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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2023, RV/3100180/2021

§ 3 Abs.2 EStG 1988 - Hinzurechnung steuerfreier Einkünfte oder Umrechnungsvariante

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Intreuhand Steuerberatungs- Gesellschaft m.b.H., Valiergasse 60, 6020 Innsbruck, gegen den am von der belangten Behörde Finanzamt Österreich zu Steuernummer ***BF1StNr1*** am ausgefertigten Bescheid betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2019 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

1. Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Einkommensteuer für das Jahr 2019 mit € -196,00 festgesetzt.

2. Mit Schreiben vom 16. November hat die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers das Rechtsmittel der Bescheidbeschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer habe 2019 steuerfreie Einkünfte erzielt (Weiterbildungsgeld). Diese seien gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 dem Gesamtbetrag der Einkünfte hinzugerechnet und der Versteuerung unterzogen worden. Diese Vorgangsweise sei nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht zulässig, wenn nicht die Hochrechnung der restlichen im Kalenderjahr bezogenen Einkünfte zur Ermittlung des anzuwendenden Steuersatzes und die Anwendung des so ermittelten Steuersatzes auf die steuerpflichtigen Einkünfte eine niedrigere Einkommensteuer ergebe. Im Beschwerdefall ergebe die Hochrechnung eine niedrigere Steuer als die Kontrollrechnung und daher sei die Hochrechnung anzuwenden.

3. Mit der am ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung hat die belangte Behörde ausgesprochen, dass der angefochtene Bescheid geändert wird. Die Einkommensteuer für das Jahr 2019 wurde (ohne Änderung des angefochtenen Bescheides) wiederum mit € -196,00 festgesetzt. Während des Bezugs von Bildungsgeld seien seitens des Arbeitgebers ***1*** keine Bezüge ausbezahlt wurden. Die im Lohnzettel ausgewiesenen Einkünfte seien daher für das restliche Kalenderjahr bezogen worden und wären daher hochzurechnen. Nur die Bezüge vom Arbeitgeber ***2*** mit € 204,74 seien zeitgleich bezogen worden. Diese Bezüge seien daher aus der Hochrechnung herauszunehmen. Erhalte der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so seien gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei sei das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen sei mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergebe; die festzusetzende Steuer dürfe jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde. Im Erkenntnis des , sei nämlich zum Weiterbildungsgeld ausgesprochen worden, dass eine Hochrechnung nur dann zu unterbleiben habe, wenn es sich um ganzjährige Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handle, die mit dem steuerfreien Bezug im Sinne des § 3 Abs. 2 EStG 1988 in keinem Zusammenhang stünden. Insoweit bestehe nach dem VwGH bei Beachtung des Gesetzeszwecks so wenig Anlass zur Hochrechnung, wie bei ganzjährig bezogenen Einkünften aus selbständiger Arbeit. Anders verhalte es sich jedoch, soweit der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit trete. Dies sei die Situation, in der die Steuerfreiheit im Vergleich zum unveränderten Fortbezug der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit auch eine progressionsmindernde Wirkung hätte, der die Regelung des § 3 Abs. 2 EStG 1988 entgegenwirken solle (vgl. dazu die Wiedergabe der Erläuterungen zur Novelle BGBl. Nr. 606/1987 zuletzt im Erkenntnis ). Für die Fälle eines steuerfreien Bezugs von Weiterbildungsgeld während einer Bildungskarenz (eingeführt mit dem ASRÄG 1997, BGBl. Nr. 139) oder von Bildungsteilzeitgeld während einer Bildungsteilzeit (eingeführt mit dem SRAG 2013, BGBl. I Nr. 67) könne in dieser Hinsicht nichts Anderes gelten als für die Fälle einer Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, auf die sich die mit BGBl. Nr. 606/1987 ursprünglich in das EStG 1972 eingefügte Regelung damals bezog. Eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses oder ein völliges Fehlen von Zuflüssen aus dem noch bestehenden oder schon beendeten Beschäftigungsverhältnis werde in § 3 Abs. 2 EStG 1988 nicht vorausgesetzt.

4. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat mit dem am über FinanzOnline elektronisch eingereichten Schreiben beantragt, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

5. Die belangte Behörde hat die Bescheidbeschwerde mit Bericht vom dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II. Sachverhalt

Folgender Sachverhalt ist für das Bundesfinanzgericht entscheidungswesentlich und erwiesen:

1. Der Beschwerdeführer hatte beim Arbeitgeber ***1*** im Bezugszeitraum 01.01. bis steuerpflichtige Bezüge in Höhe von € 9.340,22 erzielt (in den Monaten März bis August 2019 weist das Gehaltskonto jeweils einen Bruttobzug von € 0,00 aus).

2. Der Beschwerdeführer hatte beim Arbeitgeber ***2*** im Bezugszeitraum 16.02. bis steuerpflichtige Bezüge in Höhe von € 205,46 erzielt.

3. Der Beschwerdeführer hatte beim Arbeitgeber ***2*** im Bezugszeitraum 05.03. bis steuerpflichtige Bezüge in Höhe von € 204,74 erzielt.

4. Der Beschwerdeführer hatte beim Arbeitgeber ***2*** im Bezugszeitraum 25.12. bis steuerpflichtige Bezüge in Höhe von € 110,00 erzielt.

5. Der Beschwerdeführer erhielt vom Arbeitsmarktservice Österreich Weiterbildungsgeld für 184 Tage (01.03. bis ).

III. Beweiswürdigung

Die unter Punkt II. dargelegte Sachlage ergibt sich aus dem vorgelegten Akt und ist unbestritten.

IV. Rechtliche Beurteilung

1. Erhält der Steuerpflichtige steuerfreie Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 nur für einen Teil des Kalenderjahres, so sind die für das restliche Kalenderjahr bezogenen laufenden Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988 und die zum laufenden Tarif zu versteuernden Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit (§ 41 Abs. 4 EStG 1988) für Zwecke der Ermittlung des Steuersatzes (§ 33 Abs. 10 EStG 1988) auf einen Jahresbetrag umzurechnen. Dabei ist das Werbungskostenpauschale noch nicht zu berücksichtigen. Das Einkommen ist mit jenem Steuersatz zu besteuern, der sich unter Berücksichtigung der umgerechneten Einkünfte ergibt. Die festzusetzende Steuer darf jedoch nicht höher sein als jene, die sich bei Besteuerung sämtlicher Bezüge ergeben würde.

2. Es ist unstrittig, dass der Mitbeteiligte Bezüge im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 5 lit. a EStG 1988 (Weiterbildungsgeld) nur für einen Teil des Kalenderjahres (1. März bis ) bezogen hat. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist damit der Tatbestand des § 3 Abs. 2 EStG 1988 erfüll, sodass die in dieser Bestimmung angeordnete Rechtsfolge einzutreten hat (; ; ; ; ).

3. Wenn während des ganzen Jahres Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielt wurden, hat eine Hochrechnung von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht zu unterbleiben, sofern der steuerfreie Bezug an die Stelle der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit tritt und soweit die nichtselbständigen Einkünfte außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezugs erzielt wurden (). Ganzjährig bezogene Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind in die Hochrechnung nicht einzubeziehen (; ).

4. Die steuerliche Vertretung des Beschwerdeführers hat in ihrer der Beschwerde beigelegten Hochrechnung der Einkünfte nur die Einkünfte aus Gewerbebetrieb (€ 1.148,40) in die Hochrechnung einbezogen und mit € 2.315,83 (1.148,40/181*365) angesetzt. Nicht in die Hochrechnung einbezogen hat sie jene Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Beschwerdeführer 181 Tage außerhalb des Zeitraums des gleichzeitigen steuerfreien Bezugs (Weiterbildungsgeld) erzielte. Nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts sind entsprechend der dargestellten Rechtslage die im Beschwerdejahr in den Monaten Jänner und Februar sowie September bis Dezember beim Arbeitgeber ***1*** erzielten Einkünfte in Höhe von € 9.340,29 sowie die beim Arbeitgeber ***2*** im Bezugszeitraum 16.02. bis erzielten Einkünfte in Höhe von € 205,46 und die beim gleichen Arbeitgeber im Bezugszeitraum 25.12. bis erzielten Einkünfte in Höhe von € 110,00 bei der Hochrechnung zu berücksichtigen. Die hochgerechneten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betragen daher € 19.471,54 [(9.340,29+205,46+110,00)/181*365]. Zusammen mit den nicht hochzurechnenden Einkünften aus Gewerbebetrieb (€ 1.148,40) und nicht den ebenfalls nicht hochzurechnenden Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (€ 204,74) ergibt dies unter Berücksichtigung der Werbungskosten (€ 980,00), des Veranlagungsfreibetrags (€ 311,60) und der Sonderausgaben (€ 185,00) ein hochgerechnetes Einkommen von€ 19.348,08. Damit ist evident, dass das im angefochtenen Bescheid der Besteuerung zugrunde gelegte Einkommen, das die nach § 3 Abs 2 EStG 1988 anzusetzenden Einkünfte in Höhe von € 5.722,40 enthält (Hinzurechnungsvariante), eine niedrigere Steuer ergibt als jene bei Hochrechnung der Bezüge (Umrechnungsvariante) Somit war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde gemäß § 279 Abs. 1 BAO als unbegründet abzuweisen.

V. Zulässigkeit einer Revision

Nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes die Revision an den Verwaltungsgerichtshof zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liegt vor Allem dann vor, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Die im Beschwerdefall relevanten Rechtsfragen sind mit der zitierten Rechtsprechung ausreichend geklärt. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist demzufolge nicht zulässig. Zur außerordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof siehe nachstehende Rechtsbelehrung.

Innsbruck, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
Verweise




ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.3100180.2021

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at