Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 09.11.2023, RV/6100325/2023

Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 bei Bezug von Arbeitslosengeld

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des ***FA*** vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 zu Recht erkannt:

I.) Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen und bilden insoweit einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II.) Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I.) Verfahrensgang/Sachverhalt:

1.) Der Beschwerdeführer (Bf) hat im Jahr 2022 für 273 Tage (-) Arbeitslosengeld in Höhe von € 16.248,96 bezogen. Vom - hat er Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit erzielt. Der Bf hat zwei Kinder.

2.) Die Erklärung zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2022 wurde am im elektronischen Weg übermittelt und der halbe Familienbonus Plus geltend gemacht.

3.) Mit Ausfertigungsdatum wurde der Einkommensteuerbescheid (Arbeitnehmerveranlagung) 2022 erlassen. Der Bezug von Arbeitslosengeld blieb in diesem Bescheid außer Ansatz. Aufgrund der geringen Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit wurde ein (erhöhter) Verkehrsabsetzbetrag sowie ein Teuerungsabsetzbetrag berücksichtigt. Darüber hinaus erfolgte eine Rückerstattung von SV- Beiträgen nach § 33 Abs. 8 EStG 1988.

4.) Gegen den genannten Bescheid wurde mit Eingabe vom fristgerecht Beschwerde erhoben und ausgeführt, der Bf sei von Jänner bis September arbeitslos gewesen, weshalb sein Antrag auf Gewährung des halben Familienbonus Plus nur für den Zeitraum Oktober bis Dezember gültig sei.

5.) Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde dem angeführten Begehren entsprochen. Der Erstbescheid wurde (allerdings) zu Lasten des Bf abgeändert, da bislang das Arbeitslosengeld steuerlich nicht berücksichtigt wurde. Ausdrücklich wurde auf die besondere Steuerberechnung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 hingewiesen.

6.) Im rechtzeitig gestellten Antrag auf Entscheidung über die Beschwerde durch das Verwaltungsgericht vom wurde vorgebracht, das zu versteuernde sei in beiden Bescheiden mit € 7.471, 47 ausgewiesen worden. Es könne sich daher keine Steuer vor Abzug der Absetzbeträge in Höhe von € 5.183,73 ergebe. Die AMS-Bezüge seien steuerfrei. Darüber hinaus falle für die ersten € 11.000,00 keine Steuer an. Der ermittelte Steuerbetrag sei unrichtig.

7.) Im Vorlagebericht vom wurde ausgeführt, dass aufgrund des geringen steuerpflichtigen Einkommens des Bf im Erstbescheid vom der beantragte Familienbonus (steuerlich) nicht wirksam geworden sei. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass im Erstbescheid das Arbeitslosengeld nicht berücksichtigt worden sei, weshalb es (nunmehr) zu einer Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 gekommen sei. Zum Vorlagebericht vom , dem Vorhaltswirkung zukommt, hat sich der Bf nicht geäußert.

II.) Rechtslage und Erwägungen:

1.) Von der Einkommensteuer sind ua befreit: das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe oder an deren Stelle tretenden Ersatzleistungen (§ 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988).

Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des Abs. 1 Z 5 lit a oder c, nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt; die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde (§ 3 Abs. 2 EStG).

2.) Ziel dieser Regelung ist die Vermeidung überhöhter Nettoeinkommen aus Transferleistugen. Beabsichtigt ist die Vermeidung einer unverhältnismäßigen Absenkung der Steuerprogression durch die Miteinbeziehung der steuerfreien Bezüge in das Jahreseinkommen. Mit dem Hochrechnungsverfahren soll vermieden werden, dass das verfügbare Nettoeinkommen eines teilweise Arbeitslosen höher ist als das eines ganzjährig Beschäftigten. Die Regelung ist verfassungskonform (Jakom/Laudacher EStG 2021, Rz 120 zu § 3).

3.) Steuerfrei sind - wie bereits dargelegt - ua das versicherungsmäßige Arbeitslosengeld. Der Bezug derartiger Leistungen führt aber zur Hochrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 (vgl. Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, Rz 23 zu § 3 und Jakom/Laudacher EStG 2021, Rz 16 zu § 3).

4.) Mit seiner Argumentation verkennt der Bf die Rechtslage. Arbeitslosengeld ist zwar steuerfrei; zur Aufrechterhaltung der vollen Steuerprogression werden jedoch die für das restliche Kalenderjahr bezogenen Einkünfte auf ein fiktives Jahreseinkommen umgerechnet. Die festzusetzende Steuer wird mit der Höhe begrenzt, die sich bei Steuerpflicht sämtlicher Bezüge (auch des Arbeitslosengeldes) ergeben würde. Eine Umrechnung erfolgt nur bei den laufenden Einkünften. Der Hochrechnung auf ein Jahreseinkommen unterliegen die Einkünfte und damit der um Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten gekürzte Betrag (vgl. Mayr/Hayden in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG18, Rz 28 zu § 3).

Die mit Beschwerdevorentscheidung vorgenommene Hochrechnung erweist sich als richtig. Die für den Zeitraum bis bezogenen Bezüge wurden auf einen Jahresbetrag (€ 29.642,24) hochgerechnet [€ 7.471,47x 365/(354-273)]. Auf diesen Betrag wurde der Steuertarif des § 33 Abs. 1 EStG 1988 korrekt angewendet. Die Steuerbeträge vor und nach Abzug der Absetzbeträge wurden (zutreffend) mit € 5.183,73 bzw. € 3.783,69 ermittelt. Setzt man die Steuer nach Abzug der Absetzbeträge (€ 3.783,69) in Relation zu den (hochgerechneten) Bezügen (€ 29.642,24) so errechnet sich ein Durchschnittssteuersatz von 12,76 %, der auf die (tatsächlich) bezogenen Einkünfte (€ 10.294, 68 abzüglich von Werbungskosten in Höhe von € 2.814,21 und € 9,99) angewendet wurde.

Da sich die im Vorlageantrag angeführten Einwendungen als unzutreffend erweisen, konnte der Beschwerde nur im Umfang des halben Familienbonus Plus Folge gegeben werden. Die Bemessungsgrundlage und die darauf entfallende Steuer sind der Beschwerdevorentscheidung vom zu entnehmen, die insoweit integrierender Bestandteil dieses Erkenntnisses ist.

III.) Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Revision ist nicht zulässig, weil sich die Rechtsfolgen aus dem Gesetz ergeben.

Salzburg, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.6100325.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at