Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 16.11.2023, RV/7103637/2023

Ein bei einem Höchstgericht anhängiges Rechtsmittel rechtfertigt keine Zahlungserleichterung gem. § 212 Abs. 1 BAO

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch Dr. Peter Wolf Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mbH, Lehargasse 3A Tür 14, 1060 Wien, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Zahlungserleichterungen gem. § 212 BAO, Steuernummer ***BFStNr***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Die gegenständliche Entscheidung ist ausschließlich verfahrensrechtlicher Natur. Der Verfahrensgang ist gleichzeitig der entscheidungswesentliche Sachverhalt, sodass auf eine getrennte Darstellung verzichtet wird.

Zwischen dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde ist strittig, ob er mit seinen ausländischen Einkünften in Österreich steuerpflichtig ist oder ob ihm als Ehegatten einer pensionierten UNIDO-Angestellten eine im Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Organisation der Vereinten Nationen für Industrielle Entwicklung (UNIDO) über den Amtssitz der UNIDO, BGBl. III Nr. 100/1998, vorgesehene Steuerbefreiung für Angehörige von Angestellten der UNIDO zugute kommt. Mit Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102959/2022, wurde ausgesprochen, dass diese Steuerbefreiung nicht zur Anwendung gelangt und wurden demnach Einkommensteuer für die Jahre 2016-2020 sowie Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 2022 und die Folgejahre festgesetzt.

Mit Eingabe vom beantragte der Beschwerdeführer, die Steuerschuld i.H.v. € 124.500,53 bis zur rechtskräftigen Rechtsmittelentscheidung zu stunden, da sowohl die Frage, ob er überhaupt steuerpflichtig ist, als auch die Höhe der Steuer rechtsmittelverfangen sei.

Dieses Zahlungserleichterungsansuchen wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom ab, da mit dem Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102959/2022, bereits eine rechtskräftige Rechtsmittelentscheidung vorliege.

Dagegen richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom , die der Beschwerdeführer damit begründet, dass er beabsichtige, das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102959/2022, bei den Höchstgerichten anzufechten.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies die belangte Behörde die Beschwerde als unbegründet ab. Begründend führte sie aus, dass ein anhängiges oder beabsichtigtes Verfahren vor einem Höchstgericht für sich allein keinen Grund für die Gewährung einer Stundung darstelle. Diese erfordere vielmehr die Erfüllung der Voraussetzungen des § 212 Abs. 1 BAO, also dass die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Derartiges sei jedoch trotz des bei Begünstigungstatbeständen bestehenden Gebotes der parteiinitiativen Behauptungs- und Beweispflicht nicht vorgebracht worden. Die Beschwerdevorentscheidung gliedert sich in einen Bescheid vom , in dem festgehalten wird, dass dem Beschwerdeführer die Bescheidbegründung gesondert zugeht, und eine gesonderte Bescheidbegründung vom , in der die darin enthaltenen Ausführungen zum Bestandteil des "oben bezeichneten Bescheides" (angeführt ist hier die Beschwerdevorentscheidung) erklärt werden. In der im Bescheid enthaltenen Rechtsmittelbelehrung wird ausgeführt, dass die Beschwerdevorentscheidung gemäß § 276 BAO wie eine Entscheidung über die Beschwerde wirkt, es sei denn, dass innerhalb eines Monats nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei dem oben angeführten Finanzamt (angeführt ist das Finanzamt Österreich) der Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellt wird. In der gesonderten Bescheidbegründung wird festgehalten, dass ein nach Maßgabe der Rechtsmittelbelehrung zulässiges Rechtsmittel nur gegen den Spruch des Bescheides, nicht aber gegen die Begründung erhoben werden kann. Im Übrigen verweist die gesonderte Bescheidbegründung "auf die entsprechende Rechtsmittelbelehrung bzw. Rechtsbelehrung".

Mit Schriftsatz vom stellte der Beschwerdeführer Vorlageantrag gemäß § 264 BAO. Darin führt er aus, dass - wie auch der belangten Behörde bekannt sein müsse - ein derart hoher Betrag (nunmehr € 124.594,72) einem Bewohner Österreichs nicht als quasi täglich verfügbar "in der Hosentasche" zu verausgaben zur Verfügung stehe und die Einforderung eines solchen Betrages notorisch als ein Verlangen "in erheblicher Härte" zu beurteilen sei. Es sei auch volkswirtschaftlich ins Kalkül zu ziehen, dass Ehegatten von UNIDO-Angestellten - im Wissen um die Zusage der Steuerfreiheit ausländischer Einkünfte - nach Österreich gezogen sind, was sich als zusätzlicher Gewinn für Österreich in Höhe von 1 bis 2 Milliarden Euro jährlich zu Buche schlage. Weiters führte der Beschwerdeführer aus, dass bloße Hinweise für die Partei auf eine Rechtsmittel- bzw. Rechtsbelehrung nicht genügen, eine solche nicht ersetzen, dem Willen des Gesetzgebers nur ungenügend entsprechen und auch "alleinstehend" nicht sinnvoll seien. Letztlich gab er bekannt, dass er am gegen das Erkenntnis vom , RV/7102959/2022, eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht habe. Diese ist gegenwärtig zur Zahl E 3053/2023 anhängig.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zum parallel laufenden Beschwerdeverfahren RV/7102959/2022 gründen sich auf das in diesem Verfahren ergangene Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , welches der FinDok entnommen wurde. Der Veröffentlichung dieses Erkenntnisses in der FinDok ist auch zu entnehmen, dass zur Zahl E 3053/2023 eine VfGH-Beschwerde anhängig ist. Die übrigen Feststellungen betreffen den Gang des gegenständlichen Verfahrens und gründen sich daher auf die jeweils zitierten Eingaben des Beschwerdeführers und Entscheidungen der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Gemäß § 212 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde auf Ansuchen des Abgabepflichtigen für Abgaben, hinsichtlich derer Einbringungsmaßnahmen in Betracht kommen, u.a. den Zeitpunkt der Entrichtung der Abgaben hinausschieben (Stundung), wenn die sofortige oder die sofortige volle Entrichtung der Abgaben für den Abgabepflichtigen mit erheblichen Härten verbunden wäre und die Einbringlichkeit der Abgaben durch den Aufschub nicht gefährdet wird. Der Abgabepflichtige hat im Ansuchen die Voraussetzungen für die Zahlungserleichterungen von sich aus überzeugend darzulegen und glaubhaft zu machen (; , 2008/13/0224). Er hat hierbei nicht nur das Vorliegen einer erheblichen Härte, sondern auch darzulegen, dass die Einbringlichkeit der Abgabenschuld nicht gefährdet ist (; , 2001/15/0056); dies hat er konkretisiert anhand seiner Einkommens- und Vermögenslage überzeugend darzulegen (; , 2000/17/0252).

Der Beschwerdeführer begründete das Stundungsansuchen zunächst damit, dass er gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , RV/7102959/2022, Rechtsmittel bei den Höchstgerichten einbringen werde (und mittlerweile eingebracht hat). Nach ständiger Rechtsprechung bilden derartige Rechtsmittel keine taugliche Begründung für ein Zahlungserleichterungsansuchen nach § 212 Abs. 1 BAO, da diese Bestimmung nach ihrem klaren Wortlaut nicht dazu dient, dem Steuerpflichtigen während der Zeit, in der ein Rechtsmittel bei einem Höchstgericht anhängig ist, "wirtschaftlich Atem zu geben", zumal ein solcher Zahlungsaufschub bis zur Entscheidung des Höchstgerichtes aufgrund des Rechtsinstituts der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung (§ 85 Abs. 2 VfGG bzw. § 30 Abs. 2 VwGG) bei Zutreffen der jeweiligen gesetzlichen Voraussetzungen erreicht werden kann (; , 95/13/0190).

Weiters führt er ins Treffen, dass die Einforderung eines Betrages von € 124.594,72, den ein Bewohner Österreichs nicht quasi "in der Hosentasche" ständig verfügbar habe, notorisch eine erhebliche Härte darstelle. Eine nähere Konkretisierung, insbesondere hinsichtlich seiner persönlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie inwiefern die Entrichtung des Betrages angesichts dieser Einkommens- und Vermögensverhältnisse eine erhebliche Härte für ihn (also nicht für einen beliebigen Bewohner Österreichs) darstellen soll, erfolgt nicht. Ebenso wenig werden Beweismittel angeboten; es wird lediglich ausgeführt, dass dies "notorisch" sei bzw. auch der belangten Behörde bekannt sein müsse. Dass dies nicht der Fall ist, folgt daraus, dass die Frage, ob die sofortige Entrichtung eines bestimmten Betrages eine erhebliche Härte darstellt, immer von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des betreffenden Abgabepflichtigen abhängt, zu der der Beschwerdeführer jedoch keinerlei Vorbringen oder Beweisanbot erstattet hat. Zur Frage, ob durch den Aufschub die Einbringlichkeit gefährdet wird, fehlt überhaupt jegliches Vorbringen.

Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, dass der Zuzug der Angehörigen von UNIDO-Angestellten nach Österreich einen volkswirtschaftlichen Vorteil darstelle, ist nicht ersichtlich, inwiefern dies für die strittige Zahlungserleichterung maßgeblich sein soll. Die Voraussetzungen für eine Zahlungserleichterung sind in § 212 Abs. 1 BAO klar und abschließend geregelt. Volkswirtschaftliche Überlegungen zählen nicht dazu und sind daher bei der Entscheidung über ein Zahlungserleichterungsansuchen nicht ins Kalkül zu ziehen.

Mit seinem Vorbringen zur Rechtsmittelbelehrung bezieht sich der Beschwerdeführer offenbar auf den Umstand, dass die gesonderte Bescheidbegründung vom zur Beschwerdevorentscheidung vom keine eigene Rechtsmittelbelehrung enthält, sondern auf die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides vom verweist. Hierzu ist festzuhalten, dass im Bescheid darauf hingewiesen wird, dass dem Beschwerdeführer eine gesonderte Bescheidbegründung zugehen wird, und in der Bescheidbegründung vom festgehalten wird, dass sie darin enthaltenen Ausführungen Bestandteil des Bescheides sind. Der Bescheid vom und die gesonderte Begründung vom bilden daher eine Einheit (vgl. Ritz/Koran, BAO, 7. Aufl. (2021), Rz. 15 zu § 93 m.w.N., wonach es zulässig ist, dass in der Begründung des Bescheides auf andere Dokumente verwiesen wird). Es ist daher nicht erforderlich, dass die gesonderte Bescheidbegründung eine - weitere - Rechtsmittelbelehrung enthält. Die im Bescheid vom enthaltene Rechtsmittelbelehrung ist zwar insofern fehlerhaft, als sie die Rechtslage vor dem Finanzverwaltungsgerichtsbarkeitsgesetz 2012 - FVwGG 1012, BGBl. I Nr. 14/2013, wiedergibt, doch steht dies der Bescheidqualität der Erledigung nicht entgegen und hat - äußerstenfalls - zur Folge, dass die Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt wurde (§ 93 Abs. 4 BAO; vgl. , zum gleichlautenden § 70 Abs. 4 Stmk LAO in einem Fall, in dem ein Abgabenbescheid eine Rechtsmittelbelehrung nach dem AVG enthielt). Nachdem der Beschwerdeführer ohnedies (fristgerecht) Vorlageantrag eingebracht hat, ist dies letztlich ohne Bedeutung.

Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer zur Stundungsvoraussetzung der erheblichen Härte nur unzureichendes Vorbringen und zur (kumulativ erforderlichen) Voraussetzung der Nichtgefährdung der Einbringlichkeit keinerlei Vorbringen erstattet hat. Die übrigen vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände sind für die Entscheidung über Zahlungserleichterungsansuchen gem. § 212 Abs. 1 BAO ohne Relevanz. Der Beschwerde war daher ein Erfolg zu versagen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass ein Abgabepflichtiger, der eine Zahlungserleichterung anstrebt, die in § 212 Abs. 1 BAO genannten Voraussetzungen (erhebliche Härte und Nichtgefährdung der Einbringlichkeit) von sich aus überzeugend darzustellen hat, dass ein bei einem Höchstgericht anhängiges Rechtsmittel eine Zahlungserleichterung nicht rechtfertigt, und dass eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung Einfluss auf den Lauf der Rechtsmittelfrist haben kann, die Bescheidqualität der Erledigung jedoch nicht beeinträchtigt, ist durch die o.a. Rechtsprechung klargestellt. Dass volkswirtschaftliche Überlegungen bei der Anwendung des § 212 Abs. 1 BAO keine Rolle spielen, ergibt sich zudem unmittelbar aus dem Gesetz. Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung waren daher nicht zu lösen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103637.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at