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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 31.10.2023, RV/7103386/2023

Keine Aussetzung der Einhebung für Verfahren vor dem VwGH

Beachte

Revision beim VwGH anhängig zur Zahl Ra 2023/13/0181.

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter ***R.*** in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom gegen

- den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung

- den Bescheid des Finanzamtes Österreich vom betreffend Festsetzung von Aussetzungszinsen, sowie

- die Buchungsmitteilung 1/2023 und 2/2023, alle Steuernummer ***BF1StNr1***,

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde gegen den Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerdevorentscheidung vom wird, insoweit diese über eine vermeintliche Beschwerde vom gegen den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom abspricht, aufgehoben.

3. den weiteren Beschluss gefasst:

Die Beschwerde gegen den Inhalt der Buchungsmitteilung 1/2023 und 2/2023 wird gemäß § 260 Abs. 1 lit. a der Bundesabgabenordnung (BAO) als unzulässig zurückgewiesen.

4. Gegen dieses Erkenntnis bzw. diese Beschlüsse ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Mit Bescheid vom verfügte das Finanzamt den Ablauf der Einhebung betreffend folgender Abgabenschuldigkeiten:

Anspruchszinsen 2009 (€ 125,57), 2010 (€ 129,23), 2011 (€ 308,91), 2012 (€ 115,56), 2013 (€ 100,28), erster Säumniszuschlag 2013 (€ 50,21), Aussetzungszinsen 2016 (177,07), Pfändungsgebühr und Barauslagenersatz 2016 (€ 263,29 und € 4,46) und 4 weitere erste Säumniszuschläge 2016 (€ 102,06, € 59,26, € 100,18 und € 50,36).

Mit einem weiteren Bescheid vom setzte das Finanzamt Aussetzungszinsen in Höhe von € 171,08 fest.

Mit Eingabe vom brachte die nunmehrige Beschwerdeführerin (in der Folge kurz Bf. genannt) gegen die genannten Bescheide sowie gegen die Buchungsmitteilung 1/2023 und 2/2023 Beschwerden ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass gegen die Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes vom , GZ. RV/7102212/2017 vom eine außerordentliche Revision beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden sei.

Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt "die Beschwerde vom von (..) über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom , Festsetzung von Aussetzungszinsen vom , Buchungsmitteilung 1 und 2" als unbegründet ab.

Zur Begründung wurde ausgeführt:

"Der Ablauf der Aussetzung der Einhebung ist auf Grund der Beschwerdeerledigung (Abweisung) vom gerechtfertigt.

Buchungsmitteilungen sind Serviceleistungen des Finanzamtes, ein Rechtsmittel ist unzulässig.

Lt. § 212 (9) BAO: Ab dem Zeitpunkt des Einlangens eines Antrages auf Aussetzung der Einhebung sind

1. bis zu dessen Ab- oder Zurückweisung oder
2. bei Bewilligung für die Dauer des Zahlungsaufschubes

Aussetzungszinsen in Höhe von 2 % über dem jeweils geltenden Basiszinssatz pro Jahr zu entrichten.

Daher ist die Festsetzung der Aussetzungszinsen zu Recht.

Auf die BFG-Entscheidung vom wird verwiesen.

Eine weitere Aussetzung der Einhebung ist unzulässig.

§ 30 (1) VwGG: Die Revision hat keine aufschiebende Wirkung. Dasselbe gilt für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Revisionsfrist."

Dagegen brachte die Bf. am einen Vorlageantrag zur Beschwerdevorentscheidung "Bescheid über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung vom , Festsetzung von Aussetzungszinsen vom , Buchungsmitteilung 1 und 2" ein und begehrte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Die bisherige Begründung zur Beschwerde wurde nicht ergänzt.

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Ablauf der Aussetzung der Einhebung

§ 212a BAO lautet:

(1) Die Einhebung einer Abgabe, deren Höhe unmittelbar oder mittelbar von der Erledigung einer Bescheidbeschwerde abhängt, ist auf Antrag des Abgabepflichtigen von der Abgabenbehörde insoweit auszusetzen, als eine Nachforderung unmittelbar oder mittelbar auf einen Bescheid, der von einem Anbringen abweicht, oder auf einen Bescheid, dem kein Anbringen zugrunde liegt, zurückzuführen ist, höchstens jedoch im Ausmaß der sich bei einer dem Begehren des Abgabepflichtigen Rechnung tragenden Beschwerdeerledigung ergebenden Herabsetzung der Abgabenschuld. Dies gilt sinngemäß, wenn mit einer Bescheidbeschwerde die Inanspruchnahme für eine Abgabe angefochten wird.

(2) Die Aussetzung der Einhebung ist nicht zu bewilligen,

a) soweit die Beschwerde nach Lage des Falles wenig erfolgversprechend erscheint, oder
b) soweit mit der Bescheidbeschwerde ein Bescheid in Punkten angefochten wird, in denen er nicht von einem Anbringen des Abgabepflichtigen abweicht, oder
c) wenn das Verhalten des Abgabepflichtigen auf eine Gefährdung der Einbringlichkeit der Abgabe gerichtet ist.

(3) Anträge auf Aussetzung der Einhebung können bis zur Entscheidung über die Bescheidbeschwerde (Abs. 1) gestellt werden. Sie haben die Darstellung der Ermittlung des gemäß Abs. 1 für die Aussetzung in Betracht kommenden Abgabenbetrages zu enthalten. Weicht der vom Abgabepflichtigen ermittelte Abgabenbetrag von dem sich aus Abs. 1 ergebenden nicht wesentlich ab, so steht dies der Bewilligung der Aussetzung im beantragten Ausmaß nicht entgegen.

(4) Die für Anträge auf Aussetzung der Einhebung geltenden Vorschriften sind auf Bescheidbeschwerden gegen die Abweisung derartiger Anträge und auf solche Beschwerden betreffende Vorlageanträge (§ 264) sinngemäß anzuwenden.

(5) Die Wirkung einer Aussetzung der Einhebung besteht in einem Zahlungsaufschub. Dieser endet mit Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf (§ 294). Der Ablauf der Aussetzung ist anlässlich einer (eines) über die Beschwerde (Abs. 1) ergehenden

a) Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder
b) Erkenntnisses (§ 279) oder
c) anderen das Beschwerdeverfahren abschließenden Erledigung

zu verfügen. Die Verfügung des Ablaufes anlässlich des Ergehens einer Beschwerdevorentscheidung schließt eine neuerliche Antragstellung im Fall der Einbringung eines Vorlageantrages nicht aus. Wurden dem Abgabepflichtigen für einen Abgabenbetrag sowohl Zahlungserleichterungen (§ 212) als auch eine Aussetzung der Einhebung bewilligt, so tritt bis zum Ablauf der Aussetzung oder ihrem Widerruf der Zahlungsaufschub auf Grund der Aussetzung ein.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Ablauf der Aussetzung gemäß § 212a Abs. 5 BAO von der Abgabenbehörde erster Instanz anlässlich einer der in § 212a Abs. 5 genannten Erledigungen der Beschwerde gegen die Festsetzung der Abgabe zu verfügen (vgl. und die dort angeführte weiteren Erkenntnisse vom , 96/15/0173 und vom , 2000/17/0266).

Mit Erkenntnis vom , GZ.RV/7102212/2017 wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden vom gegen die Bescheide des ehemaligen Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 14. und betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 2009-2014 als unbegründet ab.

Die belangte Behörde ist daher im Recht, wenn sie davon ausgegangen ist, dass gemäß § 212a Abs. 5 dritter Satz BAO kein Ermessen der Behörde erster Instanz besteht, ob sie den Ablauf der Aussetzung verfügt oder nicht. Der Bescheid vom über den Ablauf der Aussetzung der Einhebung entspricht somit dem Gesetz.

Weiters gibt es keine gesetzliche Grundlage, die Wirkungen der Aussetzung der Einhebung gemäß § 212a BAO über den Zeitpunkt der abschließenden Erledigung des Beschwerdeverfahrens hinaus (etwa im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer gegen die Abweisung seiner Beschwerde gegen die Festsetzung der Abgabe eingebrachte Revision an den Verwaltungsgerichtshof) auszudehnen (vgl. wieder und ).

Dass eine Aussetzung der Einhebung für solche Verfahren aber nicht in Betracht kommt, führt noch zu keinem Rechtsschutzdefizit, hat doch eine solche Anfechtung auf die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung keinen Einfluss; die Voraussetzungen der Erwirkung eines Vollzugsaufschubes auf Grund einer an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechte gerichteten Beschwerde bzw. Revision richten sich ausschließlich nach den Gesetzen, die das Verfahren vor diesen Gerichtshöfen regeln, die einen Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als Äquivalent zur Aussetzung der Einhebung im Bereich der BAO vorsehen (§ 85 Abs. 2 VfGG und § 30 Abs. 2 VwGG; ; ; , Ro 2015/03/0028).

2. Aussetzungszinsen

Die Bf. hat am gegen den Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom Beschwerde erhoben.

Mit Vorlagebericht vom wurde dem BFG die Beschwerde vom über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vorgelegt.

Die Beschwerdevorentscheidung vom spricht jedoch u.a. über eine (angebliche) Beschwerde vom gegen einen Bescheid über die Festsetzung von Aussetzungszinsen vom ab, obwohl im Vorlageantrag ausgeführt wird, dass über die Bescheide vom betreffend Ablauf der Aussetzung der Einhebung ( ) und Festsetzung von Aussetzungszinsen keine Beschwerde eingebracht wurde.

Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiefür nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs. 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt (, ).

Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde gegen den Bescheid vom vorlag, bewirkt eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes ().

Der Vorlageantrag vom war aber grundsätzlich zulässig, da zwar eine rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt (vgl. , , RV/7103328/2016).

Die Beschwerdevorentscheidung vom war daher, soweit diese über den Aussetzungszinsenbescheid vom abspricht, aufzuheben.

Zur Beschwerde vom gegen den Bescheid vom ist noch keine Beschwerdevorentscheidung ergangen. Diese ist vom Finanzamt noch zu erlassen. Auf die Verständigung gemäß § 281a BAO vom heutigen Tag wird verwiesen.

3. Buchungsmitteilung

§ 260 BAO idF. BGBl.I Nr. 14/2013 lautet:

"(1) Die Bescheidbeschwerde ist mit Beschwerdevorentscheidung (§ 262) oder mit Beschluss (§ 278) zurückzuweisen, wenn sie
a) nicht zulässig ist oder
b) nicht fristgerecht eingebracht wurde.

(2) Eine Bescheidbeschwerde darf nicht deshalb als unzulässig zurückgewiesen werden, weil sie vor Beginn der Beschwerdefrist eingebracht wurde.

Nicht zulässig ist eine Beschwerde, wenn sie sich gegen eine Erledigung ohne Bescheidqualität richtet (vgl. ). Eine Buchungsmitteilung hat keine Bescheidqualität (vgl. ). Die gegenständliche Beschwerde, die sich gegen eine Buchungsmitteilung richtet, ist somit als unzulässig zurückzuweisen.

Zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung

Abschließend darf zum Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung festgehalten werden, dass das Unterbleiben einer (gemäß § 274 Abs. 1 Z 1 BAO beantragten) mündlichen Verhandlung zwar eine Verletzung von Verfahrensvorschriften darstellen mag, dieser Verfahrensfehler ist jedoch - außerhalb des von Art. 51 GRC erfassten Bereichs des Unionrechts - kein absoluter (; ).

Art. 6 Abs. 1 EMRK garantiert das Recht auf ein faires Verfahren als Grundrecht. Nach der Rechtsprechung des EGMR (vgl. die Entscheidung vom , Fall SPEIL v. Austria, Appl. 42057/98) kann das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zwar dann ausnahmsweise als mit der EMRK vereinbar angesehen werden, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen (vgl. hiezu etwa ). Solche besonderen Umstände nimmt der EGMR an, wenn das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machen könnte (vgl. ). Es ist vor dem Hintergrund des Art. 6 Abs. 1 EMRK maßgeblich, welcher Natur die Fragen sind, die für die Beurteilung der gegen den angefochtenen Bescheid relevierten Bedenken zu beantworten sind. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß Art. 6 Abs. 1 EMRK kann dabei im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten im Verwaltungsverfahren regelmäßig unterbleiben, wenn das Vorbringen erkennen lässt, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lässt (vgl. ua). Nach der Rechtsprechung des EGMR und - ihm folgend - des VfGH kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg 18.994/2010, VfSlg 19.632/2012, ). Das Gericht kann unter Berücksichtigung der Anforderungen an Verfahrensökonomie und Effektivität von einer mündlichen Verhandlung absehen, wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (EGMR , Fall Döry, Appl. 28.394/95, Z37 ff.; EGMR , Fall Miller, Appl. 55.853/00, Z29; ).

Da es im gegenständlichen Fall ausschließlich um die Lösung von Rechtsfragen ging und kein Sachverhaltselement strittig war, konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da kein ergänzendes Vorbringen vorstellbar ist, das zu einem anderen Ergebnis in der Sache geführt hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis bzw. einen Beschluss des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall wurde in keiner Rechtsfrage entschieden, der grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Artikel 133 Abs. 4 B-VG zukommt, sodass eine Revision unzulässig ist.

Wien, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
§ 212a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 212a Abs. 5 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Verweise
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.7103386.2023

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at