Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2023, RV/7103274/2023

Eigenantrag auf Familienbeihilfe und Erhöhungsbetrag

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Wolfgang Pavlik über die Beschwerden der ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Österreich vom betreffend Abweisung des Antrags auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) ab Jänner 2023 und Abweisung des Antrags auf den Erhöhungsbetrag ab Jänner 2018, zu Recht erkannt:

Die Beschwerden werden gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

Verfahrensgang

Die Beschwerdeführerin (Bf.), geb. am 1983, reichte am für sich selbst Anträge vom auf Zuerkennung der Familienbeihilfe (ohne Angabe ab wann) sowie auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe wegen erheblicher Behinderung ab Jänner 2018 ein.

Dazu legte die Bf. einen Bescheid des Bundessozialamts Landesstelle Niederösterreich vom bei, wonach sie dem Kreis der begünstigen Behinderten angehört.

Das Finanzamt (FA) wies den Antrag auf Familienbeihilfe (Grundbetrag) mit Bescheid vom ab Jänner 2023 mit der Begründung ab, dass die Bf. im Haushalt ihrer Eltern lebe oder diese überwiegend ihren Lebensunterhalt finanzieren. Dadurch habe sie selbst keinen Anspruch auf Familienbeihilfe (Verweis auf § 6 Abs. 5 Familienlastenausgleichsgesetz 1967).

Der Antrag auf den Erhöhungsbetrag wurde, ebenfalls mit Bescheid vom , ab Jänner 2018 mit der Begründung abgewiesen, dass der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt werde. Da für die Bf. der Grundbetrag zur Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden.

Gegen diese Bescheide wurden vom Vertreter der Bf. am unter Verweis auf die Bestimmungen des § 2 Abs. 1 lit. c, § 8 Abs. 2, § 8 Abs. 4, § 8 Abs. 5 und 6 FLAG 1967 folgende (gleichlautende) Beschwerden eingebracht:

"Gemäß Bescheid vom wird behauptet, dass die Antragstellerin im Haushalt mit den Eltern wohnt und diese überwiegend den Lebensunterhalt finanzieren.

ISd § 6 Abs 5 FLAG haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c FLAG, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs. 1 und 3).

Die Antragstellerin hat im Juli 2022 gemeinsam mit ihrer Schwester S. H. das zu ihrem Elternhaus benachbarte Haus an der Adresse *** gekauft. Hierbei bewohnt die Antragstellerin eine abgetrennte Wohneinheit im Erdgeschoß. Dafür wurde auch ein Kredit aufgenommen und hat die Antragstellerin hierdurch ihren Lebensunterhalt für die in dem Haus befindlichen Wohnung im Erdgeschoß, die damit verbundenen Zahlungsaufwände (Heizkosten, Strom, Internet, etc.) sowie darüberhinausgehend auch für ihre weiteren Lebenserhaltungskosten (Lebensmittel, etc.) selbständig aufzukommen. Sämtliche Kosten betreffend Haus werden im Verhältnis der grundbücherlich festgesetzten Eigentumsanteile (***Bf1*** 1/3, S. H. 2/3) geteilt.

Entgegen der Behauptung im Bescheid finanzieren die Eltern somit nicht den Lebensunterhalt der Antragstellerin. Die Antragstellerin führt daher aus finanzieller Hinsicht einen eigenständigen Haushalt. Lediglich bei der allgemeinen Haushaltsführung (Wäsche waschen, Fahrtendienst zum Einkauf bzw. zur Erledigung sonstiger Termine, etc.) wird die Antragstellerin durch ihre Eltern bzw. ihre Schwester unterstützt.

Die Führung eines selbständigen Haushaltes ist für die Antragstellerin nur schwer bewältigbar. Eine Aufstockung der Stundenanzahl bei ihrem Arbeitgeber ist derzeit unmöglich. Eine weitere Unterstützung durch die Eltern ist aufgrund der baldigen Pensionierung auch nicht umsetzbar.

Der Antragstellerin stünde somit der Anspruch auf Familienbeihilfe sowie infolgedessen auch der Erhöhungsbeitrag aufgrund ihrer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe iSd § 6 Abs 2 lit d iVm § 6 Abs 5 FLAG zu."

Im Gutachten des Sozialministeriumservice vom wurde der Bf. keine Erwerbsunfähigkeit bescheinigt, da aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten eine durchgehende Beschäftigung ab 06/2001 bestätigt werden könne. Es lägen keine Befunde vor, die eine Selbsterhaltungsunfähigkeit bestätigen.

Das FA wies die Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidungen vom mit der Begründung ab, dass der Erhöhungsbetrag wegen einer erheblichen Behinderung als Zuschlag zur allgemeinen Familienbeihilfe gewährt werde. Da für die Bf. die allgemeine Familienbeihilfe nicht zustehe, könne auch der Erhöhungsbetrag nicht ausgezahlt werden. Anspruch auf Familienbeihilfe bestehe, wenn ein Kind voraussichtlich dauernd erwerbsunfähig sei. Die Erwerbsunfähigkeit müsse vor dem 21. Geburtstag oder während einer Berufsausbildung vor dem 25. Geburtstag eingetreten sein, was bei der Bf. nicht der Fall sei.

In den Vorlageanträgen vom wird auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.

Das Bundesfinanzgericht hat erwogen

Sachverhalt

Die Bf. ist am 1983 geboren und vollendete am 2004 das 21. Lebensjahr.

Sie ist seit zu 50% behindert (Ullrich Turner Syndrom).

Sie gehört seit dem Kreis der begünstigten Behinderten (§ 2 Abs. 1 BEinstG) an. Der Grad der Behinderung nach § 3 BEinstG beträgt Fünfzig von Hundert.

Sie ist seit bis laufend als Angestellte bei der Lebenshilfe Niederösterreich gemeinnützige GmbH beschäftigt.

Es liegt keine Erwerbsunfähigkeit vor.

Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Familienbeihilfenakt, dem SV-Auszug vom und dem Bescheid des Bundessozialamtes vom .

Aus der Bescheinigung des Sozialministeriumservice vom geht hervor, dass die Bf. nicht erwerbsunfähig ist, da aus den vorgelegten Befunden und den biographischen Daten eine durchgehende Beschäftigung ab 06/2001 dokumentiert war. Es lagen keine Befunde vor, die eine Selbsterhaltungsunfähigkeit bestätigen würden.
Diese Ausführungen sind im Hinblick auf die durchgehende Beschäftigung der Bf. schlüssig und nachvollziehbar.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 2 Abs 1 lit. c FLAG 1967 besteht Anspruch für volljährige Kinder, die wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Volljährige Vollwaisen haben gemäß den Bestimmungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen und wenn sie wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und deren Unterhalt nicht zur Gänze aus Mitteln der Kinder- und Jugendhilfe oder nicht zur Gänze aus öffentlichen Mitteln zur Sicherung des Lebensunterhaltes und des Wohnbedarfes getragen wird, sofern die Vollwaise nicht einen eigenständigen Haushalt führt.

Nach § 6 Abs 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 bis 3). Erheblich behinderte Kinder im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. c, deren Eltern ihnen nicht überwiegend den Unterhalt leisten und die einen eigenständigen Haushalt führen, haben unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat (Abs 1 und 3).

§ 8 Abs 4 FLAG 1967 legt fest, in welchem Ausmaß sich die Familienbeihilfe bei einem erheblich behinderten Kind erhöht.

Gemäß § 8 Abs 5 FLAG 1967 gilt ein Kind als erheblich behindert, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 vH betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen.

Gemäß § 8 Abs 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundes-amtes für Soziales und Behindertenwesen (nunmehr: Sozialministeriumservice) auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt als erheblich behindert ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren (sechs Monaten ab ). Der Grad der Behinderung muss mindestens 50 v. H. betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind § 14 Abs. 3 des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, in der jeweils geltenden Fassung, und die Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung) vom , BGBl. II Nr. 261/2010, in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.

Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen.

Die Bf. war im Zeitpunkt der Antragstellung bereits 38 Jahre alt. In Betracht kam daher ausschließlich ein Eigenantrag iSd § 6 Abs. 5 iVm § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967. Ein solcher Eigenanspruch setzt voraus, dass der Antragsteller wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 25. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. In diesem Fall steht auch der Erhöhungsbetrag gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 zu. Besteht also keine vor den genannten Zeitpunkten eingetretene Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, stehen weder Grund- noch Erhöhungsbetrag zu (vgl. zB ). Besteht dagegen eine derartige Unterhaltsunfähigkeit, stehen sowohl Grund- als auch Erhöhungsbetrag zu (vgl. FLAG Kommentar, Csaszar/Lenneis/Wanke, § 8, Rz 21). (vgl. ; ; ).

Das FA und das Bundesfinanzgericht sind an die auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens ausgestellten Bescheinigungen des SMS gebunden und dürfen diese nur insoweit prüfen, ob sie vollständig, nachvollziehbar und schlüssig sind (vgl. ; ; Erkenntnisse VwGH jeweils vom , 2009/16/0307 und 2009/16/0310). Eine andere Form der Beweisführung ist nicht zugelassen (vgl. ua.).

Aus der Bescheinigung des SMS geht schlüssig und nachvollziehbar hervor, dass bei der Bf. keine Erwerbsunfähigkeit vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer Berufsausbildung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist.

Es stehen ihr daher weder der Grundbetrag noch der Erhöhungsbetrag zu.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Unzulässigkeit der Revision:

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Es lag keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor.

Wien, am

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