Bescheidbeschwerde – Einzel – Erkenntnis, BFG vom 25.10.2023, RV/5100905/2016

Nichtanerkennung eines Gutachtens zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer eines vermieteten Supermarktes

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin***Ri*** in der Beschwerdesache ***Bf***, ***Bf-Adr***, über die Beschwerde vom gegen den Bescheid des Finanzamtes Braunau Ried Schärding vom , Steuernummer ***BFStNr***, betreffend den Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2014 zu Recht erkannt:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 279 BAO als unbegründet abgewiesen.

II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

I. Bisheriger Verfahrensgang

1. In der am elektronisch eingereichten Erklärung der Einkünfte von Personengesellschaften/-gemeinschaften 2014 wurden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erklärt und als Werbungskosten u.a. Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von € 9.096,93 (das entspricht 5,26% der Anschaffungskosten in Höhe von € 172.945,26) geltend gemacht.

2. Zum Nachweis der Nutzungsdauer wurde ein Gutachten eines Baumeisters mit folgendem wesentlichen Inhalt vorgelegt:

"1.1. Zweck und Umfang des Gutachtens: Ermittlung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zum Stand November 2014

1.4. Stichtag der Bewertung:

1.5. Lokalaugenschein am

2.6. Beschreibung des Gebäudes: […]

Bauweise Erdgeschoss: Massivbau
Dachraum: Holzkonstr,
Art des Daches Satteldach
Zustand der Deckung Hagelschaden "minder gut"

3.1. Bewertungsgrundsatz:

Die übliche Gesamtnutzungsdauer ist die zu erwartende Zeitspanne von der Errichtung des Gebäudes bis zum Ende seiner wirtschaftlich vertretbaren Nutzung, die im Wesentlichen von der Bauart, der Bauweise (Konstruktion und verwendete Baustoffe), der Nutzungsart sowie der technischen Entwicklung und den sich wandelnden Anforderungen an Gebäude des jeweiligen Typs abhängt.

Die übliche Gesamtnutzungsdauer berücksichtigt daher in angemessener Weise sowohl die technische Lebensdauer als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer.

Vorausgesetzt wird ein ordnungsgemäßer Gebrauch sowie die ordnungsgemäße Wartung und Instandhaltung des Gebäudes.

3.2. Bewertungsmethode (Gewichtung):

Bauwert der Gebäude lt. Heimo Kranewitter
übliche Gesamtnutzungsdauer von Handelsimmobilien
- Geschäftshäuser und Kaufhäuser 30-50 Jahre
- Supermärkte 20-30 Jahre
- Durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer 35 Jahre

3.3. Begründung:

Da derartige Objekte aufgrund ihrer Bauart (spezifische Geschäftslokale) und ihrer Bauweise (Konstruktion und verwendete Baustoffe) kaum für andere Zwecke genutzt werden können, ist eine Gesamtnutzungsdauer keinesfalls höher anzusetzen als die Vorgegebene.

Weiters ist der derzeitige Bauzustand (Hagelschaden am Dach und Fassade sowie einzelne Setzungsrisse etc.) eventuell zusätzlich zu betrachten.

3.4. Technische und wirtschaftliche Wertminderung:

Die technische und wirtschaftliche Wertminderung ist unter Berücksichtigung des Bau- und Erhaltungszustandes im Zuge des Lokalaugenscheines vom Sachverständigen zu schätzen.

Die Funktionalität der gesamten Haustechnik, die statische Qualität der tragenden und konstruktiven Bauteile sowie allfällige Kontaminierungen werden im Gutachten nur berücksichtigt, sofern sie offensichtlich und ohne Zuhilfenahme von speziellen Untersuchungsmethoden erkennbar sind.

Bei einem Abschlag für verlorenen Bauaufwand oder Anfangswertminderung (AWM) wird das Verhalten der Käufer am Immobilienmarkt berücksichtigt. Wie auch bei beweglichen Investitionsgütern (zB PKW, Mobiliar, ...) ist auch bei Gebäuden oft ein erheblicher Abschlag zu berücksichtigen. Die Anfangswertminderung (AWM) ist wie ein allfälliger Abschlag wegen verlorenem Bauaufwand vom berichtigten Gebäudesachwert in Abzug zu bringen. In der Fachliteratur (Kranewitter Seite 79) werden Abschläge bis zu 20 % empfohlen.

3.5. Betriebsgewöhnliche Restnutzungsdauer

Nach der laufenden Rechtsprechung des VWGH kann die betriebsgewöhnliche Restnutzungsdauer regelmäßig geschätzt werden (VWGH , 92/15/0127) und hängt im Wesentlichen vom Bauzustand zum Zeitpunkt der Bewertung ab ().

Die betriebsgewöhnliche Restnutzungsdauer berücksichtigt die Dauer sowohl der technischen als auch die Dauer der wirtschaftlichen Nutzbarkeit ()

Durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer lt. Pkt. Jahre
Alter des Gebäudes 1998 bis 2014 -16 Jahre
Restnutzungsdauer 19 Jahre"

Als Beilagen zum Gutachten wurden ein Austauschplan (1 Seite) vom , ein Baubewilligungsbescheid vom , ein Bescheid über die Erteilung einer Benützungsbewilligung vom und ein Grundbuchsauszug übermittelt.

3. Mit Bescheid über die Feststellung von Einkünften gem. § 188 BAO für das Jahr 2014 vom wurden die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung mit € 11.159,39 festgesetzt. Dabei wurde die Absetzung für Abnutzung für das vermietete Gebäude in Höhe von 1,5% berücksichtigt. In der gesonderten Begründung wurde Folgendes ausgeführt:

"Der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer kann grundsätzlich nur mit einem schlüssigen Gutachten eines Sachverständigen über den technischen Bauzustand erbracht werden. Die voraussichtliche Nutzungsdauer ist ab dem sich jeweils aus § 16 (1) Z 8 lit a bis d EStG 1988 ergebenden Zeitpunkt zu ermitteln. Diese Regeln gelten auch für gebraucht angeschaffte Gebäude. Maßgeblich ist somit in der Regel die technische und nicht die wirtschaftliche Nutzungsdauer.

Während für die Gesamtnutzungsdauer eines neu errichteten Gebäudes in erster Linie die Bauweise maßgebend ist, hängt die Restnutzungsdauer eines erworbenen Gebäudes vornehmlich vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbs ab. Hierbei ist zu beachten, dass der Bauzustand nicht nur von der ursprünglich gewählten Bauweise, sondern auch von erst in späteren Jahren eingetretenen oder hervorgekommenen Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen abhängen kann. Als Umstände, aufgrund derer eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden müsste, kämen zB ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl , ; ).

Zu schätzen ist somit der derzeitige Bauzustand und damit verbunden die Restnutzungsmöglichkeit des Gebäudes. Für die voraussichtliche Nutzbarkeit ist dessen tatsächlicher Bauzustand, das ist das Mauerwerk bzw. die konstruktiven und haltbaren Bauteile, maßgebend. Die kürzere Lebensdauer verschiedener Gebäudeteile (Installationen, Verputz, Türen, Fußböden, Anstrich, Malerei, sanitäre Einrichtungen) begründet keine kürzere Nutzungsdauer als die sich aus den konstruktiven und haltbaren Bauteilen ergebende einheitliche technische Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes.

Bei Bauten in Massivbauweise ist eine Nutzungsdauer von mehr als 100 bzw. sogar 200 Jahren und mehr denkbar (vgl. zB ).

Zukünftige Verhältnisse dürfen nur insoweit berücksichtigt werden, als sich diese im gegenwärtigen Zeitpunkt bereits verlässlich voraussagen lassen (zB der konkret bevorstehende Abbruch eines Gebäudes).

Sowohl die Gesamtnutzungsdauer als auch die Restnutzungsdauer eines Gebäudes hängen daher von seiner Beschaffenheit ab. Da die Beschaffenheit von Gebäuden sehr unterschiedlich sein kann, kann auch die Nutzungsdauer (Restnutzungsdauer) bei Gebäuden stark voneinander abweichen. Es entscheidet nicht das Alter, sondern der Bauzustand eines Gebäudes. Finden sich in einem Gutachten keine hinreichenden Aussagen über den Bauzustand, keine Feststellungen zur Qualität der Bauausführung oder zu allfälligen bereits bestehenden Schäden, etwa als Folge aufsteigender Feuchtigkeit oder eines vermuteten Schädlingsbefalls, ist es nicht geeignet, einen niedrigeren Afa-Satz zu stützen (vgl. Doralt4, a.a.O. Tz 159 zu §16 EStG 1988 und die dort zitierte Judikatur).

Das gegenständliche schematisch und allgemein gehaltene Gutachten enthält weder einen über den jeweiligen Bauzustand erstatteten Befund, der die konkrete Beschaffenheit bzw. Zustand des Gebäudes ausreichend bzw. vollständig darlegt, noch einen nachvollziehbaren Bezug zwischen einem solchen Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer.

Ein Gutachten muss, um als schlüssig und nachvollziehbar gelten zu können, die maßgeblichen ziffernmäßigen Ausgangswerte nennen sowie die konkreten Überlegungen und Berechnungsmethoden darstellen (; ). Unzulässig ist es, bloß schematisch von einer geschätzten Gesamtnutzungsdauer auszugehen und davon die bisherige Nutzungsdauer abzuziehen, ohne dabei auf die individuellen Gegebenheiten der Liegenschaft einzugehen.

Unzulässig ist es im konkreten Fall daher, wenn der Sachverständige die Restnutzungsdauer von 19 Jahren in der Weise ermittelt, in dem er die Gesamtnutzungsdauer mit 35 Jahren annimmt und (lediglich) die Zeitspanne zwischen Errichtungsdatum (1998) und Gutachtenerstellungszeitpunkt (2014) abzieht. Damit ist das Gutachten methodisch verfehlt, zumal aus dem Baujahr allein nicht auf die weitere Nutzungsdauer des Gebäudes geschlossen werden kann."

4. Gegen den o.a. Feststellungsbescheid wurde am innerhalb der mit Bescheid vom erstreckten Rechtmittelfrist Beschwerde erhoben. Der Bescheid wurde hinsichtlich der abweichend von der Steuererklärung mit 1,5 % anstatt 5,26% anerkannten Absetzung für Abnutzung angefochten und es wurde die erklärungsgemäße Festsetzung beantragt. Als Anlage zur Beschwerde wurden Erklärungen zum bisher eingereichten Gutachten übermittelt. Begründet wurde die Beschwerde wie folgt:

"Aus Punkt 3.3. dieses Gutachtens geht auch hervor, dass entsprechende Schäden am Gebäude bereits vorhanden sind, weiters ergibt sich aus Punkt 3.4. des Gutachtens, dass nach einer Nutzungsdauer von 25 bis 35 Jahren mit Sanierungskosten zu rechnen ist, welche die Herstellungskosten des Gebäudes übersteigen würden. Damit ergibt sich zwangsläufig, dass die technische Restnutzungsdauer des gegenständlichen Gebäudes mit 19 Jahren anzusetzen ist.

Zu bedenken ist außerdem, dass die bisherige restriktive Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Zusammenhang mit der bis zur Einführung der Steuerbarkeit privater Grundstücksveräußerungen fehlenden Steuerhängigkeit von Mietgebäuden zu sehen ist.

Es ist daher zu erwarten, dass der Verwaltungsgerichtshof zukünftig seine Rechtsprechung der geänderten Rechtslage anpassen wird und auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer berücksichtigen wird."

5. In den als Beilage zur Beschwerde übermittelten Erläuterungen zum Gutachten vom wurde im Wesentlichen das bisher übermittelte Gutachten wiederholt und Folgendes ergänzt:

"3.3. Begründung:

[…] Auch die kompl. Wärmedämmung entspricht nicht dem derzeitigen Stand der Technik (ca. 10 cm derzeit 30 cm erforderlich) außerdem sind die Bodenfliesen im Verkaufs- und Lagerbereich derart abgenützt, vergraut und in einem schlechten Zustand.

3.4. Erläuterungen zur Gesamtnutzungsdauer des Geschäftsgebäudes

Hiermit soll eine Gegenüberstellung der Herstellungskosten und der Sanierungskosten dargestellt werden.

Dabei handelt es sich um die durchschnittliche Lebensdauer von Bauteilen, die ein Fakt aus der Praxis sind und nicht frei nach Belieben angenommen wurden.

Richtpreis für Herstellungskosten in €/m² Bruttogrundfläche

Massivhallen: Stahlbetonskelett bzw. Mauerwerk, Leimholz, massive Wände, Wärmedämmung, Heizung, gepflasterter oder gefliester Fußboden, nat. Belichtung, Installationen, etc.
Durchschnittliche Herstellungskosten € 550,-/m²

Sanierungskosten nach 25 bis 35 Jahre in €/m² Bruttogrundfläche für folgende Bauteile die nach dieser Zeit zu erneuern sind.
Dachdeckung: abdecken und entsorgen der Dachsteine samt Bleche, Dachrinnen, Dachlattung, etc. und erneuern der Bauteile € 80,-/m²
Dachkonstruktion: sanieren und verstärken für die derzeit statischen Erfordernisse € 40,-/m²
Decke: Mineralfaserdecke samt Wärmedämmung abmontieren, entsorgen und erneuern € 65,-/m²
Fußboden: abbrechen der Pflasterung samt Unterbau und erneuern des Unterbaues samt Wärmedämmung und Fußbodenpflasterung € 145,-/m²
Fenster/Türen: abmontieren, entsorgen und Glasflächen erneuern 130m² à 350,-/ m², + 70,-/m² abbr. und ents. gerechnet auf 656 m² Bruttogrundfl. € 83,-/m²
Haustechnik: 15 % der Herstellungskosten plus abmontieren und entsorgen € 100,-/m²
Fassade/ Innenputz: abmontieren, entsorgen und erneuern 850 m² Mischpr. 36,-/m² gerechnet auf 656 m² Bruttogrundfl. € 46,-/m²
Innentüren: abmontieren, entsorgen und erneuern gerechnet auf 656 m² Bruttogrundfl. € 24,-/m²
Parkplatz: überziehen einer neuen Asphaltschicht 1500 m² a 30,-/m² gerechnet auf 656 m² Bruttogrundfl. € 67,-/m²
Gesamte Sanierungskosten € 650,-/m²

Kostenübersteigung gegenüber den Herst.k. € 100,-/m²"

6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung wurde auf folgende Stellungnahme des bundesweiten Fachbereichs für Bewertung und Bodenschätzung vom verwiesen:

"Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 können bei Gebäuden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (gem. § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. a u. c EStG 1988) als AfA geltend gemacht werden.

Mit diesen Vorschriften stellt das Gesetz im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO die "Generalvermutung" auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient - ungeachtet des Umstandes der bisherigen Nutzung bzw. einer eventuellen gewerblichen Nutzung durch den Mieter - immer 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt.

Voraussetzung für einen höheren Betrag an Absetzung für Abnutzung (AfA) ist demnach, dass ein Nachweis über eine abweichend von der vom Gesetzgeber angenommenen Nutzungsdauer erbracht wird.

Den genannten Bestimmungen ist somit - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (siehe dazu ) - eine Beweislastumkehr hinsichtlich einer kürzeren Nutzungsdauer zu entnehmen. Die Beweislast für eine kürzere als der vom Gesetz generell vermuteten Nutzungsdauer trifft somit ex lege den eine solche Behauptung aufstellenden Steuerpflichtigen.

Auch wenn das Gesetz selbst weder von einer technischen noch von einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer spricht, hat im außerbetrieblichen Bereich den ebenso mehrfach wie eindeutig bestätigten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes folgend, ausschließlich die technische und nicht die wirtschaftliche Nutzungsdauer Vorrang und ist diese somit maßgeblich (; ; ). Es gibt bis dato (auch in Anbetracht der neu geschaffenen "Immobilienertragsteuer") kein Erkenntnis, in dem das Höchstgericht eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer anerkannt hat. Soweit die technische Nutzungsdauer einer allenfalls kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht Rechnung tragen sollte, ist die wirtschaftliche Abnutzung bei Eintritt im Wege einer außergewöhnlichen Absetzung für Abnutzung i.V.m. § 8 Abs. 4 EStG 1988 geltend zu machen (vgl. bzw. mit Verweis auf Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt Kommentar zum EStG, RN 159 bzw. auch Kothbauer/Reithofer in Liegenschaftsbewertungsgesetz - Praxiskommentar, Linde 2013, "Wirtschaftliche versus technische Nutzungsdauer", S. 86*)

*) "Soweit vorgebracht wird, der VwGH² sehe in seiner Rechtsprechung wirtschaftliche Aspekte als wesentlich an und lasse allgemeine Erfahrungswerte neben konkreten Zuständen gelten, wird mit diesen allgemeinen Ausführungen vernachlässigt, dass der Begriff der "wirtschaftlichen Nutzungsdauer" in der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung nicht besteht. Sollte vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Gebäude nicht mehr gegeben sein, käme auch im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung (§ 16 Abs. 1 Z 8 iVm § 8 Abs. 4 EStG 1988) in Betracht (vgl. ). ( = ZLB³ 2010, 57)"
² Verwaltungsgerichtshof
³ ZLB = Zeitschrift für Liegenschaftsbewertung; periodisch erscheinend; Herausgeber: Kranewitter

Der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer kann grundsätzlich nur mit einem schlüssigen Gutachten eines Sachverständigen (Nachvollziehbarkeit und Schlüssigkeit selbstverständlich vorausgesetzt) über den technischen (und nicht den wirtschaftlichen Hintergrund beleuchtenden) Bauzustand erbracht werden; Selbiges gilt auch für gebraucht angeschaffte und (zuvor bereits langjährig) genutzte Gebäude (vgl. Doralt, a.a.O., Tz 159 zu § 16 EStG 1988; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, Tz 22 zu § 8 EStG 1988; ; ; ; ; ; ).

Durch Vorlage eines Gutachtens kann bei Nachweis einer kürzeren technischen Lebens- bzw. Nutzungsdauer, ein höherer AfA-Satz als der gesetzlich vorgeschriebene angesetzt werden. Voraussetzung ist ein nachvollziehbar dargelegtes, schlüssiges Gutachten über den technischen Bauzustand; insbesondere die fundamentalen und tragenden Bauteile betreffend. Das Ergebnis sowie die Überlegungen, welche zu diesem gebäudespezifisch individuellen Ergebnis führen, sind nachvollziehbar zu dokumentieren und schlüssig zu begründen. Ein Gutachten, das die zu begutachtenden Tatsachen (Stichwort: "Technischer Bauzustand") nicht ausreichend erhebt und bezeichnet und keine klaren Aussagen zum maßgeblichen Sachverhalt trifft, ist als Beweismittel untauglich; was umso mehr gilt, wenn keinerlei ziffernmäßig nachvollziehbare Berechnung aus dem (nicht vorhandenen) individuellen, gebäudespezifischen Befundteil selbst, sondern eine schematisch simple Ableitung ("Fiktive" Gesamtnutzungsdauer minus Gebäudealter = Restnutzungsdauer) von empirisch erhobenen, durchschnittlichen, vorrangig an der wirtschaftlichen Nutzung orientierten, statistisch gemittelten Gesamtnutzungsdauer-Tabellen aus der Fachliteratur erfolgt.

I.) Technischer Bauzustand im konkreten Fall / Gutachten:

Im konkreten Fall gehen weder das Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer selbst noch die Erläuterungen zum Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer konkret auf den Bauzustand oder auf sonstige Baumängel des streitgegenständlichen Gebäudes ein.

Die einzigen, weder dem Grunde, noch der Höhe nach, diesbezüglichen Hinweise finden sich unter Pkt. 2.6 u. Pkt. 2.7 des Gutachtens (vgl. S. 4), unter welchen

a) der Zustand der (Dach-)Deckung mit den (drei im weiteren Verlauf völlig unkommentierten) Worten "Hagelschaden" und "minder gut" beschrieben wird und
b) ebenso unkommentiert werden die Ausstattung der Räumlichkeiten mit "minder gut" u.
c) die sonstigen Flächen als gärtnerisch "minder gut" gestaltet beschrieben.

Zitat Gutachten BM ***3*** S. 4

Bauweise Erdgeschoss: Massivbau
Dachraum: Holzkonstr,
Art des Daches Satteldach
Zustand der Deckung Hagelschaden "minder gut"
Ausstattung der Räumlichkeiten:
Die Räumlichkeiten sind "minder gut" ausgestattet
Die Raumfolge sowie deren Nutzung sind "gut" gelöst.

Darüber hinaus finden sich zum technischen Bauzustand des Gebäudes keine weiteren nachvollziehbaren Beweismittel (Atteste, Befundungen, Erläuterungen oder ähnliches) und ergo dessen auch keine beweiskräftigen Schlussfolgerungen, weshalb der gutachterliche Nachweis für eine kürzere (Rest-)Nutzungsdauer als missglückt anzusehen ist.

Auf die nachstehende Fachliteratur der Sachverständigen (SV) Kothbauer/Reithofer wird verwiesen:

"Notwendigkeit einer Befundaufnahme über den Bauzustand":
(Vgl. Kothbauer/Reithofer in Liegenschaftsbewertungsgesetz - Praxiskommentar, Linde 2013, ad § 3 Liegenschaftsbewertungsgesetz 1992 - Allgemeine Regeln zur Bewertung, Steuerrecht u. Abgabenverfahren, Restnutzungsdauer; S. 86)
"Vor dem Hintergrund der Rechtslage ist es für nicht rechtswidrig zu befinden, dass die belangte Behörde den Nachweis einer kürzeren als der in § 16 Abs. 1. Z 8 lit. d EStG 1988 festgelegten durchschnittlichen Restnutzungsdauer als nicht erbracht angesehen hat, wenn weder das Gutachten noch ein "Ergänzungsschreiben" des Gutachters konkret auf den Bauzustand oder sonstige Baumängel der in Rede stehenden Gebäude eingehen. Soweit vorgetragen wird, bei Gebäuden, die der Ertragswerterzielung dienten, sei die wirtschaftliche Nutzungsdauer vorrangig und vom Gutachter in seiner Ertragswertberechnung auf Grund der anerkannten Fachliteratur in Verbindung mit seiner Berufserfahrung" mit 15 Jahren geschätzt worden, wird übersehen, dass der Gutachter hier allgemeine Durchschnittswerte der Fachliteratur herangezogen, aber keine Aussagen über den konkreten Bauzustand oder Baumängel der in Rede stehenden Gebäude getroffen hat." ( = ZLB 2010, 52)

Im Übrigen wird in Bezug auf die minder gute Dachdeckung im gesamten 6-textseitigen Gutachten (inkl. 5-textseitigen Erläuterungen; Seite 1-3 ist mit Gutachten vollinhaltlich ident) weder auf den Aspekt einer in Anspruch zu nehmenden "Hagelschaden"-Versicherung noch auf eine (bereits erfolgte) Sanierung bei eventueller Gefahr im Verzug (sei es durch die Vermieter- oder Mieterseite) eingegangen. Da im Kaufvertrag über das Gebäude v. keinerlei Aussagen über etwaige Dachdeckungs- oder sonstige Bauschäden getroffen werden und im Mietvertrag v. selben Tag () die Übernahme des Bestandobjektes in gutem Zustand bestätigt wird, ist dieser gutachterliche nicht näher beschriebene Schaden weder von seiner Entstehung noch von seinem Ausmaß bzw. seiner Sanierung[skosten] im Detail nachvollziehbar und deshalb als Beweismittel untauglich*.
* vgl. : Unüberprüfbare Behauptungen sind kein taugliches "Sachverständigengutachten" bzw. kein Beweismittel.

II.) GESAMTNUTZUNGSDAUERTABELLEN: Wirtschaftliche Nutzung hat Vorrang

Die von Baumeister ***3*** in demselben Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer aufgestellte Behauptung, im Ergebnis der "wirtschaftlichen" Nutzungsdauer des Gebäudes sei sowohl die technische, als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer berücksichtigt, muss aus nachstehenden Gründen entschieden zurückgewiesen werden:

(1) Gesamtnutzungsdauertabellen: Statistische & durchschnittliche Werte

Bei der aus der Fachliteratur ("Kranewitter, Liegenschaftsbewertung, 6. Auflage, 2010, S. 74 f") entnommenen durchschnittlichen ("üblichen") Gesamtnutzungsdauer von 35 Jahren handelt es sich nicht um eine konkret auf das individuell zu bewertende Gebäude bezogen zu ermittelnde technische, sondern um eine statistische und durchschnittliche Nutzungsdauer. "Eine schlüssige Ermittlung der im Einzelfall anzusetzenden kürzeren Restnutzungsdauer setzt ein Eingehen auf den konkreten Bauzustand des Gebäudes voraus. Die Ermittlung einer fiktiven Gesamtnutzungsdauer, von der das Alter des Gebäudes abgezogen wird, bildet keine taugliche Grundlage zur Schätzung der Restnutzungsdauer" (EStR 2000, RZ 6444)

(2) Gesamtnutzungsdauertabellen: Wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer

Bei der (aus der Fachliteratur "Kranewitter, Liegenschaftsbewertung, 6. Auflage, 2010, S. 74 f" entnommenen) durchschnittlichen ("üblichen") gutachterlich in Ansatz gebrachten Gesamtnutzungsdauer von 35 Jahren handelt es sich nicht um eine technische, sondern um eine wirtschaftliche Nutzungsdauer.

Gesamtnutzungsdauertabellen: Berücksichtigung technischer u. wirtschaftlicher Aspekte = Behauptung ohne Begründung: Keine Beweiskraft

Der Behauptung, die übliche Gesamtnutzungsdauer berücksichtige in angemessener Weise sowohl die technische Lebensdauer als auch wirtschaftliche Nutzungsdauer, kann mangels jedweder, geschweige denn sachlich schlüssiger Begründung (weder im Gutachten noch bei Kranewitter) keine Beweiskraft zugemessen werden.

Basierend auf deutschen immobilienbewertungswissenschaftlichen Änderungen sind spätestens seit Erscheinen des Runderlasses des (deutschen) Bundesministeriums für Bau vom alle in der Fachliteratur publizierten "Gesamtnutzungsdauertabellen" ebenso ausnahmslos wie vorrangig im Lichte der wirtschaftlichen Nutzbarkeit (und nicht der technisch möglichen Standdauer) zu sehen, zu lesen und zu würdigen.

Erläuternd darf hierzu auf die gesamte, insbes. aber auf nachstehende, einschlägige deutsche und österreichische Fachliteratur mit besonderem Blick auf Bienert-Funk, Immobilienbewertung Österreich, (1., 2. u.) 3. Auflage 2014, Seite 300 ff, wo auch in den Tabellen per se ebenso unmissverständlich wie transparent und offen zum Ausdruck kommt, dass es sich bei den empirisch erhobenen, tabellarisch aufgearbeiteten Durchschnittswerten um die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer handelt, verwiesen werden.

Kleiber, Verkehrswertermittlung von Grundstücken, 6. Auflage, 2010, S. 896 (Rn 377) bzw. 7. Auflage, 2014, S. 850 (Rn 859) mit Bezug auf Rd. Erl. des BM Bau vom (BAnz Nr. 199 von 193, 9630)
Für die Ermittlung des Verkehrswertanteiles baulicher Anlagen ist allein die an der wirtschaftlichen Nutzungsfähigkeit orientierte wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer und nicht die technische Lebensdauer von Bedeutung. Die Tabellen der Anlagen 5, 7 und 8 der WERTR 96 geben lediglich die technische Lebensdauer an, die die oberste Grenze der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer darstellt.*²
) Rd. Erl. des BM Bau vom (BAnz Nr. 199 von 193, 9630 = GuG 1994, 42)

Ross/Brachmann - Ermittlung des Verkehrswertes (Marktwertes) von Grundstücken und des Wertes baulicher Anlagen, 29. Auflage, 2005 (Seite 113, 115, 117)
"1.3.8 Bestimmung der Nutzungsdauer (S. 113)
Der früher im Zusammenhang mit der Sachwertermittlung verwendete Begriff "Lebensdauer" ist in der Wertermittlungspraxis dem für alle Wertermittlungsverfahren einheitlichen Begriff "Nutzungsdauer" gewichen.
Damit wird deutlich, dass es bei einem Bauwerk im Zusammenhang mit der Ermittlung seines Wertes in erster Linie auf die mögliche Dauer seiner wirtschaftlichen Nutzung und nicht auf die technisch mögliche Standdauer ankommt. Allerdings wird die Dauer der wirtschaftlichen Nutzung ihrerseits durch die "technische Lebensdauer" begrenzt."
Die Nutzungsdauer ist nicht unbedingt mit der gesamten Lebenserwartung eines Gebäudes identisch. Unter der "Gesamtnutzungsdauer" einer baulichen Anlage ist der Zeitraum zu verstehen, während dem die Anlage - ordnungsgemäße Unterhaltung und Bewirtschaftung vorausgesetzt - wirtschaftlich genutzt werden kann....

Bienert/Funk, Immobilienbewertung Österreich, 3. Auflage, 2014, S. 298 ff
Unter Gesamtnutzungsdauer (kurz: GND) wird die übliche gesamte Nutzungs-/ Lebensdauer verstanden, die einer baulichen Anlage bei ordnungsgemäßer Instandhaltung beizumessen ist. Es wird dabei weiter zwischen der technischen und der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer differenziert. Bei der Verwendung von mehreren Bewertungsverfahren muss immer dieselbe Aussage zu der Nutzungsdauer getroffen werden (vgl. auch Kapitel II. 4.6, S. 372 ff.).
Die technische Gesamtnutzungsdauer hängt vom physischen Bestand der Rohbauteile, wie Fundamente, Außenwände, Decken und Treppen, von der Art der verwendeten Baustoffe, von der Konstruktion und der Güte der Bauausführung sowie von der Nutzungs- und Instandhaltungsintensität ab.
Die tragenden Bauteile weisen oft eine technische Lebensdauer von mehr als 200 Jahren auf. Schneller alternde Bauteile und Ausbauelemente werden entsprechend der Gebäudenutzung mehrmals getauscht...
Durch bautechnische Maßnahmen lässt sich die technische GND fast beliebig verlängern -mit entsprechenden Auswirkungen auf die laufenden Instandhaltungskosten. Ein Beispiel bilden unter Denkmalschutz stehende Gebäude, die bereits seit Jahrhunderten erhalten werden und durchaus wirtschaftlichen Zwecken dienen können.
Die wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer wird durch jenen Zeitraum bestimmt, in dem das Gebäude wirtschaftlich nutzungsfähig ist. Sie wird durch den Zeitraum der Verwertbarkeit der Gebäude am Markt entsprechend ihrer Zweckbestimmung vorgegeben.230
Die wirtschaftliche GND (Gesamtnutzungsdauer) ist je nach Nutzungsart des Gebäudes von unterschiedlichen Faktoren abhängig, deren Relevanz sich im Laufe der Zeit verändern kann.
230 vgl. Engelbrecht (1998), S. 14

Wirtschaftliche Gesamtnutzungsdauer in Jahren
Kauf- und Warenhäuser ……… 40 - 80 Jahre
Einkaufszentren und Selbstbedienungsmärkte...…… 20 - 40 Jahre

(4) Gebäude von Mieterin am in gutem Zustand übernommen

Laut Pkt. VII ("Instandhaltung und Reparaturen") des Bestandvertrages v. zwischen den Bestandgebern (***Bf***) und der Bestandnehmerin (***1***, ***2***) bestätigt die Bestandnehmerin, das gesamte Bestandobjekt (= Grundstück mit beschwerdegegenständlichem Gebäude im Gesamtausmaß von 602 m2) in gutem und verwendungsfähigem Zustand übernommen zu haben.

(Vgl. Zitat Bestandvertrag Seite 3/11: […])

(5) Spekulative Vermutung - "Totalsanierung" in 25 bis 35 Jahren

Auch das vielmehr spekulative und hellseherische (ohne Angabe jedweder technischer Atteste oder Befunde) Vorbringen in den Erläuterungen zum Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer, dass die im Weiteren ins Treffen geführten Bauteile nach 25 bis 35 Jahren zu erneuern seien, was rechnerisch dargestellte Sanierungskosten von insgesamt Eur 650,-/m² Bruttogrundfläche nach sich ziehe, vermag mangels jedweder sachlicher Nachvollziehbarkeit, geschweige denn dokumentierter Schlüssigkeit [gemeint wohl: nicht] zu überzeugen. Im Übrigen wäre diesbezüglich unter anderem auch insbesondere auf die vertraglichen Instandhaltungs-, Sanierungs- und Erhaltungspflichten des Mieters (***1***) It. bestehendem Mietvertrag Bedacht zu nehmen.

Nicht zuletzt ist die (Fachliteratur) Quelle für den, diesen (dem Grunde und der Höhe nach behaupteten) Sanierungskosten mit insgesamt Eur 650,- /m² Bruttogrundfläche gegenüber gestelltem Richtpreis für Herstellungskosten für Massivhallen i.H.v. Eur 550,-/m² Bruttogrundfläche den gutachterlichen Äußerungen nicht zu entnehmen.

Anzumerken ist, dass dem Gutachten sowie den Erläuterungen weder nachvollziehbare Baupläne noch Baubeschreibungen beiliegen.

Die deutschen Neuherstellungskosten 2010 (NHK 2010) einschließlich Umsatzsteuer und Baunebenkosten für Kauf- und Warenhäuser liegen je nach Standardstufe zwischen Eur 1.320,- (Standardstufe 3) und Eur 1.850,- (Standardstufe 5). Umgerechnet auf österreichische Verhältnisse also noch vor einer Valorisierung mit dem Baupreisindex 2010 (zu 2014) netto zwischen Eur 1.260,- und Eur 1.765,- (Umrechnungsfaktor Deutschland: Österreich 2014: 0,954) und mit dem ca. 2,8-fachen weit jenseits von dem gutachterlich für Hallen ins Treffen geführten Richtpreis von Eur 550,-/m2 Bruttogrundfläche.

III.) ZITATE - GUTACHTEN:

Bei dem eingebrachten Privatgutachten vom handelt es sich um ein "Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Geschäftsgebäudes ***9***" zum Stichtag .

Das Gutachten besteht mit Deckblatt aus insgesamt 6 Textseiten, 8 Anhang-Seiten (Planfragment, Baubewilligungsbescheid, Benützungsbewilligungsbescheid) und 9 Fotoseiten. Ein Textteil den technischen Bauzustand bzw. die technische Nutzungsdauer des streitgegenständlichen Gebäudes im Besonderen betreffend, ist dem Gutachten nicht zu entnehmen.
Die Ermittlung der Nutzungsdauer erfolgt rein schematisch auf Basis einer fiktiven, statistisch gemittelten Gesamtnutzungsdauer (aus der Fachliteratur).

Ermittlung "Wirtschaftliche Nutzungsdauer" It. Gutachten:

Zitat Gutachten S. 5 [Pkt. 3.2. …]

Zitat Gutachten S. 6 [Pkt. 3.4. und 3.5. …]

Da den Ausführungen des Gutachtens in Bezug auf nachstehende Befundungen nichts zu entnehmen ist, muss nicht zuletzt auch angesichts der Bestätigung im bereits erwähnten Mietvertrag v. ("Übernahme Gebäude im guten Zustand") davon ausgegangen werden, dass vom Gutachtenersteller derartige Untersuchungen mangels Abweichung(en) von der Norm unterblieben sind:

(1) der Bau-, noch der Erhaltungszustand
(2) die Funktionalität der gesamten Haustechnik
(3) die statische Qualität der tragenden und konstruktiven Bauteile
(4) allfällige Kontaminierungen
(5) verlorener Bauaufwand oder Anfangswertminderung

IV.) CONCLUSIO:

Das Privatgutachten ist aus den o.a. Gründen für den Nachweis einer kürzeren als der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer (mit einem AfA-Satz von 1,5 %) ungeeignet. Die jährliche AfA ist mit 1,5% von den Anschaffungskosten i.H.v. 172.947,- mit Eur 2.594,- (statt bisher mit 5,26 % bzw. Eur 9.097,-) in Ansatz zu bringen.

Zusammenfassende Begründung:

Wie bereits auf dem Deckblatt des Gutachtens unmissverständlich ausgeführt, handelt es sich

a) um ein Gutachten für die wirtschaftliche Nutzungsdauer, welches

b) von einer durchschnittlichen wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer (mit Verweis auf Fachliteratur Kranewitter) von 35 Jahren ausgeht und im Weiteren enthält

c) das Gutachten keinen qualifizierten gebäudebezogenen Befundteil über den technischen Bauzustand und

d) reduziert sich die gesamte schematische "Nutzungsdauerermittlung" auf eine in der Gewichtung nicht dargestellte, fiktive durchschnittliche Gesamtnutzungsdauer von 35 Jahren, von welcher das Alter von 16 Jahren in Abzug gebracht wird.

Wirtschaftliche tabellarische fiktive Gesamtnutzungsdauer: 35 Jahre
abzüglich Alter: - 16 Jahre
= Restnutzungsdauer: 19 Jahre

Im Gutachten wird übersehen, dass hier allgemeine Durchschnittswerte der Fachliteratur auf Basis einer empirisch erhobenen, statistisch gemittelten "wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer" zu Grunde gelegt werden und eine schlüssige, im Einzelfall gebäudeanalytisch nachvollziehbar befundete und technisch begründete Ermittlung gutachterlich weder vom Sachverhalt noch von den Schlussfolgerungen dokumentiert ist.

V.) RECHTSPRECHUNG und FACHLITERATUR:

Schlussendlich darf auf nachstehende Rechtsprechung und Fachliteratur verwiesen werden:

VwGH - Rechtsprechung:

  1. Das vom Steuerpflichtigen vorgelegte Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung durch die Behörde ()

  2. Maßgeblich ist in der Regel die technische und nicht die wirtschaftliche Nutzungsdauer (; , 2004/15/0006)

  3. Die Beweislast einer kürzeren Nutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen (, 1994, 457; E , 97/13/0098, 2003, 183; , 2002/15/0192, 2005, 244).

  4. Ein Gutachten muss, um als schlüssig und nachvollziehbar gelten zu können, die maßgeblichen ziffernmäßigen Ausgangswerte nennen sowie die konkreten Überlegungen und Berechnungsmethoden darstellen. (; ).

  5. Enthält ein Gutachten keinen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer, dann ist es als Nachweis einer geringeren als der gesetzlichen Nutzungsdauer ungeeignet, ohne dass es weiterer Ermittlungsschritte der Behörde bedarf ().

  6. An Hand welcher Befunde die Restlebensdauer ermittelt wurde, wird nicht begründet. ()

  7. Maßgeblich ist in der Regel die technische und nicht die wirtschaftliche Nutzungsdauer (; , 2004/15/0006).

Fachliteratur:

Krammer/Schiller/Schmidt/Tanczos, Sachverständige u. ihre Gutachten, Manz 2012, s. 72f: Nachvollziehbar ist ein Gutachten, wenn ein Laie die Entwicklung der Gedanken des Sachverständigen im Gutachten verstehen und zuordnen kann. Nachprüfbar ist ein Gutachten, wenn ein Fachmann den Inhalt und die Ansätze bis ins Detail überprüfen kann. [...]

RIS-Justiz RS 0040363: Privatgutachten haben den Rang von (Privat-)Urkunden, die lediglich beweisen können, dass ihr Inhalt der Ansicht des Verfassers entspricht.

Ross-Brachmann, Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken u. des Wertes baulicher Anlagen; 29. Auflage, 2005, 117: So liegt beispielsweise die technische Lebensdauer von Mauerwerken aus Ziegelstein bei 100 - 200 Jahren.

Prof. Dr. Werner Doralt, Kommentar zum Einkommensteuergesetz (12. Lfg), § 16 Tz 159: Bei der Nutzungsdauer spricht das Gesetz weder von einer technischen, noch von einer wirtschaftlichen Nutzungsdauer, doch räumt der VwGH bei Mietgebäuden der technischen Nutzungsdauer den Vorrang ein. Soweit zu sehen ist, gibt es keine Erkenntnis, in der der VwGH eine kürzere wirtschaftliche Nutzungsdauer anerkannt hat (vgl. E , 2004/15/0006, 2007, 544 mwN; vgl. Twardosz, ÖStZ 2005, 3008). Soweit die technische Nutzungsdauer einer allenfalls kürzeren wirtschaftlichen Nutzungsdauer nicht Rechnung trägt, ist die wirtschaftliche Abnutzung erst im Wege einer AfaA geltend zu machen (E , 2000/1[4]/0110, 2006, 5)

Mag. Erich Lochmann, Artikel SWK 12/2004, 441:
Wertermittlung von Liegenschaften im Steuerrecht mittels Schätzgutachten - Bindung der Abgabenbehörde an Gutachten?
Bei Verkehrswertschätzungen werden Restnutzungsdauern vom Sachverständigen in der Regel angenommen. Bei einem Gutachten zum Nachweis der kürzeren als der gesetzlichen Nutzungsdauer sind ziffernmäßige Berechnungen vorzunehmen. Diese Berechnungen müssen, um als schlüssig und nachvollziehbar zu gelten, die ziffernmäßigen Ausgangswerte nennen sowie die konkreten Überlegungen und Berechnungsmethoden darstellen. (; , 2000/03/0195).

Dr. Michael Kotschnigg, Artikel SWK 29/2004, 852:
Der Nachtweis einer kürzeren Nutzungsdauer bei Gebäuden - Das Gutachten als Beweismittel
Das eigentliche Gutachten besteht in den tatsächlichen Schlussfolgerungen (vgl. Stoll, BAO, 1862) aus dem Befund. Der Sachverständige hat über den maßgeblichen (und fraglichen) Sachverhalt je nach Beweisthema ein Urteil abzugeben und dieses auch zu begründen, (Schimetschek, FJ 1975, 153).
Geht es um die Restnutzungsdauer, so muss das Gutachten Auskunft darüber geben, wie lange das Gebäude in diesem Betrieb, objektiv betrachtet, wirtschaftlich noch genutzt werden kann. Das schließt ziffernmäßige Berechnungen mit ein, die nicht nur Ausgangswerte, sondern auch konkrete Überlegungen samt Berechnungsmethoden enthalten ().

Kothbauer/Reithofer, Liegenschaftsbewertungsgesetz (Linde 2013, S. 86):
Ad § 3 LBG, Pkt. 8 Steuerrecht, b) Restnutzungsdauer cc) wirtschaftliche versus technische Nutzungsdauer
Soweit vorgebracht wird, der VwGH (Verwaltungsgerichtshof) sehe in seiner Rechtsprechung wirtschaftliche Aspekte als wesentlich an und lasse allgemeine Erfahrungswerte neben konkreten Zuständen gelten, wird mit diesen allgemeinen Ausführungen vernachlässigt, dass der Begriff der "wirtschaftlichen Nutzungsdauer" in der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung nicht besteht. Sollte vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Gebäude nicht mehr gegeben sein, käme auch im Bereich der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung (§ 16 Abs. 1 Z. 8 i.V.m. § 8 Abs. 4 EStG 1988) in Betracht (vgl. das hg Erkenntnis vom , 2002/15/0192). ( = ZLB 2010, 57)

FH Doz. Mag. Christoph Kothbauer, Artikel ZLB 3/2010, 57:
Rechtsprechung zur Restnutzungsdauer von Gebäuden
Überdies besteht der Begriff der "wirtschaftlichen Nutzungsdauer" in der anzuwendenden gesetzlichen Bestimmung nicht. Sollte vor dem Ende der technischen Nutzungsdauer die wirtschaftliche Nutzbarkeit der Gebäude nicht mehr gegeben sein, käme eine außergewöhnliche wirtschaftliche Abnutzung nach § 16 Abs. 1 Z. 8 in Verbindung mit § 8 Abs. 4 EStG 1988 in Betracht ()

7. Mit Vorlageantrag vom wurde die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht beantragt.

8. Im Vorlagebericht vom beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde und verwies auf das Gutachten des bundesweiten Fachbereichs.

II. Über die Beschwerde wurde erwogen:

1. Sachverhalt

1. Die Beschwerdeführer (in der Folge kurz: Bf.) erwarben mit Kaufverträgen vom April 2014 die Liegenschaft EZ ***4***, Grundbuch ***5*** mit dem Grundstück Nr. ***6*** von der ***7*** zum Zweck der Vermietung an die ***1*** (s. Kaufvertrag vom ) sowie das darauf befindliche, als Superädifikat errichtete Gebäude von der ***8*** GmbH (s. Kaufvertrag vom ). Die Anschaffungskosten des Gebäudes inkl. Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf € 172.945,26 (s. Kaufvertrag vom und Anlagenverzeichnis).

2. Die Bf. vermieteten dieses Gebäude ab an die ***1*** zwecks Betriebs eines Einzelhandelsgeschäftes mit Waren aller Art durch die Bestandnehmerin mit überwiegend Artikeln des täglichen Bedarfs, wie Lebensmitteln und Non Food 1-Produkten (s. Bestandvertrag vom ).

3. Das Gebäude wurde im Jahr 1998 in Massivbauweise mit Satteldach (Stahlbetonskelett bzw. Mauerwerk, Leimholz, massive Wände) errichtet (s. Erläuterungen zum Gutachten) und in der Folge als Lebensmittelgeschäft genutzt (s. Kaufvertrag vom ). Zum Zeitpunkt des Erwerbs war das Gebäude in gutem und verwendungsfähigem Zustand (s. Bestandvertrag vom ).

4. Zur Untermauerung des geltend gemachten Abschreibungssatzes von 5,26% legten die Bf. ein Gutachten eines Baumeisters zum Zweck der Ermittlung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer zum Stand November 2014 (s. Gutachten, Pkt. 1.1.) vor. Der Ersteller des Gutachtens führte einen Lokalaugenschein am durch (s. Gutachten, Pkt. 1.5.). Zu diesem Zeitpunkt bestanden Hagelschäden am Dach und an der Fassade sowie einzelne Setzungsrisse (s. Gutachten, Pkt. 3.3.). Dass es sich dabei um das Mauerwerk bzw. die konstruktiven und haltbaren Bauteile beeinträchtigende Schäden gehandelt habe, geht aus dem Gutachten nicht hervor und ist nicht anzunehmen. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass diese Beschädigungen bereits im Zeitpunkt des Erwerbs bestanden haben.

Die Restnutzungsdauer von 19 Jahren wurde im Gutachten errechnet indem das Alter des Gebäudes (16 Jahre) von der durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer von Handelsimmobilien lt. Heimo Kranewitter (30-50 Jahre bei Geschäfts- und Kaufhäusern bzw. 20-30 Jahre bei Supermärkten; im Durchschnitt: 35 Jahre; s. Gutachten, Pkt. 3.2.) abgezogen wurde (s. Gutachten, Pkt. 3.5.). Auf den konkreten Bauzustand des vermieteten Gebäudes wurde dabei nicht Bedacht genommen.

2. Beweiswürdigung

Der Sachverhalt ergibt sich aus den in Klammer angeführten Unterlagen und aufgrund folgender Überlegungen:

Hinsichtlich des Bauzustands wurde im vorgelegten Gutachten ausgeführt, dass "der derzeitige Bauzustand (Hagelschaden am Dach und Fassade sowie einzelne Setzungsrisse etc.) eventuell zusätzlich zu betrachten" sei. Der Zustand der Deckung wurde im Gutachten mit "Hagelschaden / minder gut" beschrieben.

Konkretere Angaben dazu finden sich im Gutachten nicht. Es ist dem Gutachten nicht zu entnehmen, ob es sich beim Hagelschaden und den einzelnen Setzungsrissen um rein optische Beeinträchtigungen handelt oder diese Auswirkungen auf das Mauerwerk bzw. die konstruktiven und haltbaren Bauteile habe, die deren Nutzungsdauer verringern. Im zweiten Fall wären die Schäden nicht nur "eventuell" (lt. Gutachten, Pkt. 3.3.), sondern jedenfalls zu betrachten. Hätte es sich um gravierende Mängel gehandelt, wären sie wohl bei der Gutachtenserstellung berücksichtigt worden.

Ein Lokalaugenschein zur Gutachtenserstellung wurde erst sieben Monate nach Erwerb der Liegenschaft durchgeführt. Das Gutachten geht nur auf den Bauzustand im November 2014 ein, nicht aber auf den Zustand zum Zeitpunkt des Erwerbs, im April 2014. Angaben zum Zeitpunkt des Entstehens des Hagelschadens und der Setzungsrisse wurden nicht gemacht.

Im Bestandvertrag wurde zwar festgehalten, dass bei Übernahme des Gebäudes die Bodenfliesen und Deckenplatten bereits beschädigt waren, und wurde vereinbart, dass die beschädigte Gebäudekante und die kaputte Asphaltdecke am Parkplatz seitens der Bestandnehmerin repariert werden. Sonstige Schäden am Dach oder an der Fassade wurden aber nicht erwähnt, sondern bestätigte die Bestandnehmerin, das Bestandobjekt in gutem Zustand übernommen zu haben. Hätten die im Gutachten angeführten Mängel zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits bestanden, wären diese wohl ebenso wie die vorgenannten Beschädigungen im Bestandsvertrag angeführt worden. Im Übrigen treten Hagenschäden in der Regel in der warmen Jahreszeit - also erst nach April - auf. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass die Schäden erst nach Erwerb der Liegenschaft entstanden sind.

In den Erläuterungen zum Gutachten (Pkt. 3.3.) wurde zusätzlich ausgeführt, dass die Wärmedämmung (ca. 10 cm) nicht dem derzeitigen Stand der Technik (30 cm) entspreche und außerdem die Bodenfliesen im Verkaufs- und Lagerbereich abgenützt, vergraut und in einem schlechten Zustand seien. Im Bestandvertrag (Pkt. VII.4.) wurde festgehalten, dass bei Übernahme des Gebäudes die Bodenfliesen bereits beschädigt waren und daher nicht seitens der Bestandgeber instandhaltungspflichtig waren. Weder eine verbesserungswürdige Wärmedämmung noch eine Abnutzung von Bodenfliesen (für welche die Bestandgeber ohnehin nicht instandhaltungspflichtig sind) haben Einfluss auf die Nutzungsdauer des Gebäudes durch die Bestandgeber.

Es wurden weder im Gutachten noch in den Erläuterungen zum Gutachten Umstände dargelegt, die nahelegen würden, dass das Gebäude entgegen der Bestätigung im Bestandvertrag (Pkt. VII.1) nicht in gutem und verwendungsfähigem Zustand übernommen worden sei. Ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder statische Probleme wurden nicht nachgewiesen.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1. Zu Spruchpunkt I. (Abweisung)

§ 16 Abs. 1 Z 8 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) idF BGBl. I Nr. 112/2012 lautet auszugsweise:

(1) Werbungskosten sind die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung oder Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder Wertminderungen von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies im Folgenden ausdrücklich zugelassen ist. […] Werbungskosten sind auch:

8. Absetzungen für Abnutzungen und für Substanzverringerungen (§§ 7 und 8). Gehört ein abnutzbares Wirtschaftsgut (insbesondere Gebäude) nicht zu einem Betriebsvermögen, gilt für die Bemessung der Absetzung für Abnutzung oder Substanzverringerung Folgendes:

a) Grundsätzlich sind die tatsächlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu Grunde zu legen. Bei der Ermittlung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten sind § 6 Z 11 und 12 zu berücksichtigen. § 13 ist anzuwenden.

[…]

d) Bei Gebäuden, die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, können ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5% der Bemessungsgrundlage (lit. a bis c) als Absetzung für Abnutzung geltend gemacht werden.

§ 167 Bundesabgabenordnung (BAO) normiert:

(1) Tatsachen, die bei der Abgabenbehörde offenkundig sind, und solche, für deren Vorhandensein das Gesetz eine Vermutung aufstellt, bedürfen keines Beweises.

(2) Im Übrigen hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht.

Gemäß § 16 Abs. 1 Z 8 lit. d EStG 1988 können bei Gebäuden, die nicht zu einem Betriebsvermögen gehören und die der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dienen, ohne Nachweis der Nutzungsdauer jährlich 1,5 % der Bemessungsgrundlage als AfA geltend gemacht werden. Mit dieser Vorschrift stellt das Gesetz die Vermutung im Sinne des § 167 Abs. 1 BAO auf, dass die Nutzungsdauer eines Gebäudes, das der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung dient, 66 2/3 Jahre und nicht weniger beträgt. Die Beweislast für die Widerlegung dieser Vermutung mit der Behauptung des Vorliegens einer kürzeren Restnutzungsdauer trifft den Steuerpflichtigen, wobei ein solcher Beweis im Regelfall durch die Vorlage eines Sachverständigengutachtens zu erbringen ist (vgl. z.B. , mwN). Das vom Steuerpflichtigen vorgelegte Gutachten unterliegt der freien Beweiswürdigung (vgl. ).

Unter Nutzungsdauer im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 8 lit. d EStG 1988 ist die normale technische und wirtschaftliche Nutzungsdauer zu verstehen. Sie ist keine errechenbare, sondern nur eine im Schätzungswege feststellbare Größe. Gründe für einen schnelleren Wertverzehr als im Gesetz angenommen, hat der Steuerpflichtige nachzuweisen. Dem Steuerpflichtigen steht es frei, den Gegenbeweis zu führen und durch Vorlage eines Sachverständigengutachtens eine kürzere Nutzungsdauer, d.h. einen höheren Hundertsatz darzutun (vgl. ).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH kann der Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer grundsätzlich nur mit einem Gutachten über den (technischen) Bauzustand erbracht werden (vgl. z.B. ). Ein zur Entkräftung der gesetzlich vermuteten Nutzungsdauer erstelltes Gutachten muss jedenfalls auf den konkreten Bauzustand eingehen und einen nachvollziehbaren Bezug zwischen dem Befund und der vom Gutachter angesetzten Restnutzungsdauer herstellen (vgl. ).

Im vorgelegten Gutachten wurde auf den konkreten Bauzustand nur sehr rudimentär eingegangen (s. Pkt. 2. Befund: Bauweise: Erdgeschoss: Massivbau; Dachraum: Holzkonstr.; Art des Daches: Satteldach; Zustand der Deckung: Hagelschaden "minder gut"). Die restlichen Ausführungen unter Pkt. "2. Befund" betreffen die für die Ermittlung der Nutzungsdauer des Gebäudes nicht relevante Flächenaufstellung, Ausstattung der Räumlichkeiten, Art der Fußböden und Fenster, die Außenanlagen etc. Unter Pkt. "3.3. Begründung" wurde ausgeführt: "Weiters ist der derzeitige Bauzustand (Hagelschaden am Dach und Fassade sowie einzelne Setzungsrisse etc.) eventuell zusätzlich zu betrachten." Keine der Angaben zum Bauzustand fanden Eingang in die Berechnung der Restnutzungsdauer, sondern es wurden zur Schätzung der Restnutzungsdauer nur die "übliche Gesamtnutzungsdauer" für Kaufhäuser und Supermärkte lt. Heimo Kranewitter herangezogen. Es besteht somit keinerlei Zusammenhang zwischen einem Befund hinsichtlich des konkreten Bauzustands und der angesetzten Restnutzungsdauer, sodass schon aus diesem Grund das Gutachten nicht geeignet ist, die gesetzlich vermutete Nutzungsdauer zu entkräften.

Während für die Gesamtnutzungsdauer eines neu errichteten Wohngebäudes in erster Linie die Bauweise maßgebend ist, hängt die Restnutzungsdauer eines erworbenen Gebäudes vornehmlich vom Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbes ab; hiebei ist auch auf Beeinträchtigungen aus verschiedensten Ursachen und auf die Vernachlässigung der notwendigen Erhaltungsarbeiten Bedacht zu nehmen. Als Umstände, auf Grund derer eine kürzere als die durchschnittliche Nutzungsdauer eines Gebäudes angenommen werden müssten, kämen z.B. ein schlechter Bauzustand, schlechte Bauausführungen oder besondere statische Probleme in Betracht (vgl. ).

Die Nutzungsdauer ist aus dem Bauzustand abzuleiten, der sich aus dem Mauerwerk bzw. den konstruktiven haltbaren Bauteilen ergibt (vgl. VwGH, , 2004/13/0091). Die kürzere Nutzungsdauer einzelner anderer Gebäudebestandteile, wie etwa Innenputz, Außenputz, Böden, Fenster, Geländer, Anstrich, Tapeten, Elektro-, Gas- und Wasserinstallationen, rechtfertigt es nicht, für ein Haus eine geringere als die sich aus den konstruktiven und haltbaren Bauteilen ergebende technische Gesamtnutzungsdauer abzuleiten (vgl. , mwN).

Im Zeitpunkt des Erwerbes befand sich das Gebäude in einem guten Bauzustand. Daran ändern auch abgenützte Bodenfliesen und eine 10 cm dünne Wärmedämmung nichts, da kürzere Nutzungsdauern dieser Gebäudebestandteile keine kürzere Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes rechtfertigen. Abgesehen davon, dass nicht nachgewiesen wurde, dass die Hagelschäden am Dach und an der Fassade sowie die einzelnen Setzungsrisse zum Zeitpunkt des Erwerbs bereits bestanden haben, liegen auch keine Hinweise darauf vor, dass diese ein Ausmaß erreicht haben, dass sie die Nutzungsdauer des Mauerwerks bzw. die Statik beeinträchtigt haben. Ein schlechter Zustand des Mauerwerks bzw. der konstruktiven und haltbaren Bauteile, schlechte Bauausführungen oder statische Probleme wurden im Gutachten nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen.

In den Erläuterungen zum Gutachten vom (Pkt. "3.4. Erläuterungen zur Gesamtnutzungsdauer des Geschäftsgebäudes") wurden durchschnittliche Herstellungs- ("Richtpreis für Herstellungskosten in €/m² Bruttogrundfläche") und Sanierungskosten anhand der durchschnittlichen Lebensdauer von Bauteilen "aus der Praxis" gegenübergestellt. Als Sanierungskosten wurden dabei Kosten für Bauteile, die laut Gutachter nach 25 bis 35 Jahren zu erneuern seien (z.B. für Dachrinnen, Wärmedämmung, Fußbodenpflasterung, Fenster, Türen, Haustechnik, Fassade/ Innenputz und Parkplatz), angesetzt. Wie sich z.B. aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs , Ra 2020/15/0119 (mit Verweis auf ) ergibt, hat die kürzere Nutzungsdauer dieser Gebäudebestandteile aber keinen Einfluss auf die Gesamtnutzungsdauer des Gebäudes.

Unter technischer Abnutzung ist der materielle Verschleiß eines Wirtschaftsgutes, somit sein Substanzverzehr, unter wirtschaftlicher Abnutzung hingegen die Verminderung oder das Aufhören der Verwendungsmöglichkeit eines Wirtschaftsgutes für den Steuerpflichtigen zu verstehen (). Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes richtet sich nicht nach dem Zeitraum der voraussichtlichen Benutzung durch den jeweiligen Besitzer oder nach anderen subjektiven Erwägungen, sondern nach der objektiven Möglichkeit einer Nutzung des Wirtschaftsgutes ().

Im Erkenntnis des , wurde ausgeführt, dass das Gebäude auch noch nach 50 Jahren technisch nutzbar sein werde, weswegen die vermieteten Anteile auch noch nach Ablauf der auf den Betrieb eines Kaufhauses bezogenen wirtschaftlichen Nutzungsdauer zur Erzielung von Einkünften verwendet werden könnten; die im Gutachten mit 50 Jahren angegebene wirtschaftliche Nutzungsdauer für den Betrieb eines Kaufhauses berühre nicht die Rechtssphäre der Beschwerdeführer, sondern die des in den vermieteten Geschäftsräumlichkeiten ein Kaufhaus betreibenden Mieters, weshalb die Beschwerde als unbegründet abgewiesen wurde.

Im vorgelegten Gutachten wurde von der "üblichen Gesamtnutzungsdauer von Handelsimmobilien" ausgegangen und damit nur auf die durchschnittliche wirtschaftliche Nutzungsdauer eines Kaufhauses oder Supermarkts abgestellt. Die darüberhinausgehende technische Nutzbarkeit und die objektive Möglichkeit der Nutzung des Gebäudes wurden dabei - entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs - nicht berücksichtigt.

Eine Ermittlung der Restnutzungsdauer durch den Abzug des Alters des Gebäudes von der Gesamtnutzungsdauer ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zulässig (vgl. ). Es ist vielmehr vom technischen Bauzustand ausgehend die verbleibende Restnutzungsdauer zu schätzen (vgl. ; , 2004/13/0091, mwN).

Die Restnutzungsdauer wurde im Gutachten nicht anhand des technischen Bauzustands, sondern ausschließlich durch Abzug des Alters des Gebäudes von der geschätzten (durchschnittlichen) Gesamtnutzungsdauer ermittelt, was jedoch nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts nicht zulässig ist.

Die voraussichtliche Nutzungsdauer ist ab dem sich aus § 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988 ergebenden Zeitpunkt (insbesondere dem Zeitpunkt der Anschaffung) zu ermitteln. Ein Gutachten, das von der Nutzungsdauer im Zeitpunkt einer späteren Erstellung des Gutachtens ausgeht, ist daher bereits vom Ansatz her methodisch verfehlt (vgl. ). Erfolgt die Befundaufnahme längere Zeit nach dem Bewertungsstichtag, wird der Gutachter daher auch Aussagen darüber zu treffen haben, auf Grund welcher Anhaltspunkte (Vorliegen zeitnaher Dokumentationen, Hinweise auf vorgenommene Erhaltungsarbeiten, Nutzungsintensität) aus dem vorgefundenen Ist-Zustand auf die zum früheren Bewertungsstichtag gegebenen Verhältnisse geschlossen werden konnte (vgl. ).

Im Gutachten (Pkt. 3.5.) wurde unter Verweis auf ausgeführt, dass die Restnutzungsdauer im Wesentlichen vom Bauzustand zum Zeitpunkt der Bewertung abhänge. Tatsächlich stellt der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom , 92/15/0127 RS 4 nicht auf den Zeitpunkt der Bewertung, sondern den Zeitpunkt des Erwerbes ab. Dem rund sieben Monate nach Erwerb erstellten Gutachten ist nicht zu entnehmen, dass z.B. der Hagelschaden bereits im Zeitpunkt des Erwerbs bestanden habe. Da das Gutachten nicht auf den Bauzustand im Zeitpunkt des Erwerbs abgestellt hat, ist das Gutachten auch insofern methodisch verfehlt.

In der Beschwerde vom wurde vorgebracht, dass die bisherige restriktive Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch im Zusammenhang mit der bis zur Einführung der Steuerbarkeit privater Grundstücksveräußerungen fehlenden Steuerhängigkeit von Mietgebäuden zu sehen sei und daher zu erwarten sei, dass der Verwaltungsgerichtshof zukünftig seine Rechtsprechung der geänderten Rechtslage anpassen werde und auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer berücksichtigen werde. Wie die oben angeführten aktuellen Erkenntnisse zeigen, ist aber die vom steuerlichen Vertreter der Bf. erwartete Änderung der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs nicht eingetreten.

Zusammenfassend ergibt sich somit, dass im Gutachten keine hinreichenden Aussagen über den konkreten Bauzustand, die Qualität der Bauausführung oder im Zeitpunkt des Erwerbs bestehende, zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der konstruktiven und haltbaren Bauteile führender Schäden, getroffen wurden. Die Restnutzungsdauer wurde ausschließlich durch Abzug des Alters des Gebäudes von der geschätzten, durchschnittlichen Gesamtnutzungsdauer ermittelt. Der konkrete Bauzustand im Erwerbszeitpunkt wurde nicht berücksichtigt. Das Gutachten ist daher nicht geeignet, die gesetzlich vermutete Nutzungsdauer von 66 2/3 Jahre zu widerlegen.

Die Beschwerde ist daher als unbegründet abzuweisen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. (Revision)

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im gegenständlichen Fall sind die zu klärenden Rechtsfragen durch die zitierte ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entschieden, sodass eine Revision nicht zulässig ist.

Linz, am

Zusatzinformationen


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Materie
Steuer
betroffene Normen
ECLI
ECLI:AT:BFG:2023:RV.5100905.2016

Datenquelle: Findok — https://findok.bmf.gv.at