Bevor ein Einspruch als verspätet zurückgewiesen wird, ist Parteiengehör zu gewähren. Ist dies nicht erfolgt, obliegt dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruches ist damit nicht verbunden.
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Nicolaus Pomaroli MAS in der Finanzstrafsache gegen ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, wegen der Finanzvergehen der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a sowie der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 51 Abs. 1 lit. a des Finanzstrafgesetzes - FinStrG über dessen Beschwerde vom gemäß § 152 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes - FinStrG gegen den Bescheid des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom , Strafnummer/Geschäftszahl FV-001 465 406, (Zurückweisungsbescheid) zu Recht erkannt:
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 161 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes - FinStrG aufgehoben.
Eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Hinweis: Das Amt für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde wird nach Vornahme der erforderlichen ergänzenden Ermittlungenüber die Zulässigkeit des Einspruches des ***Bf1*** vom gegen die Strafverfügung des Amtes für Betrugsbekämpfung als Finanzstrafbehörde vom zu befinden haben.
Entscheidungsgründe
Mit Strafverfügung vom , Strafnummer/Geschäftszahl FV FV-001 465 406, wurde über den Beschwerdeführer wegen des Finanzvergehens der Finanzordnungswidrigkeit gemäß § 51 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz - FinStrG und des Finanzvergehens der Abgabenhinterziehung gemäß § 33 Abs. 2 lit. a leg. cit. in Anwendung des § 51 Abs. 2 FinStrG sowie des § 33 Abs. 5 FinStrG eine Geldstrafe in Höhe von 3.200,00 Euro verhängt. Gemäß § 20 FinStrG wurde für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine an deren Stelle tretende Ersatzfreiheitsstrafe mit sieben Tagen festgesetzt.
Am wurde der Beschwerdeführer von der Einleitung eines Finanzstrafverfahrens gegen ihn wegen der in dieser Mitteilung angeführten Verdachtsmomente verständigt. Die Verständigung wurde dem Beschwerdeführer am nachweislich zugestellt.
Die Strafverfügung gemäß § 143 FinStrG vom wurde durch Hinterlegung zugestellt, wobei der Beschwerdeführer das Dokument laut Zustellnachweis am übernommen hat. Die Dokumente wurden jeweils an jene Adresse zugestellt
Das Schreiben des nicht vertretenen Beschwerdeführers vom , eingebracht am , wurde im Bescheid der Finanzstrafbehörde vom als Einspruch gemäß § 145 FinStrG gegen die Strafverfügung vom gewertet, (jedoch) in weiterer Folge in Anwendung des § 156 Abs. 1 zweiter Fall leg. cit. als nicht fristgerecht eingebrachtes Rechtsmittel zurückgewiesen.
Gegen den Zurückweisungsbescheid vom hat der Beschwerdeführer am , somit fristgerecht, Beschwerde im Sinne des § 152 Abs. 1 FinStrG (und somit als gegen einen "sonstigen im Finanzstrafverfahren ergehenden" Bescheid gerichtet) eingelegt. Diese langte am beim Finanzamt Österreich ein und wurde am dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Die Finanzstrafbehörde hat das von ihr als Beschwerde gewertete Anbringen dem Bundesfinanzgericht vorgelegt, weshalb davon ausgegangen werden muss, dass sie selbst keinen Grund zu einer Zurückweisung oder etwa auch zur Erteilung eines Mängelbehebungsauftrages gefunden hat (§ 156 Abs. 3 erster Satz und Abs. 5 i. d. F. FinStrG-Nov 2014). Somit war das Vorliegen eines Grundes zur Zurückweisung oder für einen Auftrag zur Mängelbehebung durch das Bundesfinanzgericht eigenständig zu beurteilen und dieser Grund allen- und erforderlichenfalls selbst sinngemäß nach den § 156 Abs. 1 und 2 aufzugreifen (§ 156 Abs. 4 FinStrG; vgl. zur sog. behördlichen Vorprüfung Leitner/Brandl/Kert in Handbuch Finanzstrafrecht, 4. Aufl. 2017, 12.3.1. Vorprüfung durch die Finanzstrafbehörde (§ 156 Abs 1-3), Rz 3190; zur unterbliebenen Zurückweisung insb. ; ).
Der vom Beschwerdeführer so bezeichnete "Einspruch" vom , eingebracht am , erfüllt auch nach den Wertungen dieses Gerichtes zu den Fragen der Frist- und sodann auch der Formgerechtigkeit (näher zur Formgerechtigkeit Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 153, I. Kommentar zu § 153 Rz 9) alle Voraussetzungen, um als Rechtsmittel "der Sache" nach mit Erkenntnis erledigt zu werden. So ist eine innerhalb der Rechtsmittelfrist eingebrachte Eingabe, die erkennen lässt, dass sich die Partei durch eine Entscheidung der Finanzstrafbehörde beschwert fühlt und einen Rechtsanspruch auf Überprüfung des Bescheids geltend macht, als Rechtsmittel zu werten (VwSlg NF 1333 / A.), wobei zugleich die Bezeichnung des Anbringens vom als "Einspruch" nicht schadet.
Deshalb hat das Bundesfinanzgericht mit Vorhalt vom beim Beschwerdeführer angefragt, wann dieser seinen Schriftsatz, welcher jedenfalls am bei der Finanzstrafbehörde eingegangen ist, zur Post gegeben habe. Dieses Schreiben wurde am durch Hinterlegung zugestellt. Eine Antwort ist bis dato nicht eingegangen. Das Bundesfinanzgericht hat schließlich am ein Ersuchen um Amtshilfe gemäß § 158 FinStrG des Inhaltes an die Finanzstrafbehörde gerichtet, Bedeutung und Relevanz des Wortlautes "mit Post" auf dem Eingangsstempel des Finanzamtes Österreich, ***DS***, bzw. die Bedeutung der Datumsangaben sowie der allgemeinen Funktion des Aufdruckes mit dem Wortlaut "sonstiges Schriftstück - Strafsachen" zu klären. Dies vor dem Hintergrund der letztlich dem Gericht zur Beurteilung aufgegebenen Fragestellung, ob das Schriftstück vom Beschwerdeführer am persönlich im Amtsgebäude übergeben oder aber - entsprechend früher - zur Post gegeben wurde.
Dieses Amtshilfeersuchen wurde vom Amt für Betrugsbekämpfung, Bereich Finanzstrafsachen, im hier interessierenden Kern dahingehend beantwortet, dass der Stempel "mit Post" besage, dass der Brief beim Finanzamt Österreich mit der Post angekommen ist; laut Auskunft des Infocenters/Poststelle werde das Datum des Postaufgabestempels als Eingangsdatum gestempelt.
Mangels gegenteiliger Äußerung im Rahmen des Parteiengehörs geht das Bundesfinanzgericht ebenso wie ersichtlich die Finanzstrafbehörde davon aus, dass der beschwerdegegenständliche Einspruch, welcher am eingebracht worden ist, nicht spätestens am , sondern mit überwiegender Wahrscheinlichkeit am zur Post gegeben wurde. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass das Schreiben selbst ebenfalls mit datiert worden ist. Für die Frage der Rechtzeitigkeit des beschwerdegegenständlichen Einspruches ist aber das Datum der Postaufgabe und nicht das Einlangen des Einspruches bei der Finanzstrafbehörde ausschlaggebend (vgl. Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 [Rz 9]), weshalb im Ergebnis, wie die Finanzstrafbehörde zutreffend ausführt, das Schreiben als am so zu behandeln ist, als ob es am bei der Finanzstrafbehörde (auch) eingegangen wäre.
Rechtliche Würdigung:
Die Frage, ob ein Rechtsmittel rechtzeitig oder verspätet eingebracht wurde, ist nach ständiger Rechtsprechung eine Rechtsfrage, die die Behörde auf Grund der von ihr festgestellten Tatsachen zu entscheiden hat. Demgemäß hat die Behörde, bevor sie die Zurückweisung eines Rechtsmittels als verspätet ausspricht, zu prüfen, ob die Zustellung des mit Rechtsmittel angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß erfolgt ist. Sie hat daher dem Rechtsmittelwerber, der ein (- ausgehend von einer Zustellung am Tag der vorgenommenen Zustellung - objektiv) verspätetes Rechtsmittel einbringt, auch dann Parteiengehör zur Frage der Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels zu gewähren, wenn das "Rechtsmittel" - hier der Einspruch vom - keine Darlegungen zur Rechtzeitigkeit enthält.
Denn der Zustellnachweis ist zwar eine öffentliche Urkunde, die den Beweis dafür erbringt, dass die Zustellung vorschriftsgemäß erfolgt ist, doch ist der Gegenbeweis gemäß § 292 Abs. 2 ZPO zulässig (vgl. u. a. Erkenntnis vom , Zl. 86/08/0141), den die Behörde dem Rechtsmittelwerber, der ihrer Auffassung nach ein objektiv verspätetes Rechtsmittel einbringt, dessen Rechtzeitigkeit aber nicht von vornherein ausgeschlossen werden kann, durch Gewährung des Parteiengehörs ermöglichen muss (). Allerdings wird der Beschwerdeführer die Behauptung - hier - zumindest späterer Zustellung und dementsprechend rechtzeitiger Erhebung des Rechtsbehelfes auch entsprechend zu begründen haben. Es werden Beweise dafür anzuführen sein, die die vom Gesetz aufgestellte Vermutung zu widerlegen geeignet erscheinen lassen (; dem folgend auch ).
Will eine Behörde davon ausgehen, dass eine Sendung durch Hinterlegung zugestellt wurde, so trifft sie von Amts wegen die Pflicht festzustellen, ob auch tatsächlich durch Hinterlegung eine Zustellung bewirkt wurde oder ob nicht etwa der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte. Überdies hat die Behörde den Sachverhalt, auf den sie ihre Entscheidung stützt, vor der Entscheidung dem Steuerpflichtigen zur Kenntnis zu bringen (). Allerdings hat der VwGH selbst in Konstellationen, in denen eine mehrtägige urlaubsbedingte Abwesenheit nach seiner zumindest überwiegenden Rechtsprechung einem "regelmäßigen Aufenthalt" im Sinne des § 16 Abs. 1 bzw. § 17 Abs. 1 Zustellgesetz entgegenstand, die Heilungswirkung des § 17 Abs. 3 letzter Satz ZustG jedenfalls geprüft (Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, (2019) Rz 222).
Vorliegend hat die Finanzstrafbehörde den Einspruch gegen eine Strafverfügung als verspätet mit Bescheid zurückgewiesen, ohne vorher dem Empfänger die Feststellung der Verspätung zwecks Wahrung des Parteiengehörs vorgehalten zu haben. Damit geht sie allerdings davon aus, dass die Zustellung - ohne insofern weitere Überlegungen zur Wirksamkeit der Zustellung im Sinne einer Heilung nach § 17 Abs. 3 ZustG anstellen zu müssen - "erfolgreich" war und insbesondere das hinterlegte Dokument mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt gilt. Der Beschwerdeführer hat sodann allerdings in seiner Beschwerde vorgebracht, dass er erst nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt an die Abgabestelle "am letzten Tag der Abholungsfrist das Schreiben holen konnte".
Die Finanzstrafbehörde wird daher in einem ersten Schritt zu ermitteln haben, ob der Beschwerdeführer mit dieser Äußerung (zumindest implizit) auch behauptet hat, erst nach seiner Rückkehr von einem Auslandsaufenthalt an die Abgabestelle von dem Zustellvorgang Kenntnis erlangt zu haben.
Bejahendenfalls wird sie nach dieser auch auf Strafverfügungen anwendbaren Judikatur Nachforschungen auf Grund der von Partei gemachten Angaben anzustellen haben (vgl. ). Zu diesem Zweck wird jedoch der Empfänger, welcher eine verspätete Kenntnisnahme gemäß § 17 Abs. 3 ZustG behauptet, diese Behauptung im weiteren Verfahren hinreichend zu konkretisieren, zu belegen und somit die in der Beschwerde gemachten Angaben überprüfbar zu machen haben (vgl. u. a. ; Kolonovits, Muzak, Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht11, (2019) Rz 224 mwN).
Vor diesem Hintergrund wird die Finanzstrafbehörde die Zulässigkeit des Einspruches - insbesondere in Gestalt der Frage nach seiner Rechtzeitigkeit - nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen neu zu beurteilen haben, wonach entweder die in § 145 Abs. 2 oder aber die in § 145 Abs. 4 i. V. m. Abs. 5 FinStrG vorgesehenen Rechtsfolgen eintreten werden.
Da sich die Beschwerde nicht gegen ein Erkenntnis richtet (§ 160 Abs. 2 lit. d) FinStrG) und keine Partei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde beantragt hat, konnte von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (§ 160 Abs. 2 leg. cit.).
Überlegungen zur "Sache" dieses Verfahrens:
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in jenen Fällen, in denen die Behörde einen Antrag zurückgewiesen hat, "Sache" eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die (Prüfung der) Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Dem Verwaltungsgericht ist es demnach jedenfalls verwehrt, über diesen Rahmen hinaus in einer Entscheidung über die "Hauptsache" vorzugehen, weil dadurch der sachlichen Prüfung des gestellten Antrages und damit den Parteien eine Instanz genommen würde ( u. a. unter Hinweis auf das grundlegende Erk , 0003). Letztere höchstgerichtliche Entscheidung spricht in diesem Zusammenhang allerdings von einem Vorgehen "mit einer Entscheidung über den Gegenstand des Verfahrens". Dieser Begriff erscheint im vorliegenden Fall im Hinblick auf den Umstand angemessener, dass die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung (und damit auch die Entscheidung darüber) auf Grund der Beschwerde unmittelbar in eine Entscheidung über die Zulässigkeit des Einspruches übergehen würde.
Denn die "sachliche Prüfung" eines Einspruches erschöpft sich auf Grund dessen Charakter als Rechtsbehelf besonderer Art darin, dass im Falle eines zulässigen Einspruchs die Strafverfügung außer Kraft tritt (Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 Rz 1). Damit befindet sich das Strafverfahren, welches nach den Bestimmungen der §§ 115 bis 142 durchzuführen ist, im Untersuchungsverfahren (§ 145 Abs. 2 FinStrG).
Daraus ergibt sich, dass es in der genannten verfahrensrechtlichen Situation keine (materielle) Entscheidung in der "Hauptsache" geben kann. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens wäre mit anderen Worten die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Antrages, der von der Verwaltungsbehörde zurückgewiesen worden war (so die Diktion in ), sodass das Verwaltungsgericht "unter einem" über die Einleitung des ordentlichen Verfahrens durch die Verwaltungsbehörde befunden hätte. Befände das Gericht nunmehr - nach eigenständig durchgeführten Ermittlungen -, dass die Zurückweisung zu Unrecht erfolgte, würde sie automatisch die Verpflichtung der Finanzstrafbehörden auslösen, das ordentliche Finanzstrafverfahren durchzuführen. Indem die Finanzstrafbehörde somit das Verfahren auf Grund des zunächst unzulässigerweise zurückgewiesenen Einspruches zu führen hätte, würde dies im engen Sinne auch keine "ersatzlose" Behebung bedeuten. Denn die Wertung, dass der Einspruch unzulässigerweise zurückgewiesen worden war, wäre bereits durch das Gericht erfolgt (ähnlich ).
Wurden allerdings, wie hier, solche Ermittlungsschritte nicht gesetzt, welche die Entscheidung über die Zulässigkeit eines Einspruches erst ermöglichen sollen, war dieser Umstand als solcher bereits vom Verwaltungsgericht zu würdigen; liegt doch in ihrer Setzung zugleich die Wahrung verfahrensrechtlicher "Garantien" wie des Rechtes auf Gehör. Dieser Umstand lässt die Zurückweisung a priori, nämlich infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften, rechtswidrig erscheinen (so auch Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 156, I. Kommentar zu § 156 Rz 2 mit Judikaturhinweisen). Auf der anderen Seite ermöglicht es diese "a limine"- Beurteilung in einem ersten Schritt erst zu prüfen, ob die Zurückweisung rechtens erfolgte oder nicht.
Zwar hatte auch in einem solchen Fall das Verwaltungsgericht seine Entscheidung an der zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage auszurichten, zumal andernfalls die für einen solchen Fall angeordnete Bindung der Verwaltungsbehörde an die Begründung der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung konterkariert würde (vgl. ; diese Judikaturlinie hat der Verwaltungsgerichtshof u. a. im Erkenntnis , auch auf den Fall der ersatzlosen Behebung eines Bescheides durch das Bundesverwaltungsgericht bezogen; siehe auch ; vgl. § 28 Abs. 5 VwGVG für den Bereich des "allgemeinen" Verwaltungsverfahrens). Allerdings wird dadurch nach Ansicht des Gerichtes lediglich zum Ausdruck gebracht, dass in die Beurteilung miteinzubeziehende "Neuerungen" jeglicher Art nicht ausgeschlossen sein sollen, nicht aber auch, dass das Verwaltungsgericht von sich aus Schritte setzen könnte, welche über jene zur Prüfung der Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides im Zeitpunkt seiner Erlassung hinaus gewissermaßen "ex tunc" den Rechtsakt der Finanzstrafbehörde selbst "ergänzen" würden (vgl. hingegen zur Wiederaufnahme des Verfahrens , mwN; zuletzt auch ).
Da das Gericht eine "negative Sachentscheidung" - und zwar in Gestalt der Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit - in einer verfahrensrechtlichen Angelegenheit getroffen hat (vgl. in diesem Sinne auch Köck in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 161, I. Kommentar zu § 161 Rz 4), steht der rechtsrichtigen Durchführung verfahrens- und zustellrechtlicher Prüfschritte vor Erlassung eines allfälligen Zurückweisungsbescheides durch die Finanzstrafbehörde auch nicht etwa das Hindernis rechtskräftig entschiedener (Haupt-)Sache entgegen.
Ergänzungen zur Frage, ob die Heranziehung einer unrichtigen gesetzlichen Grundlage für die Zurückweisung durch Bescheid geschadet hätte, wäre der Zurückweisungsbescheid nicht ohnehin ersatzlos aufzuheben gewesen:
Aus gegebenem Anlass ist allerdings auch darauf hinzuweisen, dass eine bestimmte Form für den Einspruch nicht vorgeschrieben ist. Es sind daher die Vorschriften der § 150 ff FinStrG über Rechtsmittel auch nicht sinngemäß anzuwenden, da § 150 Abs. 1 FinStrG nur die Beschwerde, nicht auch den Einspruch als Rechtsmittel aufzählt. Ein bestimmter Wortlaut oder eine Begründung ist nicht notwendig. Es genügt vielmehr jede Erklärung des Beschuldigten, die zweifelsfrei erkennen lässt, dass er sich durch die Strafverfügung im Ausspruch über Schuld oder Strafe beschwert fühlt. Daher stellt auch die Bitte, die Strafe, wenn es irgendwie möglich ist, herabzusetzen, einen Einspruch dar (vgl. auch für das Verwaltungsverfahrensrecht Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003), Rz 941). Der Wortlaut muss aber so eindeutig gefasst sein, dass er unverwechselbar als Einspruch anzusprechen ist. Sucht der Beschuldigte um Nachsicht oder Erlass der Strafe an, kann darin kein Einspruch, sondern nur ein Gnadengesuch (§ 187 FinStrG) erblickt werden (Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 Rz 2; anders für das Verwaltungsverfahrensrecht Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003), Rz 941: die Autoren qualifizieren bspw. auch ein Ansuchen um Strafnachsicht als "Einspruch"; das Gericht folgt dieser Auffassung).
Der Einspruch ist ein Anbringen (siehe ebd., Kommentar zu § 56 Rz 42 ff), er ist daher grundsätzlich schriftlich einzubringen. Ein Einspruch braucht nur erkennen zu lassen, gegen welche Strafverfügung er sich richtet und dass ein Einspruch erhoben wird.
Vorliegend hat die Finanzstrafbehörde das Anbringen des Beschwerdeführers vom erkennbar und vollkommen zu Recht als Einspruch gegen die Strafverfügung vom gewertet, welche zu FV-001 465 406 ergangen war. Allerdings hat sie den Einspruch zu Unrecht als Rechtsmittel qualifiziert und unter Heranziehung des § 156 Abs. 1 FinStrG anstelle des § 145 Abs. 4 FinStrG - mit der in Absatz 5 der letztgenannten Bestimmung verbundenen Wirkung - als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Gemäß § 145 Abs. 5 FinStrG wird die Strafverfügung mit ungenutztem Ablauf der Einspruchsfrist, mit Abgabe eines Einspruchsverzichtes durch einen befugten Parteienvertreter oder in dessen Beisein, oder mit Ablauf der dreitägigen Bedenkzeit bei Abgabe eines Einspruchsverzichtes durch einen unvertretenen Bestraften rechtskräftig. Damit erlangt sie ohne jede weitere Erklärung oder Feststellung die gesetzliche Wirkung eines rechtskräftigen Erkenntnisses (§ 145 Abs. 5 FinStrG; Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 Rz 9).
Allein, dadurch, dass die Finanzstrafbehörde den Einspruch gegen die Strafverfügung auf der Grundlage des § 156 Abs. 1 FinStrG statt auf der Grundlage des § 145 Abs. 4 leg. cit. zurückgewiesen hat, hat der Beschwerdeführer aber nach Ansicht Gerichtes keinen Rechtsnachteil erlitten (vgl. BFG v , RV/7300050/2015). Zwar sind die Vorschriften der §§ 150 ff FinStrG über Rechtsmittel auf den Einspruch in Ermangelung dessen Rechtsmitteleigenschaft auch nicht sinngemäß anzuwenden (Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 Rz 2), jedoch handelt es sich bei den Bestimmungen der §§ 150-155 FinStrG um für Rechtsmittel gegebene Vorschriften über die Form (Hervorhebungen durch das Gericht), welche auf den Einspruch nicht anwendbar sind (Fellner, FinStrG § 143 - 146, Rz 8).
Allerdings gleichen einander die Rechtsfolgen der Zurückweisung eines Einspruches aus dem Grund seiner verspäteten Einbringung sowie jene einer Zurückweisung des Rechtsmittels einer Beschwerde gegen sonstige Bescheide aus dem Grund ihrer verspäteten Einbringung, welche Zurückweisung erst in § 156 Abs. 1 leg. cit. geregelt ist, unter dem Aspekt der Rechtsstaatlichkeit. Für den Fall des ungenutzten Ablaufes der Einspruchsfrist hat deren Verstreichen zur Folge, dass die Strafverfügung weiterhin, allerdings unter gesetzlicher Zuschreibung der Wirkung "eines rechtskräftigen Erkenntnisses" dem Rechtsbestand angehört (arg.: "(I)ist ein Einspruch nicht mehrzulässig" in § 145 Abs. 5 leg. cit. - Hervorhebung durch das Gericht).
Im Falle der verspäteten Einbringung eines Rechtsmittels (etwa gegen einen sonstigen im Finanzstrafverfahren ergehenden Bescheid) wäre hingegen das Rechtsmittel infolge Eintrittes der formellen Rechtskraft - und nicht etwa umgekehrt - als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen, zumal Unanfechtbarkeit als Rechtskraftwirkung bereits u. a. mit ungenutztem Ablauf der der Partei zur Verfügung stehenden Frist zur Einbringung des Rechtsmittels eintritt (Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8(2003), Rz 455; für das Finanzstrafverfahren Leitner/Brandl/Kert in Handbuch Finanzstrafrecht, 4. Aufl. 2017, 12.2.2. Beginn und Lauf der Rechtsmittelfrist (Beschwerdefrist; § 150 Abs 2), Rz 3132).
In beiden Fällen tritt Unanfechtbarkeit des Bescheides, also "formelle Rechtskraft" ein, wobei es im ersten Fall - wenn also trotz Eintrittes der im § 145 Abs. 5 FinStrG umschriebenen Wirkung gegen die Strafverfügung ein unzulässiger oder verspäteter Einspruch eingebracht wird - es den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verfahrens entspricht, dass dieser förmlich zurückgewiesen werden muss (§ 145 Abs. 4 FinStrG; Kalcher in Köck/Kalcher/Judmaier/Schmitt, Finanzstrafgesetz, Band 2, 5. Aufl. (2021), § 145, I. Kommentar zu § 145 Rz 10).
Wie oben dargestellt, unterscheiden sich die Rechtsfolgen einer Behebung des Zurückweisungsbescheides hinsichtlich eines Einspruches beträchtlich von jenen der Behebung eines Zurückweisungsbescheides hinsichtlich einer Beschwerde; dem entspricht auf Ebene der Verwaltung, dass die Wertung des Rechtsbehelfes bzw. die Wertung des Rechtsmittels jeweils als rechtzeitig gänzlich unterschiedliche Rechtsfolgen zeitigen, sprich Möglichkeiten eröffnen. Dies gilt allerdings nicht für die Zurückweisung eines nicht mehr zulässigen Einspruchs gegenüber der Zurückweisung einer nicht fristgerecht eingebrachten Beschwerde durch die Finanzstrafbehörde.
Zur Unzulässigkeit der Revision
Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG eine Revision nicht zulässig, da das Erkenntnis nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Gegenständlich beschränken sich die für eine Entscheidung zu lösenden Rechtsfragen auf solche des finanzstrafrechtlichen Verfahrensrechtes, welche jeweils direkt aus dem Wortlaut der eindeutig anzuwendenden Gesetzesbestimmungen heraus anhand der einschlägigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gelöst werden konnten.
Innsbruck, am
Zusatzinformationen
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Materie | Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen | § 156 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 17 Abs. 3 ZustG, Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 § 152 Abs. 1 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 § 145 FinStrG, Finanzstrafgesetz, BGBl. Nr. 129/1958 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.3300011.2022 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at