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Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 03.11.2023, RV/7103114/2018

Alleinerzieherabsetzbetrag- keine Lebens- /Wohngemeinschaft

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Diana Sammer in der Beschwerdesache Verlassenschaft nach Mag. ***Bf1***, vertreten durch ***4***, ***11***

1. über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2017

2. über die Beschwerden vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 2/20/21/22 (nunmehr Finanzamt Österreich) vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2010 bis 2014 und vom betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015 und 2016,

Steuernummer ***BF1StNr1***,

zu Recht erkannt:

I. Den Beschwerden wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgaben sind dem Ende der Entscheidungsgründe den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang

Einkommensteuerbescheide:

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2010 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Mag. ***Bf1*** (in der Folge kurz: Bf.) eine Abgabengutschrift in Höhe von € 2.002,09.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2011 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 1.095,00.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2012 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 722,00.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2013 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 540,00.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2014 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 600,00.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2015 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 218,00.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2016 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Abgabengutschrift in Höhe von € 185,00.

Den Einkommensteuerbescheiden 2010 bis 2016 lag eine durch die Bf. für die einzelnen Jahre durchgeführte Arbeitnehmerveranlagung zugrunde, in denen u.a. der Alleinerzieherabsetzbetrag jeweils von ihr beantragt wurde.

In der Arbeitnehmerveranlagung 2017 erfolgte keine Beantragung eines Alleinerzieherabsetzbetrages, dieser wurde jedoch vom Dienstgeber in der Lohnverrechnung berücksichtigt.

Der Einkommenssteuerbescheid der belangten Behörde vom für das Jahr 2017 ergab für die Arbeitnehmerveranlagung der Bf. eine Nachforderung in Höhe von € 424,00.

Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2016

Mit Bescheiden der belangten Behörde jeweils vom hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2010 bis 2014 bzw. hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 2015 und 2016 wurde das Verfahren gem. § 303 (1) BAO wiederaufgenommen. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass anlässlich einer nachträglichen Prüfung der Erklärungsangaben der Bf. die in der Begründung zum beiliegenden Einkommensteuerbescheid angeführten Tatsachen und/oder Beweismittel neu hervorgekommen seien, eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machen würden.

Neu ergangene Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2016

In den nach Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer 2010 bis 2016 neu ergangenen Sachbescheiden wurde der nach § 33 Abs. 4 Z 1 EStG 1988 geltend gemachte und in den Vorbescheiden berücksichtigte Alleinerzieherabsetzbetrag bei der Bf. nicht anerkannt, da sie - wie die belangte Behörde begründend ausführte - im Veranlagungsjahr mehr als sechs Monate in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-)Partner gelebt habe.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2010 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € -1.370,70 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 631,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2011 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € -586,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 509,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2012 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € - 80,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 642,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2013 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € 131,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 671,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2014 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € 131,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 731,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2015 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € 333,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 551,00.

Die Einkommensteuer für das Jahr 2016 wurde durch den Bescheid der belangten Behörde vom mit einem Betrag von € 197,00 festgesetzt und ergab sich daraus abzüglich der bisher festgesetzten Einkommensteuer eine Abgabennachforderung in Höhe von € 382,00.

Beschwerden

Mit Anbringen vom erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 und begründete dies damit, dass in ihrem Fall eine Pflichtveranlagung gem. § 41 Abs.1 EStG nicht vorliege, sodass es sich um eine Antragsveranlagung gem. § 41 Abs. 2 handle. Die Bf. beantragte die ersatzlose Aufhebung des Einkommensteuerbescheides 2017 sowie die Aussetzung der Einhebung des strittigen Betrages.

Mit Anbringen jeweils vom erhob die Bf. fristgerecht Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2016 und begründete dies damit, dass bei der Berechnung der Arbeitnehmerveranlagung der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt worden sei. Zudem beantragte sie die Aussetzung der Einhebung des jeweils strittigen Betrages.

Als Beilage übermittelte die Bf. ein Schreiben des ***1*** vom betreffend Bestätigung über die Meldung des Hauptwohnsitzes (inkl. einer Kopie des Reisepasses, Meldezettels sowie der E-Card), mit nachfolgendem Inhalt:

"Ich, ***1*** (geb. ***2***) bestätige hiermit, dass ich seit 2005 ständig und alleine im eigenen Einpersonenhaushalt in der ***3***, 1120 Wien wohne (siehe Kopie des beigelegten Meldezettels). Meine Tochter, ***4***, geb. am ***5***, (Mutter: ***Bf1***) unterstütze ich im Rahmen meiner Unterhaltspflicht auf die wir uns außergerichtlich geeinigt haben. Seit ihrem 18. Lebensjahr werden die Alimente direkt an meine Tochter überwiesen. Die finanzielle Höhe der letzten Zahlungen beträgt € 380,- pro Monat. ***4*** betreibt aktuell ein Lehramtsstudium."

Beschwerdevorentscheidungen

Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom wurde die Beschwerde der Bf. gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 als unbegründet abgewiesen und der Bescheid gem. § 263 Abs. 1 BAO insofern abgeändert als die Einkommensteuer mit € 203,00 (anstatt bisher € 424,00) festgesetzt wurde, woraus sich eine Abgabengutschrift in Höhe von € 221,00 ergab. Begründend wurde dazu ausgeführt:

"Die vom Arbeitgeber einbehaltenen Beträge für die freiwillige Mitgliedschaft bei Berufsverbanden und Interessenvertretungen (z.B. Gewerkschaftsbeitrage) wurden bereits bei der laufenden Lohnverrechnung berücksichtigt (§ 62 Z.3 EStG 1988). Ein nochmaliger Abzug im Rahmen des Veranlagungsverfahrens ist daher nicht möglich.

Gem. § 41 Abs. 1 Z 5 EStG 1988 liegt ein Pflichtveranlagungstatbestand vor, wenn bei der laufenden Lohnverrechnung beim Arbeitgeber der Alleinverdiener- Oder Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt worden ist und die erforderlichen Voraussetzungen nicht erfüllt werden. Da dies in Ihrem Fall zutrifft, kann der Antrag nicht zurückgezogen werden.

Die Aufwendungen für außergewöhnliche Belastungen, von denen ein Selbstbehalt abzuziehen ist, konnten nicht berücksichtigt werden, da sie den Selbstbehalt in Höhe von 2.742,72 € nicht übersteigen."

Mit Beschwerdevorentscheidungen der belangten Behörde vom (zur Einkommensteuer 2010 bis 2014) bzw. (zur Einkommensteuer 2015 und 2016) wurden die Beschwerden der Bf. gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2016 jeweils als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde dazu ausgeführt:

"Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht nicht zu, da Herr ***1*** seit 2003 an der Adresse ***6*** aufrecht gemeldet ist und unter dieser Adresse auch bei seinem Dienstgeber geführt wird. Gegengleich lautet auch Ihre amtliche Meldung als Nebenwohnsitz ***3*** (Nebenwohnsitz seit 1996) und bei Ihrem Dienstgeber im Lohnbüro. Die dem Rechtsmittel beiliegende Bestätigung kann daher nur als Gefälligkeitsbestätigung gewertet werden. Ihre Beschwerde war daher abzuweisen."

Vorlageantrag

Die Bf. brachte am einen Vorlageantrag betreffend die Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom zur Einkommensteuer 2017 ein und begründete diese damit, dass der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht berücksichtigt worden sei. Sie legte das Schreiben des ***1*** vom betreffend Bestätigung über die Meldung des Hauptwohnsitzes (inkl. Kopie des Reisepasses, Meldezettels sowie der E-Card) bei.

Mit Vorlageantrag vom stellte die Bf. den Antrag auf Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht betreffend des Alleinerzieherabsetzbetrages (Einkommensteuer 2010 bis 2016) und führte begründend aus:

"Die Begründung ist unrichtig. Es liegt keine Gefälligkeitsbestätigung durch Herrn ***1*** vor. Die Richtigkeit meiner Angaben über unsere Trennung und seinen Auszug werden weiter von Zeugen bestätigt. Ich erkläre eidesstattlich, dass mir die Falschmeldung ***1*** in meiner Wohnung nicht bewusst war. Darüberhinaus ist anzumerken, dass Herr ***1*** in den Jahren 2010- 2016 in einer partnerschaftlichen Beziehung mit Frau Mag. ***7*** lebte. Seit unserer Trennung erfolgen außerdem regelmäßige Unterhaltszahlungen von ihm an unsere Tochter. Folgende Bestätigungen und Erklärungen liegen bei:

  1. Eine Liste mit Unterschriften von Nachbarn und Bekannten, die bezeugen können, dass ***1*** 2005 aus meiner Wohnung ausgezogen ist

  2. Die Erklärung zur Falschmeldung bzw. doppelten Meldeadresse des Herm ***1***

  3. Die Bestätigung seiner Wohnsituation durch seine beiden Kinder (***4***, ***8***)

  4. Die Bestätigung der oben genannten partnerschaftlichen Beziehung durch ***7***

  5. Die geänderten Meldedaten des Herrn ***1*** (Abmeldung des Nebenwohnsitzs)

  6. meine geänderten Meldedaten (Abmeldung des Nebenwohnsitzs)"

Vorlagebericht

Mit Vorlagebericht vom - eine Kopie davon erging an die Bf. - legte die belangte Behörde die Beschwerden zur Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht vor. Sie führte aus:

"Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin legte gegen ihren Einkommensteuerbescheid 2017 Beschwerde ein, da eine Nachzahlung von € 424,-- festgesetzt wurde. Sie war der Meinung es handle sich nicht um eine Pflichtveranlagung, zog ihren Antrag auf Veranlagung zurück und verlangte die ersatzlose Aufhebung des Bescheides.

Mit Beschwerdevorentscheidung wurde ihr mitgeteilt, dass es nicht möglich sei den Antrag zurückzuziehen, da in ihrer laufenden Lohnverrechnung der Alleinerzieherabsetzbetrag berücksichtigt wurde. Anlässlich einer nachträglichen Prüfung Ihrer Erklärungsangaben für die Jahre 2010 bis 2017 sind neue Tatsachen hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 303 Abs. 1 BAO erforderlich machten. Der Alleinerzieherabsetzbetrag hätte für die Jahre 2010 bis 2017 gar nicht berücksichtigt werden können, da die Beschwerdeführerin laut ZMR und Dienstgebermeldung bei ihrem Partner mit Nebenwohnsitz gemeldet war und somit in einer Wohngemeinschaft gelebt hat. Mit der Beschwerde gegen die Einkommensteuerbescheide 2010 bis 2017 und der jeweiligen Vorlageanträge legte die Beschwerdeführerin mehrere Bestätigungen bei, die bezeugen sollen, dass sie seit inzwischen 13 Jahren von ihrem damaligen Partner getrennt lebt.

Stellungnahme:

Alleinerziehende sind Steuerpflichtige mit mindestens einem Kind, die nicht mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Gemeinschaft mit einem Partner leben und die für ihr Kind mehr als sechs Monate im Kalenderjahr den Kinderabsetzbetrag erhalten. Im vorliegenden Fall stellt sich die Frage, ob die Beschwerdeführerin mit ihrem früheren Partner und Vater ihrer Tochter in einer Wohngemeinschaft lebte.

Sowohl die Daten des Zentralen Melderegisters vom als auch die Dienstgebermeldungen zeigen, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Partner in einer Wohngemeinschaft lebte. Es ist für das Finanzamt nicht ersichtlich, warum nach 13 Jahren noch keine Wohnsitzummeldung erfolgt sein soll. Abgesehen von der Tatsache, dass beinahe alle Arbeitsverträge eine unverzügliche Bekanntgabe der geänderten Personaldaten verlangen, widerspricht es der allgemeinen Lebenserfahrung dass nach über einem Jahrzehnt niemanden auffällt, dass mögliche Post oder Briefsendungen, besonders amtliche Schreiben, nicht an der aktuellen Wohnadresse einlangen sondern an einer früheren.

Weiters ist unklar, ob die beigelegte Bestätigungen der Wahrheit entsprechen oder nicht doch eher Gefälligkeitsbestätigungen sind. Auch aus der Bestätigung der angeblichen Nachbarn lässt sich nicht ein zweifellos klarer Sachverhalt ableiten, da sich nicht zweifelsfrei feststellen lässt, ob die genannten Namen tatsächlich Nachbarn waren oder sind. Selbst falls dies zutreffen mag, ist es fraglich, ob sie tatsächliche Kenntnisse über die genaue Lebensführung der Beschwerdeführerin haben, da sich einige der angegebenen Wohnadressen weit voneinander entfernt befinden, was darauf schließen lässt, dass es sich bei zumindest Einigen höchstens um ehemalige Nachbarn handeln kann. Letztendlich kommt das Finanzamt zum Schluss, dass die beigelegten Bestätigungen nicht in der Lage sind, Tatsachen wirklich zweifelsfrei nachweisen und die Daten des ZMR und der Dienstgebermeldung zu entkräften.

Dementsprechend wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen."

II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin hatte ab ihren Hauptwohnsitz an der Adresse ***6***, 1220 Wien.

An dieser Adresse lebte auch ***4***, die Tochter der Beschwerdeführerin (Geburtsdatum ***5***). Die Beschwerdeführerin bezog für ***4*** Familienbeihilfe.

Am meldete die Beschwerdeführerin einen Nebenwohnsitz an der Adresse ***3***/20, 1120 Wien an.

Bei dieser Adresse handelt es sich um den Hauptwohnsitz (ab ) des ***1***.

Umgekehrt meldete dieser am einen Nebenwohnsitz an der Adresse ***6***, 1220 Wien, dem Hauptwohnsitz der Beschwerdeführerin, an.

Die Abmeldungen der Nebenwohnsitze erfolgte bei der Bf. am und bei Herrn ***1*** am .

Bei Herrn ***1*** handelt es sich um den ehemaligen Lebensgefährten der Bf. sowie um den Vater von Frau ***4***. Er zog aus der Wohnung der Bf. im Jahr 2005 aus.

In den Jahren 2008 bis 2016 lebte er in einer partnerschaftlichen Beziehung mit Frau ***7*** und wohnte in dieser Zeit mit ihr an deren Adresse.

Auf den Lohnzetteln der Bf. der Jahre 2015-2017 ist als Adresse ***6***, 1220 Wien angeführt.

Auf den Lohnzettel des ***1*** der Jahre 2015-2017 ist als Adresse ***3***/20, 1120 Wien angeführt.

Der in den Beschwerden von der Bf. gestellte Antrag auf Aussetzung der Einhebung wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom (für das Jahr 2017) als unbegründet abgewiesen. Dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben.

Durch die Bf. wurde am ein Ansuchen um Zahlungserleichterungen gestellt, welches mit Bescheid vom bewilligt wurde. Die von der belangten Behörde mittels Einkommensteuerbescheiden 2010 bis 2017 festgesetzten Nachforderungen wurden von der Bf. im Zuge von Ratenzahlungen vollständig entrichtet.

Im verfahrensgegenständlichen Zeitraum lag zwischen der Bf. und Herrn ***1*** keine Wohngemeinschaft vor.

Die Bf. verstarb am tt.7.2023.

Durch den Notar ***12*** wurde dem Bundesfinanzgericht die Amtsbestätigung vom (***9***, Bezirksgericht ***10***) übermittelt, durch welche bestätigt wird, dass die erbliche Tochter ***4*** zur Vertretung der Verlassenschaft berechtigt ist.

2. Beweiswürdigung

Das Bundesfinanzgericht hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in die von der belangten Behörde elektronisch vorgelegten Aktenteile. Zudem wurde durch das Einsicht genommen in den Steuerakt der Bf., insbesondere die Arbeitnehmerveranlagungen sowie die Lohnzettel.

Die Feststellungen hinsichtlich der Begründung der Haupt- und Nebenwohnsitze der Bf. sowie des ***1*** und der ***4*** ergeben sich aus den seitens der belangten Behörde vorgelegten Auszügen bzw. den durch das BFG durchgeführten Abfragen des Zentralen Melderegisters.

Aus den Lohnzetteln sowohl der Bf. als auch des ***1*** ergibt sich, dass die dort jeweils angeführten Adressen jene des jeweiligen Hauptwohnsitzes sind.

Die belangte Behörde stützte sich bei ihrer Entscheidung hinsichtlich des Bestehens einer Wohngemeinschaft der Bf. mit Herrn ***1*** in den Jahren 2010-2017 auf die ZMR-Abfragen sowie die Dienstgebermeldungen. Die belangte Behörde sah darin offensichtlich Indizien für das Bestehen einer Wohngemeinschaft.

Tatsächlich kommt der Meldung des jeweiligen Nebenwohnsitzes am Hauptwohnsitz des ehemaligen Lebenspartners eine gewisse Indizwirkung für das Bestehen einer Lebensgemeinschaft zu. Allerdings ist diese Indizwirkung bereits von vornherein deutlich geringer als bei der Meldung an einem einzigen gemeinsamen Wohnsitz.

Zudem ist für das gegenständliche Beschwerdeverfahren nicht von zentraler Bedeutung, ob oder aus welchem Grund Nebenwohnsitzmeldungen auch nach der Trennung noch aufrecht waren, da einzig das Bestehen der Voraussetzungen einer Lebensgemeinschaft zu prüfen ist.

Den Beschwerden legte die Bf. eine Bestätigung des ***1***, wonach dieser seit dem Jahr 2005 ständig und alleine im eigenen Einpersonenhaushalt an der Adresse ***3***, 1120 Wien lebe.

Im Vorlageantrag bestritt die Beschwerdeführerin, dass eine Gefälligkeitsbestätigung durch ***1*** vorliege und gab an, dass ihr die Falschmeldung des ***1*** in ihrer Wohnung nicht bewusst gewesen sei.

Zur Bestätigung, dass ihre Angaben zur Trennung sowie zum Auszug des ***1*** im Jahr 2005 richtig sind, legte sie eine Liste von Namen weiterer Personen (Nachbarn und Bekannte) vor, die dies bezeugen könnten. Die belangte Behörde stellte die Aussagekraft der dort genannten Personen in Frage, setzte sich jedoch nicht näher damit auseinander. Das BFG hat - im Gegensatz zur belangten Behörde - keine Zweifel, dass gerade Nachbarn oder Bekannte darüber Auskunft geben könnten, ob Personen (noch) in einem gemeinsamen Haushalt leben oder nicht (mehr). Jedoch liegen gegenständlich zusätzliche Beweise vor, aus denen sich die für das gegenständliche Verfahren relevanten Feststellungen (auch ohne Befragung dieser Personen) ergeben.

Die Beschwerdeführerin legte nämlich in ihren Vorlageanträgen weitere Beweismittel vor, mit denen bestätigt werden soll, dass ein Auszug des ***1*** im Jahr 2005 aus der Wohnung der Bf tatsächlich vorlag und dieser in seine eigene Wohnung zurückzog. Dazu zählen die Erklärungen des ***1***, der ***4*** und des ***8*** (Sohn des ***1***).

Insbesondere liegt auch eine Bestätigung der ***7*** als ehemaliger Lebensgefährtin des ***1*** vor, wonach zwischen ihnen eine partnerschaftliche Beziehung in den Jahren 2008 bis 2016 bestanden habe und in dieser Zeit auch eine Wohn- und Lebensgemeinschaft an ihrer Adresse gegeben war.

Dass die Abmeldung vom Nebenwohnsitz - wie Herr ***1*** ausführte - vergessen wurde, bzw. man sich - wie die Bf. ausführte - einer Falschmeldung nicht bewusst gewesen war, ist für das Gericht nachvollziehbar, insbesondere da es sich um Nebenwohnsitzmeldungen handelte. Die Hauptwohnsitzmeldungen sind bei beiden Personen korrekt und stimmen auch mit den durch die jeweiligen Arbeitgeber im Zuge der Übermittlung der Lohnzettel angegebenen Adressen überein.

Die beigelegten Erklärungen im Vorlageantrag stellen konkretisierte Einwendungen der Bf. gegen die Indizwirkung der Anmeldungen der Nebenwohnsitze dar. Sie sind nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes stimmig und nachvollziehbar.

Die belangte Behörde ist den Einwendungen der Bf. im Vorlagebericht nur insofern entgegengetreten als sie die Erklärungen als Gefälligkeitsbestätigungen in Zweifel und daraus den Schluss zieht, dass die Bestätigungen nicht in der Lage sind, Tatsachen wirklich zweifelsfrei nachzuweisen und die Daten des ZMR und der Dienstgebermeldung zu entkräften. Die belangte Behörde schließt insbesondere aus dem Vorliegen wechselseitiger Nebenwohnsitze, dass eine Wohngemeinschaft vorgelegen hätte.

Festzuhalten ist, dass keine polizeiliche Meldung für einen gemeinsamen Hauptwohnsitz vorliegt und die Beschwerdeführerin auch glaubhaft der Annahme einer Wohngemeinschaft entgegengetreten ist. Vor dem Hintergrund aller Umstände des Einzelfalles und der vorliegenden Beweismittel ist nicht ersichtlich, dass eine Wohngemeinschaft zwischen der Bf. und ihrem ehemaligen Lebenspartner im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vorgelegen wäre.

Der Lebensmittelpunkt des ***1*** lag ab seinem Auszug einerseits in der von ihm als Hauptwohnsitz gemeldeten Adresse, andererseits auch im Zeitraum 2010-2016 an der Adresse seiner (neuen) Lebensgefährtin. An der Adresse der Bf. lag weder ein gemeinsamer Lebensmittelpunkt zwischen ihr und ***1*** vor, noch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass eine wirtschaftliche Gemeinschaft, im Sinne einer gemeinsamen Haushaltführung oder Ähnliches vorgelegen wäre.

Auf Grund dieser Umstände geht das Bundesfinanzgericht nicht vom Bestehen einer Lebensgemeinschaft/Wohn- oder Wirtschaftsgemeinschaft aus.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Stattgabe/Abänderung)

Strittig ist, ob ein Anspruch der Beschwerdeführerin auf den Alleinerzieherabsetzbetrag besteht, oder ob dieser Anspruch nicht besteht, weil die Beschwerdeführerin in den Beschwerdejahren mehr als sechs Monate im Kalenderjahr in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe-) Partner lebte.

Gemäß § 33 Abs 4 Z 2 EStG 1988 steht Alleinerziehenden ein Alleinerzieherabsetzbetrag zu.
Alleinerziehende sind Steuerpflichtige, die mit mindestens einem Kind (§ 106 Abs. 1) mehr als sechs Monate im Kalenderjahr nicht in einer Gemeinschaft mit einem (Ehe)Partner leben.

Der Alleinerzieherabsetzbetrag steht von Amts wegen zu. Zur Berücksichtigung bei der Veranlagung sind in der Steuererklärung die entsprechenden Angaben zu machen, auch wenn der Alleinerzieherabsetzbetrag durch den Arbeitgeber berücksichtigt wurde. Wurde der Alleinerzieherabsetzbetrag im Rahmen der Veranlagung nicht berücksichtigt, weil das Vorliegen der Voraussetzungen dem Finanzamt nicht bekannt war, ist nach LStR 2002 Rz 786 bei einem Hervorkommen der Voraussetzungen eine Wiederaufnahme von Amts wegen vorzunehmen.

Steht der Alleinerzieherabsetzbetrag nicht zu, wurde er aber bei der laufenden Lohnverrechnung (auch während eines Teiles des Kalenderjahres) berücksichtigt, ist eine Pflichtveranlagung durchzuführen (§ 41 Abs 1 Z 5 EStG 1988; Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 33, Rz 89, 91).

Im Beschwerdefall bestand - unbestritten - bis 2005 eine Lebensgemeinschaft zwischen der Bf. und ***1***, welcher auch der Vater ihrer Tochter ***4*** ist. Bis zu diesem Zeitpunkt lebten sie in der Wohnung der Bf. an der Adresse ***6***, 1220 Wien. Im Jahr 2005 erfolgte die Trennung der Partnerschaft und zog ***1*** wieder zurück in seine Wohnung an der Adresse ***3***/20, 1120 Wien. Wenn also eine Lebensgemeinschaft, die mehr als sechs Monate in dem jeweiligen Beschwerdejahr ausmachte, ab 2005 nicht mehr bestand, dann steht der Bf. der Alleinerzieherabsetzbetrag für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum zu.

Das Tatbestandsmerkmal einer eheähnlichen Gemeinschaft stellt auf das Zusammenleben in einer Lebensgemeinschaft ab, wozu im Allgemeinen eine Geschlechts-, Wohnungs- und Wirtschaftsgemeinschaft gehört, dabei kann aber das eine oder andere dieser aufgezählten Merkmale fehlen, wobei das Wohnen in gemeinsamer Wohnung mit gemeinsamen Kind auf das Vorliegen einer eheähnlichen Gemeinschaft schließen lässt (LStR Rz 782 mHa , 0177).

Eine "Lebensgemeinschaft" im Sinne des § 725 Abs 1 ABGB ist eine eheähnliche Verbindung zwischen zwei Personen, die einerseits in einer seelischen Verbundenheit wurzelt, andererseits in der Regel auch die Merkmale einer Wohn-, Wirtschafts- und Geschlechtsgemeinschaft aufweisen muss. Allerdings müssen im Sinn eines beweglichen Systems nicht stets alle drei vorhanden sein, sondern kann das Fehlen eines Kriteriums durch das Vorliegen der anderen ausgeglichen werden, wobei stets die Umstände des Einzelfalls entscheiden. ().

Die Lebensgemeinschaft ist sowohl von einer zwischenmenschlichen als auch von einer wirtschaftlichen Komponente geprägt. Ein Mindestmaß an wirtschaftlicher Gemeinschaft ist daher unverzichtbar ().

Eine Wohnungsgemeinschaft liegt grundsätzlich vor, wenn die Lebensgefährten tatsächlich in einer Wohnung leben, die ihr dauernder gemeinsamer Lebensmittelpunkt sein soll ().

Ein dauerndes Getrenntleben ist hingegen anzunehmen, wenn ein (Ehe-)Partner die gemeinsame Wohnung verlässt und getrennt von seinem (Ehe-)Partner, ohne eine eheliche Gemeinschaft mit diesem wieder aufzunehmen, auf Dauer seinen Aufenthalt in einer anderen Wohnung nimmt (vgl etwa UFS Klagenfurt , RV/0085-K/08). An dem Zustand des Dauernd-getrennt-Lebens der Umstand nichts, dass jener Elternteil, welcher die eheliche Wohnung verlassen hat, mehr oder weniger oft, etwa zum Besuch gemeinsamer Kinder, in dieselbe zurückkehrt (vgl ; ; Wanke in Wiesner/Grabner/Knechtl/Wanke, EStG § 33, Rz 54)

Von einer Wirtschaftsgemeinschaft spricht man, wenn die Lebensgefährten die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung bestreiten (vgl Doralt/Herzog14 § 33 Tz 30/2).

Eine Wirtschaftsgemeinschaft liegt dann vor, wenn die Haushaltsaufwendungen anteilig, abwechselnd oder gemeinsam getragen und füreinander unentgeltlich Hausarbeiten erbracht werden, weil sich solcherart durch das Zusammenleben eine Gesamtersparnis ergibt, die nicht mehr mit der (eingeschränkten) wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eines Alleinerhalters vergleichbar ist (vgl UFS Wien , RV/2000-W/04; UFS Wien , RV/3712-W/10).

In Rahmen der Beweiswürdigung konnte festgestellt werden, dass ab dem - durch die Bf. glaubhaft gemachten - Auszug des ehemaligen Lebensgefährten der Bf. im Jahr 2005, sohin jedenfalls im beschwerdegegenständlichen Zeitraum, zwischen der Bf. und Herrn ***1*** weder eine Wirtschafts- noch eine Wohnungsgemeinschaft vorlag. Insbesondere diesem zweiten Aspekt war nach Ansicht des Bundesfinanzgerichtes bei der Beurteilung der Umstände des Einzelfalles besonderes Gewicht beizumessen. Daher war in Würdigung aller Umstände des Beschwerdefalles für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum das Vorliegen einer Lebensgemeinschaft zwischen der Bf. und ***1*** zu verneinen und der Beschwerdeführerin der Alleinerzieherabsetzbetrag zu gewähren.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im Beschwerdefall wurde die Entscheidung anhand der Rechtsprechung der Höchstgerichte unter besonderer sachverhaltsmäßiger Würdigung der Umstände des Einzelfalles getroffen, sodass keine Revision zuzulassen war.

Wien, am

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