Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2023, RV/2101235/2017

1. Umsätze bzw. Einkünfte aus dem Verkauf von Scheinrechnungen 2. Bindung an verurteilende Strafentscheidung (vorsätzliche Abgabenverkürzung)

Beachte

VfGH-Beschwerde zur Zahl E 43/2024 anhängig.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***Ri*** in der Beschwerdesache des ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung (nunmehr: Finanzamt Österreich) vom betreffend 1) Umsatzsteuer und Einkommensteuer je 2008 bis 2012, sowie über die Beschwerden vom gegen die Bescheide vom betreffend 2)Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 2012 und 3) Anspruchszinsen 2008 bis 2012 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

(1) Strittig ist, ob das Finanzamt in den angefochtenen Bescheiden zu Recht davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer (Bf.) in den Streitjahren durch die Veräußerung von Scheinrechnungen als Einzelunternehmer steuerpflichtige Umsätze bzw. Einkünfte erzielt hat.

(2) Beim Bf. fand eine die Streitjahre umfassende abgabenbehördliche Außenprüfung statt (Art der Tätigkeit laut Bericht: "Ohne Branchenkennzeichnung"). In seinem Bericht vom traf der Prüfer ua. folgende Feststellungen:

"(…) Tz 2 Verkauf Scheinrechnungen:

Nach dem Ermittlungsergebnis des bei der Staatsanwaltschaft unter GZ 12St345/14m geführten Verfahrens ist davon auszugehen, dass [der Bf.] im Zeitraum 2008 bis 2012 als faktischer Machthaber im Rahmen der Fa. S GmbH Scheinrechnungen dieser Unternehmung gegen Entgelt an Wahrnehmende im Rahmen der unten angeführten Firmen veräußert hat.

Den in Rede stehenden Rechnungen lagen tatsächlich keine Leistungen zugrunde. Belegt ist dies einerseits durch die im Rahmen von Hausdurchsuchungen bei der Fa. S* sichergestellten Arbeitsaufzeichnungen, andererseits durch die geständigen Aussagen des EH. Dieser gab an, als Dienstnehmer über Veranlassung des [Bf.] sowohl Eingangsrechnungen als auch Ausgangsrechnungen der Fa. S* GmbH gefälscht zu haben, wobei die Ausgangsrechnungen [vom Bf.] gegen ein Entgelt in Höhe von rund 10 - 12% der Rechnungssummen an die Verantwortlichen der Empfängerfirmen verkauft wurden. Von den so vereinnahmten Geldern wurden laut Aussagen des EH* ein monatlicher Betrag von durchschnittlich € 4.500,- an den Scheingeschäftsführer LM bzw. ein monatlicher Betrag von durchschnittlich € 2.500,- an EH* selbst bezahlt.

Die [vom Bf.] erzielten Umsätze und Einnahmen wurden bis dato gegenüber der Abgabenbehörde nicht offengelegt.

Die Höhe der Umsätze wurde gemäß § 184 BAO mit 10% der Scheinrechnungssummen geschätzt und ergeben sich daraus folgende Besteuerungsgrundlagen, wobei sich die Höhe der zu schätzenden betrieblichen Aufwendungen ebenfalls an den Aussagen des EH* orientierte:


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ReEmpfänger
2008
2009
2010
2011
2012
R
1.274.583
1.637.049,55
2.256.435
2.349.006
79.430
M
126.000
2.104.525
909.570
33.600
L*
632.793
475.542
SM*
257.310
1.026.052,90
I*
315.660
398.341
404.880
233.420
32.760
Summe
1.716.243
4.139.915,55
3.570.885
3.506.129
1.613.784,90
davon 10% Provision
171.624,30
413.991,56
357.088,50
350.612,90
161.378,49

Gewerbebetrieb: Einnahmen


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Zeitraum
2008
2009
2010
2011
2012
Vor Bp
0,-
0,-
0,-
0,-
0,-
Nach Bp
143.020,25
344.992,96
297.573,75
292.177,42
134.482,08
Differenz
143.020,25
344.992,96
297.573,75
292.177,42
134.482,08

Gewerbebetrieb: Ausgaben


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Zeitraum
2008
2009
2010
2011
2012
Vor Bp
0,-
0,-
0,-
0,-
0,-
Nach Bp
-84.000
-84.000
-84.000
-84.000
-84.000
Differenz
-84.000
-84.000
-84.000
-84.000
-84.000

Steuerliche Auswirkungen


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Zeitraum
2008
2009
2010
2011
2012
Umsatzsteuer
Steuerbarer Umsatz
143.020,25
344.992,96
297.573,75
292.177,42
134.482,08
20% Normalsteuersatz
143.020,25
344.992,96
297.573,75
292.177,42
134.482,08

Tz 3 Provisionen "V" (…)

Tz4 Privathaus (…)

Prüfungsabschluss

Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO

Hinsichtlich nachstehend angeführter Abgabenarten und Zeiträume wurden Feststellungen getroffen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen:
Abgabenart
ZeitraumFeststellung
Einkommensteuer
2012Tz 2, 3, 4

Die Wiederaufnahme erfolgte unter Bedachtnahme auf das Ergebnis der durchgeführten abgabenbehördlichen Prüfung und der sich daraus ergebenden Gesamtauswirkung. Im vorliegenden Fall können die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden. Bei der im Sinne des § 20 BAO vorgenommenen Interessensabwägung war dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit (Gleichmäßigkeit der Besteuerung) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit (Parteiinteresse an der Rechtskraft) einzuräumen. (…)"

(3) Auf Basis dieser Feststellungen verfügte das Finanzamt hinsichtlich der Einkommensteuer für 2012 die Wiederaufnahme des Verfahrens und erließ die nunmehr angefochtenen Bescheide (Umsatzsteuer, Einkommensteuer und Anspruchszinsen 2008 bis 2012). In deren Begründung wird jeweils auf den Prüfungsbericht vom verwiesen.

(4) Mit Schriftsätzen je vom wurde Beschwerde gegen die Umsatz- und Einkommensteuerbescheide erhoben.

Die Beschwerde rügt, dass die Bescheide keine taugliche Begründung enthalten würden, da im Prüfungsbericht nicht dargelegt werde, welche konkreten Rechnungen aus welchen konkreten Gründen als Scheinrechnungen qualifiziert würden. Soweit sich die Abgabenbehörde in ihrer Begründung auf ein bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängiges Verfahren stütze, werde beantragt, das Abgabenverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängigen Verfahrens zu unterbrechen. Wenn die Ermittlungsergebnisse in jenem Verfahren die Grundlage für die Abgabenfestsetzung bilden würden, dann müssten zunächst einmal die Ermittlungsergebnisse (der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft) feststehen.

Die Abgabenbehörde habe sich nur auf die Angaben des (im Strafverfahren ebenfalls verdächtigen) EH gestützt, eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Bf. sei nicht erfolgt. Die materielle Wahrheit sei nicht ermittelt worden und es gebe keine Beweiswürdigung. Bei Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens hätte die Abgabenbehörde (insbesondere) erkannt, dass der Bf. nie an der S* GmbH beteiligt und auch nie Organ dieser Gesellschaft gewesen sei. Er habe auch nicht über deren Konten verfügen können und nichts mit dem Rechnungswesen der S* GmbH zu tun gehabt. Daher könne er auch nicht ernstlich als "faktischer Machthaber" dieser Gesellschaft angesehen werden. Wenn er aber faktischer Machthaber der S* GmbH gewesen sein sollte (was jedoch bestritten werde), dann habe er als solcher für diese Gesellschaft gehandelt und könne somit keine für ihn persönlich steuerpflichtigen Umsätze bzw. Einkünfte erzielt haben.

Die gegen den Wiederaufnahmebescheid gerichtete Beschwerde vom wird - auszugsweise wörtlich wiedergegeben - wie folgt begründet:

"(…) Als Prüfungsergebnis wird seitens der belangten Behörde dargestellt, dass der Beschwerdeführer als faktischer Machthaber der S GmbH Scheinrechnungen veräußert hat. - Selbst wenn diese Unterstellung (was freilich bestritten wird) richtig wäre, dann würde dies bedeuten, dass der Beschwerdeführer als faktischer Machthaber für die S GmbH gehandelt hat, sohin also für diese Einkünfte erzielt hat. Dies wiederum rechtfertigt aber nicht die Wiederaufnahme des gegenständlich betreffenden Einkommensteuerverfahrens. Es ist auch kein Grund dafür angeführt, warum in dieser Konstellation (faktische Machthabung für einen Dritten) eine solche Wiederaufnahme eines die persönliche Einkommensteuer des Beschwerdeführers betreffenden Verfahrens gerechtfertigt wäre."

In den Beschwerdeschriften (vom ) gegen die Anspruchszinsenbescheide wird geltend gemacht, dass die bezüglichen Einkommensteuerbescheide noch nicht rechtskräftig seien und daher für die Festsetzung von Anspruchszinsen keine taugliche Grundlage bestehe.

(5) Mit Beschwerdevorentscheidungen (je) vom wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab.

(5.1) In der (gesonderten) Begründung der die Sachbescheide betreffenden Beschwerdevorentscheidung führt das Finanzamt einleitend aus:

"Der Außenprüfungsbericht wurde dem Bf. am zugestellt.

Im Bericht der Außenprüfung ist die jeweilige Jahressumme der als Scheinrechnungen qualifizierten Rechnungen dargelegt. Dem Rechtsvertreter des Bf. wurden sämtliche Scheinrechnungen in Kopie auf einem Datenträger gespeichert (wie mit diesem vereinbart) übergeben. Diese Kopien sind ebenfalls Beilage der unten stehenden Sachverhaltsdarstellung und werden mit dieser Stellungnahme nochmalig dem Bf. zugestellt (…)"

Im Weiteren enthält die Begründung eine ausführliche Zusammenfassung der Ermittlungsergebnisse der Steuerfahndung. Insbesondere wird ausgeführt wie folgt:

"Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen gelangte die Ermittlungsbehörde in dem beim Beschuldigten [Anmerkung: dem Bf.] für den Zeitraum 2008 bis 2012 durchgeführten Außenprüfungsverfahren zur Überzeugung, dass sich [der Bf.] unter Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Firma S* GmbH die Verfügungsmacht über Scheinrechnungen verschaffte, die unter dieser Firma ausgestellt wurden. Nach der Verdachtslage hat [der Bf.] die Arbeitnehmer EH sowie DK dazu bestimmt, die Anfertigung der in Rede stehenden Scheinrechnungen vorzunehmen (siehe dazu auch Vernehmungen des EH* mitbeschuldigt. ab , Anlage 2).

Mittels der Scheinrechnungen der Firma S* GmbH wurde [vom Bf.] in der Folge ein als schwunghaft zu bezeichnender Handel betrieben und dienten ihm diese als Einkunftsquelle. So konnte festgestellt werden, dass offensichtlich Geschäftswahrnehmende der Firmen R Schweißtechnik GmbH, M GmbH, L GmbH, SM Arbeitskräfteüberlassung GmbH und I GmbH im Zeitraum 2008 bis 2012 als entgeltliche Erwerber solcher Scheinrechnungen auf den Plan traten und zur Umsetzung weiterer steuerlicher Malversationen nutzten. Die Bezug habenden Ermittlungen insbesondere die Berechnung der diesbezüglichen Schadenssummen sind noch nicht abgeschlossen, der [Bf.] wird in den dortigen Finanzstrafverfahren insoweit als Beitragstäter zu führen sein. (…)

Zur Qualifizierung der gegenständlichen Belege als Scheinrechnungen wird nochmalig undergänzend festgestellt:

Im Zuge der seitens der Steuerfahndung zu GZ 99St99/15 t (GZ alt 88St88/12f) in 8XXX Graz, P-Straße 999 durchgeführten Durchsuchungen wurden originäre Arbeitsaufzeichnungensowie Auszahlungslisten für sämtliche Mitarbeiter der Unternehmen für den Zeitraum 2008 bis2012 als Beweismittel sichergestellt. Aus diesen Aufzeichnungen waren nicht nur dietatsächlichen Auszahlungsbeträge für Lohnzahlungen an die Mitarbeiter nachvollziehbar, sondern ab dem Jahr 2010 auch deren Einsatzgebiet. D.h. es war nachvollziehbar, bei welchenKunden bzw. in welchem Stundenausmaß die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte tatsächlichtätig waren und zugleich auszuschließen, dass den in Rede stehenden Fakturen tatsächlicheLeistungen der Firma S GmbH zugrunde lagen. Auf Grundweiterer dort sichergestellter Beweismittel war nachvollziehbar, dass die Rechnungsinhalte(Leistungsort, Leistungsart, Leistungsumfang, Rechnungsbeträge) von denRechnungsempfängern in einer Art Bestellung (der Rechnung) vorgegeben wurden und dieRechnungen in der Folge den Anforderungen entsprechend spiegelbildlich ausgestellt wurden(Anlage 3).

Die Bezug habenden Aussagen des EH bestätigten die schon aus den bisherigenErmittlungen zu Tage tretenden Sachverhalte und kommt ihnen daher ein hoherWahrheitsgehalt zu. Zudem belastet sich EH* selbst, indem er seine Mitwirkung an derAusstellung der Scheinrechnungen zugibt. Die detaillierte Darstellung der malversiven Praktikendes [Bf.] lassen keine Zweifel offen, dass [der Bf.] seinen Tatplan mit einemüberdurchschnittlich hohen Organisationsgrad umgesetzt hat. Dies beginnt bei derZwischenschaltung der für die Abgabenbehörde nicht greifbaren ausländischen Geschäftsführer, den fingierten Darstellungen in den Büchern und Aufzeichnungen der Firma S GmbH bis hin zu den teilweisen kontenmäßigen Abwicklungen der letztlich nurvorgeblich erfolgten Zahlungsströme im Zusammenhang mit den tatsächlich nicht erbrachtenLeistungen und deren Abrechnungen.

Auch die laufenden Ermittlungen der Steuerfahndung bei den Scheinrechnungsempfängernförderten eindeutige Beweise über fingierte Leistungsabrechnungen der Firma S GmbH zu Tage. (…)

Zusammenfassend kann überdies aus den im Rahmen der Durchsuchungen bei den Firma L* GmbH, SM* GmbH und I* GmbH resultierenden Ermittlungsergebnissen abgeleitet werden,dass unter Ausnutzung der in Rede stehenden Scheinrechnungen erhebliche steuerlicheMalversationen betrieben wurden.

Es wurden bei den vermeintlichen Auftraggebern der Firma S GmbH, abgesehen von den fingierten Belegen (Rechnungen, Faxbestellungen zu denRechnungen) keinerlei betriebliche Aufzeichnungen (insbesondere Arbeitsaufzeichnungen)sichergestellt, die Leistungen von Mitarbeitern der Firma S GmbHim Zusammenhang mit den Rechnungen It. TZ 2 des Außenprüfungsberichtes belegen. Dementgegen war, wie weiter oben bereits dargestellt, die Mitwirkung von Mitarbeitern der Firma S GmbH bei der Erledigung von Aufträgen über weite Bereichesogar auszuschließen und festzustellen, dass die Aufträge tatsächlich mit nur eigenenArbeitskräften der Firmen L*, SM* und I* GmbH erledigt wurden.

In Anbetracht der Höhe der so verrechneten Leistungen entbehrt letztlich das Fehlen vonArbeits- und Leistungsaufzeichnungen sowohl beim leistenden Unternehmen als auch bei denLeistungsempfängern im Lichte wirtschaftlicher Gepflogenheiten und bei lebensnaherBetrachtung jeder Grundlage und ist die Verdachtslage über das Vorliegen vonScheinrechnungen schon insoweit als bestätigt anzusehen.

b) Zur Höhe der aus dem Handel mit Scheinrechnungen erzielten Umsätze undEinnahmen:

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden die vom Beschuldigten erzieltenUmsätze und Einnahmen aus dem Handel mit Scheinrechnungen gem. § 184 BAO durchSchätzung ermittelt. Es wird dazu auf die Ausführungen im vorliegenden Außenprüfungsberichtvom TZ 2 (Anlage 17) verwiesen.

Die Schätzung erfolgte insbesondere unter Bedachtnahme auf die Ausführungen desBeschuldigten EH, wonach der Veräußerungserlös der Rechnungen (Anlage 6)zumindest 10% der jeweiligen Rechnungssumme betrug und Teile der so vereinnahmten Gelderan EH* selbst und in der Folge an DK (€ 2.500.- monatlich) bzw. die im Rahmender involvierten Gesellschaften implementierten Scheingeschäftsführer (… insgesamt€ 4.500.- monatlich) weitergeleitet wurden, auch wenn die angeblich an dieScheingeschäftsführer weitergeleiteten Gelder der Höhe nach eher fraglich sind, da EH* nacheigenen Angaben die Bezug habenden Informationen lediglich aus Aussagen des [Bf.] abgeleitet hat (siehe Niederschrift vom letzter Absatz, Anlage 7) und soweitAussagen der angeblichen Geldempfänger vorliegen, die Entlohnung für dieScheingeschäftsführer das im Rahmen der Schätzung zum Ansatz gebrachte Ausmaß nichterreichten. Unter Bezugnahme auf die Ausführungen im Schlussbericht zu GZ 99St99/15 t(Seite 33 und 34 jeweils letzter Absatz) bestätigte KN* den Erhalt von monatlich € 1.500.-sowie LM* den Erhalt von rund € 800.- bis € 1.000.- monatlich.

Die ermittelten Besteuerungsgrundlagen basieren daher auf einer vorsichtigen Schätzungzugunsten des Beschuldigten und waren ihm die zum Ansatz gebrachten Umsätze und Gewinnezumindest wie folgt zu unterstellen:


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2008
2009
2010
2011
2012
Umsatz netto 20% Ust
143.020,25
344.992,96
297.573,75
292.177,42
134.482,08
Gewinn
59.020,25
260.992,96
213.573,75
208.177,42
50.482,08

(…)"

(5.2) Die Abweisung der gegen den Wiederaufnahmebescheid gerichteten Beschwerde begründet das Finanzamt wie folgt:

"Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen der Behörde in dem beim Beschuldigten für den Zeitraum 2008 bis 2012 durchgeführten Außenprüfungsverfahren gelangte diese zur Überzeugung, dass sich der Beschwerdeführer, (…) unter Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der Firma S* die Verfügungsmacht über Scheinrechnungen verschaffte, die unter dieser Firmenbezeichnung ausgestellt wurden. Nach der Verdachtslage hat [der Bf.] die Arbeitnehmer EH sowie DK dazu bestimmt, die Anfertigung der in Rede stehenden Scheinrechnungen vorzunehmen.

Mittels der Scheinrechnungen der Firma S* wurde [vom Bf.] in der Folge ein schwunghafter Handel betrieben, sodass ihm dieser als Einkunftsquelle diente und die Provisionen offensichtlich von diesem auch vereinnahmt wurden, auch wenn er sich nach der Verdachtslage bei der Anfertigung der in Rede stehenden Scheinrechnungen der Mitwirkung der Arbeitnehmer EH* und DK* bediente.

Somit war der wirtschaftliche Erfolg aus dem Handel von Scheinrechnungen unmittelbar dem Beschwerdeführer zuzurechnen gewesen. Aufgrund der Ermittlungen gab es keinen Zweifel, dass die Einkunftsquelle aus einem persönlichen Tätigwerden desBeschwerdeführers herrührte und bei solchen Geschäften es zwangsläufig üblich ist, diesehinter dem Geschäftsbetrieb steuerlich erfasster Unternehmen zu verdecken.

Somit sind die lukrierten Provisionserlöse aus dem Handel mit Scheinrechnungen auchjenem Steuersubjekt zuzurechnen, bei dem sich der wirtschaftliche Erfolg - inwirtschaftlicher Betrachtungsweise - einstellt und sind diese Einnahmen beimBeschwerdeführer anzusetzen.

Durch die Vormachtstellung des Beschwerdeführers im Rahmen der S* wurde der Erwerbstätigkeit Vorschub geleistet, diese war jedoch inwirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht ausschlaggebend, da diese auch unter jederanderen Firmenbezeichnung umsetzbar gewesen wäre.

Der Bescheid war demzufolge gem. § 303 Abs. 1 BAO zu erlassen, da diese Tatsachen imZuge der Außenprüfung neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umständeallein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruchanders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

(5.3) Die Abweisung der gegen die Anspruchszinsenbescheide eingebrachten Beschwerde begründet das Finanzamt im Wesentlichen folgendermaßen:

"Nach dem Normzweck des § 205 BAO gleichen Anspruchszinsen die (möglichen) Zinsvorteile beziehungsweise Zinsnachteile aus, die sich aus unterschiedlichen Zeitpunkten der Abgabenfestsetzung ergeben. Dabei löst jede Nachforderung beziehungsweise Gutschrift gegebenenfalls einen (neuen) Anspruchszinsenbescheid aus. Es liegt daher je Differenzbetrag eine Abgabe vor, hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die Zinsberechnung sind die Anspruchszinsenbescheide an die Höhe der im Spruch des Einkommen- oder Körperschaftsteuerbescheides ausgewiesenen Nachforderung gebunden (…).

Die Vorschreibung von Anspruchszinsen im Sinne des § 205 BAO ist somit eine sich aus dem Gesetz ergebende objektive Rechtsfolge und steht daher nicht im Ermessen der Abgabenbehörde. Die Bestimmung berücksichtigt auch nicht die Gründe, aus welchen im Einzelfall Differenzbeträge an Einkommen- oder Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden ergeben, nicht bis 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres entrichtet wurden. Die Ursachen, die zur Abgabenentrichtung nach dem dort genannten Zeitpunkt geführt haben, sind im Anwendungsbereich des § 205 BAO daher grundsätzlich nicht maßgeblich.

Insbesondere kommt es nicht auf ein Verschulden am Entstehen zinsenrelevanter Nachforderungen an, denn sowohl aus dem Gesetzestext als auch aus den Erläuterungen der Regierungsvorlage geht klar hervor, dass die Anspruchsverzinsung verschuldensunabhängig ist.

Eine erfolgreiche Bekämpfung der Anspruchszinsenbescheide beziehungsweise derenBindung gegenüber den Einkommensteuerbescheiden ist auch nicht mit derBegründung möglich, die maßgebenden Einkommensteuer-Bescheide seien inhaltlichrechtswidrig. (Vgl. Ritz Tz. 34 zu § 205 BAO). (…)"

(6) In den fristgerecht eingebrachten Vorlageanträgen wurde seitens des Bf. kein weiteres Vorbringen erstattet.

(7) Mit Urteil des Straflandesgerichtes Graz vom , 12Hv3456/21, wurde der Bf. - neben einigen anderen Delikten - der vorsätzlichen Abgabenverkürzung (mehrfache Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 § 11 teils zweiter und teils dritter Fall FinStrG) schuldig gesprochen, und zwar ua. dadurch, dass er es als Einzelunternehmer hinsichtlich der Umsatzsteuer und der Einkommensteuer je für 2008 bis 2012 unterlassen habe, fristgerecht Jahressteuererklärungen einzureichen, wodurch die angeführten Abgaben wegen Unkenntnis der Abgabenbehörde von der jeweiligen Entstehung des Abgabenanspruches mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nicht festgesetzt werden konnten (S. 2f. des genannten Strafurteiles). Durch diese Handlungen habe er als Einzelunternehmer vorsätzlich nachstehende Abgabenverkürzungen bewirkt, nämlich an Umsatzsteuer
für das Jahr 2008 iHv. € 28.604,05
für das Jahr 2009 iHv. € 68.998,59
für das Jahr 2010 iHv. € 59.514,75
für das Jahr 2011 iHv. € 58.435,48
für das Jahr 2012 iHv. € 26.896,42 (Punkt B I.1.1.3. des Strafurteiles) sowie

an Einkommensteuer
für das Jahr 2008 iHv. € 28.023,13
für das Jahr 2009 iHv. € 128.344,56
für das Jahr 2010 iHv. € 205.210,96
für das Jahr 2011 iHv. € 267.932,00
für das Jahr 2012 iHv. € 29.759,00 (Punkt B I.1.2.2. des Strafurteiles).

Für die oa. Abgabenverkürzungen (und einige weitere Vergehen) wurde der Bf. zu einer Geldstrafe von € 8 Mio. (Ersatzfreiheitsstrafe 1 Jahr) verurteilt (S. 21 des Urteiles).

Das Gericht traf in seinem Urteil zu den vom Bf. als Einzelunternehmer bewirkten Abgabenverkürzungen folgende Feststellungen (Urteil S. 120ff.; Hervorhebungen durch das BFG):

"[Der Bf.] war höchstpersönlich zur Einkommensteuer beim Finanzamt Graz-Umgebung (…) steuerlich erfasst. Obwohl er als Einzelunternehmer in den Jahren 2008 bis 2012 beträchtliche Umsätze und Gewinne erwirtschaftete, unterließ er es jeweils unter vorsätzlicher Verletzung der ihn als Einzelunternehmer treffenden abgabenrechtlichen Anzeige-, Offenlegungs- und Wahrheitspflicht für die angeführten Kalenderjahre bis spätestens Ende April bzw Juni (= im Falle elektronischer Übermittlung) des jeweiligen Folgejahres Jahressteuererklärungen einzureichen. Durch dieses Verhalten bewirkte er vorsätzlich - zumal die Abgaben infolge Unkenntnis der Abgabenbehörde von der jeweiligen Entstehung des Abgabenanspruchs mit dem Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nicht festgesetzt werden konnten - Verkürzungen der Umsatzsteuer als Einzelunternehmer(…) und der Einkommensteuer" in der jeweils oa. Höhe.

"Aufgrund der im schlüssigen und nachvollziehbaren Bericht der gemäß § 150 BAO Außenprüfung des Finanzamtes Graz-Umgebung [beim Bf.] enthaltenen Prüfungsfeststellungen, der plausiblen Ausführungen des in der Hauptverhandlung vom als Zeugin förmlich vernommenen Steuerfahnderin J und des in der Hauptverhandlung vom (ON 253 PS16) vernommenen Zeugen RL, des - [den Bf.] als Einzelunternehmer betreffenden - Abschlussberichtes des Amtes für Betrugsbekämpfung (ON 150) und der sein Einzelunternehmen betreffenden Prüfungsfeststellungen (ON 217a) ist erwiesen, dass [der Bf.] durch das schuldspruchsgegenständliche Tathandeln als Einzelunternehmer vorsätzlich die im Schuldspruch bezeichneten Abgabenverkürzungen bewirkte.

1) von [Bf.] erwirtschaftete Umsätze und lukrierte Einnahmen aus der Veräußerung von Scheinrechnungen:

Auf Basis der von der Abgabenbehörde vorgenommenen Verprobung der oben angesprochenen Scheinrechnungen der S GmbH, aber auch der MMt GmbH und der REA-GmbH mit den anlässlich der Durchsuchung der Geschäftsräumlichkeiten der vorgenannten Gesellschaften sichergestellten "Baustellenlisten" sowie aufgrund der bereits erörterten glaubhaften Aussagen des Zweitangeklagten EH (zur Scheinrechnungslegung und zum Verkauf von Scheinrechnungen gegen Provision i.H.v. 10 % bis 12 % der Scheinrechnungssummen) steht zweifelsfrei fest, dass [der Bf.] im Zeitraum 2008 bis 2012 Einnahmen aus der Veräußerung derartiger Scheinrechnungen der MMt GmbH, der S GmbH und der REA-GmbH an andere Gesellschaften lukriert, in diesem Zusammenhang höchstpersönlich Umsätze erwirtschaftet hat und diese Einkünfte und Umsätze gegenüber der Abgabenbehörde nicht offengelegt bzw. die daraus resultierende Umsatzsteuer und Einkommensteuer hinterzogen hat.

Schon in den ursprünglichen bei der Staatsanwaltschaft Wien (Anlage 2/2) sowie beim Arbeitsinspektorat (Anlage 2/3) eingegangenen Anzeigen wird der Beschuldigte [Bf.] als eigentlicher Machthaber der Involvierten Firmen dargestellt. Konkret wurde darauf hingewiesen, dass [der Bf.] mit vorgeschobenen, jugoslawischen Geschäftsführern, die nicht einmal der deutschen Sprache mächtig sind, einen Schlossereibetrieb in der P-Straße 999 in G betreibe. In der bei der Staatsanwaltschaft eingebrachten Anzeige wurde überdies auch der Beschuldigte EH* belastet, der letztlich im Rahmen seiner Vernehmungen (siehe Ausführungen zum Beschuldigten EH*) ein geständiges Verhalten an den Tag gelegt hat und den Beschuldigten [Bf.] hinsichtlich seiner faktischen Vormachtstellung und Geschäftsführung im Rahmen der involvierten Firmen aber auch als Verantwortlichen für die Ausstellung von Scheinrechnungen der Fa. S* GmbH schwer belastet.

Auch die Ermittlungsergebnisse der Finanzpolizei bezüglich der im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsführer BS, LM, MZ sowie KN lassen eindeutig den Schluss zu, dass diese Personen ihre Geschäftsführerfunktion im Auftrag des tatsächlichen wirtschaftlichen Machthabers [Bf.] wahrgenommen haben, zumal die Genannten nach den Ergebnissen der finanzpolizeilichen Ermittlungen nur gelegentlich während kurzer Inlandsaufenthalte die Geschäftsräume der MMt GmbH, der S GmbH und der REA-GmbH aufsuchten, dort über kein eigenes Büro oder einen Computeranschluss verfügten und die handelsrechtlichen Geschäftsführer nur auf Anweisung des Erstangeklagten die zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs der vorgenannten Gesellschaften unerlässlichen Tätigkeiten (Unterfertigung vorbereiteter Urkunden und Vornahme von Bankbehebungen auf Anweisung des [Bf.] oder des EH) entfalteten.

Als erwiesen steht fest, dass sich [der Bf.] unter Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der S* GmbH die Verfügungsmacht über Scheinrechnungen verschaffte, die unter dieser Firma ausgestellt wurden. [Der Bf.] hat seine Arbeitnehmer (die Mitangeklagten) EH sowie DK dazu bestimmt, die Anfertigung der in Rede stehenden Scheinrechnungen vorzunehmen (siehe dazu auch Vernehmungen des EH ab ). Mittels der Scheinrechnungen der S*-GmbH wurde von [Bf.] in der Folge ein Handel betrieben und dienten ihm diese als Einkunftsquelle.

So erwiesen die Finanzpolizei und die Betriebsprüfer, dass Geschäftswahrnehmende der Firmen R Schweißtechnik GmbH, M GmbH, L GmbH, SM Arbeitskräfteüberlassung GmbH und I GmbH im Zeitraum 2008 bis 2012 als entgeltliche Erwerber solcher Scheinrechnungen auf den Plan traten und zur Umsetzung weiterer steuerlicher Malversationen nutzten.

Die Qualifizierung der gegenständlichen Belege als Scheinrechnungen steht zweifelsfrei fest, da im Zuge der seitens der Steuerfahndung zu GZ 99St99/15 t (GZ alt 88St88/12f) in G, P-Straße 999 durchgeführten Durchsuchungen nicht nur originäre Arbeitsaufzeichnungen ("Baustellenlisten) - worin der zeitliche Einsatz der einzelnen (teilweise bei anderen Firmen eingesetzten) Dienstnehmer auf den jeweiligen Arbeitsorten (Baustellen) penibel verzeichnet wurde - sondern Auszahlungslisten für sämtliche Mitarbeiter der MMt GmbH, der S GmbH und der REA-GmbH für den Zeitraum 2008 bis 2012 als Beweismittel sichergestellt. Aus diesen Aufzeichnungen waren die tatsächlich ausgezahlten Löhne (nämlich einerseits die über die offiziellen Lohnkonten ausgezahlten Löhne und andererseits die teilweise von [Bf.] höchstpersönlich und teilweise über von ihm beauftragte Angestellte [EH und DK, welche im übrigen auch die Baustellenlisten führten und Kenntnis über den Umfang der tatsächlichen Arbeitseinsätze der Dienstnehmer hatten] ausgezahlten Schwarzlöhne ersichtlich. Ein Abgleich der Auszahlungslisten mit den sichergestellten Baustellenlisten erwies eindeutig, dass es sich bei einer Vielzahl der in den Buchhaltungsunterlagen der MMt GmbH, aber auch der R-Schweißtechnik GmbH, der M GmbH, L*, der SM Arbeitskräfteüberlassung GmbH und I GmbH eingestellter Ausgangsrechnungender S GmbH um Scheinrechnungen (für angeblich erbrachte Leistungen als Subunternehmen) handelt, welchen kein tatsächlicher Leistungstausch bzw keine tatsächliche Arbeitskräfteüberlassung in dem in den Scheinrechnungen verzeichneten Umfang zugrunde lag. Zumal die Baustellenlisten nachvollziehbar dokumentieren, bei welchen Kunden bzw. in welchem Stundenausmaß die zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte tatsächlich tätig waren, konnten die Steuerfahnder und Betriebsprüfer mit schlüssig nachzuvollziehender Begründung auszuschließen, in welchem Umfang der in Rede stehenden Rechnungen keine tatsächlichen Leistungen der S* GmbH zugrunde lagen. Auf Grund weiterer dort sichergestellter Beweismittel war nachvollziehbar, dass die Rechnungsinhalte (Leistungsort, Leistungsart, Leistungsumfang, Rechnungsbeträge) von den Rechnungsempfängern in einer Art Bestellung (der Rechnung) vorgegeben wurden und die Rechnungen in der Folge den Anforderungen entsprechend spiegelbildlich ausgestellt wurden. (ON 150, AS 25)

Zur Höhe der aus dem Handel mit Scheinrechnungen erzielten Umsätze und Einnahmen:

Im Rahmen einer abgabenbehördlichen Prüfung wurden die vom Beschuldigten erzielten Umsätze und Einnahmen aus dem Handel mit Scheinrechnungen gem. § 184 BAO durch Schätzung ermittelt. Auf die nachstehenden Prüfungsfeststellungen des Betriebsprüfers des Finanzamtes Graz-Umgebung im vorliegenden Betriebsprüfungsbericht vom (…) wird identifizierend verwiesen: (…)"

Im Weiteren folgen Verweise bzw. wörtliche Wiedergaben des abgabenbehördlichen Prüfungsberichtes vom 14.12.20215.

(8) Die gegen dieses Urteil des Straflandesgerichtes Graz erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Bf. wies der OGH mit Entscheidung vom , 13 Os 119/22g, zurück.

(9) Mit Eingabe vom erstattete der Bf. durch seinen Vertreter ein ergänzendes Vorbringen, "mit dem Ersuchen, dieses Vorbringen anlässlich der für den anberaumten mündlichen Verhandlung als auch dort ausdrücklich vorgebracht zu protokollieren."

Darin wird zunächst gerügt, das Begehren auf Anspruchszinsen sei ungerechtfertigt, da die Beschwerden im Jänner 2016 eingebracht worden seien, vom Bundesfinanzgericht jedoch bislang keine Tätigkeit entfaltet worden sei.

Des Weiteren werde es als verfassungswidrig erachtet, "dass seitens des Bundesfinanzgerichtes von einer Bindungswirkung der strafrechtlichen Verurteilung (…) ausgegangen wird." Dies vor allem deswegen, "weil

a) die strafrechtliche Anklage hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Abgaben dem Grunde und der Höhe auf den hier beschwerdegegenständlichen Bescheiden basiert und

b) dies in einem Zeitpunkt erfolgte, in dem die hier beschwerdegegenständlichen Bescheide noch nicht rechtskräftig waren und auch die einzige dazu berufene Instanz (i.e.: Bundesfinanzgericht) noch nicht über die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden entschieden hatte und

c) im nach Anklageerhebung geführten strafrechtlichen Verfahren weder die hier beschwerdegegenständlichen Bescheide, noch die dagegen erhobenen Beschwerden inhaltlich behandelt und von einer abgabenrechtlich dazu berufenen Einheit überprüft worden sind, sondern vom Strafgericht als von der Finanz mit Bescheid vorgeschrieben festgestellt worden sind und

d) somit die Annahme einer Bindungswirkung an die strafgerichtliche Verurteilung dazu führte, dass trotz Erhebung einer Beschwerde zu Lasten des Beschwerdeführers eine Inhaltskontrolle der gegenständlichen Bescheide nicht (und schon gar nicht durch den dazu gesetzlich berufenen Richter) vorgenommen wird."

In der mündlichen Verhandlung am wurde (lediglich) auf eben dieses Vorbringen verwiesen.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

Zur Umsatzsteuer und Einkommensteuer 2008 bis 2012:

Die Beschwerden richten sich gegen die Feststellung der Abgabenbehörde, dass der Bf. (als "faktischer Machthaber" der S* GmbH) im Streitzeitraum Scheinrechnungen veräußert habe und ihn persönlich eine daraus resultierende Umsatzsteuer- sowie Einkommensteuerlast treffe (S. 7 der Beschwerden). Damit werden ausschließlich die im Prüfungsbericht unter Tz 2 ("Verkauf Scheinrechnungen") dargelegten Feststellungen bekämpft. Hingegen werden die abgabenbehördlichen Feststellungen unter Tz 3 ("Provisionen V") bzw. Tz 4 ("Privathaus") nicht in Streit gezogen. Die Beschwerdeausführungen nehmen explizit nur auf die dem Bf. unterstellte Veräußerung von Scheinrechnungen (und deren steuerlichen Auswirkungen) Bezug. Die Behörde habe diesbezüglich die materielle Wahrheit nicht ermittelt. Sie stütze sich allein auf die Angaben des Mitverdächtigen, Herrn Ing. EH*, eine Auseinandersetzung mit den Angaben des Bf. sei nicht erfolgt.

Dazu ist anzuführen:

Die Bestimmungen der BAO gelten gemäß § 2a BAO auch im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht (BFG).

Gemäß § 116 Abs. 2 zweiter Satz BAO besteht im Abgabenverfahren insoweit eine Bindung an Entscheidungen der Gerichte, als in dem gerichtlichen Verfahren bei der Ermittlung des Sachverhaltes von Amts wegen vorzugehen war.

Nach der Judikatur des VwGH ist die Abgabenbehörde an die im Spruch des die Partei betreffenden rechtskräftigen Strafurteils festgestellten Tatsachen bzw. an die tatsächlichen Feststellungen, auf denen dieser Spruch beruht, gebunden; dies gilt im Falle von verurteilenden Entscheidungen (s. zB Ritz, BAO 6. Auflage, § 116 Tz 14, mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung; zuletzt etwa , sowie ). Dazu gehören auch jene Tatumstände, aus denen sich die jeweilige strafbare Handlung nach ihren gesetzlichen Tatbestandselementen zusammensetzt.

Die Bindung betrifft den festgestellten Sachverhalt (). Liegt eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vor, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln (). D

Der Bf. bestreitet, "irgendetwas mit der Veräußerung von Scheinrechnungen" der S* GmbH zu tun gehabt und daraus persönlich steuerpflichtige Umsätze bzw. Einkünfte erzielt zu haben. Es mangle an einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren; es sei nicht erkennbar, warum den Angaben des Ing. EH* (und nicht jenen des Bf.) Glauben geschenkt werde.

Mit diesem Vorbringen ist für den Standpunkt des Bf. auf Grund der dargestellten Rechtslage nichts gewonnen: Liegt eine rechtskräftige Entscheidung des zuständigen Gerichts vor, sind auch andere Behörden, etwa das Finanzamt, aber auch das Bundesfinanzgericht daran gebunden. Die Bindungswirkung ist Ausfluss der Rechtskraft der betreffenden Entscheidung. Eine solche Bindung besteht unabhängig von der Rechtmäßigkeit der Entscheidung ().

Das Bundesfinanzgericht ist daher bei seiner Entscheidung nicht nur berechtigt, sondern auf Grund der dargestellten Bindungswirkung sogar verpflichtet, bei seiner steuerlichen Würdigung von den konkreten Tatsachenfeststellungen der betreffenden Urteile auszugehen.

An dieser Bindungswirkung ändert auch der Umstand nichts, dass die rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung erst nach Ergehen der beschwerdegegenständlichen Bescheide erfolgt ist. Selbst wenn zum damaligen Zeitpunkt tatsächlich Mängel im Verfahren der Abgabenbehörde bestanden haben sollten, so ist das Bundesfinanzgericht nunmehr an jene Tatsachenfeststellungen gebunden, auf denen der Spruch der verurteilenden Strafentscheidung beruht. Diese Feststellungen betreffen bzw. umfassen auch gerade jenen Sachverhalt, der im abgabenbehördlichen Verfahren strittig ist. Der Bf. hat im Übrigen selbst beantragt, das abgabenbehördliche Beschwerdeverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des (ursprünglich) bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft anhängigen Verfahrens zu unterbrechen, und dazu ausgeführt: "Wenn nämlich die Ermittlungsergebnisse in jenem Verfahren die Grundlage für die Abgabenfestsetzung bilden, dann müssen zuerst einmal diese Ermittlungsergebnisse feststehen" (jeweils S. 5, erster Absatz, der Beschwerden).

Das Bundesfinanzgericht hat daher nunmehr zwingend davon auszugehen, dass der Bf. in den Jahren 2008 bis 2012 als Einzelunternehmer (persönlich) Umsätze bzw. Einnahmen aus der Veräußerung von Scheinrechnungen gegen Provision erzielt hat und er es hinsichtlich dieser Umsätze bzw. Einkünfte unterlassen hat, fristgerecht Jahressteuererklärungen einzureichen, wodurch die angeführten Abgaben wegen Unkenntnis der Abgabenbehörde von der jeweiligen Entstehung des Abgabenanspruches mit Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist nicht festgesetzt werden konnten, und er eine vorsätzliche Abgabenverkürzung in der vom Finanzamt mit den beschwerdegegenständlichen Bescheiden festgesetzten Höhe bewirkt hat (s. dazu S. 120ff. des Strafurteiles vom ).

Laut Straflandesgericht steht als erwiesen fest, dass sich der Bf. unter Ausnutzung seiner Vormachtstellung im Zusammenhang mit dem Geschäftsbetrieb der S* GmbH die Verfügungsmacht über Scheinrechnungen verschaffte, die unter dieser Firma ausgestellt wurden. Er hat seine Arbeitnehmer (die Mitangeklagten) EH sowie DK dazu bestimmt, die Anfertigung der in Rede stehenden Scheinrechnungen vorzunehmen. Mittels dieser Scheinrechnungen der S*-GmbH wurde vom Bf. in der Folge ein Handel betrieben und dienten ihm diese als Einkunftsquelle (Strafurteil S. 122).

Die Qualifizierung der fraglichen Belege als Scheinrechnungen steht zweifelsfrei fest, da diesen - so das Landesgericht für Strafsachen Graz in seinem Urteil vom - kein tatsächlicher Leistungstausch bzw. keine tatsächliche Arbeitskräfteüberlassung in dem in den Scheinrechnungen verzeichneten Umfang zugrunde lag.

Was die detaillierte Darstellung des maßgeblichen Sachverhaltes sowie die Beweiswürdigung anlangt, wird auf die entsprechenden Ausführungen im Strafurteil vom verwiesen (s. oben unter Absatz 7).

Auch die Höhe der maßgeblichen Steuerbemessungsgrundlage (sowie deren Ermittlung) und die Höhe der verkürzten Abgaben ergibt sich aus dem genannten Urteil des Straflandesgerichtes (S. 4f. sowie S. 120). Das Gericht verweist diesbezüglich auf die entsprechenden Feststellungen und Berechnungen im Prüfungsbericht der Abgabenbehörde vom (s. Strafurteil S. 123).

Das Gericht hat zwar bei der wörtlichen Wiedergabe des Prüfungsberichtes im Urteil - offenbar versehentlich - die S. 3 dieses Berichtes (und sohin einen Teil der hier maßgeblichen, unter Tz 2 getroffenen Feststellungen) ausgespart (bzw. vergessen), doch ist auf Grund des eindeutigen Verweises auf den dem Bf. bekannten Prüfungsbericht klar und nachvollziehbar, wie die maßgeblichen Bemessungsgrundlagen ermittelt wurden.

Auch hinsichtlich der Höhe der maßgeblichen Steuerbemessungsgrundlagen bzw. der daraus resultierenden Abgabenfestsetzungen ist das Bundesfinanzgericht an die entsprechenden Feststellungen des Straflandesgerichtes gebunden. Die detaillierte Berechnung ist aus dem Prüfungsbericht vom (S. 7ff.) ersichtlich.

Wie oben unter (8) dargelegt wurde, hat der OGH die Nichtigkeitsbeschwerde des Bf. gegen das Urteil des Straflandesgerichtes Graz mit Entscheidung vom zurückgewiesen. Hinsichtlich der Tatsachenfeststellungen des Straflandesgerichtes ist sohin jedenfalls bereits Rechtskraft eingetreten.

Auf Grund der bindenden Feststellungen des Straflandesgerichtes Graz in seinem Urteil vom bedurfte es seitens des Bundesfinanzgerichtes keiner weitergehenden eigenständigen Feststellungen und beweiswürdigenden Erwägungen in Bezug auf das Vorliegen von steuerpflichtigen Umsätzen bzw. Einkünften des Bf. Das Bundesfinanzgericht hatte zwingend davon auszugehen, dass der Bf. (als Einzelunternehmer) in den Streitjahren mit dem Verkauf von Scheinrechnungen Umsätze bzw. Einkünfte erwirtschaftet hat. Die Höhe dieser Umsätze bzw. Einkünfte geht ebenfalls aus dem genannten Urteil hervor, wobei diese mit den vom Finanzamt in den bekämpften Bescheiden angesetzten Beträgen übereinstimmt.

Dem Beschwerdevorbringen, der Bf. habe keine Scheinrechnungen veräußert bzw. daraus keine ihn persönlich betreffenden steuerpflichtigen Umsätze sowie Einkünfte erzielt, konnte sohin nicht gefolgt werden.

Der Bf. macht im Übrigen geltend, die angefochtenen Bescheide würden keine taugliche Begründung enthalten, da ihm der Prüfungsbericht des Finanzamtes nicht zugegangen sei.

Begründungsmängel im Abgabenverfahren können im Rechtsmittelverfahren saniert werden (zB ; , 0282; ); daher kann zB die Begründung einer Beschwerdevorentscheidung einen Begründungsmangel sanieren ().

Die Beschwerdevorentscheidungen des Finanzamtes wurden ausführlich begründet (s. gesonderte Bescheidbegründung vom ). Darin wird ua. festgehalten, dass der Prüfungsbericht dem Bf. am zugestellt wurde. Zudem seien dem Bf. (bzw. deren Vertreter) "sämtliche Scheinrechnungen in Kopie auf einem Datenträger gespeichert (wie mit diesem vereinbart) übergeben" worden.

Dem tritt der Bf. in seinem Vorlageantrag nicht mehr entgegen. Die Übermittlung und Zustellung der gesonderten Begründung samt Datenträger wird überdies durch einen entsprechenden Rückschein (Übernahmebestätigung vom ) der Post bestätigt.

Es kann sohin dahingestellt bleiben, ob dem Bf. der Prüfungsbericht zunächst mit Ergehen der angefochtenen Bescheide tatsächlich zugegangen ist oder nicht: Ein allfälliger Begründungsmangel wurde im abgabenbehördlichen Rechtsmittelverfahren jedenfalls (ausführlich und hinreichend) saniert.

Wenn in der Eingabe vom die Verfassungswidrigkeit der sich aus § 116 Abs. 2 BAO ergebenden Bindungswirkung an strafgerichtliche Verurteilungen geltend gemacht wird, so ist darauf zu verweisen, dass es dem Bundesfinanzgericht verwehrt ist, die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzesbestimmungen zu beurteilen.

Zudem konnte sich das Bundesfinanzgericht diesbezüglich auf die gefestigte Rechtsprechung des VwGH stützen (zB ; ; ; ; , etc.).

Der Bf. hat in seinen Beschwerden selbst beantragt, die Abgabenverfahren bis zur rechtskräftigen Beendigung des (damals noch) vor der Staatsanwaltschaft anhängigen Verfahrens (welches letzten Endes zur hier relevanten strafrechtlichen Verurteilung des Bf. geführt hat) zu unterbrechen (s. Beschwerden, S. 4 unten). Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn der Bf. nunmehr in seiner Eingabe vom bemängelt, seitens des Bundesfinanzgerichtes sei seit Einbringung der Beschwerden keine Tätigkeit entfaltet worden, wurde doch mit dem Zuwarten auf den rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens gerade seinem Begehren entsprochen

In den Beschwerden rügt der Bf., das Finanzamt habe sich nicht mit seinen Angaben auseinandergesetzt und es gebe keine Beweiswürdigung. Das Straflandesgericht hat aber in seiner Beweiswürdigung umfassend dargelegt, aus welchen Gründen es letztendlich zu dem Schluss gekommen ist, die Verantwortung des Bf. sei als Schutzbehauptung zu werten, bzw. auf Grund welcher konkreten Umstände und Beweismittel es zu seinen Tatsachenfeststellungen gelangt ist (s. insbes. S. 121f. sowie S. 133f. des Strafurteiles vom ).

Das Strafgericht hat auch die abgabenbehördlichen Feststellungen nicht bloß unreflektiert übernommen (wie es in der ergänzenden Eingabe des Bf. vom offenbar anklingt), sondern sich durch eine eigene Beweisaufnahme und umfassende Würdigung jener Umstände und Beweismittel, die zu diesen Feststellungen geführt haben, selbst ein Bild vom maßgeblichen Sachverhalt gemacht.

Die Beschwerden gegen die Umsatzsteuer- und Einkommensteuerbescheide waren aus den dargelegten Gründen als unbegründet abzuweisen.

Zur Wiederaufnahme betreffend Einkommensteuer 2012:

Die gegen die Wiederaufnahme gerichtete Beschwerde stellt in Abrede, dass der Bf. Scheinrechnungen veräußert (und folglich dadurch steuerpflichtige Einkünfte lukriert) habe. Selbst wenn dies richtig wäre, hätte er diese als faktischer Machthaber der S* GmbH für diese Gesellschaft - und nicht für sich persönlich - erzielt. Daher sei eine Wiederaufnahme nicht gerechtfertigt.

Ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren kann gemäß § 303 Abs. 1 BAO von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn ua. Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Der Bf. bestreitet die Richtigkeit der vom Finanzamt unter Tz 2 des Prüfungsberichtes getroffenen Feststellungen, wonach er aus dem Verkauf von Scheinrechnungen steuerpflichtige Einkünfte erzielt habe. Damit wird in Bezug auf die Verfügung der Wiederaufnahme im Ergebnis (lediglich) geltend gemacht, dass diese - aus Sicht der Abgabenbehörde neu hervorgekommenen - Tatsachen nicht einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten.

Auf Grund der oben dargelegten Rechtslage hat das Bundesfinanzgericht zwingend davon auszugehen, dass der Bf. im Streitzeitraum durch den Verkauf von Scheinrechnungen sehr wohl einkommensteuerpflichtige Einkünfte erwirtschaftet hat. Dass dieser Umstand dem Finanzamt bei Erlassung des Erstbescheides für 2012 (noch) nicht bekannt war, wird nicht behauptet bzw. geht aus der Aktenlage auch nicht hervor.

Auf Grund der neuen Tatsachen (nämlich der Einkunftserzielung aus dem Verkauf von Scheinrechnungen) war also entgegen dem Beschwerdevorbringen letztendlich jedenfalls ein im Spruch anders lautender Einkommensteuerbescheid 2012 zu erlassen, da diese Umstände mangels Offenlegung durch den Bf. im "Erstbescheid" vom noch keine Berücksichtigung gefunden hatten.

Das Finanzamt hat die Wiederaufnahme überdies auf die unter Tz 4 des Prüfungsberichtes getroffenen (hier materiellrechtlich nicht relevanten) Feststellungen (betreffend "Privathaus") gestützt. Auch diese Feststellungen hatten steuerliche Auswirkungen auf das Jahr 2012. Die Beschwerde bestreitet weder die Richtigkeit dieser abgabenbehördlichen Feststellungen noch, dass diese aus Sicht der Behörde neu hervorgekommen wären. Das Finanzamt war daher auch auf Grund der unter Tz 4 festgestellten Umstände jedenfalls zur Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 2012 berechtigt.

Die Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid erweist sich daher als unbegründet.

Zur Festsetzung von Anspruchszinsen:

Die gegen die Anspruchszinsenbescheide erhobenen Beschwerden machen geltend, dass die zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide bekämpft worden und sohin noch nicht rechtskräftig geworden seien. Es gebe daher keine taugliche Grundlage für die Festsetzung von Anspruchszinsen.

Anspruchszinsenbescheide sind an die Höhe der im Bescheidspruch der entsprechenden Stammabgabenbescheide ausgewiesenen Nachforderungen gebunden. Sie setzen nicht die materielle, sondern nur die formelle Richtigkeit des Stammabgabenbescheides voraus. Da gemäß § 254 BAO die Wirksamkeit des angefochtenen Bescheides nicht gehemmt ist und in § 205 BAO eine Ausnahme hievon für den Bereich der Festsetzung von Anspruchszinsen nicht normiert ist, ist die eingetretene Rechtskraft des die Anspruchsverzinsung auslösenden Bescheides nicht Tatbestandsvoraussetzung für die Erlassung eines Anspruchszinsenbescheides (zB UFSI vom , RV/0764-I/06).

Erweist sich ein Stammabgabenbescheid nachträglich als rechtswidrig und wird er entsprechend abgeändert (oder aufgehoben), so wird diesem Umstand mit einem an den Abänderungsbescheid (Aufhebungsbescheid) gebundenen Zinsenbescheid Rechnung getragen (zB Gutschriftszinsen als Folge des Wegfalles einer rechtswidrigen Nachforderung). Es ergeht ein weiterer Zinsenbescheid; es erfolgt daher keine Abänderung des ursprünglichen Zinsenbescheides; vgl. zB , 2006/15/0332; ; ; ; ).

Dem in der Beschwerde erhobenen Verweis auf die fehlende Rechtskraft der Stammabgabenbescheide kommt somit keine Relevanz zu.
Abgesehen davon hat das Bundesfinanzgericht die zugrundeliegenden Einkommensteuerbescheide mit vorliegender Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach bestätigt; es ist also weder eine Abänderung noch eine Aufhebung der Stammabgabenbescheide erfolgt. Für eine Abänderung der angefochtenen Anspruchszinsenbescheide bzw. die Erlassung angepasster Zinsenbescheide besteht im Beschwerdefall keine Veranlassung.

Das Vorbringen in der ergänzenden Eingabe des Bf. vom , welchem zufolge das Begehren auf Anspruchszinsen ungerechtfertigt sei, da seit Einbringung der Beschwerden im Jänner 2016 seitens des Bundesfinanzgerichtes keine Tätigkeit entfaltet worden sei, ist nicht nachvollziehbar bzw. nicht zutreffend. Das Gesetz sieht keine Verknüpfung zwischen Dauer des Abgabenverfahrens und der behördlichen Berechtigung zur Festsetzung von Anspruchszinsen dem Grunde nach vor.

Anspruchszinsen sind jeweils für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der bezüglichen Bescheide festzusetzen (§ 205 Abs. 1 BAO). Nach § 205 Abs. 2 letzter Satz BAO sind diese für einen Zeitraum von höchstens 48 Monaten festzusetzen. Die Beschwerden wurden dem Bundesfinanzgericht im November 2017 zur Entscheidung vorgelegt. Auf Grund der vorangeführten Rechtslage konnten Anspruchszinsen (nämlich jene für 2012) längstens für einen Zeitraum bis einschließlich September 2017 festgesetzt werden. Eine allenfalls längere Verfahrensdauer vor dem BFG konnte sohin (auch) auf die Höhe der Anspruchszinsen keinen Einfluss mehr ausüben.

Die Beschwerden gegen die Anspruchszinsen waren daher als unbegründet abzuweisen.

Zur Revision:
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Das BFG konnte sich auf die oben zitierte - insbesondere zu § 116 Abs. 2 BAO ergangene - Judikatur des VwGH stützen, weshalb eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht vorlag und die Revision folglich nicht zuzulassen war.

Graz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 23 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 303 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 116 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Abgabenhinterziehung
Scheinrechnungen
Verweise

















ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.2101235.2017

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at