Bescheidbeschwerde – Einzel – Beschluss, BFG vom 21.06.2023, RV/7101855/2022

Mit der Auflösung ("dissolution") ist eine Private Limited Company beendet

Entscheidungstext

Beschluss

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R*** in der Beschwerdesache ***A*** und ***B*** als Rechtsnachfolger der ***Bf***, ***Bf-Adr***, vertreten durch ***C*** als Vertretungsbefugte gemäß § 81 BAO, ***C-Adr***, betreffend die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2018, 2019 und 2020, beschlossen:

I. Die Beschwerden werden gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO als nicht zulässig zurückgewiesen.

II. Gegen diesen Beschluss ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Begründung

I. Verfahrensgang

Die ***Bf*** (im Folgenden Beschwerdeführerin) betrieb im Streitzeitraum in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft ein Transportunternehmen; als unbeschränkt haftende Gesellschafterin fungierte die "***D***", eine im Handelsregister für England und Wales ("Registrar of Companies for England and Wales") eingetragene "Private Limited Company".

Im Zuge einer Prüfung der Lohnabgaben wurden Provisionen und freie Diäten, die freie Dienstnehmer erhalten haben, den Lohnnebenabgaben (DB, DZ) unterzogen. Die Abgabenbehörde folgte dieser Feststellung und erließ die nunmehr streitgegenständlichen Bescheide über die Festsetzung des Dienstgeberbeitrages (DB) und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag (DZ) für die Jahre 2018, 2019 und 2020.
Die Adressierung dieser Bescheide wurde wie folgt vorgenommen:

***Bf***
z.H. ***C***
***C-Adr***

In den fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerden wurde unter anderem ausgeführt, dass der Bericht und die Bescheide bei der falschen Steuernummer in der Databox abgelegt worden seien, nicht bei jener der Beschwerdeführerin, sondern bei der von Frau ***C***. Weiters wurde ausgeführt, dass mit Beschluss des Landesgerichts ***E*** vom tt.12.2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und mit Beschluss vom tt.06.2021 der Konkurs rechtskräftig aufgehoben worden sei. Da sich die Lohnabgabenprüfung auf die Jahre 2018 bis 2020 beziehe und die Aufhebung des Konkurses eindeutig danach erfolgt sei, bestehe kein Anspruch, zumal die Abgabenbehörde ihre Forderung nicht fristgerecht eingereicht hätte.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom , die wie bereits die angefochtenen Bescheide an die Beschwerdeführerin, z.Hd. ***C***, ***C-Adr***, adressiert ist, wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen. In der Begründung führte die Abgabenbehörde im Wesentlichen aus, dass durch die Aufhebung des Konkursverfahrens die Abgabenbehörde weder den Abgabenanspruch verliere noch sei der Abgabepflichtige von der Bezahlung der Lohnabgaben befreit; das Recht bzw die Pflicht der Abgabenbehörde, Abgabenansprüche im Abgabenfestsetzungsverfahren bescheidmäßig geltend zu machen, werde durch einen Zwangsausgleich und auch durch ein Konkursverfahren nicht berührt. Inwieweit hinsichtlich dieser Forderungen noch eine Einbringlichkeit gegeben sei, sei erst im Abgabeneinhebungsverfahren zu prüfen. Weiteres wurde darauf verwiesen, dass Frau ***C*** der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person iSd § 81 BAO namhaft gemacht worden sei. Diese gelte sohin so lange als zur Empfangnahme von Schriftstücken der Abgabenbehörde ermächtigt, als nicht eine andere Person als Zustellungs-bevollmächtigter namhaft gemacht werde. Frau ***C*** sei im fraglichen Zeitraum unbestritten (angemerkte) Zustellungsbevollmächtigte der Beschwerdeführerin iSd § 9 Zustell-gesetz (ZustG ) gewesen. Die bekämpften Bescheide seien daher einerseits an die Gesellschaft zu richten und andererseits an die für die Gesellschaft vertretungsbefugte Person (als Empfängerin; mit dem Zusatz "zHd") zuzustellen gewesen. Mit der Zustellung der fraglichen abgabenbehördlichen Erledigungen an die Zustellungsbevollmächtigte hätten die Zustellungen an die Beschwerdeführerin bzw an deren Beteiligte als bewirkt gegolten.

Mit Schriftsatz vom stellte Frau ***C*** den Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerden durch das Bundesfinanzgericht und verweis im Wesentlichen darauf, dass Herr ***F*** im Prüfungszeitraum das 60. Lebensjahr bereits vollendet gehabt habe und übermittelte bezüglich der freien Diäten eine Aufstellung der durchgeführten Fahrten von Herrn ***G***.

Mit Vorlagebericht vom wurden die Beschwerden zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vorgelegt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Die Beschwerdeführerin ist eine Kommanditgesellschaft. Sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom tt.07.2015 gegründet. Am tt.12.2020 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet und am tt.06.2021 der Konkurs rechtskräftig aufgehoben.

Als einzige unbeschränkt haftende Gesellschafterin der Beschwerdeführerin fungierte die ***D***, mit Sitz in ***D-Adr**, England.
Die ***D*** war seit dem als Private Limited Company by shares unter der Company Number ***XXX*** beim Registrar of Companies for England and Wales im Companies House (Cardiff) registriert und Frau ***C*** als Company Director bestellt ("appointed"). Am tt.11.2021 wurde die ***D*** aufgelöst ("dissolved").

Als Kommanditisten der Beschwerdeführerin fungierten im Streitzeitraum 2018 bis 2020:


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Kommanditist/in
von
bis
***A***
tt.07.2015
***B***
tt.07.2015
***C***
tt.07.2015

Als vertretungsbefugte Person der Beschwerdeführerin im Sinne des § 81 BAO wurde Frau ***C*** der Abgabenbehörde gegenüber namhaft gemacht.

Die nach der Außenprüfung ergangenen Bescheide vom waren wie folgt adressiert:

***Bf***
z.H. ***C***
***C-Adr***

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus den von der Abgabenbehörde dem Bundesfinanzgericht vorgelegten Unterlagen sowie Auszügen aus dem Firmenbuch und dem Registrar of Companies for England and Wales.

3. Rechtliche Würdigung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Zurückweisung)

3.1.1. Betreffend Bescheidadressat

Nach der Bestimmung des § 131 Z 4 iVm § 161 UGB wird eine Kommanditgesellschaft durch den Tod eines Gesellschafters aufgelöst.

Eine Analogie zu § 131 Z 4 greift auch Platz, wenn Gesellschafter wegfallen, die juristische Personen sind. Die Auflösung der juristischen Person ist nach herrschender Lehre dem "Tod" iSd § 131 Z 4 UGB gleichzuhalten (vgl Straube/Ratka/Rauter, UGB - Wiener Kommentar zum Unternehmensgesetzbuch UGB, § 131 Tz 15).

Auch der OGH vertritt in ständiger Rechtsprechung die Ansicht, dass die Löschung einer Private Limited Company im Register nach dem englischen Recht konstitutiv wirkt und die Beendigung (dissolution) bewirkt, dass die Existenz der Gesellschaft als Rechtsträger (juristische Person) aufhört und die Vertretungsbefugnisse enden (vgl und die dort weitere angeführte Judikatur und Lehrmeinungen).

Mit der Auflösung der ***D*** (Company Number ***XXX***) am tt.11.2021 wurde die Existenz dieser Gesellschaft als Rechtsträger beendet und erloschen die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vertretungsbefugnisse. Damit fiel der einzige Komplementär weg und es verblieben nur noch die Kommanditisten als beschränkt haftende Gesellschafter der Beschwerdeführerin.

Mit der Beendigung ("dissolution") der ***D*** am tt.11.2021 und dem damit einhergehenden Wegfall des einzigen Komplementärs der Beschwerdeführerin, war die Kommanditgesellschaft als Personengesellschaft nicht mehr existent.

Dazu kommt, dass eine nach englischem Recht gegründete Limited mit Verwaltungssitz in Österreich seit dem Ende des Brexit-Übergangszeitraums (dh seit ) nicht mehr besteht. An ihre Stelle sind im Weg der Gesamtrechtsnachfolge die Gesellschafter als GesbR bzw der Alleingesellschafter als Einzelunternehmer getreten ().

Gemäß § 81 Abs 6 BAO bleibt die bei Beendigung der Personenvereinigung (Personen-gemeinschaft) bestehende Vertretungsbefugnis, sofern dem nicht andere Rechtsvorschriften entgegenstehen, insoweit und solange aufrecht, als nicht von einem der zuletzt beteiligt gewesenen Gesellschafter (Mitglieder) oder vertretungsbefugten Person dagegen Widerspruch erhoben wird.

Umgelegt auf den zu beurteilenden Sachverhalt und die Adressierung der angefochtenen "Bescheide" ist davon auszugehen, dass die angefochtenen "Bescheide" vom an die beiden Kommanditisten als Rechtsnachfolger der ***Bf***, zu Handen von Frau ***C***, der der Abgabenbehörde gegenüber, iSd § 81 BAO namhaft gemachten, vertretungsbefugten Person der ***Bf***, und nicht an die Beschwerdeführerin zu adressieren gewesen wären. Es handelt sich daher bei den angefochtenen, als Bescheide intendierten Erledigungen um Nichtbescheide.

3.1.2. Betreffend Unwirksamkeit der angefochtenen "Bescheide"

Gemäß § 260 Abs 1 lit a BAO ist die Bescheidbeschwerde mit Beschwerdevorentscheidung oder mit Beschluss zurückzuweisen, wenn sie nicht zulässig ist.

Bescheidbeschwerden gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter sind als unzulässig zurückzuweisen (Ritz/Koran, BAO7, § 260 Tz 8, mit weiteren Nachweisen).

Kein Bescheid liegt z.B. vor, wenn die an sich Bescheidcharakter aufweisende Erledigung an keine Rechtsperson, sondern an eine nicht mehr existente Personengesellschaft gerichtet ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die gegen die als Abgabenbescheide intendierten Erledigungen eingebrachten Beschwerden waren als unzulässig zurückzuweisen.

Zur Zulässigkeit einer Revision

Gegen einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Die Rechtsfolge der Zurückweisung im Fall einer Beschwerde gegen eine an eine nicht mehr existente Personengesellschaft gerichtete Erledigung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ist daher zu verneinen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 260 Abs. 1 lit. a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 133 Abs. 4 B-VG, Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930
ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982
§ 161 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 131 Z 4 UGB, Unternehmensgesetzbuch, dRGBl. S 219/1897
§ 81 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 81 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Schlagworte
Kommanditgesellschaft
Private Limited Company
Personengesellschaft
dissolution
Limited
dissolved
Verweise

Straube/Ratka/Rauter, UGB - Wiener Kommentar zum Unternehmensgesetzbuch UGB, § 131 Tz 15
Ritz/Koran, BAO 7. Aufl., § 260 Tz 8
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7101855.2022

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at