Bescheidbeschwerde – Senat – Erkenntnis, BFG vom 06.11.2023, RV/3100767/2018

Betriebsausgaben einer nicht operativ tätigen GmbH; Vorliegen von Wiederaufnahmegründen

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2024/15/0005.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK


Das Bundesfinanzgericht hat durch die Senatsvorsitzende ***SV***, die Richterin ***Ri*** sowie die fachkundigen Laienrichterinnen ***LR1*** und ***LR2*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***Vertr-Bf***, ***Adr-Vertr***, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes ***FA*** (jetzt Finanzamt Österreich) vom betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2014 und 2015, Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2014 und 2015, Umsatzsteuer 2014 bis 2016, Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 sowie Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2014, 2015, 2016 und 2017, Steuernummer 82-119/2986, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit der Schriftführerin ***Sf*** zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Wiederaufnahme der Umsatzsteuerverfahren 2014 und 2015, Wiederaufnahme der Körperschaftsteuerverfahren 2014 und 2015, Umsatzsteuer 2014 bis 2016 sowie Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 wird abgewiesen.
Diese angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Der Beschwerde gegen die Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer 2014, 2015, 2016 und 2017 wird Folge gegeben. Diese angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.


II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

I.1. Die Umsatz- und Körperschaftsteuererklärungen der beschwerdeführenden GmbH (kurz: Bf) wurden am für das Kalenderjahr 2014, am für das Kalenderjahr 2015 und am für das Kalenderjahr 2016 elektronisch beim Finanzamt eingereicht. Die Umsatz- und Körperschaftsteuerbescheide ergingen am (für 2014), am (für 2015) und am (für 2016) erklärungsgemäß. Die Bescheide wurden der Bf elektronisch zugestellt.

Die Jahresabschlüsse der Bf zum und zum (samt Evidenzkonto) hat das Finanzamt in Papierform erhalten, und zwar den Jahresabschluss 2014 am und den Jahresabschluss 2016 am .

I.2. Im Zuge einer bei der Bf durchgeführten, die Veranlagungsjahre 2014 bis 2016 umfassenden Außenprüfung traf die Prüferin folgende Feststellungen (Prüfungsbericht vom ):

  1. Mit Schreiben vom , beim Finanzamt eingelangt am , sei die Gründung der ***Bf*** bekanntgegeben worden. Gemeinsam mit diesem Schreiben seien der Fragebogen Verf15 (Gründung Körperschaft) eingebracht und die Betriebseröffnung mit angegeben worden. Die Eintragung der Firma im Firmenbuch sei am erfolgt.
    Laut Schreiben der
    Bezirkshauptmanschaft vom sei die Gewerbeanmeldung, Geschäftsführerbestellung mit wirksam geworden.
    Ebenfalls mit sei die Ruhendmeldung des Gewerbes erfolgt (Schreiben der Wirtschaftskammer vom ).
    Geschäftsgegenstand der GmbH sei die Produktion und der Großhandel von Juwelen im In- und Ausland sowie der
    Großhandel von Uhren und kunstgewerblichen Gegenständen im In- und Ausland.
    Der Firmensitz sei in
    ***Bf-Adr***.
    Geschäftsführer und Alleingesellschafter sei Herr
    ***A***.

Die GmbH habebisher weder inländische Umsätze noch innergemeinschaftliche Lieferungen getätigt.

Herr ***A*** betreibe in ***Deutschland*** die Firma ***A.e.K***

Er sei auch Alleineigentümer der Liegenschaft in ***Bf-Adr***. Herr ***A*** habe diese Liegenschaft im April 2010 erworben. Die baubehördliche Genehmigung für einen Um-und Zubau sei mit Bescheid vom erteilt worden; der Baubescheid sei mit datiert. DieGesamtnutzfläche laut Baubescheid betrage 2.980,75 m2 (drei Wohnungen und ein Büro inklusive Nebenräume,Technikräume, Garage etc.).

Ein schriftlicher Mietvertrag über die Vermietung der Liegenschaft bzw. der Betriebsräumlichkeiten an die Bf liege nicht vor.

Den Feststellungen der Finanzverwaltung zufolge habe die Bf seit ihrer Gründung inÖsterreich keine operative Tätigkeit ausgeübt. Dies werde auch von Seiten des steuerlichen Vertreters der Bf nicht bestritten (Tz 1 des Prüfungsberichtes).

  1. Im Prüfungszeitraum 2014 bis 2016 habe die Bf Lohnaufwendungen geltend gemacht, obwohl sie keine operative Tätigkeit ausgeübt habe. MitSchreiben vom sei die Bf aufgefordert worden, dem Finanzamt mitzuteilen, warum Lohnaufwendungen geltend gemacht worden seien, obwohl die Bf seit der Gründung keine operative Tätigkeit entfaltet habe. In der Vorhaltsbeantwortung seien dem Finanzamt keine schlüssigen Gründe dargelegt worden.

Nach Ansicht der Finanzverwaltung stellten die Lohnaufwendungen inklusive Lohnnebenkosten keine Betriebsausgaben der Bf dar. Laut den Meldungen an die Tiroler Gebietskrankenkasse habe es sich um Tätigkeiten als Hausarbeiterinnen und Hausmeister gehandelt. Diese Tätigkeiten stünden mit dem Haus in ***Bf-Adr***,dessen Alleineigentümer ***A*** sei, in Zusammenhang. Die Lohnkosten stellten daher keine Betriebsausgaben der Bf dar und seien als verdeckte Ausschüttungen an den Alleingesellschafter ***A*** zu behandeln (Lohnaufwand 2014: 43.476,68 €, 25 % KESt: 10.869,17 €; Lohnaufwand 2015: 56.496,63 €, 25 % KESt: 14.124,16 €; 2016: Lohnaufwand 79.174,03 €; KESt 27,5 %: 16.368,28 €).

Da auch im Nachschauzeitraum 2017 hinsichtlich der Lohnaufwendungen von einer verdeckten Ausschüttung auszugehen sei und dieKapitalertragsteuer für 2017 bereits fällig sei, werde im Zuge der Außenprüfung KESt in Höhe von 16.368,28 € (d.s. 27,5 % von 59.521,00 €) vorgeschrieben (Tz 2 und Tz 7 des Prüfungsberichtes).

Das Finanzamt sei erst im Zuge der Außenprüfung zu den oben angeführten Tatsachen gelangt. Erst durch die Einsichtnahme in die Anmeldungen der Arbeiter bei der Sozialversicherung(Vorlage im Zuge der Außenprüfung) habe deren Tätigkeit festgestellt werden können.

Auch die Ruhendmeldung des Gewerbes sei erst durch die Außenprüfung zu Tage getreten.Da die steuerlichen Auswirkungen nicht als gering angesehen werden könnten, erfolge hinsichtlich der Körperschaftsteuer2014 und 2015 eine Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 BAO. Der Körperschaftsteuerbescheid 2016 werde gemäß § 299 BAO aufgehoben, da sich der Spruch dieses Bescheides als nicht richtig erwiesen habe (Tz 2 des Prüfungsberichtes).

  1. Im Prüfungszeitraum seien Kosten für Telefon, Telefax und Internet geltend gemacht worden (2014: 413,19 €; 2015: 3.423,10 €; 2016: 4.223,77 €). Da die Bf noch keine operative Tätigkeit ausgeübt habe, seien diese Kosten nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen.
    Die obige Feststellung habe auf Grund der erstmaligen Einsichtnahme in die Buchhaltung getroffen werden können. Somit liege ein Wiederaufnahmegrund gemäß §
    303 BAO hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2014 und 2015 vor.Der Körperschaftsteuerbescheid 2016 werde gemäß § 299 BAO aufgehoben, da sich der Spruch dieses Bescheides als nicht richtig erwiesen habe (Tz 3 des Prüfungsberichtes).

  2. Da die Lohnaufwendungen steuerlich nicht abzugsfähig seien, stellten auch die Aufwendungen für die Lohnverrechnung (2014: 590,00 €; 2015: 987,20 €; 2016: 974,00 €) keine Betriebsausgaben dar.
    Diese im Zuge der Außenprüfung getroffene Feststellung begründe eine Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Körperschaftsteuer 2014 und 2015. Der Körperschaftsteuerbescheid 2016 werde gemäß § 299 BAO aufgehoben, da sich der Spruch dieses Bescheides als nicht richtig erwiesen habe (Tz 4 des Prüfungsberichtes).

  3. In den Jahren 2015 und 2016 seien Sponsorzahlungen (2015: 3.636,37 €; 2016: 6.363,63 €) als Werbeaufwand geltend gemacht worden. Dabei habe es sich um Aufwendungen für die Skisportlerin ***B*** gehandelt, die in der FIS-Liste im Jahr 2015 auf Rang 486 und im Jahr 2016 zwischen Rang 378 bis Rang 491 gereiht gewesen sei. Laut Abfrage vom habe sie auch nie dem österreichischen Damenskinationalteam angehört. Mangels einer breiten öffentlichen Werbewirkung seien die Kosten für das Sponsoring daher steuerlich nicht als Betriebsausgaben anzuerkennen.

Im Zuge der Außenprüfung habe erstmals Einsicht in den Werbevertrag genommen werden können. Der obige Sachverhalt rechtfertige die Wiederaufnahme desVerfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2015. Der Körperschaftsteuerbescheid 2016 werde gemäß § 299 BAO aufgehoben, da sich der Spruch dieses Bescheides als nicht richtig erwiesen habe (Tz 5 des Prüfungsberichtes).

  1. Kosten von 411,09 € im Jahr 2014 würden mit Inseraten betreffend Stellenangeboteund damit direkt mit den Lohnaufwendungen zusammenhängen. Diese Aufwendungen könnten steuerlich nicht anerkannt werden. Auf Tz 2 werde verwiesen (Tz 6 des Prüfungsberichtes).

  2. Die Kapitalertragsteuer von den verdeckten Ausschüttungen werde vom Gesellschafter ***A*** getragen. Die Kapitalertragsteuer betrage daher 25% der Lohnaufwendungen in den Jahren 2014 und 2015 und 27,5% der Lohnaufwendungen in den Jahren 2016 und 2017 (Tz 7 des Prüfungsberichtes).

  3. Die Nichtanerkennung von Betriebsausgaben habe zur Folge, dass die darauf entfallenden Vorsteuerbeträge ebenfalls steuerlich nicht anerkannt würden (§ 12 Abs. 2 Z 2 UStG). Die geltend gemachten Vorsteuern seien um 173,84 € (2014), 958,73 € (2015) und 913,89 € (2016) zu kürzen (Tz 8 des Prüfungsberichtes).

I.3. Mit Bescheiden vom verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 und 2015 gemäß § 303 BAO sowie die Aufhebung der Erstbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2016 gemäß § 299 BAO. In den Bescheidbegründungen wurde jeweils auf die gleichzeitig erlassenen neuen Sachbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 verwiesen. In den neuen Sachbescheiden betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 wurde zur Begründung auf den Prüfungsbericht weiterverwiesen.
Zur Ermessensübung enthalten die Verfahrensbescheide die Begründung, dass im vorliegenden Fall das Interesse der Behörde an der Rechtsrichtigkeit der Entscheidung das Interesse auf Rechtsbeständigkeit überwiege und die steuerlichen Auswirkungen nicht als geringfügig angesehen werden könnten.

Mit weiteren Bescheiden vom wurde die Bf zur Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2014 bis 2017 herangezogen. Zur Begründung wurde wiederum auf den Prüfungsbericht verwiesen. Die Ermessensübung wurde mit der Pflichtverletzung bezüglich Einbehaltung und Abfuhr der Kapitalertragsteuer und dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung und Einbringung der Abgaben begründet.

I.4. Mit Schreiben des steuerlichen Vertreters der Bf vom wurde gegen die Bescheide über die Wiederaufnahme der Umsatz- und Körperschaftsteuerverfahren 2014 und 2015, die Sachbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 sowie gegen die Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für die Jahre 2014 bis 2017 Beschwerde erhoben mit dem Antrag, "die Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 bis 2016 gemäß den eingereichten Steuererklärungen zu veranlagen sowie die Kapitalertragsteuer 2014 bis 2017 gutzuschreiben".
Herr ***A*** sei durch die Zahlungen der mit Eigenkapital sehr gut dotierten Bf nicht endgültig bereichert worden, da er diese Zahlungen andernfalls in die monatliche Miete, die die Bf entrichten werde, einkalkulieren müsste. Zudem erhalte er keinen Bezug als Geschäftsführer und verlange derzeit auch kein Mietentgelt. Kapitalertragsteuer könne daher nicht anfallen.
Das Sponsoring diene der Steigerung der Bekanntheit und dem Image der Firma, es sei schriftlich vereinbart worden und fremdüblich.
Alle weiteren Prüfungsfeststellungen würden letztlich mit diesen beiden Punkten zusammenhängen.
Wiederaufnahme der Verfahren:
Dem Finanzamt sei durch die übermittelten Unterlagen (die jährlichen Jahresabschlüsse, die Körperschaftsteuererklärungen inklusive der ausgefüllten Kennzahlen, die monatlichen Umsatzsteuervoranmeldungen und die Umsatzsteuererklärungen sowie auch die Jahreslohnzettel und die entrichteten Lohnabgaben) bekannt gewesen, dass die Bf Arbeitnehmer beschäftigt habe, ohne gleichzeitig Umsatzerlöse zu erzielen. Die von der Steuerprüfung rechtlich abweichend gewürdigten Sachverhalte seien unmittelbar den eingereichten Unterlagen zu entnehmen gewesen. Besondere Prüfungshandlungen seien dafür nicht erforderlich gewesen. Eine Wiederaufnahme der Abgabenverfahren 2014 und 2015 sei mangels neu hervorgekommener Tatsachen daher nicht zulässig gewesen.
Lohnaufwendungen inkl. Lohnnebenkosten und Kosten der Inserate:
Die Bf sei von Herrn ***A*** mit Erklärung vom errichtet worden. Das Stammkapital betrage 1,000.000 €, wovon 250.000 € vom Gesellschafter ***A*** bar eingezahlt worden seien. In der Folge sei Herr ***A*** als Gesellschaftergeschäftsführer dafür verantwortlich gewesen, dass die Bf so rasch wie möglich tätig werden könne. Die Bf sei dabei auf das Knowhow bzw. die Kontakte (das "Netzwerk") von Herrn ***A*** angewiesen.
Bereits zu Beginn sei geplant gewesen, dass die Bf das von Herrn ***A*** zu errichtende Gebäude betrieblich nutze. Weiters sei vereinbart gewesen, dass die Bf Herrn ***A*** bis zum Start der operativen Geschäfte keinen Geschäftsführerbezug ausbezahle (Nutzungseinlage des Gesellschafters), jedoch beteilige sich die Bf durch das ihr zur Verfügung stehende Eigenkapital von 250.000 € in untergeordnetem Ausmaß an den laufenden Kosten. Seine eigenen Kosten im betrieblichen Interesse der GmbH werde Herr ***A*** nach Fertigstellung des Gebäudes im Wege einer monatlichen Miete wiederum der GmbH anlasten.
Dass Herr ***A*** als Geschäftsführer zielstrebig auf die Aufnahme der operativen Tätigkeit hingearbeitet habe, könne durch die der Beschwerde angeschlossenen Schriftstücke (u.a. Schreiben an das Finanzamt vom betreffend Vergabe einer Steuernummer sowie UID-Nummer, Antrag vom auf Erteilung einer EORI-Nummer für Zwecke der Verzollung, Kontaktaufnahme mit der Gewerbebehörde, Personalsuche mittels Zeitungsinseraten) nachgewiesen werden. Im März/April 2014 sei eine angemessene Miete berechnet worden. Mit Mail vom an den steuerlichen Vertreter der Bf habe Herr ***A*** angekündigt, dass die Aufnahme der operativen Tätigkeit für September 2014 vorgesehen sei. Zu den Problemen bzw. Verzögerungen beim Bau werde auf die Fotos und den Schriftverkehr mit dem Finanzamt vom verwiesen.
Die Gewerbeanmeldung sei mit erfolgt. Auf Grund der Bauverzögerungen sei das Gewerbe wieder ruhend gemeldet worden. Mittlerweile habe Herr ***A*** bereits die entgangenen Mieten auf Grund der Bauverzögerungen eingeklagt. Weiters werde auf den Schriftverkehr des Rechtsanwalts von Herrn ***A*** mit der Fa. ***C***, Alarm- und Sicherheitssysteme verwiesen.
Mit den bei der Gebietskrankenkasse gemeldeten Dienstnehmern seien schriftliche Dienstverträge abgeschlossen worden. Aus den der Beschwerde beigeschlossenen Anmeldungen seien die Tätigkeit und die jeweilige Wochenarbeitszeit ersichtlich.
Telefon, Telefax und Internet:
Auch wenn die Bf noch nicht operativ tätig sei, könnte Herr ***A*** ein angemessenes Entgelt für die Geschäftsführung verrechnen. Ein angemessenes Entgelt dürfte monatlich ungefähr jenem Betrag entsprechen, den die GmbH für Telefon, Telefax und Internet bezahlt habe. Davon abgesehen sei ein Teil dieser Aufwendungen ausschließlich betrieblich veranlasst. Auch eine operativ nicht tätige GmbH habe Kosten für die Erstellung des Jahresabschlusses und der Steuererklärungen, für die Korrespondenz mit Behörden usw.
Lohnverrechnung:
Da die Bf die Löhne der Hausarbeiter übernehme, habe sie auch einen professionellen Personalverrechner beauftragt.

Werbung:
Der Sponsorvertrag mit dem Skinachwuchstalent ***B*** sei fremdüblich und Werbung für die Bf. Dass persönliche Gründe für das Sponsoring entscheidend gewesen sein könnten, zeige die Steuerprüfung mit keinem Wort auf.
Vorsteuer:
Auf Grund der Versagung des Betriebsausgabenabzugs habe die Prüferin auch die einschlägigen Vorsteuerbeträge gestrichen. Die den Rechnungen zu Grunde liegenden Leistungen seien im Interesse der Bf beauftragt, die Rechnungen seien von der Bf beglichen worden.
Haftungsbescheide betreffend Kapitalertragsteuer:
Da die Kosten der Hausarbeiter mittels Mietvertrag wieder umgelegt werden sollten, sei der Bf durch die Übernahme der Lohnkosten kein endgültiger Aufwand erwachsen. Eine verdeckte Ausschüttung liege nicht vor.

Gemäß § 262 Abs 2 BAO werde der Antrag auf Unterbleiben einer Beschwerdevorentscheidung und Vorlage der Bescheidbeschwerde innerhalb von drei Monaten an das Bundesfinanzgericht gestellt.
Weiters werde die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung (274 BAO) sowie die Entscheidung durch den gesamten Senat (§ 272 BAO) beantragt.

I.5. Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor.

Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes reichte das Finanzamt eine Kopie des Jahresabschlusses der Bf zum nach. Im Begleitschreiben vom wurde mitgeteilt, der Jahresabschluss 2015 sei nicht schon mit den Steuererklärungen beim Finanzamt eingereicht worden; erst über Nachfrage des Finanzamtes vom habe der steuerliche Vertreter der Bf die beigeschlossene Kopie übermittelt.

I.6. Im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht hat am ein Erörterungsgespräch stattgefunden.

I.7. Mit Schreiben vom ergänzte der steuerliche Vertreter der Bf das Beschwerdevorbringen: Die geplante Aufnahme einer betrieblichen Tätigkeit nach Fertigstellung des Gebäudes im August 2015 habe sich unverschuldet verzögert. Die GmbH habe kein Zertifikat der Alarmanlagenfirma ***C*** zur Weiterleitung und finalen Standortgenehmigung der Versicherung erhalten (vgl. dazu das Schreiben der D-Versicherungsmakler GmbH vom inklusive Abnahmebericht des Instituts für angewandte Sicherheitstechnik vom ). Der im Jahr 2016 erhobenen Klage sei 2019/2020 vor Gericht stattgegeben worden. Nach dem erforderlichen Umbau insbesondere der Alarmanlagen sei die Corona-Pandemie eingetreten. Erst nach Ende der Pandemie hätten die ersten Umsatzerlöse generiert werden können. Im Prüfungszeitraum 2014 bis 2016 habe die GmbH somit mangels Versicherungsschutzes keine betrieblichen Einkünfte erzielen können. Dennoch seien Betriebsausgaben angefallen. Auch Aufwendungen zur Erzielung künftiger Betriebseinnahmen seien ihrem Wesen nach Betriebsausgaben, soweit ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen und somit einer Einkunftsquelle bestehe.
Die GmbH sei in den Jahren 2014 bis 2016 rechtlich nicht verpflichtet gewesen, eine Miete zu entrichten. Allerdings habe sie das Gebäude in diesen Jahren als Sitz genutzt, dort Post erhalten und quantitativ begrenzte Tätigkeiten entfaltet. Dafür habe sie die Kosten für Telefon, Telefax und Internet getragen und sei als Vertragspartner aufgetreten. Es liege ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung vor. Der Vermieter sei rechtlich nicht verpflichtet, alle Kosten für das Mieobjekt zu übernehmen.
Ob und in welchem Ausmaß Werbung geschaltet werde, sei im unternehmerischen Spielraum gelegen. Zu den Sponsorzahlungen eines Einzelunternehmers an einen Sportverein werde auf das Erkenntnis des , verwiesen.
Das Finanzamt unterstelle das Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen in den Jahren 2014 bis 2017. Nach dem Erkenntnis des , sei bei Vorteilszuwendungen einer GmbH an ihren Gesellschafter grundsätzlich von Gewinnausschüttungen auszugehen, es sei denn, dass eine Einlagenrückzahlung nachgewiesen werde. Auch nach Marschner, Einlagen in Kapitalgesellschaften, Seite 682 ff, müsse eine Innenfinanzierung möglich sein, um eine Gewinnausschüttung annehmen zu können. Bestehe das Eigenkapital ausschließlich aus Einlagen, könne auch nur eine Einlage rückgeführt werden.
Die Bf habe in den Jahren 2014 bis 2017 kein einziges Geschäft getätigt, das einen Gewinn bewirkt habe. Das Kapital bestehe ausschließlich aus von Herrn ***A*** eingezahltem Eigenkapital. Damit sei der Nachweis erbracht, dass auch nur einbezahltes Eigenkapital im Wege einer Einlagenrückzahlung an Herrn ***A*** zurückfließen könne. Es werde explizit darauf hingewiesen, dass aus Sicht der Bf alle Geschäfte betrieblich veranlasst gewesen seien und daher weder eine verdeckte Gewinnausschüttung mit KESt noch eine Einlagenrückzahlung vorliege. Herr Schreiner habe sich durch die Übernahme von Kosten durch die GmbH weder objektiv noch subjektiv bereichern wollen.

I.8. Am hat die beantragte mündliche Verhandlung vor dem Senat stattgefunden.

Der steuerliche Vertreter der Bf erklärte, weitere Ausführungen würden sich erübrigen, da rechtlich bereits alles gesagt sei. Es liege ein Verhältnis von Leistung und Gegenleistung vor, weil sich die GmbH an den Kosten beteilige. Da die GmbH unbestritten ihren Sitz in ***Bf-Adr***, habe, sei es angemessen und fremdüblich, wenn die Gesellschaft Kosten trage. Fremdüblich sei auch, dass die GmbH keine Miete bezahlt habe, da sie das Gebäude ja nicht betrieblich nutzen konnte.
Zum Werbeaufwand: Der Sponsorbetrag sei nicht übertrieben hoch gewesen und sollte akzeptiert werden.
Zur Kapitalertragsteuer: Nach der Rechtsprechung des VwGH erfordere das Vorliegen einer verdeckten Ausschüttung keinen Bilanzgewinn. Im Zweifel liege immer eine Gewinnausschüttung mit KeSt vor, es sei denn, dass der Nachweis einer Einlagenrückzahlung erbracht werde. Nach dem neuen Erkenntnis vom genüge ein einziges mit Gewinn abgeschlossenes Geschäft, um eine Ausschüttung vornehmen zu können, auch wenn sich insgesamt ein Jahresverlust ergäbe. Auf den Beschwerdefall umgelegt bedeute dies: Wenn die GmbH nie ein einzelnes Geschäft mit Gewinn gemacht habe, könne es keine Gewinnausschüttung geben. Abgesehen davon habe weder die GmbH Herrn ***A*** einen Vorteil zuwenden wollen noch hätte Herr ***A*** einen solchen Vorteil haben wollen. Schon nach der "alten" Logik könne es daher keine Gewinnausschüttung geben. Nach der "neuen" Logik komme nun dazu, ob der Nachweis gelinge, dass eine Einlagenrückzahlung erfolgt sei. Im Beschwerdefall müsse eine Einlagenrückzahlung vorliegen, wenn man schon sagt, dass das Geld unerlaubt an Herrn ***A*** zurückgeflossen sei.

Der Vertreter des Finanzamtes führte aus, grundsätzlich werde die Rechtsansicht aufrechterhalten, dass die GmbH, die ja ab ruhend gemeldet war, keine betriebliche Tätigkeit ausgeübt habe. Wenn man aber keine betriebliche Tätigkeit ausübe und auch keinen Mietvertrag mit dem Vermieter habe, könnten keine Kosten als Aufwand geltend gemacht werden, die ja unbestrittenermaßen der GmbH nicht zu Gute gekommen seien: Das Haus sauber zu halten, das sie in dieser Zeit gar nicht genutzt habe, könne nicht Aufgabe der GmbH gewesen sein.
Zur Kapitalertragsteuer: Nach alter Diktion liege jedenfalls eine verdeckte Ausschüttung vor. Herr ***A*** sei in Personalunion Geschäftsführer der GmbH und der Einzelunternehmer, der das Gebäude errichtet habe und als Vermieter auftreten wolle. Es bestehe kein Interessensgegensatz. Als Geschäftsführer der GmbH könne Herr ***A*** bestimmen, ob und welche Kosten die GmbH übernehme. Von einer Einlagenrückzahlung habe man naturgemäß bis jetzt nie gesprochen. Die Rechtslage sei mit dem VwGH-Erkenntnis vom nach wie vor nicht ganz geklärt.
Zum Sponsorvertrag: Grundsätzlich sei (beim Erörterungsgespräch) gesagt worden, die Sponsorzahlungen könnten vom Finanzamt als Betriebsausgaben anerkannt werden. Zu bedenken sei vielleicht, dass in der Zeit, als die Zuwendungen erfolgten, der Betrieb der GmbH ruhend gemeldet gewesen sei.

Über Befragen, welche "quantitativ begrenzten Tätigkeiten" (siehe Schreiben vom ) die Bf in den Streitjahren ausgeübt habe, erläuterte der steuerliche Vertreter, mit dieser Formulierung sei gemeint, dass die Bf eine "lebende GmbH" mit Rechten und Pflichten sei; so habe die Bf etwa eine Buchhaltung führen und Bilanzen erstellen müssen.

II. Sachverhalt

II.1. Die ***Bf*** wurde von ***A*** mit Erklärung vom errichtet. Der Sitz der Gesellschaft ist ***Bf-Adr*** (Punkt 1 der Erklärung über die Errichtung der Gesellschaft). Geschäftsgegenstand der GmbH ist "die Produktion und der Großhandel von Juwelen im In- und Ausland sowie der Großhandel von Uhren und kunstgewerblichen Gegenständen im In- und Ausland" (Punkt 2). Das Stammkapital in Höhe von 1,000.000 € wurde vom Alleingesellschafter ***A*** übernommen und zu einem Viertel geleistet (Punkt 3). ***A*** ist auch alleiniger Geschäftsführer (Punkt 5 der Errichtungserklärung).

II.2. ***A*** ist Alleineigentümer der Liegenschaft in ***Bf-Adr***, auf der sich das von ihm errichtete Gebäude befindet.

II.3. Ab Jänner 2014 hat die Bf administrative Vorbereitungen für eine gewerbliche Tätigkeit getroffen (siehe etwa die Anträge auf Vergabe einer Steuernummer, UID und EORI-Nummer). Bauverzögerungen infolge von Baumängeln und Mängeln der Alarmanlage führten jedoch dazu, dass die GmbH im Streitzeitraum keine operative Tätigkeit aufnehmen konnte. Die zum von der Bezirkshauptmanschaft erteilte Gewerbeberechtigung wurde am (mit Wirkung ab ) bei der Wirtschaftskammer ruhend gemeldet.
Zwischen der Bf und ihrem Alleingesellschafter ***A*** hat im Streitzeitraum auch kein Mietverhältnis betreffend die im Alleineigentum des Gesellschafters stehende bebaute Liegenschaft in Reith bestanden.

II.4. Ebenfalls seit Jänner 2014 wurden mittels Inseraten in zwei Lokalzeitungen Büroangestellte und Reinigungskräfte gesucht. Ab März 2014 hat die Bf Personal beschäftigt (durchschnittlich zwei bis drei Personen im Jahr mit wöchentlichen Arbeitszeiten zwischen 20 und 40 Stunden). Die Arbeitskräfte wurden als Hausmeister und Hausgehilfinnen zur Hausbetreuung (Reinigung) eingesetzt.

II.5. In Deutschland betreibt Herr ***A*** die Firma ***A.e.K*** als Einzelunternehmen.

II.6. Am schloss die Bf einen Sponsoringvertrag mit der Skirennläuferin ***B*** ("Jungtalentförderung"). Nach § 1 des Vertrages verpflichtete sich Frau ***B*** zur Erbringung von Werbeleistungen durch Platzierung des Firmennamens bzw. Firmenlogos der Bf auf der Frontseite ihres Helmes sowie einer großen Aufschrift auf der Rückseite der Jacke.
In § 3 des Vertrages wurde für die unter § 1 angeführten Werbeleistungen eine von der Bf zu leistende einmalige Pauschalvergütung im Betrag von 10.000 € vereinbart.
Der Vertrag trat mit in Kraft und endete am . Er werde jeweils für die Dauer eines Jahres/einer Rennsaison abgeschlossen (§ 5).

Die Bf hat die vereinbarte Pauschalvergütung in zwei Teilbeträgen (3.636,37 € im Jahr 2015 und 6.363,63 € im Jahr 2016) an Frau ***B*** überwiesen.

III. Erwägungen

Betriebsausgaben vor Beginn der Gebäudevermietung

III.1. Betriebsausgaben sind die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Sie können - wie im Schreiben vom (siehe oben Punkt I.7) zutreffend ausgeführt wurde - auch schon vor der Betriebseröffnung bzw. vor Erzielung der ersten Einnahmen anfallen, soweit ein ausreichender Zusammenhang mit den künftigen Betriebseinnahmen und somit einer Einkunftsquelle besteht (§ 4 Abs. 4 EStG 1988 iVm § 7 Abs. 2 KStG 1988).

III.2. Ausgaben für die Gebäudebetreuung vor Beginn der Vermietung sind üblicherweise vom Eigentümer zu tragen. Dass die GmbH als künftige Mieterin die Löhne der Hausmeister und Hausgehilfinnen (einschließlich der Kosten für Inserate und Lohnverrechnung) zur Zahlung übernommen hat, obwohl sie das Gebäude noch nicht nutzen konnte, ist nur durch das Naheverhältnis zu ihrem Gesellschafter zu erklären. Dasselbe gilt für die Übernahme von Kosten für Telefon, Telefax und Internet.
Ein Zusammenhang dieser Ausgaben mit künftigen Betriebseinnahmen der Bf ist nicht ersichtlich.

III.3. Eine Vereinbarung über einen "Vorteilsausgleich" in der Form, dass einerseits die Gesellschaft Aufwendungen des Gesellschafters finanziert und andererseits der Gesellschafter auf einen Geschäftsführerbezug verzichtet, wurde nicht dokumentiert und würde auch einem Fremdvergleich nicht standhalten: In der Beschwerde (Seite 4) wird ausgeführt, die Bf sei auf das Knowhow und die Kontakte ihres Gesellschafters angewiesen. Dass ein angemessenes Entgelt für die Geschäftsführung dennoch nicht mehr als jenen Betrag ausgemacht hätte, den die GmbH monatlich für Telefon, Telefax und Internet bezahlt hat (Beschwerde Seite 6), ist nicht nachvollziehbar.

Von einer (fremdüblichen) Leistungsbeziehung zwischen der Bf und ihrem Gesellschaftergeschäftsführer kann somit keine Rede sein. Eine "Nutzung" des Gebäudes als Sitz- und Postadresse der Bf gegen Übernahme der Kosten für Telefon, Telefax und Internet (so das aktuelle Vorbringen im Schreiben vom ) wäre als im Gesellschaftsverhältnis begründet anzusehen.

Vorsteuer

III.4. Gemäß § 12 Abs. 2 Z 2 lit. a UStG 1994 war ein Vorsteuerabzug aus den an die Bf gerichteten Rechnungen betreffend Telefon, Telefax und Internet (wie auch aus den Rechnungen für Zeitungsinserate und Lohnverrechnung) ausgeschlossen.

Sponsoringvertrag

III.5. Zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am war das Gewerbe der Bf bereits ruhend gemeldet. Für die im angegebenen Zeitraum (Rennsaison 2015/2016) nicht operativ tätige Bf stellten die in § 1 des Sponsoringvertrages angeführten Maßnahmen nach Meinung des Senates deshalb keine betrieblich veranlasste Werbung dar. Somit lagen keine abzugsfähigen Betriebsausgaben vor.

Wiederaufnahme der Verfahren betreffend Umsatz-und Körperschaftsteuer 2014 und 2015

III.6. Gemäß § 303 Abs. 1 lit. b BAO kann ein durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren auf Antrag einer Partei oder von Amts wegen wiederaufgenommen werden, wenn Tatsachen oder Beweismittel im abgeschlossenen Verfahren neu hervorgekommen sind und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anderslautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

III.7. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist das Neuhervorkommen von Tatsachen oder Beweismitteln nur aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens derart zu beurteilen, dass es darauf ankommt, ob der Abgabenbehörde im wiederaufzunehmenden Verfahren der Sachverhalt so vollständig bekannt gewesen ist, dass sie schon in diesem Verfahren bei richtiger rechtlicher Subsumtion zu der nunmehr im wiederaufgenommenen Verfahren erlassenen Entscheidung gelangen hätte können. Das "Neuhervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln" bezieht sich damit auf den Wissensstand (insbesondere auf Grund der Abgabenerklärungen und deren Beilagen) des jeweiligen Veranlagungsjahres. Entscheidend ist, ob der abgabenfestsetzenden Stelle alle rechtserheblichen Sachverhaltselemente bekannt waren (, mit Hinweisen auf die Vorjudikatur).

III.8. Die Steuererklärungen betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 wurden am Mittwoch, dem , elektronisch beim Finanzamt eingebracht. In der Umsatzsteuererklärung 2014 waren der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen mit null und der Gesamtbetrag der Vorsteuern mit 1.085,38 € ausgewiesen. Die Körperschaftsteuererklärung 2014 enthielt keine Einnahmen aus einer operativen Tätigkeit. Unter den Ausgaben war ein Personalaufwand von 43.476,68 € angeführt. Die Erstbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 ergingen am erklärungsgemäß.
Der Jahresabschluss zum ist am - somit erst nach (elektronischer) Zustellung der Veranlagungsbescheide 2014 am - beim Finanzamt eingelangt.

Auch die Erstbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer für das Jahr 2015 ergingen (am Montag, dem ) entsprechend den kurz zuvor (am Freitag, dem ) elektronisch eingebrachten Steuererklärungen. In der Umsatzsteuererklärung 2015 waren der Gesamtbetrag der Bemessungsgrundlagen für Lieferungen und sonstige Leistungen mit null, eine Steuerschuld gemäß § 19 UStG /Art. 25 BMR von 761,44 €, der Gesamtbetrag der innergemeinschaftlichen Erwerbe mit 10.388,29 € sowie Vorsteuern ausgewiesen. Die Körperschaftsteuererklärung 2015 enthielt keine Einnahmen aus einer operativen Tätigkeit. Unter den Ausgaben waren u.a. der Personalaufwand von 56.496,63 € sowie Werbe- bzw. Repräsentationsaufwendungen von 3.636,37 € angeführt. Der Jahresabschluss 2015 lag der abgabenfestsetzenden Stelle bei "Freigabe" der Steuererklärungen 2015 nicht vor (siehe oben Punkt I.5).

III.9. Aus den Steuererklärungen 2014 und 2015 war ersichtlich, dass die Bf in den jeweiligen Veranlagungszeiträumen keine Umsätze bzw. Erträge aus einer Geschäftstätigkeit erzielte, jedoch Lohnkosten (sowie sonstige Ausgaben) angefallen waren. Darüber hinaus waren dem Finanzamt jene Unterlagen bekannt, die der steuerliche Vertreter der Bf mit Schreiben vom (Anzeige der Gründung der GmbH) übermittelt hatte. Damit war aber der entscheidungsrelevante Sachverhalt keineswegs so umfassend dargelegt, dass das Finanzamt den Grund für das Fehlen von Umsätzen und Erträgen erkennen hätte können.

Bei Erlassen der Erstbescheide betreffend Umsatz- und Körperschaftsteuer 2014 und 2015 waren dem Finanzamt auch die unter Tz 2 ff des Prüfungsberichtes dargelegten steuerlich relevanten Tatsachen nicht bekannt.

Zu Recht hat das Finanzamt die Verfügung der Wiederaufnahme der Verfahren daher auf den "Neuerungstatbestand" des § 303 Abs. 1 lit. b BAO gestützt. Dass die abgabenfestsetzende Stelle vor Erlassen der Erstbescheide keine weiteren Informationen eingeholt hat, steht der (späteren) Wiederaufnahme der Abgabenverfahren nicht entgegen.

III.10. Zur Ermessensübung bei der Wiederaufnahme der Verfahren wurde in der Beschwerde vorgebracht, dass sich zB bezüglich der Umsatzsteuer 2014 nur eine geringfügige Nachforderung (Vorsteuerkürzung) in Höhe von 173,84 € ergeben habe.

Ermessensentscheidungen sind nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (§ 20 zweiter Satz BAO). Stellt sich die Frage, ob eine Wiederaufnahme zu verfügen ist, bei mehreren Verfahren, so ist die steuerliche Auswirkung nicht je Verfahren, sondern insgesamt zu berücksichtigen (siehe Ritz/Koran, Bundesabgabenordnung, 7. Auflage, Rz 74 zu § 303, und die dort zitierte Rechtsprechung). Im Beschwerdefall hat die Nachforderung an Umsatzsteuer für die Prüfungsjahre 2014 bis 2016 insgesamt rund 2.000 € betragen (siehe Tz 8 des Prüfungsberichtes). Dieser Betrag ist nach Ansicht des Senates nicht absolut geringfügig.
Ertragsteuerlich ergab sich durch die Aufwandskürzungen eine Verminderung der erklärten Jahresverluste von -46.383,19 € auf -1.492,23 € (2014), -69.353,71 € auf -4.810,41 € (2015) und -100.356,57 € auf -9.621,14 € (2016; siehe die Darstellung auf Seite 10 des Prüfungsberichtes).

Im Übrigen ist es ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, dass bei der Ermessensübung grundsätzlich dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor jenem der Rechtsbeständigkeit zu geben ist (siehe etwa ).

Haftung für Kapitalertragsteuer 2014 bis 2017

III.11. Bei verdeckten Vorteilszuwendungen einer GmbH an ihren Gesellschafter ist nach der Rechtsprechung des VwGH (siehe etwa das von der Bf zitierte Erkenntnis vom , Ra 2019/13/0051, sowie Zorn in RdW 2022/472) grundsätzlich von einer Ausschüttung auszugehen. Anderes gelte nur, wenn ausnahmsweise der Nachweis erbracht werden könne, dass Einlagen zurückgezahlt wurden. Das Fehlen von Gewinnen einer GmbH sei jedoch (auch bei ausreichendem Einlagenstand) kein Nachweis dafür, dass die Vorteilsgewährung eine Einlagenrückzahlung darstelle.

III.12. Das Finanzamt hat die zu Gunsten des Gesellschafters übernommenen und daher nicht betrieblich veranlassten Lohnaufwendungen der Bf als verdeckte Ausschüttungen beurteilt. Da die Bf in den Streitjahren nicht operativ tätig war, konnte sie diese Zuwendungen nur aus dem eingezahlten Stammkapital begleichen. Gesellschaftsrechtlich sind Kapitalrückzahlungen in Gestalt verdeckter Vorteilszuwendungen an einen Gesellschafter nicht erlaubt (§ 82 Abs. 1 GmbHG). Steuerrechtlich ist ein Verstoß gegen das Rückzahlungsverbot allerdings nicht sanktioniert. Relevant ist nur, dass tatsächlich Einlagenrückzahlungen stattgefunden haben; diese unterliegen nicht der Kapitalertragsteuer.
In diesem Punkt war der Beschwerde daher Folge zu geben. Die angefochtenen Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer waren (ersatzlos) aufzuheben.

IV. Revision

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im Beschwerdefall waren in erster Linie Sachverhaltsfragen zu beantworten. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellten sich nicht. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist daher nicht zulässig.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 7 Abs. 2 KStG 1988, Körperschaftsteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 401/1988
§ 303 Abs. 1 lit. b BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100767.2018

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at