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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 26.09.2023, RV/7102934/2023

Arbeitnehmerveranlagung: Kosten der doppelten Haushaltsführung und Familienheimfahrten nach Polen

Rechtssätze


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Stammrechtssätze
RV/7102934/2023-RS1
Macht der Beschwerdeführer bloß geltend, dass seine Ehefrau in Polen arbeitslos gemeldet ist und sich regelmäßig beim "AMS" melden muss, und ist die Ehefrau seit mehreren Jahren ohne Anspruch auf Leistungen gemeldet und hat im Streitjahr keine Leistungen erhalten, wird damit keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung dargetan.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den ***Einzelrichter*** über die Beschwerde des ***Bf***, ***Bf-Adr***, vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2021 zu Recht erkannt:

Die Bescheidbeschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer, ein im Jahr 1969 geborener polnischer Staatsbürger, ist seit dem Jahr 2016 als Arbeitnehmer bei der ***X-GmbH*** (Geschäftszweig "Betreuung und Instandhaltung der haus- und bautechnischen Anlagen von Objekten und Liegenschaften vor allem in den Gewerben Heizung, Lüftung, Kälte, Sanitär, Stark- & Schwachstrom, Türen und Tore") beschäftigt (vorher Hauscomfort GmbH und andere). Den Hauptwohnsitz in Österreich hat der Beschwerdeführer seit an der gegenwärtigen Adresse gemeldet.

Am brachte der Beschwerdeführer auf amtlichem Formular die Erklärung L1 zur Arbeitnehmerveranlagung 2021 (OZ 5) ein und beantragte darin die Berücksichtigung von Kosten für Familienheimfahrten im Betrag von 3.672 € und Kosten für doppelte Haushaltsführung im Betrag von 4.800 € als Werbungskosten.

Mit Ersuchen um Ergänzung vom (OZ 06) forderte die Abgabenbehörde den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe der Anschrift des Familienwohnsitzes (unter Nachweis des Bestehens eines "eigenen Wohnraums", z.B. Mietvertrag, Kaufvertrag, oder einer "entsprechenden Haushaltsführung"), der dort wohnenden Personen und der Entfernung zwischen Wohnsitz und Arbeitsstätte, der Art des Verkehrsmittels für die Fahrten (inkl. Vorlage von Fahrtnachweisen: z. B. Aufstellung über Treibstoffkosten, Fahrtenbuch, Fahrscheine, Beiträge für Mitfahrgelegenheiten), ob er am Beschäftigungsort eine Wohn- oder Schlafmöglichkeit habe (inkl. Nachweise: Mietvertrag inkl. Angabe über Größe der Wohnung und Zahlungsbelege oder Bestätigung des Arbeitgebers über die Zurverfügungstellung einer Schlafstelle), ob der Arbeitgeber die Fahrtkosten steuerfrei vergütet habe (unter Angabe der Höhe und der vergüteten Fahrten), ob der Arbeitgeber die Nächtigungskosten getragen habe (unter Angabe der Höhe), aus welchem Grund der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden könne und - für den Fall, dass die Partnerin/der Partner keinen inländischen Wohnsitz habe - der Einkünfte der Partnerin/des Partners und Vorlage des Formulars E9 auf.

Mit Eingabe vom (OZ 7) übermittelte der Beschwerdeführer wortlos folgende Unterlagen in polnischer Sprache:

  1. den polnischen Zulassungsschein für einen Renault Megane, zugelassen auf ***Bf-Ehefrau*** (OZ 7/3);

  2. einen Führerschein der Klasse B (OZ 7/4-5);

  3. einen mit datierten schriftlichen (auf drei Jahre befristeten) Mietvertrag über ein unmöbliertes Zimmer in der *** in Wien (OZ 7/6-11);

  4. eine Meldebescheinigung für einen ständigen Wohnsitz in ***Ort*** (Polen) für sich, seine Ehefrau ***Bf-Ehefrau*** und seine drei Kinder mit Geburtsjahrgängen 1989, 1991 und 1994 (OZ 7/12);

  5. eine Bescheinigung EU/EWR der ausländischen Steuerbehörde zur Einkommensteuererklärung für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) und des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR), wonach seine Ehefrau ***Bf-Ehefrau*** kein Einkommen hat (OZ 7/13);

  6. eine Versicherungspolizze der Compensa Towarzystwo Ubezpieczen S.A. Vienna Insurance Group für den Beschwerdeführer, aus der die Meldeadresse ***Ort*** zu ersehen ist (OZ 7/14 und 15);

  7. eine Grundsteuervorschreibung der Gemeinde ***Ort*** (OZ 7/16);

  8. die Vorschreibungen der TAURON SPRZEDAZ SP. Z O.O. für Strom/Gas (OZ 7/17);

  9. Zahlungsanweisungen an die Wien Energie Vertrieb GmbH & Co KG, in Auftrag gegeben von ***Person*** (OZ 7/18, 22 und 23);

  10. Zahlungsanweisungen an die Vermieterin für Miete für die Monate Jänner bis Dezember 2021, in Auftrag gegeben von ***Person*** (OZ 7/18-26).

Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom (OZ 1) setzte die Abgabenbehörde die Einkommensteuer 2021 mit -335 € (Abgabengutschrift: -335 €) fest, wobei sie weder die geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten noch die geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung berücksichtigte. Der Begründung des angefochtenen Bescheides ist dazu zu entnehmen:

Familienheimfahrten eines Arbeitnehmers vom Wohnsitz am Arbeitsort zum Familienwohnsitz sind Werbungskosten, wenn die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung vorliegen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Ehegatte des Steuerpflichtigen am Ort des Familienwohnsitzes eine Erwerbstätigkeit ausübt.

Liegen die Voraussetzungen für eine auf Dauer angelegte doppelte Haushaltsführung nicht vor, so können Kosten für Familienheimfahrten vorübergehend als Werbungskosten geltend gemacht werden.

Als vorübergehend wird bei einem verheirateten Steuerpflichtigen ein Zeitraum von zwei Jahren angesehen.

Laut Aktenlage haben Sie bereits seit Ihren Hauptwohnsitz in Österreich. Die Nichtzusammenführung Ihrer Familie liegt im eigenen Interesse bzw. wird durch eigenes Handeln begründet. Die beantragten Familienheimfahrten stellen daher nicht abzugsfähige Kosten der privaten Lebensführung gemäß §20 EStG 1988 dar.

Mit Schreiben vom (OZ 2) brachte der Beschwerdeführer das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid ein und beantragte die Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten für Familienheimfahrten und der geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung. Zur Begründung führte der Beschwerdeführer aus, er fahre jede Woche mit dem Bus nach Polen zum gemeinsamen Familienwohnsitz, da seine Ehefrau in Polen arbeitslos gemeldet sei und daher den Wohnsitz nicht nach Österreich verlegen könne.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom (OZ 3) wies die Abgabenbehörde die Beschwerde als unbegründet ab. Der Begründung ist zu entnehmen:

Kosten für eine doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten können nur unter bestimmten Voraussetzungen als Werbungskosten abgesetzt werden. Sie haben Ihren Hauptwohnsitz bereits seit dem in Wien, Ihre Ehegattin ging im Jahr 2021 keiner aktiven Erwerbstätigkeit nach und Ihre Kinder sind alle bereits volljährig, ist die Beibehaltung des Wohnsitzes in Polen ist ausschließlich privat veranlasst und somit liegen keine absetzbaren Werbungkosten vor.

Mit Schreiben vom (OZ 4) stellte der Beschwerdeführer gegen die Beschwerdevorentscheidung den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht und brachte ergänzend vor, er fahre jede Woche mit dem Auto nach Polen zum Familienwohnsitz (eigenes Haus). Seine Ehefrau sei arbeitslos gemeldet und könne daher aus wirtschaftlichen Gründen den Wohnsitz nicht nach Österreich verlegen (sie müsse sich regelmäßig beim "AMS" melden).

Mit Vorlagebericht vom legte die Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht die Bescheidbeschwerde zur Entscheidung vor. Der Stellungnahme ist zu entnehmen:

Familienwohnsitz keine relevanten Einkünfte aus einer aktiven Erwerbstätigkeit erzielt und keine Gründe nachgewiesen wurden, denen erhebliches Gewicht zukommt. Daher ist die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort zumutbar. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Polen ist privat veranlasst, somit können die Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung und Familienheimfahrten nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Der Beschwerdeführer hat weder die mündliche Verhandlung noch die Entscheidung durch den Senat beantragt.

Das Bundesfinanzgericht hat über die Bescheidbeschwerde erwogen:

Strittig ist, ob die Abgabenbehörde die geltend gemachten Kosten von Kosten für Familienheimfahrten und die geltend gemachten Kosten für doppelte Haushaltsführung zu Recht versagt hat.

Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen (§ 16 Abs. 1 EStG 1988).

Bei den einzelnen Einkünften dürfen die für den Haushalt des Steuerpflichtigen aufgewendeten Beträge sowie Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung nicht abgezogen werden (§ 16 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 und § 16 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988).

Kosten der Fahrten zwischen Wohnsitz am Arbeits-(Tätigkeits-)ort und Familienwohnsitz (Familienheimfahrten), soweit sie den auf die Dauer der auswärtigen (Berufs-)Tätigkeit bezogenen höchsten in § 16 Abs. 1 Z 6 lit. d angeführten Betrag übersteigen (§ 16 Abs. 1 Z 2 lit. e EStG 1988).

Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind die Aufwendungen für Familienheimfahrten dann als Werbungskosten zu berücksichtigen, wenn die Arbeitsstätte vom Familienwohnort so weit entfernt ist, dass die tägliche Rückkehr nicht mehr zumutbar ist, weil die Arbeitsstätte außerhalb des Einzugsbereiches des Familienwohnsitzes liegt. Im Falle verheirateter Erwerbstätiger ausgesprochen, dass sich in der Regel wöchentliche Heimfahrten als erforderlich erweisen (vgl. ).

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum Familienwohnsitz, werden als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen sein, bei der sie erwachsen sind. Die Obergrenze der abziehbaren Wohnungskosten ist mit der Höhe der Aufwendungen für eine zweckentsprechende Wohnung am Beschäftigungsort zu ziehen ().

Eine berufliche und damit zu Werbungskosten der betroffenen Aufwendungen führende Veranlassung einer doppelten Haushaltsführung liegt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dann vor, wenn einem Arbeitnehmer die Verlegung des (Familien-)Wohnsitzes an den Ort seiner Beschäftigung nicht zuzumuten ist, wobei eine solche Unzumutbarkeit die unterschiedlichsten Ursachen haben kann. Die Unzumutbarkeit ist aus der Sicht des jeweiligen Streitjahres zu beurteilen. Die Unzumutbarkeit, den Familienwohnsitz aufzugeben, muss sich aus Umständen von erheblichem objektivem Gewicht ergeben ().

Wie der Verwaltungsgerichtshof in einer Reihe von Erkenntnissen zum Ausdruck gebracht hat, können (in Bezug auf das Recht auf Familiennachzug restriktive) fremdenrechtliche Bestimmungen eine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung begründen ().

Im Beschwerdefall begründen die fremdenrechtlichen Bestimmungen für die Familie des polnischen Beschwerdeführers keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung (vgl. § 8 Abs. 1, § 21 Abs. 2 Z 1, § 27 Abs. 1, § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 Z 2 und § 53 Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG).

Die Unzumutbarkeit kann ihre Ursachen auch in der Erwerbstätigkeit des Ehegatten haben (vgl. ).

Unterhält ein Steuerpflichtiger einen vom Beschäftigungsort entfernten (Familien)Wohnsitz, und ist in einem Streitjahr die Verlegung des Familienwohnsitzes - etwa im Hinblick auf die dort wohnhafte, berufstätige Ehefrau - unzumutbar, sind die Voraussetzungen für die steuerliche Anerkennung der Aufwendungen für Familienheimfahrten gegeben ().

Die Berufstätigkeit des Ehepartners am Ort des Familienwohnsitzes hat der Verwaltungsgerichtshof mehrfach als Grund für die Unzumutbarkeit einer Wohnsitzverlegung unter der Bedingung bejaht, dass der Ehepartner des Steuerpflichtigen aus seiner Berufstätigkeit nachhaltig Einkünfte nicht bloß untergeordneten Ausmaßes erzielt ().

Bezieht die Ehefrau des Abgabepflichtigen keine Einkünfte, so wäre es dem Abgabepflichtigen, der den Familienwohnsitz, der vom Ort der Berufstätigkeit für eine tägliche Fahrtstrecke zumutbar entfernt ist, sie mehrere Jahre beibehält, zumutbar gewesen, den Familienwohnsitz bereits seit langem an den Ort der Berufstätigkeit zu verlegen ().

Der Beschwerdeführer macht geltend, dass seine Ehefrau in Polen arbeitslos gemeldet sei und könne daher den Wohnsitz nicht nach Österreich verlegen (sie müsse sich regelmäßig beim "AMS" melden).

Nach Aufforderung durch das BFG legte der Beschwerdeführer ein "Zertifikat" des Bezirksarbeitsamtes vom (OZ 13) vor, aus dem hervorgeht, dass die Ehefrau des Beschwerdeführers seit Juni 2017 ohne Anspruch auf Leistungen gemeldet ist und im Streitjahr keine Leistungen erhalten hat.

Damit hat der Beschwerdeführer keine Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung dargetan, weshalb die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen war.

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.

Wien, am

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