Zwingende Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens für ausländische Unternehmer, die ausschließlich Umsätze nach § 19 Abs.1 und Abs.1a UStG 1994 erbringen
Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/15/0115. Zurückweisung mit Beschluss vom .; VfGH-Beschwerde zur Zahl E 3923/2023 anhängig.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***1*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Marianne Röthig, Fabrikzeile 21, 95028 Hof/S., über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Feststellung der Nichtveranlagung zur Umsatzsteuer 2020 Steuernummer ***BF1StNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Am erstellte die Beschwerdeführerin (Bf.) für das Jahr 2020 eine Umsatzsteuerjahreserklärung und wies Vorsteuern in Höhe von 6.359,98 € aus. Umsätze wurden keine deklariert, weshalb sich eine Umsatzsteuergutschrift in Höhe der beanspruchten Vorsteuern errechnete. Eine Auflistung der für die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs maßgeblichen Rechnungen wurde angeschlossen. Diese betrafen vorwiegend Lieferungen von Kraftstoff, Werkzeugen, Kleinmaterial, Transportleistungen, Heißmischgut (Asphalt), Verpflegungs- und Nächtigungsaufwendungen.
Im angefochtenen Bescheid führte die belangte Behörde aus, die Bf. erfülle die aus der wörtlich wiedergegebenen Bestimmung des § 1 Abs. 1 der Verordnung des BMF, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird (BGBl 1995/279 idgF), Voraussetzungen für das Erstattungsverfahren. Es sei daher zwingend ein Erstattungsverfahren durchzuführen, eine Veranlagung gem. § 21 Abs. 4 UStG habe daher nicht zu erfolgen. Die Frist für die Einbringung eines solchen Erstattungsantrages ist für EU-Mitgliedsstaaten der 30.09. des Folgejahres. Sollte der Antrag nicht bis zu dieser gesetzlichen Frist beim Finanzamt Österreich einlangen, sei die Erstattung der Vorsteuern zu versagen.
In ihrer Beschwerde führte die Bf. aus, die Ablehnung der Veranlagung erfolge nicht auf gesetzlicher Grundlage. Sie habe in Österreich steuerpflichtige Bauleistungen erbracht und sei zwar nicht Schuldner der Umsatzsteuer, dies ändere jedoch nichts an der Umsatzsteuerpflicht der Umsätze.
Die Vereinfachung des Erstattungsverfahrens für die gezahlte Umsatzsteuer aus Eingangsrechnungen erfolge aufgrund gesetzlicher Verordnungsermächtigung für Einzelfälle, während die Erstattung im Veranlagungsverfahren im Übrigen für inländische Unternehmen, im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmen und ausländische Unternehmen innerhalb der allgemeinen Festsetzungsfrist unberührt bleibe. Die Umsatzsteuererklärung erfolgte innerhalb der Festsetzungsfrist.
Die Verordnungsermächtigung erstrecke sich nicht auf die Verkürzung materiellen Rechts des österreichischen Umsatzsteuerrechts oder des EU-Rechts. Eine solche Ermächtigung wäre mit höherrangigerem Recht, insbesondere mit den Grundrechten der Gewerbefreiheit und dem Gleichheitsgrundsatz weder nach nationalem österreichischen Recht noch mit europäischem Recht vereinbar. Daher werde die Veranlagung zur Umsatzsteuer beantragt.
In ihrer Beschwerdevorentscheidung ergänzte die belangte Behörde ihre Argumentation des angefochtenen Bescheides dahingehend, die in der Beschwerde angeführten Bauleistungen in Österreich (umsatzsteuerpflichtige Leistungen mit Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger) fielen ebenfalls unter § 1 Abs. 1 Z.3 der bereits erwähnten Erstattungsverordnung. Aufgrund der geltenden Rechtslage und Judikatur sei eine Verpflichtung der Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens gegeben.
In ihrem Vorlageantrag replizierte die Bf. u.a. darauf, das BFG habe in seiner Entscheidung RV/0257-G/03 v. , hinsichtlich Vereinbarkeit mit Gemeinschaftsrecht nicht erwogen, dass den Mitgliedstaaten zwar die Möglichkeit der Einführung eines Vereinfachungsverfahrens eröffnet worden sei, jedoch die Möglichkeit, Unternehmer anderer Mitgliedstaaten oder ausländische Unternehmer von der Vorsteuererstattung auszuschließen, wenn sie von dem vereinfachten Verfahren keinen Gebrauch machen, sondern von der Veranlagung Gebrauch machen - solch ein Fall liege hier vor, dass der Antrag auf Veranlagung abgelehnt wurde. Vom BFG sei weiter nicht erwogen, dass aus Gründen der Gleichbehandlung mit inländischen Unternehmern Unternehmer aus Mitgliedstaaten auch verfahrensrechtlich - durch Versagung der Veranlagung und Vorsteuererstattung im Wege der Veranlagung - nach nationalem Verfassungsrecht und Gemeinschaftsrecht nicht benachteiligt werden dürfen, sondern das Umsatzsteuerrecht im Lichte der gebotenen Gleichbehandlung anzuwenden sei.
Dem steht der Verordnungserlass - wie auch in anderen Mitgliedstaaten, die sich auf ein vereinfachtes Verfahren bestimmter umsatzsteuerpflichtiger Vorgänge verständigt haben, nicht entgegen.
Bereits § 21 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes ermächtige den Verordnungsgeber nicht dazu, im Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer durch Bestimmung eines Verfahrens oder einer Frist vom Vorsteuerabzug auszuschließen. Gegenteiliges wäre mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar.
In ihrer ergänzenden Äußerung vom zum Vorlagebericht der belangten Behörde vom führte die Bf. zum Veranlagungsantrag zur Umsatzsteuer für das Jahr 2020 vom aus, in der Rechnung vom (gemeint wohl: USt-Erklärung 2020?) sei der Hinweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers enthalten. Auch im Antrag vom sei erklärt worden, dass für den im Zeitraum von September bis Dezember 2020 ausgeführten Umsatz der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer schulde. Der ausgeführte Netto-Umsatz habe 28.044,75 € betragen.
Der Antrag vom beinhalte alle für eine Umsatzsteuererklärung relevanten Angaben. Die Ablehnung der beantragten Erstattung erfolgte nicht wegen fehlender Angabe des Ausgangsumsatzes in den Feldern 000 und 021, sondern aus anderen Gründen, die offensichtlich nach diesseitigem Schriftsatz vom (gemeint: Vorlageantrag) nicht mehr aufrechterhalten werden.
Erstmals wäre dem Vorlagebericht zu entnehmen, dass die Ablehnung der beantragten Erstattung nicht mehr auf die bisherigen Ablehnungsgründe gestützt wird, sondern darauf, dass die Klägerin im Veranlagungsjahr keine Umsätze in Österreich ausgeführt habe. Dies treffe - wie sich auch nach bisheriger Aktenlage eindeutig ergibt - nicht zu.
Trotz fehlender Angabe des Ausgangsumsatzes in den Feldern 000 und 021, wäre den Anlagen zum Antrag vom zu entnehmen gewesen, dass es sich insoweit um ein offensichtliches Versehen handelte. Die Einträge in den Feldern 000 und 021 der Umsatzsteuererklärung für 2020 werden hiermit in Höhe von jeweils 28.044,75 € erklärt, also Feld 000: 28.044,75 € und Feld 021: -28.044,75. Steuerpflichtige Umsätze somit 0,00 €.
Die hierauf vom Leistungsempfänger geschuldete Umsatzsteuer beträgt 20 % = 5.608, 95 €.
Es werde gebeten die Angaben zu berücksichtigen; soweit die geänderte Vorlage des Vordrucks "Umsatzsteuererklärung 2020" für eine positive Entscheidung erforderlich sei, werde höflichst die Gewährung rechtlichen Gehörs und die Gelegenheit und Fristsetzung zur Vorlage der geänderten Umsatzsteuererklärung 2020 gebeten und die Vorlage in Papierform zu gestatten. Für dieses Verfahren werde beantragt, von der Benutzung des beA Befreiung zu erteilen. Die Unterfertigte sei Nutzerin des beA (Deutschland). Das Bundesfinanzgericht sei über das beA leider nicht aufrufbar.
In der weiteren Folge nahm die Bf. mit Schreiben vom eine Berichtigung des Schriftsatzes vom vor und führte aus, dass dem Antrag vom (gemeint: Umsatzsteuererklärung) lediglich die Schlussrechnung vom beigefügt gewesen wäre und nicht sämtliche Ausgangsrechnungen an den Auftragnehmer, der die Umsatzsteuer schulde. Die Felder 000 und 021 der Umsatzsteuererklärung 2020 werden daher berichtigt auf:
000: 116.908,70 und 021: - 116.908,70. Die durch die Bf. geschuldete Umsatzsteuer bleibe ebenso wie der Erstattungsanspruch unverändert.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Die Bf. ist eine deutsche GmbH ohne Sitz und Betriebstätte im Inland und errichtete in Österreich Pumptracks (Parcours für den Radsport im Außenbereich). Es handelte sich (unstrittig) um Bauleistungen, für die der Auftraggeber zur Steuerschuld herangezogen wurde. Für die Ausführung dieser Leistungen auf den Baustellen bezog sie inländische mit Umsatzsteuer belastete Vorleistungen, für die sie zum Vorsteuerabzug berechtigt war.
Sie reichte bei der belangten Behörde für das Jahr 2020 eine am verfasste Umsatzsteuererklärung (U1) ein und wies die beanspruchten Vorsteuern aus. In der weiteren Folge verwies sie auf die versehentlich nicht erklärten Umsätze aus Bauleistungen hin.
2. Beweiswürdigung
Die Beweiswürdigung ergibt sich aus der als unstrittig anzusehenden Aktenlage.
3. Rechtliche Beurteilung
Rechtsquellen:
Steuerschuldner, Entstehung der Steuerschuld
§ 19 (1) Steuerschuldner ist in den Fällen des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 der Unternehmer, in den Fällen des § 11 Abs. 14 der Aussteller der Rechnung.
Bei sonstigen Leistungen (ausgenommen die entgeltliche Duldung der Benützung von Bundesstraßen und die in § 3a Abs. 11a genannten Leistungen) und bei Werklieferungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn
- der leistende Unternehmer im Inland weder sein Unternehmen betreibt noch eine an der Leistungserbringung beteiligte Betriebsstätte hat und
- der Leistungsempfänger Unternehmer im Sinne des § 3a Abs. 5 Z 1 und 2 ist oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist, die Nichtunternehmer im Sinne des § 3a Abs. 5 Z 3 ist.
Der leistende Unternehmer haftet für diese Steuer.
(1a) Bei Bauleistungen wird die Steuer vom Empfänger der Leistung geschuldet, wenn der Empfänger Unternehmer ist, der seinerseits mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist. Der Leistungsempfänger hat auf den Umstand, dass er mit der Erbringung der Bauleistungen beauftragt ist, hinzuweisen. Erfolgt dies zu Unrecht, so schuldet auch der Leistungsempfänger die auf den Umsatz entfallende Steuer.
Werden Bauleistungen an einen Unternehmer erbracht, der üblicherweise selbst Bauleistungen erbringt, so wird die Steuer für diese Bauleistungen stets vom Leistungsempfänger geschuldet. Bauleistungen sind alle Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Reinigung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen. Das gilt auch für die Überlassung von Arbeitskräften, wenn die überlassenen Arbeitskräfte Bauleistungen erbringen.
….
Voranmeldung und Vorauszahlung, Veranlagung
§ 21
...
(4) Der Unternehmer wird nach Ablauf des Kalenderjahres zur Steuer veranlagt. Enden mehrere Veranlagungszeiträume in einem Kalenderjahr (§ 20 Abs. 1 und 3), so sind diese zusammenzufassen. Der Unternehmer hat für das abgelaufene Kalenderjahr eine Steuererklärung abzugeben, die alle in diesem Kalenderjahr endenden Veranlagungszeiträume zu umfassen hat.
Die Übermittlung der Steuererklärung hat elektronisch zu erfolgen. Ist dem Unternehmer die elektronische Übermittlung der Steuererklärung mangels technischer Voraussetzungen unzumutbar, hat die Übermittlung der Steuererklärung auf dem amtlichen Vordruck zu erfolgen.
Der Bundesminister für Finanzen wird ermächtigt, den Inhalt und das Verfahren der elektronischen Übermittlung der Steuererklärung mit Verordnung festzulegen. In der Verordnung kann vorgesehen werden, dass sich der Unternehmer einer bestimmten geeigneten öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Übermittlungsstelle zu bedienen hat.
Unternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 erster Gedankenstrich, die im Inland keine Umsätze ausgeführt haben oder nur Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, und die ausschließlich eine Steuer gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz oder Abs. 1a schulden, hinsichtlich der sie zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, werden nur dann zur Steuer veranlagt, wenn sie dies ausdrücklich schriftlich beantragen.
…
(9) Der Bundesminister für Finanzen kann bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den §§ 12 und 20 regeln. Bei nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmern kann weiters bestimmt werden, dass bestimmte Vorsteuerbeträge von der Erstattung ausgeschlossen sind. In der Verordnung kann festgelegt werden:
- ein besonderes Verfahren für die Vorsteuererstattung,
- ein Mindestbetrag, ab dem eine Vorsteuererstattung erfolgt,
- innerhalb welcher Frist der Erstattungsantrag zu stellen ist,
- dass der Bescheid über die Erstattung der Vorsteuerbeträge elektronisch zugestellt wird,
- wie und in welchem Umfang der zu erstattende Betrag zu verzinsen oder zu vergebühren ist.
Vorsteuern im Zusammenhang mit Umsätzen eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen Unternehmers sind nur erstattungsfähig, wenn die Umsätze in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, ein Recht auf Vorsteuerabzug begründen. Einem Unternehmer, der im Gemeinschaftsgebiet ansässig ist und Umsätze ausführt, die zum Teil den Vorsteuerabzug ausschließen, wird die Vorsteuer höchstens in der Höhe erstattet, in der er in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre.
Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, StF: BGBl. Nr. 279/1995; Änderung: BGBl. II Nr. 416/2001; BGBl. II Nr. 384/2003; BGBl. II Nr. 222/2009; BGBl. II Nr. 174/2010; BGBl. II Nr. 389/2010; BGBl. II Nr. 158/2014:
Erstattung der Vorsteuerbeträge in einem besonderen Verfahren
Berechtigte Unternehmer
§ 1
(1) Die Erstattung der abziehbaren Vorsteuerbeträge an nicht im Inland ansässige Unternehmer, das sind solche, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, ist abweichend von den §§ 20 und 21 Abs. 1 bis 5 UStG 1994 nach Maßgabe der §§ 2, 3 und 3a durchzuführen, wenn der Unternehmer im Erstattungszeitraum
1. keine Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 oder
2. nur steuerfreie Umsätze im Sinne des § 6 Abs. 1 Z 3 UStG 1994 oder
3. nur Umsätze, bei denen die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger übergeht (§ 19 Abs. 1 zweiter Unterabsatz UStG 1994) oder
4. im Inland nur Umsätze, die unter eine Sonderregelung gemäß § 25a, Art. 25a UStG 1994 oder eine Regelung gemäß Art. 358 bis 369k der Richtlinie 2006/112/EG in einem anderen Mitgliedstaat fallen,
ausgeführt hat.
(2) Abs. 1 gilt nicht für Vorsteuerbeträge, die anderen als den in Abs. 1 bezeichneten Umsätzen im Inland zuzurechnen sind.
Erstattungszeitraum
§ 2. Erstattungszeitraum ist nach der Wahl des Unternehmers ein Zeitraum von mindestens drei Monaten bis zu höchstens einem Kalenderjahr. Der Erstattungszeitraum kann weniger als drei Monate umfassen, wenn es sich um den restlichen Zeitraum des Kalenderjahres handelt. In dem Antrag für diesen Zeitraum können auch abziehbare Vorsteuerbeträge aufgenommen werden, die in vorangegangene Erstattungszeiträume des betreffenden Kalenderjahres fallen.
Erstattungsverfahren für im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer
§ 3
(1) Der im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässige Unternehmer hat den Erstattungsantrag auf elektronischem Weg über das in dem Mitgliedstaat, in dem er ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal zu übermitteln. Der Antrag ist binnen neun Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Erstattungsanspruch entstanden ist. In dem Antrag hat der Unternehmer den zu erstattenden Betrag selbst zu berechnen. Der Erstattungsantrag gilt nur dann als vorgelegt, wenn er alle in den Art. 8, 9 und 11 der Richtlinie 2008/9/EG des Rates vom zur Regelung der Erstattung der Mehrwertsteuer gemäß der Richtlinie 2006/112/EG an nicht im Mitgliedstaat der Erstattung, sondern in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige (ABl. Nr. L 44 S. 23) festgelegten Angaben enthält. Die Abgabenbehörde kann zusätzliche Informationen anfordern, welche auch die Einreichung des Originals oder einer Durchschrift der Rechnung oder des Einfuhrdokumentes umfassen können. Diese Anforderung kann auch mit E-Mail erfolgen. Die Zustellung des E-Mails gilt mit dessen Absendung als bewirkt, ausgenommen der Antragsteller weist nach, dass ihm das E-Mail nicht zugestellt worden ist.
(1a) Abweichend von Abs. 1 zweiter Satz sind Erstattungsanträge, die Erstattungszeiträume des Jahres 2009 betreffen, spätestens bis zu stellen.
(2) Der zu erstattende Betrag muss mindestens 400 Euro betragen. Das gilt nicht, wenn der Erstattungszeitraum das Kalenderjahr oder der letzte Zeitraum eines Kalenderjahres ist. Für diese Erstattungszeiträume muss der zu erstattende Betrag mindestens 50 Euro betragen.
(3) Bescheide im Erstattungsverfahren können elektronisch, über das in dem Mitgliedstaat, in dem der Unternehmer ansässig ist, eingerichtete elektronische Portal, zugestellt werden. Die Zustellung kann auch mit E-Mail erfolgen. Abs. 1 letzter Satz gilt entsprechend.
(4) Für den zu erstattenden Betrag ist bei Fristversäumnis nach Maßgabe der Abs. 5 bis 11 eine Säumnisabgeltung festzusetzen.
(5) Die Säumnisabgeltung ist festzusetzen, wenn nach Ablauf von vier Monaten und zehn Werktagen nach Eingang des Erstattungsantrages bei der Abgabenbehörde des Erstattungsstaates keine Zahlung des zu erstattenden Betrages erfolgt.
(6) Fordert die Abgabenbehörde zusätzliche Informationen gemäß Abs. 1 an, so besteht der Anspruch auf die Säumnisabgeltung erst mit Ablauf von zehn Werktagen nach Ablauf einer Frist von zwei Monaten ab Entsprechung der Aufforderung. Die Säumnisabgeltung ist diesfalls jedoch frühestens mit Ablauf von zehn Werktagen nach Ablauf einer Frist von sechs Monaten ab Eingang des Erstattungsantrages festzusetzen.
Werden weitere zusätzliche Informationen angefordert, so besteht der Anspruch auf Säumnisabgeltung mit Ablauf von zehn Werktagen nach Ablauf einer Frist von acht Monaten ab Eingang des Erstattungsantrages.
(7) Die Zahlung gilt als erfolgt mit Ablauf von zehn Werktagen nach dem Tag der Bekanntgabe des Erstattungsbescheides, es sei denn, der Unternehmer weist nach, dass er den zu erstattenden Betrag später erhalten hat.
(8) Als Zahlung gilt auch die Pfändung des Erstattungsbetrages oder dessen Verwendung zur Tilgung einer fälligen Schuld des Antragstellers gegenüber dem Bund.
(9) Die Höhe der Säumnisabgeltung beträgt für den nicht zeitgerecht erstatteten Abgabenbetrag 2%. Eine zweite Säumnisabgeltung ist festzusetzen, soweit der Abgabenbetrag nicht spätestens drei Monate nach dem Ende der Fristen in Abs. 5 und Abs. 6 erstattet wird. Eine dritte Säumnisabgeltung ist festzusetzen, soweit der Abgabenbetrag nicht spätestens drei Monate nach dem Eintritt der Verpflichtung zur zweiten Säumnisabgeltung erstattet wird. Die zweite und die dritte Säumnisabgeltung betragen jeweils 1% des zum maßgebenden Stichtag nicht erstatteten Abgabenbetrages.
(10) Ein Anspruch auf Säumnisabgeltung besteht nicht, wenn der Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nicht innerhalb einer Frist von einem Monat nach Zugang einer entsprechenden Aufforderung der Abgabenbehörde nachkommt.
(11) Eine Säumnisabgeltung, die den Betrag von 50 Euro nicht erreicht, ist nicht festzusetzen.
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Grundsätzlich ist auszuführen, dass das Vorsteuererstattungsverfahren im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen, mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird, StF: BGBl. Nr. 279/1995; Änderung: BGBl. II Nr. 416/2001; BGBl. II Nr. 384/2003; BGBl. II Nr. 222/2009; BGBl. II Nr. 174/2010; BGBl. II Nr. 389/2010; BGBl. II Nr. 158/2014 (kurz: VO) das anzuwendende Verfahren ist und keine Wahlmöglichkeit zwischen beiden Verfahren (reguläres Umsatzsteuerveranlagungsverfahren und Vorsteuererstattungsverfahren nach der VO) besteht. Verhältnis zur Veranlagung: Sind die Voraussetzungen nach § 1 Abs 1 der VO gegeben (weder Sitz noch Niederlassung im Inland, keine oder nur die aufgezählten Umsätze im Inland), dann kann der Abzug der Vorsteuern nur im Erstattungsverfahren nach der VO vorgenommen werden (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 UStG, Rz. 60).
Tätigt ein ausländischer Unternehmer ausschließlich Umsätze, die dem reverse-charge-System unterliegen, kann er - wie erwähnt - Vorsteuern nur im Erstattungsverfahren geltend machen. Sollte dieser Unternehmer selbst eine Umsatzsteuer schulden, weil die Steuerschuld vom leistenden Unternehmer auf ihn übergegangen ist, so muss er lediglich deswegen zur Umsatzsteuer erfasst werden. Auch in diesen Fällen ist nach dem Wortlaut der VO die Vorsteuer offenbar im Erstattungsverfahren und nicht im Veranlagungsverfahren geltend zu machen (kritisch mit rechtspolitischen Vorschlägen Dipplinger/Wagner, SWK 2003, S 872). (Ruppe/Achatz, UStG5, § 21 UStG, Rz 57/2).
Nicht als Bauleistungen werden angesehen: ausschließlich planerische Leistungen, Beförderungsleistungen einschließlich des Be- und Entladens, das Abholen und die Entsorgung von Bauschutt, die Vermietung von Baugeräten, die Durchführung von Reparatur- und Wartungsarbeiten bei Baugeräten, Wartungsarbeiten an Bauwerken, solange nicht Teile verändert, bearbeitet oder ausgetauscht werden (s.a. USt-Protokoll 2011, wonach die Reparatur von Strom- oder Telefonleitungen Bauleistung ist, weil Teile zu ersetzen sind). Nicht als Bauleistungen werden ferner angesehen, Materiallieferungen durch Baustoffhändler oder Baumärkte sowie bloße Lieferungen von Asphalt oder Beton. Die Ermächtigung des Rates bezog sich auf Dienstleistungen (vgl auch , wonach die Lieferung "frei unabgeladen Baustelle" nicht unter die Regelung fällt). Die Abgrenzung entspricht Art 199 MwSt-RL, die die Einbeziehung von Werklieferungen zulässt und damit implizit reine Lieferungen ausschließt (vgl dazu auch "BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH"). Lieferungen für die Ausstattung des Bauwerks fallen nur dann unter die Regelung, wenn damit nicht bloß untergeordnete Arbeiten am Bauwerk selbst verbunden sind (daher etwa keine Anwendung auf die Lieferung und Montage von Beleuchtungskörpern, vgl ), Ruppe/Achatz, UStG5, § 19, Rz. 46)
Die von der Bf. referierte Judikatur des UFS RV/0257-G/03 v. betrifft einen anderen Rechtsfall, nämlich dass die verspätete Bezahlung einer Rechnung in einem Folgejahr die Entstehung des Anspruches nicht zu verschieben vermag bzw. nicht bewirke, dass die (damalige) Sechs-Monats-Frist für die (rechtzeitige) Einbringung des Erstattungsantrages später zu laufen beginne. Die Abgrenzungsproblematik zwischen Vorsteuererstattungs- und Umsatzsteuerveranlagungsverfahren wurde dort nicht näher erörtert, weshalb sich weitergehende Ausführungen, was der seinerzeitige UFS erwogen oder auch nicht erwogen hat, erübrigen, weil sie auch nicht tragender Bestandteil dieser Entscheidung waren.
Ab der Veranlagung 2004 entfällt die Veranlagung grundsätzlich auch für Unternehmer, die im Inland keine Umsätze oder nur Umsätze, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, ausgeführt haben, sofern sie ausschließlich eine Steuer auf Grund des § 19 Abs. 1 zweiter Satz oder des Abs. 1a schulden, hinsichtlich der sie zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind. In diesen Fällen kommt es nur dann zur Veranlagung, wenn der Unternehmer dies ausdrücklich schriftlich beantragt (Abs. 4, letzter Unterabsatz).
Nach den Mat (686 BlgNR 22.GP ) soll mit Abs. 4 letzter Unterabsatz vermieden werden, dass für ausländische Unternehmer, auf die die Steuerschuld übergegangen ist, die aber zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, eine Veranlagung stattfinden muss (die zu keiner Steuervorschreibung führt). Die Einschränkung auf Unternehmer, die zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, soll dabei gewährleisten, dass ausländische Leistungsempfänger, die gem. § 12 Abs. 3 vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sind, jedenfalls zur Umsatzsteuer veranlagt werden müssen (Stockinger, SWK 2005, S 82); im Fall der Geltendmachung weiterer Vorsteuern neben jener für die übergegangene Steuerschuld ist ebenfalls das Veranlagungsverfahren (und nicht das Erstattungsverfahren) durchzuführen (UStR Rz 2601a, Ruppe/Achatz, UStG 19945, § 21 Rz. 37).
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Graz, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 1 Abs. 1 Z 3 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 § 19 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern, BGBl. Nr. 279/1995 |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.2100333.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at