr durch die richtige Person zusammen mit der gegenständlichen Ware erfolgt. Er ist nicht verpflichtet und zollintern auch nicht berechtigt, Auskünfte über die Zollbestimmungen eines fremden Zollgebietes zu erteilen.

Somit wäre es Aufgabe der Beschuldigten selbst gewesen, sich über die geltenden Einfuhrbestimmungen zu erkundigen. Die Beschuldigte konnte in ihren Stellungnahmen nicht schlüssig darlegen, warum sie für ihre gekauften Waren zwar die Steuer erstattet bekommen soll, aber im Gegensatz dazu bei der Rückreise keine Steuern zu bezahlen hätte. Dies würde weitergedacht zum Ergebnis führen, dass alle Leute in jedem anderen Zollgebiet steuerfrei einkaufen könnten, während sie im eigenen Wohnsitzstaat jeden Cent der auf den Waren lastenden Steuer bezahlen müssten. Zumindest teure Gegenstände würden dann nur noch im Ausland gekauft werden.

Inwieweit eine Arbeitsrichtlinie im Abgabenrecht Vorgaben für eine strafrechtliche Beurteilung enthalten soll, ist für den Spruchsenat nicht ersichtlich. Ebensowenig ergibt sich aus den gesetzlichen Bestimmungen, dass Ersttätern nicht grobe Fahrlässigkeit angelastet werden könne. Auch entspricht es nicht dem Akteninhalt, dass sich die Beschuldigte überhaupt über ihre Verpflichtungen bei grenzüberschreitenden Warenverkehr erkundigte. Hier stellt sich die Frage, wie sich die Beschuldigte auf eine Auskunft verlassen soll, die ihr niemals erteilt worden ist.

Somit geht der Spruchsenat beim Verhalten der Beschuldigte an der Grenze zwischen der Schweiz und der Europäischen Union von einem grob fahrlässigen Verhalten aus, das sich zum einen aus dem Bildungsgrad und zum anderen aus der offensichtlichen Sorglosigkeit im Zusammenhang mit der Verbringung von Waren im Wert von über EUR 9.000,00 in das Zollgebiet ergibt.

Der Spruchsenat sieht eine Geldstrafe im Ausmaß von EUR 600,00 bei einer möglichen Höchstgeldstrafe in Höhe von EUR 2.980,53, somit im Ausmaß von ca. 20%, als tat-, schuld- und täterangemessen an.

Bei der Bemessung der Strafe wurden als mildernd die abgabenrechtliche Schadensgutmachung und die geständige Verantwortung gewertet. Erschwerend zu werten war kein Umstand. Die Verhängung einer Geldstrafe war geboten, um die Beschuldigte von weiteren Taten abzuhalten.

Der Ausspruch über die Kosten des Verfahrens gründet sich aus der Bestimmung des § 185 FinStrG.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden."

Beschwerde

In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde vom wird das Erkenntnis zur Gänze angefochten.

"1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin passierte am einen unbesetzten Grenzübergang. Da die Beschwerdeführerin Waren bei sich hatte, wurde ihr vom Zollamt Österreich in der Folge zur Last gelegt, sie habe dadurch vorschriftswidrig drittländische Waren unverzollt in das Zollgebiet der Union verbracht und dadurch den Straftatbestand verwirklicht.

Im Rahmen von schriftlichen Äußerungen gestand die nunmehrige Beschwerdeführerin das objektive Tatgestehen zu ("Tatsachengeständnis"), entschuldigte sich für die geschehenen Fehler und bedauerte, dass sie weder von dem Unternehmen ***R1***, noch von "Schweizer Zollbeamten" über ihren Irrtum aufgeklärt wurde. Sie wies nachvollziehbar darauf hin, dass sie über das eingeleitete Finanzstrafverfahren überrascht war. Sie machte außerdem deutlich, dass ihr ein Missgeschick aufgrund eines Rechtsirrtums bei der Einfuhr der Waren passierte und hielt fest, dass ihr dies alles sehr leid tue.

Ohne die unverzollten Waren, die die Beschwerdeführerin in das Zollgebiet der Union verbracht hat, im Spruch des gegenständlich angefochtenen Straferkenntnisses zu nennen, hielt das Zollamt Österreich fest, dass gegenständlich der Tatbestand des § 36 FinStrG verwirklicht worden sei. Begründend hielt das Zollamt Österreich dazu fest, dass die Einspruchswerberin "nachfragen" und sich "erkundigen" hätte müssen, um sich mit der Rechtslage vertraut zu machen.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Zur Rechtzeitigkeit

Das Erkenntnis des Zollamtes Österreich als Finanzstrafbehörde (Spruchsenat) vom , StrNr. **FV**, wurde am bei der Post in Hohenems aufgegeben und danach zugestellt. Die gegenständliche Beschwerde ist sohin jedenfalls rechtzeitig. Sie ist auch zulässig.

2.2. unrichtige rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeführerin ist hinsichtlich des objektiven Tatgeschehens nach wie vor geständig. Allerdings hat sie keinesfalls im Sinne des § 8 Abs 3 FinStrG in einer Art und Weise ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig gehandelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar gewesen wäre.

Dies aus nachstehenden Gründen:

Die Beschwerdeführerin hat Waren als Privatperson im Reiseverkehr bei sich. Entgegen der Rechtsansicht des Spruchsenates durfte die Beschwerdeführerin selbstverständlich darauf vertrauen, dass sie von dem genannten Unternehmen und den Zollbeamten in der Schweiz darauf aufmerksam gemacht wird, dass sie die Waren in Österreich zu verzollen hat. Selbst wenn, wie der Spruchsenat auf Seite 3 des Erkenntnisses festhält, der "Schweizer Zollbedienstete" nicht verpflichtet und "zollintern auch nicht berechtigt" ist, "Auskünfte über die Zollbestimmungen eines fremden Zollgebietes zu erteilen", so war es von der Beschwerdeführerin möglicherweise fahrlässig, dass sie sich (bloß) bei dem Unternehmen und dem "Schweizer Zollbediensteten" erkundigt hat. Dieses Verhalten ist aber nicht als grob fahrlässig zu qualifizieren. Die Normübertretung war für die Beschwerdeführerin nicht als wahrscheinlich vorhersehbar . Der Umstand, dass sie auf die Auskünfte des genannten Unternehmens und der Zollbehörde des Drittlandes vertraute, ist keinesfalls subjektiv schwerstens vorwerfbar (). Das Bundesfinanzgericht hat in diesem Zusammenhang auch bereits ausgesprochen, dass "man von Zollschuldnern nicht verlangen kann, sich jeweils an ausgewiesene Spezialisten im Zollrecht zu wenden" und, so das Bundesfinanzgericht weiter, es "kann von einem möglichen Zollschuldner nicht verlangt werden, sich mit zollrechtlichen Fragen unbedingt an ein Zollamt bzw Organe des Zollamtes Österreich zu wenden" (). Selbst wenn einzuräumen ist, dass der gegenständliche Sachverhalt nicht die Annahme eines schuldausschließenden Irrtums rechtfertigt, so aber doch, dass kein grob fahrlässiges Verhalten vorliegt. Die Beschwerdeführerin hat als Konsumentin und Verbraucherin im Privatreiseverkehr auf die Angaben eines sachverständigen Unternehmens, das auf die Verrichtung verfahrensgegenständlicher Geschäfte spezialisiert ist, vertraut. Hinzu kommen Erkundigungen, die die Beschwerdeführerin beim "Schweizer Zollbeamten" einholte.

Wenn für den Spruchsenat gegenständlich nicht ersichtlich ist, "inwieweit eine Arbeitsrichtlinie im Abgabenrecht Vorgaben für eine strafrechtliche Beurteilung enthalten soll" (Seite 4 des Erkenntnisses), dann ist dieser darauf hinzuweisen, dass die Frage des Vorliegens einer "groben Fahrlässigkeit" auf Basis unterschiedlicher Parameter bei der einzelfallbezogenen Urteilsfindung anhand konkreter Umstände zu beurteilen ist ( 13 0s 55/1 3g, 56/1 3d). Auf welche Umstände und Parameter hier insbesondere einzugehen ist, ergibt sich einerseits aus der dazu ergangenen Rechtsprechung, der Literatur und freilich auch aus Anhaltspunkten in der Literatur oder in Arbeitsrichtlinien (Zollschuldrecht, ZK-1890).

Abschließend wird besonders noch auf einen für den gegenständlichen Sachverhalt relevanten Aspekt eingegangen. Das Zollamt Österreich hält auf Seite 2 der gegenständlich angefochtenen Strafverfügung fest, dass es "allgemein bekannt" sei, dass "die Schweiz" nicht "Teil der EU ist." Diese Überzeugung einer allgemeinen Bekanntheit erachtet der ausgewiesene Rechtsanwalt schon für österreichische Staatsbürger, deren Staatsgrenze direkt an jene der Schweiz grenzt, für (bildungspolitisch) äußerst optimistisch betrachtet. Der ausgewiesene Rechtsanwalt, der auch an Fachhochschulen Seminare zum Zoll- und Außenwirtschaftsrecht hält, und sich dort auch mit den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union beschäftigt, weiß, dass diese selbst von Studierenden immer wieder nicht aufgezählt werden können. Diese Überzeugung des Zollamtes Österreich zeigt aber die zusätzliche Komplexität der gegenständlichen Materie auf! Es geht nämlich nicht darum, ob die Schweiz "Teil der EU" ist. Einzig relevant ist die Frage, ob die Schweiz in das "Zollgebiet der Union" fällt. Diese Frage mag für Menschen aus Österreich einfach zu beantworten sein. Sie leben in der Nähe zur Schweizer Grenze. Für die aus der Slowakei stammende Einspruchswerberin gilt dies allerdings nicht !

Selbst wenn man gegenständlich aber von grober Fahrlässigkeit ausgehen sollte, so hätte es gegenständlich ausgereicht, mit einer Verwarnung gemäß § 25 FinStrG vorzugehen. Im vorliegenden Fall ist das Verschulden der Beschwerdeführerin als geringfügig zu betrachten, weil ihr lediglich ein einmaliges Fehlverhalten angelastet werden kann. Die Beschwerdeführerin ist überdies unbescholten, was der Spruchsenat gegenständlich bei der Strafzumessung nicht einmal als mildernd gewürdigt hat. Überdies hat die Tat nur unbedeutende Folgen (der Verkürzungsbetrag wurde unverzüglich bezahlt) nach sich gezogen. Sofern dies aus Gründen der Spezialprävention als geboten erachtet wird, hätte gegenständlich mit einer Verwarnung vorgegangen werden müssen.

Ungeachtet dessen ist zur Strafbemessung des Spruchsenates festzuhalten, dass dieser die Unbescholtenheit bzw. den ordentlichen Lebenswandel der Beschwerdeführerin unberücksichtigt hat lassen. Außerdem hat der Spruchsenat nicht gewürdigt, dass die Beschwerdeführerin nunmehr sorgepflichtig für eine Tochter ist, worauf diese mehrmals hingewiesen hat und was der Spruchsenat auf Seite 3 auch explizit festgestellt hat.

Abschließend wird auch an dieser Stelle nochmals festgehalten, dass im Spruch des angefochtenen Erkenntnisses nicht jene Waren konkret bezeichnet sind, die von der Beschwerdeführerin vorschriftswidrig und grob fahrlässig in das Zollgebiet der Union verbracht worden sein sollen. Der Spruch ist daher nicht konkret genug, um die Beschwerdeführerin vor einer Doppelbestrafung zu schützen.

3. Anträge

Aus all diesen Gründen beantragt die Beschwerdeführerin

a) die Entscheidung der gegenständlichen Angelegenheit durch den Senat;

b) die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (auch im Falle einer Beschwerdevorentscheidung bzw. wenn diese nicht erlassen werden sollte), in der jedenfalls die Beschwerdeführerin einvernommen wird; und

c) in der Sache selbst zu entscheiden, der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis vom , **FV**, aufzuheben und das Finanzstrafverfahren einzustellen;

in eventu

d) der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis vom , **FV**, aufzuheben, und über die Beschwerdeführerin lediglich eine Verwarnung gemäß § 25 FinStrG vorzugehen;

in eventu

e) der Beschwerde Folge zu geben und das angefochtene Erkenntnis vom , **FV**, aufzuheben, und zur neuerlichen Entscheidung an die Finanzstrafbehörde erster Instanz zurückzuverweisen."

Der Vorsitzende hat in Vorbereitung der mündlichen Verhandlung die Beschuldigte zur Beurteilung ihres damaligen Wissensstandes um die Beantwortung folgender Fragen ersucht:

1. Was genau ist Ihre berufliche Tätigkeit? (verzeihen Sie, dass ich die Bezeichnung "***1***" nicht im Detail kenne und mit den damit verbundenen Tätigkeiten nicht vertraut bin)

2. Haben Sie beruflich auch mit EU-Agenden zu tun?

3. Haben Sie schon öfter Auslandsreisen (privat oder dienstlich) gemacht, die Sie auch in "Drittländer" außerhalb der Europäischen Union geführt haben, wie z.B. neben der Schweiz etwa Türkei, Ägypten oder Russland?

4. Haben Sie schon davor jemals ein Zollverfahren beantragt oder selbst durchgeführt?

5. Was haben Ihnen die Verkäufer*innen in der Schweiz mitgeteilt, weshalb Sie das Formular für die Rückvergütung der Schweizer Umsatzsteuer ausstellen und welche Aufgabe damit für Sie verbunden ist?

6. Weshalb haben Sie die von Ihnen in der Schweiz gekauften Waren nicht einfach beim Eintritt in das Zollgebiet der Europäischen Union einem Zollverfahren zugeführt?

7. Haben Sie schon einmal im Rahmen einer Flugreise einen sogenannten Grünkanal benützt?

8. Sind Ihnen die Bedingungen, untern denen Sie den Grünkanal verwenden dürfen, bekannt?

9. Haben Sie schon einmal Waren aus Drittländern (z.B. China) per Post bestellt?"

10.

Mit Eingabe vom hat die Beschwerdeführerin folgende Stellungnahme und Verzicht auf die mündliche Verhandlung eingebracht:

Die Beschwerdeführerin hält nochmals ausdrücklich fest, dass sie schockiert war, als sie erfuhr, dass sie ihren rechtlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist. Sie bedauert diesen Umstand ausdrücklich.

Die Beschwerdeführer hat selbstverständlich erkannt, dass sie einen Fehler gemacht hat, der ihr nicht nochmals passieren wird. Im Übrigen hält die Beschwerdeführerin fest wie folgt:

Zu Frage 1. gibt die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie mit komplexen analytischen Tätigkeiten befasst ist, die sich auf die Phänomene der Forschung, Entwicklung und Innovation beziehen und vor allem die Aspekte der Lösung der Abwanderung und Ausbildung von Talenten in der Slowakei im Blick haben. Hier geht es auch um die Entwicklung von Maßnahmen in diesem Zusammenhang.

Festgehalten wird und was seitens der ersten Instanz nicht beachtet wurde, dass sich die Beschwerdeführerin aktuell seit Mai 2022 in Karenz befindet.

Die Beschwerdeführerin hält im Hinblick auf Frage 2. fest, dass sie mit keinen EU-Agenden zu tun hat.

Frage 3. beantwortet die Beschwerdeführerin dahingehend, dass sie selbstverständlich schon Drittländer im Sinne dieser Frage besucht hat. Bei all diesen Reisen war es für die Beschwerdeführerin immer völlig klar, dass sie das Zollgebiet der Union verlässt. Aus der Sicht der Beschwerdeführerin sah die Grenze zwischen der Schweiz und Österreich genauso aus, wie jene zwischen der Slowakei und Österreich oder zwischen Österreich und Deutschland. Dadurch kam es zu dem gegenständlichen Missgeschick. Die Beschwerdeführerin untermauert dies durch nachstehende Abbildungen, die freilich aus einer laienhaften Perspektive zu würdigen sind (das Bild zeigt eine Passkontrolle, in der EU, EEA und CH-Pässe gleichgestellt sind).

All dies führte letztlich zum Irrtum der Beschwerdeführerin.

Zur vierten Frage gibt die Beschwerdeführerin an, dass es zu solchen Zollverfahren kam, wenn sie aus Drittstaaten eine Postsendung erhielt.

Zur fünften Frage gibt die Beschwerdeführerin an, dass ihr erklärt wurde, dass sie die USt rückvergütet erhalten kann. Da es sich um eine sehr formelle Angelegenheit handelt, hat sich die Beschwerdeführerin nochmals bei den Schweizer Zollbeamten erkundigt und diese versicherten ihr, dass alles erledigt sei und in Verkennung der Tatsachen zweifelte die Beschwerdeführerin nicht daran.

Zur sechsten Frage führt die Beschwerdeführerin neuerlich aus, dass sie der Meinung war, das Zollgebiet der Union nicht verlassen zu haben.

Hinsichtlich der siebenden Frage gibt die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie selbstverständlich den "Grünkanal" schon benutzte, wiewohl die Beschwerdeführerin festhält, dass sie in 99% der Fälle innerhalb des Zollgebiets der Europäischen Union reist.

Hinsichtlich der achten Frage gibt die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie die Voraussetzungen selbstverständlich kennt. Allerdings weist sie darauf hin, dass sie gegenständlich eben davon ausging, nicht das Zollgebiet der Union verlassen zu haben.

Zur neunten Frage gibt die Beschwerdeführerin bekannt, dass sie schon mehrmals Nicht-Unionswaren aus Drittländern per Post erhalten hat. Sie wurde in diesen Fällen immer von der Post kontaktierte.

Die Beschwerdeführerin bedauert die Situation außerordentlich. Die Beschwerdeführerin weiß, dass sie einen Fehler begangen hat, und wird ihr dieser Fehler bestimmt nicht mehr passieren.

Abschließend wird bekannt gegeben, dass auf die Verhandlung verzichtet wird, da die Beschwerdeführerin - wie bekannt - ein kleines Kind zu betreuen hat.

Bloß aus rechtsanwaltlicher Sicht wird noch wie folgt vorgebracht: Im strafbestimmenden Wertbetrag ist auch die EUSt enthalten und fanden die Waren in Österreich keinen Eingang in den Wirtschaftskreislauf der EU im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn. Die Waren waren auch nicht zum Verbrauch in Österreich bestimmt. Es wird auf die diesbezügliche Judikatur des Europäischen Gerichtshofes verwiesen."

Über die Beschwerde wurde erwogen:

Rechtslage:

§ 35 Abs. 1 FinStrG: Des Schmuggels macht sich schuldig, wer
a) eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Union verbringt oder der zollamtlichen Überwachung entzieht oder
b) ausgangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich vorschriftswidrig aus dem Zollgebiet der Union verbringt.

§ 36 Abs. 1 FinStrG: Der Verzollungsumgehung macht sich schuldig, wer die im § 35 Abs. 1 bezeichnete Tat grob fahrlässig begeht.

Gemäß § 161 Abs. 1 FinStrG hat das Bundesfinanzgericht, sofern die Beschwerde nicht gemäß § 156 mit Beschluss zurückzuweisen ist, grundsätzlich in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung des Erkenntnisses seine Anschauung an die Stelle jener der Finanzstrafbehörde zu setzen und das angefochtene Erkenntnis (den Bescheid) abzuändern oder aufzuheben, den angefochtenen Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären oder die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Sachverhalt:

Außer Streit, dass die Beschuldigte am Schuhe und Bekleidungsgegenstände anlässlich ihrer Einreise von der Schweiz kommend beim Zollamt Österreich, Zollstelle Höchst, im Gesamtwert von € 9.879,73, auf denen Eingangsabgaben laut Feststellungen des Zollamtes in Höhe von 2.980,53 Euro lasteten, unter Verletzung der zollrechtlichen Gestellungs- und Anmeldepflicht und somit vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht hat.

Im Details handelte es sich um folgende Waren:

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netto CHF 2.177,34

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POLO M/C 100%CO CHF 525,00
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netto CHF 1.527,39

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Die Beschuldigte ließ sich davor beim Zollamt St. Margrethen (Schweiz) für die oben angeführten Waren die Ausfuhr aus der Schweiz vom Schweizer Zoll bestätigen, um sich dadurch die Schweizer Umsatzsteuer rückvergüten zu lassen. Dass ihr die Möglichkeit des steuerfreien Einkaufs in der Schweiz bekannt war, hat sie im Untersuchungsverfahren bestätigt.

Erst nach der Tat ersuchte die Zollbehörde die Beschuldigte um Auskunft über die von ihr gewählte Vorgangsweise. Eine Verzollung der Waren ist weder in Österreich noch in der Slowakei erfolgt.

Objektive Tatseite:

Seit ist auch die Slowakei Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft und somit Teil des Zollgebietes der Europäischen Union.

Bei der Einfuhr aus einem Drittstaat müssen daher für im Ausland (hier der Schweiz, die nicht Teil des gemeinsamen Zollgebietes ist) gekaufte Waren grundsätzlich die darauf entfallenden Eingangsabgaben bezahlt werden, wenn sie den Wert der Reisefreigrenze von 300 Euro (bzw. 430 Euro für Flugreisende) übersteigen. Das ist der Höchstbetrag, bis zu dem Waren abgabenfrei in die EU eingeführt werden können.

Ähnliche Bestimmungen sind EU-weit in allen Mitgliedsstaaten gültig.

Wenn daher Waren im Wert von (netto) € 9.879,73 in einem Drittland wie der Schweiz gekauft werden, ist die Reisefreigrenze für eine eingangsabgabenfreie Einfuhr von Waren bei weitem überschritten. Die Beschuldigte hat sich am für die oben dargestellten Waren die Schweizer Umsatzsteuer refundieren lassen und anlässlich ihrer Einreise von der Schweiz nach Österreich in das Zollgebiet der EU diese Waren keinem weiteren Zollverfahren zugeführt. Der Vollständigkeit halber ist festzuhalten, dass die Beschuldigte diese Waren auch nicht ordnungsgemäß in den Wirtschaftskreislauf der Slowakei gebracht hat, da auch in der Slowakei kein Zollverfahren beantragt wurde.

Festzuhalten ist, dass die Beschuldigte eine zollrechtliche Gestellungspflicht gehabt hätte und sie von sich aus die Waren beim Zollamt anzumelden gehabt hätte.

Beim Grenzübertritt zwischen der Schweiz und Österreich weisen große Hinweistafeln auf die Möglichkeit, wann und wo man Zollverfahren durchführen kann, hin.

Damit ist in objektiver Hinsicht ein vorschriftswidriges Verbringen der Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft erfolgt, wodurch die objektive Tatseite des Schmuggels im Sinne des § 35 Abs. 1 lit. a FinStrG erfüllt war. Ein Versuch oder eine Absicht, ein Zollverfahren durchzuführen, war bei der Beschuldigten definitiv nicht gegeben.

Zum Hinweis, dass "im strafbestimmenden Wertbetrag auch die EUSt enthalten ist und die Waren in Österreich keinen Eingang in den Wirtschaftskreislauf der EU im mehrwertsteuerrechtlichen Sinn fanden. Die Waren waren auch nicht zum Verbrauch in Österreich bestimmt. Es wird auf die diesbezügliche Judikatur des Europäischen Gerichtshofes verwiesen," ist zu erwidern, dass in der Rechtssache C-489/20 mit Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom ausgesprochen hat: Art. 2 Buchst. b und Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2008/118/EG des Rates vom über das allgemeine Verbrauchsteuersystem und zur Aufhebung der Richtlinie 92/12/EWG sowie Art. 2 Abs. 1 Buchst. d und Art. 70 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem sind dahin auszulegen, dass das Erlöschen der Zollschuld aus dem in Art. 124 Abs. 1 Buchst. e der Verordnung Nr. 952/2013 vorgesehenen Grund nicht zum Erlöschen der Verbrauchsteuerschuld und der Mehrwertsteuerschuld für unrechtmäßig in das Zollgebiet der Europäischen Union eingeführte Waren führt.

Nach den allgemeinen Beweislastregeln hat die Zollbehörde die Entstehung des Abgabenanspruchs nachzuweisen. In den Fällen der Zollschuldentstehung durch Pflichtverletzungen nach Art. 79 Abs. 1 Buchst, a und b UZK, wie z.B. durch ein vorschriftswidriges Verbringen von Waren in das Zollgebiet der Union oder ein Entziehen der Ware aus der zollamtlichen Überwachung, liegen jedoch besondere Sachverhalte vor, die nach der Rechtsprechung des EuGH die Vermutung rechtfertigen, dass die Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union überführt worden sind und damit die Einfuhrumsatzsteuerschuld entstanden ist. Bei dieser Vermutung handelt es sich nicht um eine Fiktion, sondern um die durch Erfahrungssätze geprägte Annahme eines typisierenden Sachverhalts.

In den Fällen des Einfuhrschmuggels (hier die grob fahrlässige Variante Verzollungsumgehung) wird ein solcher Nachweis regelmäßig nicht zu führen sein, so dass durch den Realakt des Überschreitens der Grenze und die Nichtbeachtung des Zollstraßenzwangs sowohl die Zollschuld nach Art. 79 Abs. 1 Buchst, a UZK als auch die Einfuhrumsatzsteuerschuld nach § 21 Abs. 2 UStG i.V.m. § 79 Abs. 1 Buchst, a und Abs. 2 Buchst, a UZK entsteht, weshalb für die Annahme einer Akzessorietät zwischen der Entstehung von Zoll- und Einfuhrumsatzsteuerschuld nach wie vor Raum bleibt (siehe Jatzke, UR 2020, 585-590, Die Entstehung der Zollschuld und der Einfuhrumsatzsteuer bei zollrechtlichen Pflichtverstößen).

Die vom Zollamt aufgrund des vorschriftswidrigen Verbringens bescheidmäßig festgesetzten Eingangsabgaben von insgesamt 2.980,53 Euro (Zoll: € 804,54, EuSt € 2.175,99) können daher bei eigenständiger Würdigung unbedenklich dem weiteren Beschwerdeverfahren zugrunde gelegt werden.

Subjektive Tatseite, grob fahrlässiges Verhalten:

§ 8 Abs. 3 FinStrG: Grob fahrlässig handelt, wer ungewöhnlich und auffallend sorgfaltswidrig handelt, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhaltes als geradezu wahrscheinlich vorhersehbar war.

Gemäß § 8 Abs. 3 FinStrG ist für grobe Fahrlässigkeit der Nachweis einer ungewöhnlichen, auffallenden Sorglosigkeit erforderlich, sodass der Eintritt eines dem gesetzlichen Tatbild entsprechenden Sachverhalts als geradezu wahrscheinlich hervorsehbar war. Die mit schwerem Verschulden gleichzusetzende grobe Fahrlässigkeit erfordert, dass ein objektiv besonders schwerer Sorgfaltsverstoß auch subjektiv schwerstens vorzuwerfen ist. Schweres Verschulden liegt demnach nicht vor, wenn bloß das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit überschritten wird. Das Verhalten des Täters muss vielmehr eine das durchschnittliche Maß einer Fahrlässigkeit beträchtlich übersteigende Sorglosigkeit erkennen lassen (vgl. zur Bestimmung des § 34 Abs. 3 FinStrG vor Inkrafttretens des Steuerreformgesetzes 2015/2016).

Grobe Fahrlässigkeit liegt dann vor, wenn der Schaden als wahrscheinlich vorhersehbar war, wenn das Versehen mit Rücksicht auf seine Schwere oder Häufigkeit nur bei besonderer Nachlässigkeit und nur bei besonders nachlässigen oder leichtsinnigen Menschen vorkommt sowie nach den Umständen die Vermutung des "bösen Vorsatzes" naheliegt. Dabei ist auch das Element der schweren subjektiven Vorwerfbarkeit einzubeziehen: Zum Umstand, dass ein Verstoß objektiv ohne Zweifel als besonders schwer anzusehen ist, muss hinzutreten, dass er auch subjektiv schwerstens vorwerfbar ist. Bei der Beurteilung des Vorliegens grober Fahrlässigkeit sind stets die Umstände des Einzelfalles heranzuziehen (Hinweis Beschlüsse des Obersten Gerichtshofes vom , 10 Ob 41/13x, und vom , 10 Ob 61/08f; ).

Gemäß § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden.

Nach § 98 Abs. 3 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Verfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache erwiesen ist oder nicht; bleiben Zweifel bestehen, so darf die Tatsache nicht zum Nachteil des Beschuldigten oder der Nebenbeteiligten als erwiesen angenommen werden ().

Nur wenn nach Durchführung der Beweise trotz eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben, hat nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" die Einstellung des Verfahrens zu erfolgen ().

Es sei in diesem Zusammenhang nicht verschweigen, dass in vergleichbaren Fällen die in Feldkirch tätigen Laienrichter (an der Grenze zwischen der Schweiz und Österreich) die Meinung vertreten haben, dass "bei uns schon jedes Kind weiß, dass die Schweiz nicht zur EU gehört". Zugegeben, als slowakische Staatsangehörige ist die Einstellung der Beschuldigten damit nicht vergleichbar.

In der angefochtenen Entscheidung wurde schon richtig dargestellt, dass "das Verhalten von ***R1***, der Verkäufer und des Schweizer Zöllners die Beschuldigte nicht zu exkulpieren vermögen. Bei ***R1*** handelt es sich um ein Unternehmen, das die Dienstleistung übernimmt, den Erstattungsbetrag an nationaler Umsatzsteuer der Reisenden zu erstatten und die Belege dem Verkäufer zukommen zu lassen. ***R1*** die Verantwortung für die Einfuhr in ein Zollgebiet abzuwälzen, ohne dass dieses Unternehmen in Besitz der Ware ist, ist rechtlich verfehlt. Der Verkäufer will seine Ware verkaufen und bietet der Käuferin die Möglichkeit, bei Ausfuhr der Ware aus dem (Schweizer) Zollgebiet die Schweizer Mehrwertsteuer erstattet zu erhalten. Es ist auch nicht Aufgabe des Verkäufers für eine Verzollung in einem anderen Staat zu sorgen. Letztlich hat der Schweizer Zollbedienstete lediglich sicherzustellen, dass die Ausfuhr durch die richtige Person zusammen mit der gegenständlichen Ware erfolgt. Er ist nicht verpflichtet und zollintern auch nicht berechtigt, Auskünfte über die Zollbestimmungen eines fremden Zollgebietes zu erteilen."

Wenn man sich nur auf die Aussagen eines Verkäufers verlässt, dass schon alles erledigt sei, ist das nur im Zusammenhang mit dem Erwerb der Waren zu sehen, nicht auch über die weitere Verpflichtung, die Waren bei der Einreise in das Zollgebiet der Europäischen Union einem Zollverfahren zuzuführen. Die Rückerstattung der Schweizer Umsatzsteuer ist nicht wie ein Rabatt von beispielsweise 20 % zu betrachten, sondern eine Entsteuerung von der Schweizer Umsatzsteuer mit der Folge, dass eine Besteuerung in der Europäischen Union mit entsprechender Einfuhrumsatzsteuer zu erfolgen hat. Es liegt in der Natur der Umsatzsteuer, dass die Waren für Endverbraucher mit Umsatzsteuer verkauft werden. Wenn daher eine Befreiung von der Umsatzsteuer eines Landes erfolgt, hat zwangsweise die Besteuerung in einem anderen Land zu erfolgen, um hier keine Ungleichheit gegenüber allen anderen Käuferinnen und Käufern zu bewirken.

Es darf in diesem Zusammenhang nochmals erwähnt werden, dass die Beschuldigte bestätigte, dass ihr die Möglichkeit des steuerfreien Einkaufs in der Schweiz bekannt war.

Laut angefochtener Entscheidung "kaufte die Beschuldigte in der Schweiz Waren im Wert von über € 9.000,00 (netto) ein. Sowohl als sie in die Schweiz (egal ob via Deutschland oder über Österreich) einreiste als auch bei der Ausreise aus der Schweiz informieren große Tafeln darüber, dass man aus der Europäischen Union aus- bzw. in diese einreist. Die Slowakei ist seit Mitglied der Europäischen Union. Seit dieser Zeit gibt es auch für slowakische Bürger keinerlei Zollgrenzen gegenüber Nachbarländern. Wenn nun die Beschuldigte, die als ***1***, somit als hohe Beamtin in der Slowakei arbeitet, in die Schweiz reist, dort Waren im Wert von einem Vielfachen ihres Monatsgehalts einkauft, sich die Schweizer Mehrwertsteuer refundieren lässt, indem sie sich die Ausfuhr der Waren bestätigen lässt, darf aus der Sicht des Senates davon ausgegangen werden, dass der Beschuldigten bewusst sein hätte müssen, dass einer formellen Ausfuhr eine formelle Einfuhr oder zumindest eine Deklaration folgen muss. Die Beschuldigte überquerte die Grenze in Höchst. Bei dieser Zollstelle gibt es eine Informationstafel, dass außerhalb der Öffnungszeiten Zollabfertigungen für nicht anmeldebefreite Waren bei der benachbarten Zollstelle in Lustenau zu erfolgen haben. Dieser Verpflichtung ist die Beschuldigte nicht nachgekommen.

Zur vom Verteidiger in der Beschwerde aufgeworfenen Frage, dass die Beschuldigte nicht gewusst hätte, dass die Schweiz nicht zum Zollgebiet der Europäischen Union gehört ist festzuhalten, dass der Senat zur Überzeugung gelangt ist, dass die Beschuldigte angesichts ihrer beruflichen Stellung nicht so naiv (diese Ausdrucksweise hat die Beschuldigte selbst gewählt) ist wie sie sich dem Senat gegenüber darstellen will. Für sie war nur wichtig, dass sie die Schweizer Umsatzsteuer ersetzt bekommen hat, unabhängig davon, in welchem Zollgebiet sie sich befunden hat.

Der Verteidiger verweist wiederholt auf seine Vortragstätigkeit und die Studierenden, von denen er hier relevante Fragen nicht positiv beantwortet bekommen würde. Der Senat hat jedoch den Kenntnisstand und die Handlungsweise der Beschuldigten zu beurteilen. Zusammengefasst ist der Senat davon überzeugt, dass die Beschuldigte einen besseren Wissensstand hatte, als ihr eigener Verteidiger ihr zutraut.

Somit wäre es Aufgabe der Beschuldigten selbst gewesen, sich über die geltenden Einfuhrbestimmungen zu erkundigen. Die Beschuldigte konnte in ihren Stellungnahmen nicht schlüssig darlegen, warum sie für ihre gekauften Waren zwar die Steuer erstattet bekommen soll, aber im Gegensatz dazu bei der Rückreise (Wiedereinreise in das Zollgebiet der Europäischen Union) keine Steuern zu bezahlen hätte. Dies würde weitergedacht zum Ergebnis führen, dass alle Leute in jedem anderen Zollgebiet steuerfrei einkaufen könnten, während sie im eigenen Wohnsitzstaat jeden Cent der auf den Waren lastenden Steuer bezahlen müssten. Zumindest teure Gegenstände würden dann nur noch im Ausland gekauft werden.

Die Beschuldigte hat als hohe Beamtin zweifelsohne auch eine entsprechende Information über die Europäische Union erhalten, wie dies in allen öffentlichen Diensten üblich ist. Der Hinweis des Verteidigers, nur 50% seiner Studenten (in Österreich) würden entsprechendes Wissen über die Europäische Union besitzen, ist hier nicht erfolgversprechend, weil die Studierenden (noch) keine Beamten oder Vertragsbediensteten im öffentlichen Dienst sind, die im Rahmen ihrer Ausbildung umfassend über die Europäische Union informiert werden.

Wer sich nicht entsprechend erkundigt, darf nicht überrascht sein, dass er über die Einfuhrmodalitäten in die Europäische Union keine Kenntnis hat, vielmehr ist es für solche Personen als wahrscheinlich vorhersehbar, dass sie bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Gemeinschaft Fehler machen könnten.

In ihrer Eingabe vom führte die Beschuldigte nochmals aus: Da es sich um eine sehr formelle Angelegenheit handelt, hat sich die Beschwerdeführerin nochmals bei den Schweizer Zollbeamten erkundigt und diese versicherten ihr, dass alles erledigt sei und in Verkennung der Tatsachen zweifelte die Beschwerdeführerin nicht daran.

Auch Schweizer Zollbeamten ist die korrekte Vorgangsweise bekannt. Wenn die Beschuldigte - wie sie behauptet - sich bei den Schweizer Zollbeamten wirklich erkundigt hätte, dann wäre ihr auch mitgeteilt worden, dass sie diese Waren bei der Einfuhr in die Europäische Union verzollen muss. Das Gleiche gilt für Importe von der EU in die Schweiz.

Soweit die Beschuldigte vorbringt, es hätte keine Täuschungsabsicht gegeben, ist auf die Judikatur des VwGH hinzuweisen, dass das Verbringen einer Ware über die Grenze unter Verletzung der Gestellungspflicht die "klassische" Form des Schmuggels darstellt. Ein über die Verletzung der zollrechtlichen Gestellungspflicht hinausgehender Wille ist für die Tatbestandsverwirklichung des Schmuggels nach § 35 Abs. 1 FinStrG nicht erforderlich (vgl. ).

Das Passieren der Grenze ohne Erklärung, Gestellung der Waren oder Beantragung eines Zollverfahrens kann nie eine ausdrückliche Anmeldung ersetzen.

Der Finanzstrafsenat schließt sich den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis insoweit an, als sich aus dem Verhalten der Beschuldigte an der Grenze zwischen der Schweiz und der Europäischen Union ein grob fahrlässiges Verhalten ergibt, das sich zum einen aus dem Bildungsgrad und zum anderen aus der offensichtlichen Sorglosigkeit im Zusammenhang mit der Verbringung von Waren im Wert von über EUR 9.000,00 in das Zollgebiet ergibt.

Aufgrund der in der EU bekannten Reisefreigrenze, die von der Beschuldigten einfach ignoriert wurde, war es für sie daher als wahrscheinlich vorhersehbar, dass die erforderliche Verzollung der in der Schweiz gekauften Luxuswaren von ihr bei der Einreise in die Europäische Union oder in die Slowakei nicht durchgeführt wurde. Beim Grenzübertritt wird jeder Reisende auf die Möglichkeit erinnert, wo und wann eine Verzollung beim Eintritt in das Zollgebiet der Europäischen Union möglich wäre. Wenn sich daher die Beschuldigte anders entschieden hat und keine Verzollung durchgeführt hat, erfüllt das zumindest ein grob fahrlässiges Verhalten; ein vorsätzliches Verhalten war nicht Gegenstand des Verfahrens.

Rechtsirrtum:

§ 9 FinStrG: Dem Täter wird weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit zugerechnet, wenn ihm bei einer Tat ein entschuldbarer Irrtum unterlief, der ihn das Vergehen oder das darin liegende Unrecht nicht erkennen ließ; ist der Irrtum unentschuldbar, so ist dem Täter grobe Fahrlässigkeit zuzurechnen. Dem Täter wird Fahrlässigkeit auch dann nicht zugerechnet, wenn ihm bei der Tat eine entschuldbare Fehlleistung unterlief.

Entschuldbar ist ein Irrtum, wenn der Täter ohne jedes Verschulden, also auch ohne Verletzung einer Sorgfaltspflicht, in einer Handlungsweise weder ein Finanzvergehen noch ein darin liegendes Unrecht erkennen konnte (Hinweis ; ).

Ein Rechtsirrtum liegt dann vor, wenn der Täter darüber irrt, dass ein bestimmtes Verhalten, das er in seiner objektiven Beschaffenheit richtig erkannt hat, rechtlich verboten ist. Es handelt sich daher um einen Irrtum über Verbotsnormen, sohin um einen Verbotsirrtum. Der Täter handelt schon dann mit Unrechtsbewusstsein, wenn er sich dessen bewusst ist, dass sein Verhalten gegen die Rechtsordnung verstößt. Das Unrechtsbewusstsein muss zwar tatbildbezogen sein, setzt aber nicht die Kenntnis der jeweiligen Normen in ihren Einzelheiten voraus, sondern lediglich das allgemeine Wissen um das rechtliche Verbotensein eines Verhaltens (vgl. ; ).

Soweit in der Beschwerde auf eine Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes verwiesen wird, dass "man von Zollschuldnern nicht verlangen kann, sich jeweils an ausgewiesene Spezialisten im Zollrecht zu wenden" und, so das Bundesfinanzgericht weiter, es "kann von einem möglichen Zollschuldner nicht verlangt werden, sich mit zollrechtlichen Fragen unbedingt an ein Zollamt bzw Organe des Zollamtes Österreich zu wenden" (), darf schon festgehalten werden, dass es in dieser Entscheidung um die Frage gegangen ist, an welchen Fachmann sich eine Partei wenden soll/muss. In dem zitierten Verfahren wurde ein ausgewiesener Parteienvertreter als Unterstützung gewählt, der - wie sich in einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzgericht herausgestellt hat - kein Spezialist im Zollrecht war. Ein allfälliges Manko im zollrechtlichen Wissen des Parteienvertreters darf finanzstrafrechtlich jedoch der Partei nicht vorgeworfen werden, wenn man den Ausführungen dieses Parteienvertreters vertraut.

Im vorliegenden Fall hat sich die Beschuldigte offenbar vor dem Einkauf in der Schweiz gar nicht über die Modalitäten einer Verzollung in der Europäischen Union erkundigt, wie es nach der Rückerstattung der Schweizer Umsatzsteuer in der Europäischen Union zollrechtlich weitergehen könnte oder müsste, da sie der Ansicht war, das Zollgebiet der Gemeinschaft nicht verlassen zu haben.

In ihrer Eingabe vom führte die Beschuldigte nochmals aus, dass sie einem Irrtum unterlegen wäre. Zudem hat sie in der Beschwerde darauf hingewiesen, dass "sie weder von dem Unternehmen ***R1*** noch von Schweizer Zollbeamten über ihren Irrtum aufgeklärt wurde".

Der Senat kam zur Ansicht, dass die Frage des Zollgebietes allein vom Verteidiger ins Spiel gebracht wurde, der - so viel steht fest - zweifellos ein Spezialist auf diesem Gebiet ist. Das kann jedoch insoweit nicht zum Erfolg führen, da dieses Detailwissen zugunsten der Beschuldigten nur als nachträgliche Schutzbehauptung eingestuft wird. Die Beschuldigte als Privatperson, auf diesen Umstand wurde in der Beschwerde hingewiesen, hat diese Detailkenntnisse nach Meinung des Senates nicht. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Beschuldigte keinen Unterschied zwischen dem Hoheitsgebiet der Mitgliedsländer der Europäischen Union und dem Zollgebiet der Europäischen Union kennt.

Folgt man der Aussage der Beschuldigten, wonach die Schweizer Zollbeamten sagten, damit ist alles erledigt, kann damit nur gemeint sein, dass damit die Formalitäten für die Rückerstattung der Schweizer Umsatzsteuer erledigt sind.

Es stellt sich die Frage, ob sich die Beschwerdeführerin hier tatsächlich in einem Irrtum befunden haben kann.

Laut Eingabe vom sah aus Sicht der Beschwerdeführerin die Grenze zwischen der Schweiz und Österreich genauso aus wie jene zwischen der Slowakei und Österreich oder zwischen Österreich und Deutschland. Dadurch kam es zu dem gegenständlichen Missgeschick. Die Beschwerdeführerin untermauert dies durch nachstehende Abbildungen, die freilich aus einer laienhaften Perspektive zu würdigen sind (das Bild zeigt vermutlich eine Passkontrolle an einem Flughafen, in der EU, EEA und CH-Pässe gleichgestellt sind).

Dazu ist festzuhalten, dass die Tatsache, dass an einem Schalter an irgend einem Flughafen Reisepässe nicht nur von EU-Bürgerinnen und Bürgern, sondern auch von Schweizer Staatsangehörigen kontrolliert werden, für den vorliegenden Fall keinerlei Relevanz hat.

Einer Aufklärung über die weitere Vorgangsweise einer möglichen Zollabfertigung geht jedoch immer auch eine Frage voraus, was weiter zu tun wäre. Die Beschuldigte hat sich nicht auf eine fehlende Aufklärung verlassen und ist dadurch einem Irrtum unterlegen, sondern hat sich nach Ansicht des Senates hinsichtlich eines weiteren Zollverfahrens gar nicht erkundigt.

Der Behauptung, dass "die Beschwerdeführerin selbstverständlich darauf vertrauen konnte, dass sie von dem genannten Unternehmen und den Zollbeamten in der Schweiz darauf aufmerksam gemacht wird, dass sie die Waren in Österreich zu verzollen hat," ist zu erwidern, dass das genannte Unternehmen nur für die Rückerstattung der Schweizer Umsatzsteuer zuständig ist. Hätte die Beschuldigte tatsächlich gefragt, wie das Verfahren zollrechtlich weiterzuführen gewesen wäre, hätte man ihr sicherlich die korrekte Auskunft erteilt, da die Vorgangsweise der Verzollung bei der Einfuhr in ein anderes Zollgebiet weltweit gleich zu behandeln ist.

Die Beschuldigte hat sich allein durch die Rückerstattung der Umsatzsteuer einen entsprechenden Rabatt in Höhe der Schweizer Umsatzsteuer erwartet und alles andere ausgeblendet. Dass es sich hier um keinen Rabatt handelt, den sie vom Verkäufer durch einen geringeren Verkaufspreis erhalten hätte, war ihr insoweit bekannt, als von ihr von den Verkäuferfirmen noch erwartet wurde, die entsprechenden Unterlagen bei der Ausfuhr der Waren unter Vorweisung dieser Waren abstempeln zu lassen (damit die Ausfuhr für die Verkäufer nachgewiesen ist und entsprechende zollrechtliche Dokumente dafür vorliegen).

Diese Informationen werden bei Ausstellung der Unterlagen für die Rückerstattung der Schweizer Umsatzsteuer jedem Käufer, jeder Käuferin erklärt. Normaler Weise wird dabei auch erklärt, dass - abhängig vom Kaufpreis - die Waren bei der Einfuhr in das Heimatland der Käuferin/des Käufers einem Zollverfahren zuzuführen sind.

Weshalb die Beschuldigte hinsichtlich der Reisefreigrenze einem Irrtum unterlegen sein soll, ist nicht nachvollziehbar. Zusammengefasst liegt ein entschuldbarer Rechtsirrtum hier vor.

Laut Beschwerde wäre die Frage relevant, ob die Schweiz in das "Zollgebiet der Union" fällt.Diese Frage mag für Menschen aus Österreich einfach zu beantworten sein. Sie leben in der Nähe zur Schweizer Grenze. Für die aus der Slowakei stammende Einspruchswerberin gilt dies allerdings nicht! Die Beschuldigte ist von Beruf ***1***, d.h. von ihr kann mehr als ein durchschnittliches Wissen in puncto Europäische Union vorausgesetzt werden, da bei staatlich Bediensteten das grundsätzlich auch Teil der Ausbildung ist. Für den Senat ist es denkunmöglich, dass die Beschuldigte nicht wusste, dass die Schweiz kein Teil der EU und damit auch nicht Teil des gemeinsamen Zollgebietes ist.

Bei allem Respekt, aber wer eine hohe Verwaltungstätigkeit ausübt, von dem kann man auch erwarten, dass er sich in grundsätzlichen EU-Fragen auskennt. Dass es sich bei der Schweiz um einen unabhängigen Staat außerhalb der Europäischen Union handelt, der weder Mitgliedsstaat der Europäischen Union noch Teil des Zollgebietes der Europäischen Union ist, ist Allgemeinwissen, das man von einer Person in der Position der Beschuldigten fordern kann. Die Versuche, hier den Vergleich mit Wissen von Studierenden anzustellen, denen vom Verteidiger offenbar kein gutes Zeugnis ausgestellt wird, kann nur als Teil der Schutzbehauptungen bezeichnet werden, da auch von slowakischen Staatsbürgerinnen und -bürgern erwartet werden kann, dass sie - vor allem bei der Tätigkeit und Ausbildung der Beschuldigten - über diese Kenntnisse verfügen. Es ist hier nur auf das Wissen der Beschuldigten abzustellen, wobei zu prüfen ist, ob sie bei der Beurteilung des Sachverhaltes und der Rechtslage jenes Maß an gebotener pflichtgemäßer Sorgfalt aufgewendet, das von ihr objektiv nach den Umständen des Falles gefordert werden muss und ihr subjektiv nach ihren persönlichen Verhältnissen zugemutet werden kann.

Soweit laut Beschwerde "Erkundigungen hinzukommen, die die Beschwerdeführerin beim "Schweizer Zollbeamten" einholte", ist darauf hinzuweisen, dass auch die Schweizer Zollkollegen der Beschwerdeführerin die korrekte Vorgangsweise erklärt hätten, wenn sie danach gefragt hätte. Der Hinweis, man kann von ihr nicht verlangen sich auch noch bei weiteren Personen zu erkundigen (vgl. in der Beschwerde zitiertes BFG-Erkenntnis) geht insofern ins Leere, als offensichtlich die angebliche Auskunft schon bei Schweizer Zollbeamten nicht eingeholt wurde, da sie bei entsprechender Belehrung genau gewusst hätte, dass sie, wenn sie die Waren bei der Einfuhr in das Zollgebiet der Europäischen Union keinem Zollverfahren zuführt, einen Schmuggel begangen hätte. Bei eingeholter Auskunft der Schweizer Zollbeamten hätte die Beschuldigte jedoch die korrekte Vorgangsweise gewusst und trotz dieser Kenntnis die Waren weder gestellt noch erklärt hat, was zweifellos sämtliche Tatbestandsmerkmale eines Schmuggels im Sinne des § 35 Abs. 1 FinStrG erfüllt.

Zugunsten der Beschwerdeführerin ist der Senat, da eine Verböserung gemäß § 161 Abs. 3 FinStrG nicht in Frage kommt, daher zum Schluss gekommen, dass lediglich ein grob fahrlässiges Verhalten der Beschuldigten vorliegt.

Verwarnung:

Gemäß § 25 Abs. 2 FinStrG hat die Finanzstrafbehörde von der Einleitung oder von der weiteren Durchführung eines Finanzstrafverfahrens und von der Verhängung einer Strafe abzusehen, wenn das Verschulden des Täters geringfügig ist und die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat. Sie hat jedoch dem Täter mit Bescheid eine Verwarnung zu erteilen, wenn dies geboten ist, um ihn von weiteren Finanzvergehen abzuhalten.

Von der Verhängung einer Strafe ist gemäß § 25 Abs. 1 FinStrG bei keinen bzw. nur unbedeutenden Tatfolgen und einem nur geringfügigen Verschulden des Täters abzusehen. Ist auch nur eines der beiden Tatbestandselemente nicht erfüllt, so kommt die Anwendung dieser Gesetzesstelle nicht in Betracht.

Nachdem der Gesetzgeber selbst für geringfügige Finanzvergehen gemäß § 146 Abs. 2 Z. 3 FinStrG für Finanzvergehen nach den §§ 34, 36, 37 Abs. 3 und 44 bis 46 FinStrG bis zu einem strafbestimmenden Wertbetrag oder die Summe der strafbestimmenden Wertbeträge von € 3.000 eine Bestrafung mittels vereinfachter Strafverfügung ausdrücklich (gerade für Verfehlungen im Zollstrafbereich) vorsieht, ist zur Auslegung der Frage, was unter unbedeutenden Folgen zu verstehen ist, auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Laut höchstgerichtlicher Judikatur kann selbst bei einem Verkürzungsbetrag von umgerechnet € 1.671,00 keine Rede davon sein, dass die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen iSd § 25 FinStrG nach sich gezogen hat ().

Würde man bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von € 2.980,53 eine Verwarnung vorsehen, würde man dem Gesetzgeber unterstellen, mit der Bestimmung des § 146 FinStrG totes Recht geschaffen zu haben, da hier bei strafbestimmenden Wertbeträgen von bis zu € 3.000,00 eine vereinfachte Form der Bestrafung vorgesehen ist.

Somit kann bei einem strafbestimmenden Wertbetrag von € 2.980,53 nicht mehr von unbedeutenden Folgen gesprochen werden, sodass allein schon deshalb die Voraussetzungen für die Anwendung einer Verwarnung gemäß § 25 FinStrG nicht vorliegen.

Strafbemessung:

Gemäß § 23 Abs. 1 FinStrG ist Grundlage für die Strafbemessung die Schuld des Täters.

§ 23 Abs. 2 FinStrG: Bei der Bemessung der Strafe sind die Erschwerungs- und die Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist darauf Bedacht zu nehmen, ob es dem Täter darauf angekommen ist, sich oder einem Verband, als dessen Entscheidungsträger er gehandelt hat, durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine nicht nur geringfügige fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Eine wiederkehrende Begehung liegt vor, wenn der Täter bereits zwei solche Taten begangen hat oder einmal wegen einer solchen Tat bestraft worden ist. Ebenso ist bei der Bemessung der Strafe darauf Bedacht zu nehmen, ob die Verkürzung oder der Abgabenausfall endgültig oder nur vorübergehend hätte eintreten sollen. Im Übrigen gelten die §§ 32 bis 35 StGB sinngemäß.

§ 23 Abs. 3 FinStrG: Bei der Bemessung der Geldstrafe sind auch die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Täters zu berücksichtigen.

§ 23 Abs. 4 FinStrG: Bei Finanzvergehen, deren Strafdrohung sich nach einem Wertbetrag richtet, hat die Bemessung der Geldstrafe mit mindestens einem Zehntel des Höchstmaßes der angedrohten Geldstrafe zu erfolgen. Die Bemessung einer diesen Betrag unterschreitenden Geldstrafe aus besonderen Gründen ist zulässig, wenn die Ahndung der Finanzvergehen nicht dem Gericht obliegt.

§ 36 Abs. 3 FinStrG: Die Verzollungsumgehung wird mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des auf die Ware entfallenden Abgabenbetrages, die grob fahrlässige Verkürzung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben mit einer Geldstrafe bis zum Einfachen des Verkürzungsbetrages geahndet. § 35 Abs. 4 zweiter Satz und § 35 Abs. 5 sind anzuwenden.

§ 20 Abs. 1 FinStrG: Wird auf eine Geldstrafe oder auf Wertersatz erkannt, so ist zugleich die für den Fall der Uneinbringlichkeit an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe festzusetzen.

§ 20 Abs. 2 FinStrG: […] Bei Finanzvergehen, deren Ahndung in den Fällen des § 58 Abs. 2 lit. a dem Spruchsenat vorbehalten ist, dürfen die Ersatzfreiheitsstrafen das Höchstmaß von je drei Monaten und bei den übrigen Finanzvergehen das Höchstmaß von je sechs Wochen nicht übersteigen.

Bei der Bemessung der Strafe wurden vom Spruchsenat als mildernd die abgabenrechtliche Schadensgutmachung und die (Anmerkung: objektiv) geständige Verantwortung gewertet. Erschwerend zu werten war kein Umstand.

Wie in der Beschwerde ausgeführt war zwischenzeitig die Sorgepflicht für das minderjährige Kind zu berücksichtigen, wobei der angefochtenen Entscheidung durchaus zu entnehmen ist, dass der Spruchsenat zum Zeitpunkt der Entscheidung schon über die Information verfügte, dass laut Stellungnahme vom die Beschuldigte mittlerweile Mutter einer 2022 geborenen Tochter war.

Angesichts der Tatsache, dass die Beschuldigte vor diesem Finanzvergehen in der Schweiz Luxuswaren von mehr als € 9.000,00 netto eingekauft hat, darunter allein eine Tasche um brutto CHF 3.900,00, ist keineswegs von unterdurchschnittlichen finanziellen Verhältnissen der Beschuldigten auszugehen. Details wurden nicht mitgeteilt.

Aufgrund der laut schriftlicher Eingabe vom geänderten wirtschaftlichen Situation der Beschuldigten und der Sorgepflicht samt anhaltender Karenz bei darüber hinaus unveränderten Strafbemessungsgründen war die Geldstrafe mit € 500,00 festzusetzen. Eine weitere Reduzierung war neben spezialpräventiven Gründen vor allen aus generalpräventiven Gründen, um Reisende in vergleichbarer Situation von solchen Finanzvergehen abzuhalten, nicht möglich.

Bei den gleichen Strafbemessungsgründen war die Ersatzfreiheitsstrafe der Beschuldigten mit drei Tagen neu zu bemessen. Dabei kommt den persönlichen Verhältnissen und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Täters für die Bemessung der Ersatzfreiheitsstrafe keine Bedeutung zu (vgl. ).

Kostenentscheidung

Die Verfahrenskosten von € 50,00 gründen sich auf § 185 Abs. 1 lit. a FinStrG, wonach pauschal ein Kostenersatz im Ausmaß von 10% der verhängten Geldstrafe, maximal aber ein Betrag von € 500,00 festzusetzen ist.

Zur Unzulässigkeit der Revision

Gegen diese Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Eine ungelöste Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, die in der Judikatur nicht eindeutig geklärt ist, war für diese Entscheidung nicht von Bedeutung.

Feldkirch, am

Zusatzinformationen


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Materie
Finanzstrafrecht Verfahrensrecht
betroffene Normen
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.1300006.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at