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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2023, RV/7100484/2023

Doppelte Haushaltsführung bei Bezug einer Invaliditätspension

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2019, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer (Bf.) machte in seiner Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2019 bei seinen nichtselbständigen Einkünften Werbungskosten aufgrund doppelter Haushaltsführung in Höhe von 3.300,00 € und Familienheimfahrten in Höhe von 3.672,00 € geltend.

Mit Ergänzungsersuchen des Finanzamtes Wien 1/23 vom wurde der Bf. um Beantwortung folgender Fragen und Vorlage der Nachweise dazu ersucht:

  1. Wie ist die Anschrift Ihres Familienwohnsitzes? Nachweis: Meldezettel

  2. Wie viele Kilometer ist Ihr Familienwohnsitz von der Arbeitsstätte entfernt?

  3. Welches Verkehrsmittel benutzen Sie für die Fahrten zwischen Arbeitsort und Familienwohnsitz?
    Nachweis: Aufstellung z. B. über Treibstoffkosten, Fahrtenbuch, Fahrscheine, Beiträge für Mitfahrgelegenheiten

  4. Haben Sie am Beschäftigungsort eine Wohn- oder Schlafmöglichkeit?
    Nachweis: Mietvertrag inkl. Angabe über Größe der Wohnung und Zahlungsbelege oder Bestätigung des Arbeitgebers über die Zurverfügungstellung einer Schlafstelle

  5. Hat Ihr Arbeitgeber Fahrtkosten steuerfrei vergütet? Dann geben Sie uns bitte die Höhe bekannt

  6. Aus welchem Grund kann der Familienwohnsitz nicht in die Nähe der Arbeitsstätte verlegt werden?

  7. Für den Fall, dass die Partnerin/der Partner keinen inländischen Wohnsitz hat, bitte um Bekanntgabe der Einkünfte der Partnerin/des Partners und Vorlage des Formulars E9

Mit Schreiben vom gab der Bf. bekannt, dass der Familienwohnsitz deshalb nicht verlegt werden könne, weil seine Ehefrau Invalidenrentnerin sei und in Ungarn Behandlungen bekomme, und übermittelte der Abgabenbehörde u.a. nachstehende Unterlagen:
- Umsatzliste der Raiffeisenbank Bankstelle Region Schwechat für den Zeitraum bis , aus welcher die monatlichen Überweisungsbeträge für die Miete der Wohnung in Wien ersichtlich sind
- Meldezettel
- Nachweise über den Bezug einer Invalidenrente (in ungarischer Sprache)
- Gutachten betreffend die Arbeitsfähigkeit seiner Ehegattin (in ungarischer Sprache)
- Grundbuchsauszug
- Tankrechnungen
- Fahrtenbuch

Mit weiterem Ergänzungsersuchen vom wurde der Bf. um Vorlage einer Arbeitsübersetzung der Bestätigung über die Behinderung seiner Ehefrau ersucht sowie um Bekanntgabe, von wem seine Frau in Ungarn unter der Woche betreut/gepflegt wird und welche medizinischen Behandlungen laufend notwendig sind. Weiters wurde er um Vorlage der Arztrechnungen ersucht.

In Beantwortung dieses Ersuchens übermittelte der Bf. eine offizielle Übersetzung des zusammenfassenden Gutachtens der Sachverständigenkommission erster Instanz über die Beurteilung der geänderten Arbeitsfähigkeit bzw. zur Feststellung der Versorgung für Personen mit geänderter Arbeitsfähigkeit und teilte mit, dass es keine anderen ärztlichen Gutachten gäbe. Die nächste Untersuchung finde im Jahr 2022 statt. Unter der Woche achte sein Sohn ***A*** auf seine Frau. Sein Familienwohnsitz befinde sich in Ungarn, ***Bf1-Adr***, seinen Nebenwohnsitz habe er in ***Bf1-Adr2***. Er arbeite meistens in Wien und in der Nachbarschaft.

Das Finanzamt lehnte im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2019 vom (Arbeitnehmerveranlagung) die Berücksichtigung der beantragten Werbungskosten mit folgender Begründung ab:

"Die Verlegung des Familienwohnsitzes an den Beschäftigungsort ist beispielsweise in folgenden Fällen unzumutbar:
- bei ständig wechselnder Arbeitsstätte
- wenn von vornherein mit Gewissheit anzunehmen ist, dass die auswärtige Tätigkeit mit vier bis fünf Jahren befristet ist
- bei Unzumutbarkeit der (Mit)Übersiedlung von pflegebedürftigen Angehörigen (die am Familienwohnsitz wohnen)
- solange aufgrund fremdenrechtlicher Bestimmungen ein Familiennachzug nicht möglich ist
- wenn im gemeinsamen Haushalt am Familienwohnsitz unterhaltsberechtigte und betreuungsbedürftige Kinder wohnen und eine (Mit)Übersiedlung der gesamten Familie aus wirtschaftlichen Gründen nicht zumutbar ist.

Da Sie keine Gründe nachgewiesen haben, die eine Verlegung des Familienwohnsitzes unzumutbar machen, konnten die beantragten Kosten für doppelte Haushaltsführung bzw. Familienheimfahrten nicht gewährt werden."

Seine dagegen erhobene Beschwerde vom begründete der Bf. folgendermaßen:

"Sie haben bei der Berechnung der Steuergutschrift für das Jahr 2019 weder die doppelte Haushaltsführung noch die Familienheimfahrten berücksichtigt, ihrer Meinung nach wäre die Übersiedlung nach Österreich in meinem Fall zumutbar und hätte ich die Unzumutbarkeit nicht ausreichend nachgewiesen.

Wie ich bereits schon angegeben habe, ist meine Gattin invalid und erhält in Ungarn regelmäßig Behandlungen, Ich habe die Unterlagen bezüglich ihrer Invaliditätspension ihnen übermittelt. Da sie wegen ihrer Krankheit ständig behandelt wird, ist in meinem Fall die Übersiedlung unzumutbar.

Sie werden ersucht, die oben angeführten in Kenntnis zu nehmen, und die doppelte Haushaltsführung, sowie die Familienheimfahrten zu zuerkennen."

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab und begründete dies wie nachstehend angeführt:

"Sie haben die Behinderung ihrer Gattin dem Finanzamt nachgewiesen und begründen damit die beantragten doppelten Haushaltskosten und Familienheimfahrten. Die Behinderungen ihrer Gattin sind jedoch nicht an den Wohnort in Polen gebunden.
Die Beschwerde ist daher abzuweisen."

Mit Eingabe vom beantragte der Bf. die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und verwies auf die bereits vorgelegten Unterlagen bezüglich der Invaliditätspension seiner Ehefrau. Da sie wegen ihrer Erkrankung ständig behandelt werde, sei in seinem Fall eine Übersiedlung unzumutbar.

Mit Vorlagebericht vom legte das Finanzamt die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde, da die Verlegung des Familienwohnsitzes nach Österreich zumutbar sei, zumal die Gattin des Bf. am Familienwohnsitz keine relevanten Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erziele und keine Gründe nachgewiesen worden wären, denen erhebliches Gewicht zukomme. Die Beibehaltung des Familienwohnsitzes in Ungarn sei privat veranlasst.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Der Bf. ist ungarischer Staatsangehöriger, verheiratet, und erzielte im beschwerdegegenständlichen Jahr im Inland Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit als LKW-Fahrer bei der ***GmbH***. Er ist seit an der Adresse ***Bf1-Adr2***, mit Nebenwohnsitz gemeldet.

Der Familienwohnsitz befindet sich in ***Bf1-Adr***, in Ungarn, wo auch die Ehegattin wohnt. Diese leidet an Epilepsie und Hypertonie und bezieht eine Invaliditätspension. Die Gesamtgesundheitsschädigung beträgt 40%.

Die Entfernung zwischen dem inländischen Wohnort des Bf. und dem Familienwohnsitz beträgt 420 km.

2. Beweiswürdigung

Der festgestellte Sachverhalt gründet sich auf den Akteninhalt, insbesondere auf die vom Bf. über Ersuchen des Finanzamtes vorgelegten Unterlagen (Meldezettel, Grundbuchsauszug, Nachweis über den Bezug einer Invalidenrente, Fahrtenbuch) und ist unstrittig.

Die Feststellung betreffend die Behinderung der Ehegattin des Bf. und den Grad der Gesundheitsschädigung ergibt sich aus dem Gutachten des Regierungsamtes des Komitats ***M***, vom (Zusammenfassendes Gutachten der Sachverständigenkommission erster Instanz über die Beurteilung der geänderten Arbeitsfähigkeit bzw. zur Feststellung der Versorgung für Personen mit geänderter Arbeitsfähigkeit).

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

Werbungskosten sind nach § 16 Abs. 1 erster Satz EStG 1988 die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen.

Haushaltsaufwendungen oder Aufwendungen für die Lebensführung sind gemäß § 20 Abs. 1 EStG 1988 grundsätzlich nicht als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar. Lediglich unvermeidbare Mehraufwendungen, die dem Abgabepflichtigen dadurch erwachsen, dass er am Beschäftigungsort wohnen muss und ihm die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort ebenso wenig zugemutet werden kann wie die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz, sind als beruflich bzw. betrieblich bedingte Mehraufwendungen bei jener Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Die Beibehaltung eines (Familien)Wohnsitzes aus der Sicht der Erwerbstätigkeit, die in unüblich weiter Entfernung von diesem Wohnsitz ausgeübt wird, ist nicht durch die Erwerbstätigkeit, sondern durch Umstände veranlasst, die außerhalb der Erwerbstätigkeit liegen. Der Grund, warum derartige Aufwendungen dennoch als Betriebsausgaben oder Werbungskosten bei den aus der Erwerbstätigkeit erzielten Einkünften Berücksichtigung finden, liegt darin, dass diese so lange als durch die Einkunftserzielung veranlasst gelten, als dem Steuerpflichtigen eine Wohnsitzverlegung in übliche Entfernung vom Ort der Erwerbstätigkeit nicht zugemutet werden kann. Die Unzumutbarkeit der Verlegung des ständigen Wohnsitzes an den Ort der Beschäftigung kann die verschiedensten Ursachen haben und sich auch aus Umständen der privaten Lebensführung ergeben (vgl. etwa ); die Unzumutbarkeit ist aus Sicht der jeweiligen Streitjahre zu beurteilen ().

Dass dem Bf. die tägliche Rückkehr zum (Familien)Wohnsitz angesichts einer Entfernung von 420 km nicht zugemutet werden kann, ist unstrittig und findet durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa ) seine Deckung.

Strittig und daher zu klären ist, ob dem Bf. die Verlegung des (Familien)Wohnsitzes an den Beschäftigungsort zugemutet werden konnte.

Der Bf. vertritt die Auffassung, dass ihm wegen der Invalidität seiner Ehefrau eine Wohnsitzverlegung an den Ort der Beschäftigung nicht zumutbar gewesen sei.

Dem Bf. ist beizupflichten, dass sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus der Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen ein gewichtiger Grund für die Beibehaltung des Familienwohnsitzes ergeben kann (vgl. etwa , wo es um die Pflege der 100% behinderten, pflegeldbeziehenden, schwerst depressiven Mutter des dortigen Beschwerdeführers ging).

Die Zuerkennung einer Invalidentente impliziert jedoch noch nicht die Unterstützung durch andere Personen. Zwar hat der Bf., wie auch vom Finanzamt in der Beschwerdevorentscheidung zuerkannt wird, die Behinderung seiner Ehegattin nachgewiesen; dass auf Grund der im vorgelegten Gutachten attestierten Diagnose (Epilepsie, Hypertonie) bzw. Gesundheitsschädigung eine Pflegebedürftigkeit seiner Ehegattin gegeben ist, kann jedoch dem Gutachten nicht entnommen werden. Die Unzumutbarkeit der Verlegung eines (Familien)Wohnsitzes wegen Pflegebedürftigkeit von Angehörigen setzt zudem das "Bestehen einer besonders gelagerten Pflegenotwendigkeit" im Sinne einer ständigen (täglichen oder zumindest mehrmals wöchentlichen) Unterstützung bei der Bewältigung des persönlichen Lebensbereiches bzw. zum Schutz vor Verwahrlosung oder Eigengefährdung voraus. Die Betreuung muss die Hilfestellung beim An- und Auskleiden, Körperpflege, der Zubereitung von Mahlzeiten, …. umfassen (vgl Zorn/Engelmann in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG, 22. Lieferung, § 4 EStG RZ 347). Das Erbringen eines derartigen Pflege- und Betreuungsaufwandes wurde vom Bf. im gegenständlichen Verfahren nicht einmal behauptet.

Dem Vorbringen des Bf., dass ihm wegen der ständigen Behandlungen seiner Ehegattin eine Wohnsitzverlegung nicht zugemutet werden könne, wird entgegengehalten, dass der Bf. trotz ausdrücklichem Ersuchen durch die Abgabenbehörde im Vorhalt vom keinerlei Nachweise darüber, welche medizinischen Behandlungen laufend notwendig sind, beigebracht hat (ärztliche Bescheinigungen, Arztrechnungen, Behandlungsnachweise etc.). Er hat dazu im Antwortschreiben vom lediglich angegeben, dass es - abgesehen vom Gutachten des Bezirksamtes ***M*** vom - keine anderen ärztlichen Gutachten gäbe. Aus diesem vorgelegten Gutachten ist aber nicht ersichtlich, dass die Ehegattin - wie vom Bf. behauptet - ständiger medizinischer Behandlungen bedarf. Abgesehen davon ist für das BFG auch nicht nachvollziehbar, warum eine entsprechende Behandlung nicht auch in Österreich erfolgen könnte, zumal in Österreich eine ausgezeichnete medizinische Versorgung gegeben ist.

Das Vorbringen des Bf., auf Grund der Invalidität seiner Ehegattin sei eine Verlegung des Wohnsitzes nicht zumutbar gewesen, konnte durch die beigebrachten Unterlagen nicht belegt werden. Der Bezug einer Invaliditätspension bedingt für sich allein noch keine besondere Pflegenotwendigkeit im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes. Die vorliegende Diagnose lässt schließlich auch nicht erkennen, dass der Ehefrau bei einer Übersiedlung an den Ort der Beschäftigung des Bf. eine (gesundheitliche) Gefahr drohen würde und ihr daher eine Mitübersiedlung nicht zugemutet werden kann (vgl. ).

Auf Grund vorstehender Erwägungen sind die beantragten Kosten der doppelten Haushaltsführung als Kosten der privaten Lebensführung im Sinne des § 20 Abs. 1 EStG 1998 zu beurteilen. Gleiches gilt für die beantragten Kosten für Familienheimfahrten, da die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung nicht vorliegen. Die geltend gemachten Aufwendungen waren daher nicht als Werbungskosten absetzbar.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Frage der Absetzbarkeit der Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung liegt bereits eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der nicht abgewichen wurde. Die Beurteilung der Frage, ob im Streitjahr eine besonders gelagerte, in Bezug auf die Frage der Unzumutbarkeit der Wohnsitzverlegung steuerlich beachtliche Pflegenotwendigkeit der Ehegattin des Bf. bestand, erfolgte einzelfallbezogen anhand der Würdigung der dafür maßgeblichen Umstände. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die Revision nicht zuzulassen war.

Wien, am

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