Aufhebung einer rechtswidrig ergangenen Beschwerdevorentscheidung
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin ***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017 Steuernummer ***BFStNr1*** zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerdevorentscheidung vom , mit der die Beschwerde vom als verspätet zurückgewiesen wurde, wird aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (infolge Bf.) wurde für das Jahr 2017 im Zuge der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung mit Einkommensteuerbescheid vom veranlagt. Die antragslose Arbeitnehmerveranlagung ergibt für das Jahr 2017 eine Gutschrift iHv -378 €.
Am langte beim Finanzamt über Finanzonline eine in der Überschrift als "Beschwerde - AV 2017 vom " bezeichnete Eingabe ein, in welcher der Bf. mitteilte, dass im automatischen Steuerbescheid das Bauspardarlehen € 7.200,24 und die Kinderfreibeträge für die beiden Töchter nicht berücksichtigt worden sei.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom hat das Finanzamt (FA) die Beschwerde vom gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom gemäß § 260 BAO als verspätet zurückgewiesen, da gemäß § 245 BAO die Beschwerdefrist ein Monat betrage.
In den am eingebrachten Vorlageantrag gab der Bf. an:
"Ich wurde für 2017 automatisch veranlagt und habe 2018 nach Zustellung des Bescheids telefonisch beim Finanzamt die Auskunft erhalten, dass jederzeit noch die Möglichkeit besteht - wie bisher innerhalb der 5 Jahre - den Bescheid zu ändern, da in diesem Fall die 1 Monatsfrist nicht gilt. Daher war ich über die Ablehnung meiner Bescheidänderung mit der Begründung 1 Monatsfrist sehr überrascht. Wie ich inzwischen am Finanzamt ***K*** erfahren habe, wäre technisch eine andere Vorgangsweise im Finanzonline einzutragen gewesen. Laut Vorsprache am Freitag am Finanzamt ***K*** wurde mir ebenso mitgeteilt, der einzige Weg ist ein Vorlageantrag über Finanzonline.
Leider hat das wegen der 5 Jahresfrist nicht funktioniert. Laut heutigem Anruf bei Finanzamtshotline war die Info, der richtige Weg ist mittels Briefabgabe bis einschließlich (Anm.richtig ) im Finanzamt. Mir war leider nicht bewusst, dass diese Beschwerde, die ich zur Ergänzung der Sonderausgaben bei der automatischen Arbeitnehmerveranlagung gewählt habe, nicht die richtige Vorgangsweise ist, da sichtlich ein Missverständnis vorlag. Diese Eingabe in Finanzonline vom war als normaler Antrag für 2017 mit Ergänzung der Sonderausgaben und des Kinderfreibetrags gedacht, siehe auch meine damalige Begründung in der Beschwerde.
Ich ersuche um Neuberechnung für folgende Punkte, wie bereits im Antrag vom angeführt…".
Mit Vorlagebericht vom wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt und auf die Verspätung der Beschwerde hingewiesen.
Die Zurückweisung der Beschwerde sei ordnungsgemäß erfolgt.
Im Hinweis des Einkommensteuerbescheides 2017 vom sei der Beschwerdeführer darauf aufmerksam gemacht worden, dass innerhalb einer Frist von 5 Jahren ab dem Ende der Veranlagungszeitraumes eine Abgabenerklärung (z.B. Formular L1) abgegeben werden könne. Dies hätte zur Folge gehabt, dass das Finanzamt den gegenständlichen Bescheid aufgehoben hätte. Es werde eine Abweisung der Beschwerde beantragt.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. wurde für das Jahr 2017 im Zuge der antragslosen Arbeitnehmerveranlagung zur Einkommensteuer veranlagt. Innerhalb der Frist von fünf Jahren brachte der Bf. am eine Eingabe mit dem Ziel ein, dass Sonderausgaben und Kinderfreibeträge Berücksichtigung finden sollten, da sie im automatischen Steuerbescheid nicht berücksichtigt waren.
Der Bf. benützte dafür das in Finanzonline zur Verfügung stehende Beschwerdeformular mit der Überschrift "Beschwerde - AV 2017 vom " und beantragte die Berücksichtigung von Sonderausgaben und Kinderfreibeträgen für seine Töchter.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem dem Bundefinanzgericht elektronisch vorgelegten Akt.
In der Begründung seines Vorlageantrages führte der Bf. aus, nachdem der Einkommensteuerbescheid für 2017 automatisch erstellt worden sei, mache er zusätzlich Sonderausgaben und die Kinderfreibeträge für seine beiden Töchter geltend. Daraus ist zweifelsfrei abzuleiten, dass der Bf. erkennbar darauf abzielte, die im Einkommensteuer-bescheid 2017 nicht erfolgte Berücksichtigung der Sonderausgaben und der Kinderfreibeträge zu erreichen. Mit der über Finanzonline gemachten Eingabe vom , zu deren Abfassung er sich der in Finanzonline zur Verfügung stehenden Antragsart "Beschwerde " bediente, hat er bei genauer Betrachtung keine Beschwerde erhoben, sondern innerhalb der 5-Jahresfrist den Antrag auf Arbeitnehmerveranlagung für 2017 eingebracht. Dabei ist auch in Betracht ziehen, dass nach der allgemeinen Lebenserfahrung kein Steuerpflichtiger von einer Rechtsmittelfrist ausgeht, die sich über mehrere Jahre erstreckt.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind Parteienerklärungen nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Es kommt somit darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszwecks und der der Behörde bzw. dem Verwaltungsgericht vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss. Bei undeutlichem Inhalt eines Anbringens ist die Absicht der Partei zu erforschen. Im Zweifel ist dem Anbringen einer Partei, das sie zur Wahrung ihrer Rechte stellt, nicht ein solcher Inhalt beizumessen, der ihr die Rechtsverteidigungsmöglichkeit nimmt (, mwN).
Für die Beurteilung von Anbringen kommt es nicht auf die Bezeichnung von Schriftsätzen und die zufälligen verbalen Formen an, sondern auf den Inhalt, das erkennbare und zu erschließende Ziel des Parteischrittes (vgl. ; sowie vom , Ra 2020/13/0099).
Die vom Bf. am über Finanzonline gemachte Eingabe war daher als Antrag auf Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung des Jahres 2017 zu werten.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 EStG ist bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen eine antragslose Arbeitnehmerveranlagung durchzuführen.
Gemäß § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988 hat das Finanzamt, wenn nach erfolgter antragsloser Veranlagung innerhalb der Frist der Z 1 (fünf Jahre ab dem Ende des Veranlagungszeitraums) eine Abgabenerklärung abgegeben wird, darüber zu entscheiden und gleichzeitig damit den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben.
Gemäß § 262 Abs. 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Die Erlassung eines Bescheides aufgrund einer antragslosen Veranlagung soll einer rechtsrichtigen Erledigung nicht im Wege stehen (Jakom/Kanduth-Kristen EStG, 2022, § 41 Tz 35, , etc). Wird innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes eine Steuererklärung abgegeben, ist die Steuer neu zu berechnen, ein neuer Steuerbescheid zu erlassen und der antragslos ergangene Bescheid gleichzeitig aufzuheben. Damit kann der Steuerpflichtige die Rechtswirkung einer antragslosen Veranlagung durch Einreichung einer Steuererklärung beseitigen.
Der Bf. machte im vorliegenden Fall nach erfolgter antragslosen Veranlagung am - somit innerhalb von fünf Jahren ab dem Ende des Veranlagungszeitraumes - eine als Steuererklärung zu wertende Eingabe. Das Finanzamt hat aber dem Anbringen des Bfs, das dieser zur Wahrung seiner Rechte stellte, einen solchen Inhalt beigemessen, der zur Zurückweisung des Anbringens führte. Damit hat es die Abgabenbehörde unterlassen, über das als Steuererklärung zu wertende Anbringen zu entscheiden und gleichzeitig den antragslos ergangenen Bescheid aufzuheben.
Mit der Zurückweisung des als Beschwerde gewerteten Anbringens des Bf. wurde ihm im Widerspruch zur Judikatur des Höchstgerichtes jegliche Möglichkeit genommen, seine Rechte durchzusetzen, da eine Wiederaufnahme auf Antrag bezogen auf den Bf. am Fehlen neu hervorgekommener Tatsachen und Beweismittel scheitern muss.
Im Hinblick darauf, dass der Bf. gar keine Beschwerde einbringen wollte und dies aus seinem Vorlageantrag auch erkennbar ist, hätte die belangte Behörde den Antrag nicht als verspätet eingebrachte Beschwerde werten und darüber nicht mit Beschwerdevorentscheidung absprechen dürfen.
Die rechtswidrig ergangene Beschwerdevorentscheidung vom , mit der die "Beschwerde" als verspätet zurückgewiesen wurde, war daher aufzuheben.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann einer Rechtsfrage im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung entfaltet (z.B. ). Gegenständlich war nur um die einzelfallbezogene Auslegung einer Parteierklärung strittig. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt daher nicht vor, weshalb die Revision spruchgemäß nicht zuzulassen war.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 41 Abs. 2 Z 2 lit. c EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 § 260 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 262 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 § 245 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102613.2023 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at