Rechnungsausstellung durch einen Nichtunternehmer
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Dr. Judith Leodolter als Vorsitzende, die Richterin Mag. Andrea Proidl als beisitzende Richterin sowie Mag. Martin Saringer und Mag. Harald Zeller als fachkundige Laienrichter in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Baldinger & Partner Unternehmens- und Steuerberatung GmbH, Ferrogasse 35, 1180 Wien, über die Beschwerde vom gegen die Bescheide des Finanzamtes Wien 4/5/10 vom betreffend Umsatzsteuer 2010-2016, Steuernummer ***BF1StNr1***, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am in Anwesenheit des Schriftführers Dietmar Gratz zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
Nach Aufforderung des Finanzamtes zur Abgabe von Steuererklärungen gab der Beschwerdeführer (Bf.) mit Schreiben vom und vom bekannt, dass er in den Jahren 2011 bis 2016 bei der ***GmbH*** (GmbH) nichtselbständig beschäftigt gewesen sei. Dass der Geschäftsführer der GmbH, Herr ***Gf***, dies bestreite, sei ihm bekannt und derzeit Gegenstand mehrerer Verfahren.
Durch die Prüfung der GKK hätten seine Versicherungszeiten für die Jahre 2011 bis 2014 bereits ihren Weg zum Hauptverband der Versicherungsträger gefunden, die Jahre 2015 und 2016 seien noch Gegenstand der Prüfung. Da sich an seiner Tatigkeit nichts geändert hätte, könne man hier zu keinem anderen Ergebnis kommen.
Herr ***Gf*** schulde ihm noch ausstehende Gehälter. Dies und die Art seiner Anstellung sei derzeit beim Arbeits- und Sozialgericht anhängig.
Die angesprochene Umsatzsteuer könne nicht geltend gemacht werden, da zum Beobachtungszeitraum keine Unternehmereigenschaft bestanden habe. Die Beträge seien vielmehr Teil seines Gehaltes gewesen und auch als solche zu behandeln. Sollte Herr ***Gf*** die Vorsteuer zum Abzug gebracht haben, müsse sie von ihm zurückgefordert werden.
Dem Schreiben beigelegt waren ein Versicherungsdatenasuzug für die Jahre 2011 bis 2016, der Bescheid der GKK vom , mit welchem festgestellt wurde, dass der Bf. auf Grund seiner Beschäftigung bei der GmbH in den Jahren 2011 bis 2014 der Vollversicherungspflicht gem. § 4 Abs. 1 Z 1 iVm § 4 Abs. 2 ASVG und der Arbeitslosenversicherungspflicht gem. § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterliegt, und die Klage des Bf. vom an das Arbeits- und Sozialgericht Wien betreffend ausständige Gehaltszahlungen.
Mit Bescheiden vom setzte das Finanzamt für die Jahre 2010 bis 2016 die Umsatzsteuer mit nachstehender Begründung fest:
"Auf Grund des vorliegenden Kontrollmaterials wurde festgestellt, dass Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt wurden.
Die auf diesen Rechnungen angeführte Umsatzsteuer-Identifikationsnummer ist ungültig bzw. einem fremden Unternehmer zuzuordnen.
Die ausgewiesene Umsatzsteuer ist daher gem. § 11(14) Umsatzsteuergesetz kraft Rechnungslegung vorzuschreiben"
In den rechtzeitig eingebrachten Beschwerden wandte der Bf. ein, dass die Umsatzsteuer in der falschen Zeile eingetragen worden sei (zu § 19). Außerdem handle es sich um eine Steuerschuld nach § 11 Abs. 12, weil die Leistung erbracht und zum damaligen Zeitpunkt von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen worden sei. Daran ändere die nachträgliche Einstufung als Dienstverhältnis nichts. Eine Berichtigungsmöglichkeit stehe jedenfalls zu, weil es sich um keine missbräuchliche Rechnungsausstellung handle (Ruppe/Achatz, UStG-Kommentar, § 11, Rz 142).
Mit Beschwerdevorentscheidungen vom wurden die Beschwerden als unbegründet abgewiesen.
In der gesondert ergangenen Begründung wurde ausgeführt, dass der Bf. laut Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , GZ 9 Cga 125/16s, bei der GmbH als Angestellter beschäftigt gewesen sei. Dem Urteil sei zu entnehmen, dass der Bf. selbst ausgesagt habe, dass sich die Tätigkeitserbringung in keiner Weise von jener der anderen Kollegen unterschieden habe. Seit Beginn der Zusammenarbeit mit der Firma sei ein Angestelltenverhältnis gelebt worden. Selbst nach dem abgeschlossenen "Dienstleistungs- bzw. Werkvertrag" sei der Bf. zur höchstpersönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Er habe strikte Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung seiner Arbeitsleistung erhalten und sachliche als auch persönliche Weisungen mit regelmäßigen Kontrollen. Auch sein Dienstgeber habe erklärt, dass auf ausdrücklichen Wunsch des Klägers ein Dienstleistungsvertrag konstruiert worden sei. Die GmbH habe den Kläger entsprechend der von ihm gelegten Honorarnoten, die er auf Basis seiner Eintragung im Zeiterfassungssystem der GmbH erstellt habe, entlohnt (Seiten 4- 9).
Der Bf. sei daher als Nichtunternehmer für den Zeitraum 2010 bis 2016 anzusehen, da es keinen Hinweis gebe, dass er eine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt habe. Dies würde auch seine Vorgehensweise bei der Rechnungsausstellung erklären. Der Bf. habe nicht wie für einen ordentlichen Kaufmann üblich bei Beginn des Arbeitsverhältnisses im Jahr 2008 eine UID-Nummer beantragt, um so ordnungsgemäße Rechnungen ausstellen zu können, vielmehr habe er dies erst im August 2014 getan. Aber da er keine Umsatzsteuervoranmeldungen eingereicht habe, sei die UID-Nummer mit Oktober 2014 wieder begrenzt worden. Der Bf. habe auch keine Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum 2010 bis 2016 beim Finanzamt eingereicht, obwohl er dazu verpfiichtet gewesen wäre - auch ohne Aufforderung durch das Finanzamt. Er besitze auch keinen Gewerbeschein für eine unternehmerische Tätigkeit. Er habe aber trotzdem im gesamten Zeitraum Rechnungen mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt und die Umsatzsteuer nie ordnungsgemäß an das Finanzamt abgeführt. Dabei habe er die UID-Nummer eines fremden Unternehmens bzw. eine begrenzte und somit ungültige UID-Nummer missbräuchlich verwendet. Bei einer derart über viele Jahre gewählten Vorgangsweise könne keinesfalls von einer irrtümlichen Rechnungslegung gem. § 11 Abs. 12 UStG ausgegangen werden.
Vielmehr liege hier eindeutig eine missbräuchliche Rechnungsausstellung eines Nichtunternehmers gem. § 11 Abs 14 UstG vor. Aus dem Gesamtbild ergebe sich, dass der Bf. nie Unternehmer gewesen sei und es auch nie vorgehabt habe, es zu sein.
Die Umsatzsteuer für die Jahre 2010 - 2016 sei daher zu Recht gem. § 11 Abs.14 UStG vorgeschrieben worden.
In den Vorlageanträgen vom wurde vorgebracht, dass die Beschwerdevorentscheidungen mit inhaltlichen und formalen Mängeln behaftet seien. Aus inhaltlicher Sicht berücksichtigten sie nicht die zwischenzeitlich vorgenommenen Rechnungskorrekturen und aus formaler Sicht sei ein gravierender Begründungsmangel vorzuhalten. Die angekündigte gesonderte Begründung sei bis dato nicht zugestellt worden. Im Rahmen des Vorlageantrages könne daher nicht darauf eingegangen werden.
In Beantwortung eines vom Finanzamt erlassenen Mängelbehebungsauftrages wurde vom Bf. ausgeführt, dass die Umsatzsteuer gemäß § 19 UStG festgesetzt, jedoch eine Festsetzung gem. § 11 Abs. 14 UStG begründet worden sei. Diese Begründung sei daher nicht geeignet, die USt-Festsetzung zu stützen, weil zwei unterschiedliche Bestimmungen angewendet worden wären. Die USt-Bescheide litten aber auch an einem inhaltlichen Mangel, weil keine der beiden Bestimmungen auf den vorliegenden Sachverhalt anzuwenden sei. Die Basis sei eine Festsetzung gem. § 11 Abs. 12 UStG, die auch berichtigbar sei. Die Berichtigungen würden in weiterer Folge noch mit Fax übermittelt werden und werde in diesem Zusammenhang um eine Festsetzung für 2017 ersucht, die die vorgeschriebenen USt-Beträge wieder neutralisiere (Ruppe/Achatz, Kommentar zum UStG, § 11, Rz 142). Es habe sich nicht um eine missbräuchliche Rechnungslegung gehandelt, sondern um eine irrtümliche, weil der Bf. zum damaligen Zeitpunkt noch nicht wissen habe können, dass ein Dienstverhältnis vorliege.
Am wurde dem BFG von der Abgabenbehörde die Beantwortung einer E-Mail vom übermittelt, in welcher der Geschäftsführer der GmbH auf Anfrage des Finanzamtes mitteilt, dass ihm die angefügten Beilagen (Berichtigungen gem. § 16 UStG sowie die Gutschriften der Jahre 2010-2016 des Bf. gegenüber der GmbH) mit der E-Mail erstmalig zugegangen seien. Auch eine akribische unternehmensinterne Recherche habe ergeben, dass eine Zustellung dieser Schreiben an die GmbH vor der Mail zu keiner Zeit erfolgt sei. Bis dato sei auch keine Rückzahlung der "gutgeschriebenen" Umsatzsteuer der Jahre 2010 - 2016 durch den Bf. an die GmbH erfolgt. Daher sei auch keine Vorsteuerkorrektur veranlasst worden. Es gäbe hierfür auch keinen Grund, zumal die Vertragsbeziehung mit dem bf. eine unternehmerische gewesen sei.
Zu der am abgehaltenen Verhandlung ist der Bf. wegen einer Erkrankung seines Sohnes nicht erschienen.
Der steuerliche Vertreter gab an, dass er von jenem Rechtsanwalt, der den Bf. im Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht vertreten hat, "ins Boot geholt" worden sei, weil die Angelegenheit auch steuerrechtliche Konsequenzen zur Folge hatte.
Der Bf. habe keine Ahnung von einer selbständigen Tätigkeit und den damit verbundenen Pflichten. Hätte der Bf. im Zeitpunkt der Ausstellung der Rechnungen gewusst, dass er die Umsatzsteuer abführen muss, hätte er dies getan. Er hätte auch Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben, wenn er es gewusst hätte.
Der Bf. habe deshalb Rechnungen ausgestellt, weil ihm von Seiten der GmbH diese Vorgangsweise nahegelegt worden sei. Er sei aber über die damit verbundenen Konsequenzen nicht aufgeklärt worden.
Der Bf. sei auch nicht der Einzige in der Firma gewesen, der eine "selbständige Tätigkeit" ausgeübt hat, bei der es sich in Wahrheit um ein Dienstverhältnis gehandelt habe.
Im gegenständlichen Beschwerdefall sei entscheidend, ob es sich um eine Steuerschuld nach §11 Abs. 14 USTG oder um eine solche nach §11 Abs 12 handelt.
Seiner Meinung nach hätte die Festsetzung nach §11 Abs 12 erfolgen müssen. Die Folge wäre, dass eine zeitlich unbefristete Berichtigungsmöglichkeit gegeben wäre und die ***GmbH*** müsste eine Vorsteuerkorrektur vornehmen.
Aus heutiger Sicht sei unstrittig, dass der Bf. keine selbständige Tätigkeit, sondern eine nichtselbständige Tätigkeit ausgeübt hat.
Der Vertreter der belangten Behörde führte dazu aus, dass das Umsatzsteuerrecht ein formelles Recht sei.
Der Bf. sei schlecht beraten gewesen, sei sich aber selbst sicher gewesen sein, dass er kein Unternehmer ist. In diesem Wissen Rechnungen mit gesondertem UST-Ausweis auszustellen, rechtfertige eine Festsetzung der Umsatzsteuer nach §11 Abs 14 UStG.
Der Behördenvertreter verwies auf die Urteile des EUGH vom , Rs C-454/98 und vom , Rs C-712/17, wonach eine Berichtigungsmöglichkeit bestehe, sofern der Aussteller der Rechnung die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt.
Der Vertreter des Bf. entgegnete dazu, dass ihm die Rechtsprechung des EUGH bekannt sei, diese könne aber erst dann zu Anwendung gelangen, wenn festgestellt wird, dass es sich um eine UST-Schuld nach §11 Abs.14 handelt. Der Bf. sei damals der Überzeugung gewesen, eine selbständige Tätigkeit auszuüben und dass die im nahegelegte Vorgehensweise rechtens sei. Erst im Nachhinein habe sich herausgestellt, dass es sich um ein Dienstverhältnis gehandelt habe. Daher wäre die Umsatzsteuer nach §11 Abs 12 UStG festzusetzen.
Über Nachfrage der Vorsitzenden, warum bei der Rechnungsausstellung eine fremde UID-Nummer verwendet worden sei, gab der steuerliche Vertreter an, dass er bis jetzt noch gar nicht gewusst habe, dass der Bf. eine fremde UID-Nummer verwendet hat.
Der Bf. wurde im Zuge der Verhandlung vom steuerlichen Vertreter telefonisch kontaktiert und gab bekannt, dass der Geschäftsführer der GmbH großen Druck auf ihn ausgeübt habe, weshalb er daraufhin einfach aus dem Internet eine UID-Nummer herausgesucht habe.
Befragt, warum nach Begrenzung der dem Bf. im August 2014 erteilten UID-Nummer diese weiterhin in den Rechnungen angeführt worden sei, erklärte der Bf., dass er dies getan habe, um kein Problem mit dem Rechnungsempfänger zu bekommen.
Der steuerliche Vertreter führte abschließend aus, dass der Bf. aus seiner Sicht gutgläubig gehandelt habe und davon ausgegangen sei, Unternehmer zu sein; daher habe die UST-Festsetzung nach §11 Abs. 12 zu erfolgen.
II. Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
1. Sachverhalt
Der Bf. war in den streitgegenständlichen Jahren 2010-2016 bei der ***GmbH*** als Supportmitarbeiter im IT-Bereich beschäftigt. Für die von ihm erbrachten Leistungen stellte er Honorarnoten mit gesondertem Umsatzsteuerausweis aus, wobei er sich zunächst der UID-Nummer eines fremden Unternehmens bediente. (Erst) im August 2014 wurde vom Bf. die Vergabe einer UID-Nummer beantragt. Diese wurde jedoch mit Oktober 2014 wieder begrenzt, da vom Bf. keine Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben wurden. Trotz Begrenzung der Gültigkeit der UID-Nummer verwendete der Bf. diese weiterhin für die Ausstellung der Honorarnoten.
Mit den angefochtenen Bescheiden setzte die Abgabenbehörde die Umsatzsteuer für die streitgegenständlichen Jahre fest. Die Bescheide enthalten den Hinweis "Steuerschuld gemäß § 19 Abs. 1 zweiter Satz sowie gemäß Art. 19 Abs. 1 Z 3 und Art. 25 Abs. 5"; im letzten Satz der Begründung wird ausgeführt, dass die ausgewiesene Umsatzsteuer gem. § 11(14) Umsatzsteuergesetz kraft Rechnungslegung vorzuschreiben ist.
Der Bf. war im beschwerdegegenständlichen Zeitraum in steuerlicher Hinsicht Arbeitnehmer der GmbH; er war kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes.
Im Zeitpunkt der Ausstellung der gegenständlichen Rechnungen war der Bf. davon überzeugt, eine nichtselbständige Tätigkeit für die ***GmbH*** auszuüben.
Im Jahr 2017 legte der Bf. der Abgabenbehörde gem. § 16 UStG berichtigte Honorarnoten vor.
2. Beweiswürdigung
Der festgestellte Sachverhalt beruht auf den von der belangten Behörde dem BFG vorgelegten Aktenteilen. Dass der Bf. an die ***GmbH*** für die erbrachten Leistungen Honorarnoten ausgestellt hat und dafür eine fremde bzw. eine ungültige UID-Nummer verwendet hat, ergibt sich aus den vorliegenden Rechnungen. Die Vergabe und die Begrenzung der UID-Nummer sowie die Vorlage der Rechnungsberichtungen sind ebenfalls aktenkundig.
Die Feststellung, dass der Bf. in den beschwerdegegenständlichen Jahren nicht unternehmerisch tätig war, ist unstrittig.
Die Feststellung, dass er im Zeitpunkt der Ausstellung der Honorarnoten von einer nichtselbständigen Tätigkeit ausgegangen ist, beruht auf nachstehenden Erwägungen:
Anlässlich einer Befragung am bei der Wiener Gebietskrankenkasse durch die Beitragsprüferin gab der Bf. u.a. zu Protokoll, "ihm sei nicht bewusst gewesen, dass er für die Abfuhr der Sozialversicherungsbeiträge und Steuern selbst habe Sorge tragen müssen, weil der überwiegende Teil der vertraglichen Vereinbarung nicht gelebten Tatsachen entsprochen habe, außerdem mehrmals von kollektivvertraglichen Bestimmungen die Rede gewesen wäre"
Im Rahmen des beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zur GZ 9 Cga 125/16s geführten Verfahrens gab der Bf. an, dass sich die Art seiner Tätigkeit in keiner Weise von jener der anderen, bei der Firma angestellten Kollegen unterschieden habe und dass er seit Beginn der Zusammenarbeit mit der Firma ein Angestelltenverhältnis gelebt habe. Selbst nach Abschluss eines "Dienstleistungs- bzw. Werkvertrages" sei er zur höchstpersönlichen Arbeitsleistung verpflichtet gewesen. Er habe strikte Vorgaben zur konkreten Ausgestaltung seiner Arbeitsleistung erhalten sowie sachliche als auch persönliche Weisungen und sei regelmäßig kontrolliert worden (Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom , Seite 4).
Mit diesen Angaben wird vom Bf. klar und unmissverständlich eingestanden, dass er im Zeitpunkt der Ausstellung der gegenständlichen Rechnungen davon überzeugt war, keine unternehmerische, sondern eine nichtselbständige Tätigkeit für die ***GmbH*** auszuüben. Insbesondere die Aussage, er habe ein Angestelltenverhältnis gelebt, steht in deutlichem Widerspruch zu seiner im Beschwerdeverfahren aufgestellten Behauptung, dass er zum damaligen Zeitpunkt von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen sei.
Darüber hinaus verfügte der Bf. bis zum August 2014 über keine und ab Oktober 2014 über keine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer, da diese mit Oktober 2014 begrenzt wurde. Eine nachvollziehbare Erklärung dafür, warum er als vermeintlicher Unternehmer erst im August 2014 eine UID-Nummer beantragt hat, ist der Bf. schuldig geblieben. Das Vorbringen des steuerlichen Vertreters in der am vor dem BFG abgehaltenen Verhandlung, der Bf. sei sich über die mit einer selbständigen Tätigkeit verbunden Konsequenzen und Pflichten nicht im Klaren gewesen, überzeugt angesichts der Tatsache, dass er bis August 2014 Honorarnoten unter Verwendung einer fremden UID-Nummer ausgestellt hat, nicht. Vor dem Hintergrund seiner Angaben im Rahmen der Verfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht und der Wiener Gebietskrankenkasse lässt die Tatsache, dass der Bf. nicht zu Beginn seines Arbeitsverhältnisses, sondern erst im August 2014 eine UID-Nummer beantragt hat, nach Auffassung des erkennenden Senates nur den Schluss zu, dass er davon überzeugt war, keine unternehmerische Tätigkeit auszuüben.
Obwohl der Bf. über keine bzw. über keine gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer verfügte, hat er für den Zeitraum 2010-2016 Honorarnoten mit gesondertem Umsatzsteuerausweis ausgestellt. Allein der Umstand, dass er dabei eine UID Nummer eines fremden Unternehmens verwendet hat, schließt eine gutgläubige bzw. irrtümliche Rechnungslegung aus.
Als Unternehmer wäre er auch verpflichtet gewesen, Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für den Zeitraum 2010 bis 2016 einzureichen; dass er dieser gesetzlichen Verpflichtung nicht nachgekommen ist, kann ebenso als Indiz dafür gewertet werden, dass er davon überzeugt war, keine unternehmerische, sondern eine nichtselbständige Tätigkeit auszuüben.
Gem. § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.
In Ansehung der oben dargelegten Erwägungen gelangte der erkennende Senat in freier Beweiswürdigung zu dem Ergebnis, dass die Möglichkeit, dass sich der Bf. im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung für einen Unternehmer gehalten hat, weniger wahrscheinlich erscheint als die Möglichkeit, dass er von der Ausübung einer nichtselbständigen Tätigkeit ausgegangen ist.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)
Gem. § 198 Abs. 2 Satz 1 BAO haben Abgabenbescheide im Spruch die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Grundlagen der Abgabenfestsetzung (Bemessungsgrundlagen) zu enthalten.
Gemäß § 11 Abs. 12 UStG 1994 schuldet der Unternehmer, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen Steuerbetrag, den er nach diesem Bundesgesetz nicht schuldet, gesondert ausweist, diesen Betrag auf Grund der Rechnung, wenn er sie nicht gegenüber dem Abnehmer der Lieferung oder dem Empfänger der sonstigen Leistung entsprechend berichtigt. Im Falle der Berichtigung gilt § 16 Abs. 1 sinngemäß.
§ 11 Abs. 14 UStG normiert:
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet diesen Betrag.
Zu den Beschwerdeeinwendungen:
1. Formmangel
Insoweit der Bf. in der Beschwerde einwendet, dass die auf § 11 Abs. 14 UStG gestützte Begründung der angefochtenen Bescheide nicht geeignet sei, die Festsetzung der Umsatzsteuer gem. § 19 UStG zu tragen, ist ihm entgegenzuhalten, dass gem. § 198 Abs. 2 Satz 1 BAO der Spruch eines Abgabenbescheides - und um einen solchen handelt es sich bei einem Umsatzsteuerbescheid - neben der Nennung der Person, an die er ergeht (§ 93 Abs. 2 BAO) die Art und Höhe der Abgaben, den Zeitpunkt ihrer Fälligkeit und die Bemessungsgrundlagen zu enthalten hat. Führt die Behörde, wie im Beschwerdefall, die Gesetzesstelle, auf die sich die Abgabenvorschreibung stützt, an, so stellt dies keinen Teil des Spruches, sondern vielmehr ein Begründungselement dar (). Nun trifft es zwar zu, dass gegenständlich zwei unterschiedliche Bestimmungen angeführt werden, doch ergibt sich nach dem Gesamtbild des Beschwerdefalles ganz klar und eindeutig, dass die Abgabenbehörde die Festsetzung der Umsatzsteuer auf den Umstand der Rechnungslegung mit gesondertem Steuerausweis durch einen Nichtunternehmer gem. § 11 Abs. 14 UStG gestützt hat. Angemerkt wird, dass die in den Bescheiden ausgewiesene Steuerschuld gem. § 19 UStG laut Ausführungen der Abgabenbehörde im Vorlagebericht an das BFG darauf beruht, dass im Zuge der Umsatzsteuerveranlagungen die Eintragungen im Formular irrtümlich in der Kennzahl "057" anstatt in der Kennzahl "056" erfolgt sind.
2. Inhaltlicher Mangel:
Wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt oder nicht Unternehmer ist, schuldet gemäß § 11 Abs. 14 UStG 1994 diesen Betrag. Siehe auch Art 203 RL 2006/112/EG, wonach die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.
Der Zweck der Regelung des § 11 Abs. 14 UStG 1994 liegt darin, einem unberechtigten Vorsteuerabzug - eine Rechnung ist Voraussetzung für den Vorsteuerabzug - vorzubeugen (vgl. mwN).
Die Berechtigung zum gesonderten Steuerausweis in einer Rechnung steht nur Unternehmern zu, die steuerpflichtige Leistungen ausführen.
Ist also der Leistende gar nicht Unternehmer, so besteht weder die Verpflichtung noch die Berechtigung, eine dem § 11 entsprechende Rechnung auszustellen ().
Zum Vorbringen des Bf., dass es sich gegenständlich weder um eine Steuerschuld nach § 19, noch nach § 11 Abs. 14, sondern vielmehr um eine solche nach § 11 Abs. 12 UStG handle, da er zum Zeitpunkt der Ausstellung der Honorarnoten von einer unternehmerischen Tätigkeit ausgegangen und diese Tätigkeit erst nachträglich als Dienstverhältnis eingestuft worden sei, ist festzuhalten, dass es zwar zu einer analogen Anwendung des Abs. 12 auch dann kommt, wenn ein Nichtunternehmer ohne Missbrauchsabsicht über eine Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis ausstellt, sohin Fälle irrtümlicher Rechnungslegung § 11 Abs. 12 zugeordnet werden (vgl. Ruppe/Achatz, UStG, 5. Auflage, Tz 123 und 127 zu § 11), doch ist gegenständlich nach den oben dargestellten Überlegungen (siehe Pkt. 2.) eine irrtümliche Rechnungslegung auszuschließen.
Wird - wie im vorliegenden Beschwerdefall - eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis durch einen Nichtunternehmer gelegt, so schuldet der Aussteller den ausgewiesenen Steuerbetrag.
Auf Grund der festgestellten Nichtunternehmerschaft des Bf. ist der Tatbestand des § 11 Abs. 14 UStG erfüllt und der Bf. schuldet daher die von ihm in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer kraft Rechnungslegung.
Dem Einwand des Bf., gutgläubig bzw. irrtümlich gehandelt zu haben, ist entgegenzuhalten, dass selbst eine irrtümliche Rechnungsausstellung zu keiner Änderung der rechtlichen Beurteilung führen würde. § 11 Abs 14 UStG setzt nämlich kein "missbräuchliches" Verhalten zur Erlangung von ungerechtfertigten Steuervorteilen voraus, sondern erfasst auch Fälle irrtümlicher, aber dennoch unberechtigter Rechnungslegung. Dies steht auch im Einklang mit dem Unionsrecht, das in Art 203 MwSt-RL vorsieht, dass die Mehrwertsteuer von jeder Person geschuldet wird, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist (vgl. ).
Zu den Ausführungen des steuerlichen Vertreters, dass bei der hier vorliegenden Steuerschuld kraft Rechnungslegung gemäß § 11 Abs. 14 UStG im Gegensatz zu § 11 Abs. 12 UStG eine (sinngemäße) Rechnungsberichtigung nicht vorgesehen ist, hat der Finanzamtsvertreter zutreffend auf die Judikatur des EuGH verwiesen, der zufolge es der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer verlangt, dass im Falle der rechtzeitigen und vollständigen Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens zu Unrecht in Rechnung gestellte Umsatzsteuer berichtigt werden kann (; , C-712/17).
Für eine Rechnungsberichtigung gilt § 16 Abs. 1 Z 2 letzter Satz UStG 1994 sinngemäß.
Für den Aussteller der Rechnung wirkt die Rechnungsberichtigung somit ex nunc, d.h. die Steuerschuld des Rechnungsausstellers entfällt durch die spätere Rechnungsberichtigung nicht etwa rückwirkend auf den Zeitpunkt der Steuerentstehung (; , 2006/15/0072; , 2005/15/0153; Ruppe/Achatz UStG5, §16 Tz 66).
Darüber, ob die Voraussetzungen für eine Berichtigung vorliegen und eine solche auch tatsächlich in Betracht kommt, war daher im gegenständlichen Verfahren nicht zu befinden.
3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Bei der gegenständlichen Frage, ob die Umsatzsteuer zu Recht auf Grund der Rechnungslegung vorgeschrieben wurde, handelt es sich um eine Sachverhaltsfrage, die im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu beantworten war. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt nicht vor.
Wien, am
Zusatzinformationen
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Materie | Steuer |
betroffene Normen | § 11 Abs. 12 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 § 11 Abs. 14 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Verweise | |
ECLI | ECLI:AT:BFG:2023:RV.7102078.2018 |
Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at