Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 04.07.2023, RV/7102135/2023

Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen mangels Entfaltung einer Erwerbstätigkeit eines subsidiär Schutzberechtigten

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Ri in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr*** vertreten durch den Magistrat der Stadt Wien - Magistratsabteilung 11 - Amt für Jugend und Familie, ***2*** über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für das Kind ***Bf1*** im Zeitraum vom bis zum zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.), geb. ***3***, ist afghanischer Staatsbürger und als subsidiär Schutzberechtigter aufenthaltsberechtigt im Bundesgebiet. Er stellte am durch seinen gesetzlichen Vormund, sprich die MA 11 einen Eigenantrag auf Familienbeihilfe. wobei eine Ausbildungsvereinbarung betreffend eine überbetriebliche Lehrausbildung gemäß § 30 Berufsausbildungsgesetz bei ***5*** mit Beginn der Ausbildung vorgelegt wurde.

Am erhielt der Bf. eine Mitteilung über den Bezug von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen für den Zeitraum von September 2021 bis Dezember 2022.

Mit Bescheid vom wurde die Familienbeihilfe für den Zeitraum vom bis zum iHv 2.678,80 Euro gemäß § 26 Abs. 1 FLAG 1967 rückgefordert. In der Begründung wurde ausgeführt, dass im Fall des Bf. die Anspruchsvoraussetzung nach § 3 Abs. 4 FLAG 1967, sprich die Entfaltung einer selbständigen oder nichtselbständigen Erwerbstätigkeit nicht gegeben sei.

In der am eingebrachten Beschwerde brachte der Bf. vor, dass die Tatsache, dass er im Rückforderungszeitraum als Arbeiterlehrling beschäftigt bzw. aus nämlicher Tätigkeit monatlich 701,91 Euro lukriert habe der belangten Behörde offengelegt worden sei. Ergo dessen erscheine unter Berücksichtigung vorgenannten Aspekts die Rückforderung nicht sachgerecht, weswegen nach Auffassung der MA 11 der angefochtene Bescheid der Aufhebung verfallen sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung (BVE) vom wurde die Beschwerde mit nachstehender Begründung abgewiesen:

"Sie haben seit den Status eines subsidiär Schutzberechtigten. Nach § 3 Abs. 4 FLAG 1967 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind.

Das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 verlangt ausdrücklich eine tatsächliche Erwerbstätigkeit. Sie sind im Beschwerdezeitraum (von September 2021 bis August 2022 nicht unselbständig oder selbständig erwerbstätig gewesen.

Der Bezug von Arbeitslosengeld (auch Notstandshilfe) und Krankengeld erfüllt hingegen ebenso wie der Erhalt von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes, Beihilfen zu Kursnebenkosten durch das AMS und Ausbildungsbeihilfen nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit im Sinne des Abs. 4, eine Ausbildung im Rahmen des AMS ist keine Erwerbstätigkeit.

Ein Praktikum, bei welchem kein Arbeitslohn vereinbart, sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und ein Bildungsbonus bezogen wurde, ist keine Erwerbstätigkeit (). Auch der Bezug einer Invaliditätspension erfüllt nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit ().

Gemäß § 26 Abs. 1 FLAG hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen. Die Bestimmung des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 normiert eine objektive Erstattungspflicht für denjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, ohne Rücksicht darauf, ob die bezogenen Beträge gutgläubig empfangen worden seien oder ob die Rückzahlung eine Härte bedeutet.

Die Verpflichtung zur Rückzahlung unrechtmäßiger Beihilfenbezüge ist von subjektiven Momenten unabhängig. Entscheidend ist nur, ob der Empfänger der Beträge diese zu Unrecht erhalten hat. Aus oben genannten Gründen war Ihre Beschwerde abzuweisen."

In dem gegen die BVE erhobenen Vorlageantrag vom wurde seitens der Vertretung des Bf. nachstehendes ausgeführt:

"Als Begründung für die Abweisung des Antrages auf Zuerkennung der Familienbeihilfe, bzw. für die Abweisung der Beschwerde wurde angeführt, dass subsidiär Schutzberechtigte nur dann Anspruch auf die Familienbeihilfe haben, wenn sie erwerbstätig sind. Bezug von Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder Krankengeld erfüllen diese Voraussetzungen nicht.

Dazu ist wie folgt auszuführen:

Gemäß § 3 Abs. 4 Familienlastenausgleichsgesetz haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

Das Kind beantragte, vertreten durch den Kinder- und Jugendhilfeträger Wien, beim Finanzamt im Oktober 2021 die Zuerkennung der Familienbeihilfe nach § 6 Abs. 5 FLAG. Das betreffende Kind absolvierte ab eine Lehre bei ***4*** und erfüllte somit die erforderlichen Voraussetzungen für die Bewilligung der Familienbeihilfe.

Die entscheidungsrelevanten Tatsachen waren dem Finanzamt bekannt. Die erforderlichen Unterlagen wurden vorgelegt. Sollte der vermeintliche Überbezug durch einen Fehler des Finanzamtes zustande gekommen sein, darf das nicht zu Lasten des Minderjährigen gehen."

Über die Beschwerde wurde erwogen

Sachverhalt:

Der Bf. afghanischer Staatsbürger und als subsidiär Schutzberechtigter aufenthaltsberechtigt im Bundesgebiet.

Nach Aktenlage erhielt der Bf. im Zeitraum vom bis zum Leistungen aus der Grundversorgung.

Vom bis zum befand sich der Bf in einer überbetrieblichen Lehrausbildung gemäß § 30 Berufsausbildungsgesetz (BAG) bei ***4***, wobei für das auf ein Jahr befristete Ausbildungsverhältnis eine monatliche Ausbildungsbeihilfe in Höhe von 701,91 Euro bedungen war.

Laut Punkt 14 des mit datierten Ausbildungsvertrages wird durch dessen Abschluss weder ein Lehrverhältnis noch ein Arbeitsverhältnis begründet, mit der Maßgabe, dass die Ausbildungsteilnehmer nur sozialversicherungsrechtlich jedoch nichtarbeitsrechtlich Lehrlingen gleichgestellt sind.

Rechtliche Würdigung:

Rechtsgrundlagen

§ 2 FLAG 1967 legt die allgemeinen und die besonderen Voraussetzungen fest, unter denen jemand Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

§ 3 stellt ergänzend für Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, weitere besondere Voraussetzungen auf.

Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn

a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und

c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.

Gemäß § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter den selben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.

Der Eigenanspruch besteht für minderjährige (§ 6 Abs 1 FLAG 1967) und volljährige Vollwaisen sowie für (ebenfalls minderjährige oder volljährige) Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die aus diesem Grund den Vollwaisen gleichgestellt sind (§ 6 Abs 5 FLAG 1967). Voraussetzung für den Eigenanspruch ist es, dass keiner anderen Person für das Kind Familienbeihilfe zu gewähren ist (Lenneis/Wanke /Hrsg., FLAG, 2. Aufl. 2020, § 6 Rz. 2ff.).

§ 3 FLAG 1967 lautet:

"(1) Personen, die nicht österreichische Staatsbürger sind, haben nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie sich nach § 8 und 9 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes, NAG, BGBl. I Nr 100/2005, oder nach § 54 des Asylgesetzes (AsylG 2005), BGBl. I Nr 100/2005 idF BGBl. I Nr 87/2012, rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(2) Anspruch auf Familienbeihilfe besteht für Kinder, die nicht österreichische Staatsbürger sind, sofern sie sich nach § 8 und 9 NAG oder nach § 54 AsylG 2005 rechtmäßig in Österreich aufhalten.

(3) Abweichend von Abs. 1 haben Personen, denen Asyl nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr 100, gewährt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe. Anspruch besteht auch für Kinder, denen nach dem Asylgesetz 2005 Asyl gewährt wurde.

(4) Abweichend von Abs 1 haben Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde, Anspruch auf Familienbeihilfe, sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind. Anspruch besteht auch für Kinder, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem Asylgesetz 2005 zuerkannt wurde.

(5) …"

§ 3 Abs. 4 FLAG 1967 betrifft subsidiär Schutzberechtigte als Anspruchsberechtigte iSd Abs 1 leg cit oder Anspruchsvermittelnde iSd Abs 2 leg cit, allerdings hinsichtlich des Anspruchs auf Familienbeihilfe nur unter bestimmten weiteren Voraussetzungen (Lenneis/Wanke /Hrsg., FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3 Rz. 3).

Rechtliche Beurteilung

Im Falle des Bf steht außer Streit, dass ihm die Stellung eines Vollwaisen iSd § 6 Abs 5 FLAG 1967 - die ihm grundsätzlich einen Eigenanspruch vermittelt - zukommt. Ebenso unstrittig ist er aber ein subsidiär Schutzberechtigter, weshalb für die Beurteilung seines Anspruches auf Familienbeihilfe die in § 3 Abs. 4 FLAG 1967 normierte gesetzliche Regelung heranzuziehen ist.

Der erste Satz des Abs 4 leg cit spricht klar aus, dass subsidiär schutzberechtigte Personen als selbst Anspruchsberechtigte - wie im Fall des Bf - dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, "sofern sie keine Leistungen aus der Grundversorgung erhalten und unselbständig oder selbständig erwerbstätig sind".

Während die erste Voraussetzung, sprich der Nichterhalt von Leistungen aus der Grundversorgung im Rückforderungszeitraum nach Aktenlage als erfüllt ist, wird nach dem Dafürhalten des BFG der zweiten Voraussetzung sprich dem Vorliegen einer nichtselbständigen Erwerbstätigkeit aus nachstehenden Erwägungen nicht Rechnung getragen.

Verwiesen wird idZ auch auf den Initiativantrag, auf welchen § 3 Abs 4 FLAG 1967 zurückgeht (IA 62/A BlgNR 23. GP). Dazu wird ausgeführt:

"Weiters soll künftig auch für Personen, denen der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, ein Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld eingeräumt werden, sofern diese auf Grund ihrer Hilfsbedürftigkeit nicht bereits Leistungen im Rahmen der Grundversorgung nach Maßgabe der Grundversorgungsvereinbarung nach Art. 15a B-VG zwischen dem Bund und den Ländern erhalten und durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen. Bereits nach der Rechtslage vor dem war als Voraussetzung für den Bezug der Familienbeihilfe das Vorliegen einer mindestens drei Monate dauernden legalen unselbständigen Erwerbstätigkeit vorgesehen. Diese Voraussetzung soll nunmehr durch die selbstständige Erwerbstätigkeit erweitert werden."

Der Gesetzgeber wollte daher die Leistung der Familienbeihilfe an subsidiär Schutzberechtigte, wenn diese nicht unter die Grundversorgung fallen, mit einer tatsächlichen selbständigen oder nichtselbständigen Erwerbstätigkeit verknüpfen. Wenn die subsidiär Schutzberechtigten "durch eigene Erwerbstätigkeit zu ihrem Lebensunterhalt beitragen", soll auch ein staatlicher Beitrag in Form der Familienbeihilfe erfolgen.

Dazu ist auf folgende Judikatur zu verweisen (vgl. Lenneis/Wanke /Hrsg., FLAG, 2. Aufl. 2020, § 3 Rz. 279 ff.):

Es muss eine tatsächliche Erwerbstätigkeit vorliegen (; ). Dass etwa durch Zuwendungen außerhalb der Grundversorgung anderweitig die Existenz gesichert wird, reicht nicht aus ().

Eine geringfügige Beschäftigung ist eine Erwerbstätigkeit (; ; ).

Auch ein Lehrverhältnis mit einem Lehrherrn begründet zufolge der Lehrlingsentschädigung eine Erwerbstätigkeit iSd § 3 Abs 3 (idS wohl ; ).

Als Zeiten einer Erwerbstätigkeit sind auch die Achtwochenfrist vor der voraussichtlichen Entbindung nach § 3 MSchG und die Achtwochenfrist nach der Entbindung gemäß § 5 MSchG ebenso wie Zeiten eines Karenzurlaubs nach dem MSchG innerhalb eines Dienstverhältnisses zu berücksichtigen, weil insoweit das Arbeitsverhältnis rechtlich aufrecht bleibt und nur die Arbeitspflicht ruht (vgl mwN).

Zeiten nach der rechtlichen Beendigung eines Dienstverhältnisses sind nicht mehr Zeiten, in denen eine Person unselbständig erwerbstätig iSd Abs 4 ist (vgl zu Urlaubsersatzleistung)

Der Bezug von Arbeitslosengeld (auch Notstandshilfe) und Krankengeld erfüllt hingegen ebenso wie der Erhalt von Beihilfen zur Deckung des Lebensunterhaltes und Beihilfen zu Kursnebenkosten durch das AMS nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit iSd Abs 4, eine Ausbildung im Rahmen des AMS ist keine Erwerbstätigkeit (-I/10; ; ; -G/10; ; [Arbeitslosengeld, Beschwerde zu , abgelehnt]; ; ; ; ; ; ; ; ).

Ein Praktikum, bei welchem kein Arbeitslohn vereinbart, sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und ein Bildungsbonus bezogen wurde, ist keine Erwerbstätigkeit (). Auch der Bezug einer Invaliditätspension erfüllt nicht die Voraussetzung einer Erwerbstätigkeit ().

Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG 1988 sind Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Arbeitslohn) Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis. Arbeitslohn liegt dann vor, wenn sich die Leistung des Arbeitgebers im weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erweist (Doralt, EStG 12, § 25 Tz 12).

Es muss sich um ein Dienstverhältnis mit Entgeltsanspruch (Arbeitslohn) handeln. Nur dann ist die Voraussetzung, durch eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt beizutragen, als erfüllt angesehen werden.

Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf die Judikatur in ähnlich gelagerten Fällen:

Nach , begründet die Facharbeiterintensivausbildung beim BFI Wien eines subsidiär Schutzberechtigten keine tatsächliche Erwerbstätigkeit. Die im Auftrag des AMS im Berufsausbildungszentrum des BFI durchgeführte Ausbildung begründet nämlich kein Dienstverhältnis mit Entgeltanspruch. Vielmehr wird der Bw während der Ausbildung durch das AMS betreut und bezieht für diese Zeit Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe oder DLU (Deckung zum Lebensunterhalt). Damit erzielt der Bw aber kein Erwerbseinkommen aus unselbständiger Tätigkeit, sondern erhält eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung.

Nach , ist die Absolvierung eines Praktikums eines subsidiär Schutzberechtigten bei einer GmbH & Co KG und der begleitende Besuch fachspezifischer Kurse und der Berufsschule zur Vorbereitung auf die Lehrabschlussprüfung keine tatsächliche Erwerbstätigkeit. Es handelt sich bei der Tätigkeit des Bf nicht um ein reguläres Arbeits- oder Lehrverhältnis. Vielmehr absolvierte der Bf als Stiftungsteilnehmer über eine Stiftung ein Praktikum mit dem Ziel, in ein konkretes Dienstverhältnis übernommen zu werden. Grundlage der Tätigkeit war nicht ein Dienstvertrag, sondern ein zwischen dem Bf, dem Unternehmen, der Arbeitsstiftung und dem AMS vereinbarter Bildungsplan. Der Bf erhielt keinen Arbeitslohn, wie er wesentliches Merkmal einer unselbständigen Tätigkeit ist, sondern eine Leistung aus der Arbeitslosenversicherung und einen Bildungsbonus.

Demnach liegt auch im gegenständlichen Fall keine tatsächliche Erwerbstätigkeit vor.

Nach § 1 Berufsausbildungsgesetz (BAG) sind "Lehrlinge im Sinne dieses Bundesgesetzes … Personen, die auf Grund eines Lehrvertrages (§ 12) zur Erlernung eines in der Lehrberufsliste (§ 7) angeführten Lehrberufes bei einem Lehrberechtigten (§ 2) fachlich ausgebildet und im Rahmen dieser Ausbildung tätig (§ 9) werden."

Im vorliegenden Fall wurde jedoch eine Ausbildungsvereinbarung mit ***4*** abgeschlossen. Es handelt sich um keinen regulären Lehrvertrag, welcher mit einem Lehrbetrieb abgeschlossen wird und als Arbeitsverhältnis gilt. Der Teilnehmer bekommt keine Lehrlingsentschädigung, sondern eine Ausbildungsbeihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts, welche nicht von einem Lehrbetrieb, sondern von der öffentlichen Hand getragen wird. Auch die Sozialversicherungsbeiträge und die Ausbildungskosten werden von der öffentlichen Hand getragen.

Gemäß § 30 BAG ergänzt und unterstützt die überbetriebliche Lehrausbildung die betriebliche Ausbildung in Lehrbetrieben gemäß § 2 für Personen, die kein Lehrverhältnis gemäß § 12 beginnen können und die das Arbeitsmarktservice nicht erfolgreich auf eine Lehrstelle vermitteln konnte. Die Ausbildung in überbetrieblichen Ausbildungseinrichtungen hat daher auch die Einbeziehung von Unternehmen, bevorzugt von solchen, die auch zur Ausbildung von Lehrlingen berechtigt sind, zu beinhalten mit dem Ziel, den auszubildenden Personen den Beginn eines Lehrverhältnisses gemäß § 12 zu ermöglichen (Vermittlungsauftrag).

Es handelt sich um einen Ausbildungslehrgang für Personen, die nicht auf eine Lehrstelle vermittelt werden konnten. Die Teilnahme an der überbetrieblichen Lehrausbildung ist die Vorbereitung des Teilnehmers für ein reguläres Arbeitsverhältnis, es ist aber kein reguläres Arbeitsverhältnis. Außerdem werden Fertigkeiten und Kenntnisse zur Bewerbung angeboten.

Es handelt sich daher nach der Judikatur um kein Dienstverhältnis mit Entgeltsanspruch (Arbeitslohn); der Bf hat nicht durch eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt beigetragen, sondern wurde ihm von der öffentlichen Hand eine Ausbildungsbeihilfe zur Deckung des Lebensunterhalts finanziert.

Wenn die Vertretung des Bf. im Vorlageantrag nunmehr ins Spiel bringt, dass dieser im Rückforderungszeitraum eine Lehre absolviert hat, so ist sie- unter nochmaligem Bezug auf vorstehende Ausführungen sowie auf die Textierung in Punkt 14 des Ausbildungsvertrages - darauf hinzuweisen, dass sich der Bf. gerade nicht in einer regulären Lehrausbildung befunden hat. Der Schluss, dass angesichts der Tatsache, dass der Bf. laut Punkt 14 des Ausbildungsvertrages als Lehrling iSd § 4 Abs 1 Z 2 ASVG gelte, das Erfordernis der Erwerbstätigkeit erfüllt sei, verkennt, dass die Bestimmung des § 3 Abs 4 FLAG 1967 Voraussetzungen sui generis für das Vorliegen einer Erwerbstätigkeit normiert, während § 4 Abs 1 Z 2 ASVG die Gleichstellung mit einem Lehrling (ausschließlich) für sozialversicherungsrechtliche Zwecke bewirkt. Ob der Bf einem (regulären) Lehrling hinsichtlich des Vorliegens einer Pflichtversicherung in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung gleichgestellt ist, ist für die Beurteilung der Erwerbstätigkeit nach § 3 Abs 4 FLAG 1967, welche darauf abstellt, durch eigene Erwerbstätigkeit zum Lebensunterhalt iSd dargestellten Judikatur beizutragen, irrelevant.

Die durchaus anzuerkennenden Bemühungen des Bf., eine von der öffentlichen Hand angebotene überbetriebliche Lehrausbildung als vorbereitende Maßnahme zu absolvieren, um anschließend auf dem Arbeitsmarkt eine reguläre Lehrstelle zu finden und in weiterer Folge selbst zum Unterhalt beizutragen, können in Anbetracht der auf Grund des § 3 Abs 4 FLAG 1967 gegebenen Rechtslage für den Streitzeitraum keinen Anspruch auf Familienbeihilfe begründen.

Gemäß § 10 Abs. 2 FLAG 1967 wird die Familienbeihilfe vom Beginn des Monats gewährt, in dem die Voraussetzungen für den Anspruch erfüllt werden. Der Anspruch auf Familienbeihilfe erlischt mit Ablauf des Monats, in dem eine Anspruchsvoraussetzung wegfällt oder ein Ausschließungsgrund hinzukommt.

Gemäß § 26 FLAG 1967 hat, wer Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen hat, die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.

§ 33 Abs. 3 EStG 1988 lautet:

"Steuerpflichtigen, denen auf Grund des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 Familienbeihilfe gewährt wird, steht im Wege der gemeinsamen Auszahlung mit der Familienbeihilfe ein Kinderabsetzbetrag von monatlich 58,40 Euro für jedes Kind zu. Für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten, steht kein Kinderabsetzbetrag zu. Wurden Kinderabsetzbeträge zu Unrecht bezogen, ist § 26 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 anzuwenden."

Abschließend ist dem Einwand des Bf., wonach die Auszahlung der Familienbeihilfe und der Kinderabsetzbeträge auf einer Falschbeurteilung offen gelegter Tatsachen beruhte und demzufolge die Rückforderung nicht sachgerecht erscheint nachstehendes zu entgegnen:

Nach der Rechtspsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergibt sich aus der Norm des § 26 Abs. 1 FLAG 1967 eine objektive Erstattungspflicht zu Unrecht bezogener Familienbeihilfe. Es kommt nur auf die objektive Rechtswidrigkeit des Bezugs von Familienbeihilfe an, also auf das Fehlen der Anspruchsvoraussetzungen für den Leistungsbezug (vgl. ; , 2005/13/0142).

Anders als der Bf. vermeint, steht es einer Rückforderung nach geltender Rechtslage somit auch nicht entgegen, wenn der unrechtmäßige Bezug ausschließlich durch das Finanzamt verursacht worden ist (vgl. ; , 2008/15/0329; , 2007/15/0162; , 2008/15/0002; , 2006/13/0174; , 2001/13/0048; , 2001/13/0160; , 2002/13/0079; , 2000/15/0183; , 97/15/0013).

Zusammenfassend war daher wie im Spruch zu befinden.

Zulässigkeit einer Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Da die im gegenständlichen Verfahren entscheidungsrelevanten Rechtsfragen bereits ausreichend durch die zitierte Rechtsprechung geklärt sind, liegt keine Rechtsfrage grs. Bedeutung vor.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
FLAG
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102135.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at