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VwGH vom 21.07.2021, Ro 2021/13/0001

VwGH vom 21.07.2021, Ro 2021/13/0001

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer sowie den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des P in N, vertreten durch die Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte-Partnerschaft in 1030 Wien, Baumannstraße 9/11, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7103601/2019, betreffend Einkommensteuer 2016, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Im Bericht über das Ergebnis einer Außenprüfung vom betreffend u.a. Einkommensteuer 2016 wurde festgehalten, der Revisionswerber habe nach dem Tod seiner (im März 1927 geborenen und im Dezember 2015 verstorbenen) Mutter Leistungen aus dem Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer Niederösterreich erhalten. Es seien eine Bestattungsbeihilfe in Höhe von 4.000 € und Hinterbliebenenunterstützung in Höhe von 34.066,03 € ausgezahlt worden. Diese Hinterbliebenenunterstützung beinhalte u.a. einen „Ablebensversicherungsanspruch“ nach der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer in Höhe von 28.549,52 €. Alle diese Leistungen seien beim Revisionswerber als Rechtsnachfolger zu besteuern; ein Betriebsausgabenpauschale stehe insoweit nicht zu.

2Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt - nach Wiederaufnahme des Verfahrens - die Einkommensteuer 2016 fest. In der Begründung verwies das Finanzamt auf die Feststellungen der abgabenbehördlichen Prüfung, die dem Prüfungsbericht zu entnehmen seien.

3Der Revisionswerber erhob (u.a.) gegen diesen Bescheid Beschwerde.

4Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

5Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht. Darin machte der Revisionswerber im Wesentlichen geltend, die nunmehr strittigen Beträge hätten bereits im Rahmen der Betriebsaufgabe seiner Mutter aktiviert und versteuert werden müssen. In einer weiteren Eingabe machte der Revisionswerber überdies geltend, seine Mutter sei mit Beendigung ihrer Tätigkeit aus Altersgründen Ende März 1994 aus der Ärzteliste gestrichen worden. Sie habe sodann freiwillig als außerordentliche Kammerangehörige der Ärztekammer angehört; dazu habe sie freiwillig laufende Beiträge zur Hinterbliebenenversorgung an den Wohlfahrtsfonds entrichtet. Die Hinterbliebenenunterstützung beruhe auf diesen freiwilligen Beiträgen.

6Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Mutter des Revisionswerbers habe bis zu ihrer Pensionierung im März 1994 als selbständige Fachärztin ordiniert; sie habe (verpflichtend) als ordentliches Mitglied der Ärztekammer für Niederösterreich angehört. Mit ihrer Pensionierung habe die Mutter jede ärztliche Tätigkeit eingestellt; sie sei aus der Ärzteliste gestrichen worden.

8Ab April 1994 habe die Mutter eine Altersversorgung durch den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich bezogen. Nach ihrem Ausscheiden als ordentliches Mitglied habe die Mutter auf Grund einer Beitrittserklärung freiwillig als außerordentliches Mitglied der Ärztekammer für Niederösterreich und dessen Wohlfahrtsfonds angehört. Ihr wäre es jederzeit möglich gewesen, diese freiwillige Mitgliedschaft - bei Verlust des Leistungsanspruchs - zurückzulegen.

9Von den Altersversorgungsbezügen seien vom Wohlfahrtsfonds zuletzt monatlich 58,40 € an Beiträgen für die Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung einbehalten worden. Ein Teil hievon sei aus der Lohnsteuerbemessungsgrundlage ausgeschieden worden.

10Der Revisionswerber habe nach dem Tod seiner Mutter vom Wohlfahrtsfonds über seinen Antrag im Jahr 2016 folgende Leistungen erhalten:

11Bestattungsbeihilfe (4.000 €); Hinterbliebenenunterstützung direkt aus dem Wohlfahrtsfonds (5.516,51 €); „persönlicher Ablebensversicherungsanspruch“ (28.549,52 €).

12Die Zahlungen an den Revisionswerber seien vom Wohlfahrtsfonds als nicht lohnsteuerpflichtig angesehen worden und daher keinem Lohnsteuerabzug unterworfen worden.

13Während ihrer Berufstätigkeit als Ärztin sei die Mutter des Revisionswerbers ordentliches Mitglied der Ärztekammer gewesen und habe als solche Beiträge an die Kammer gemäß deren Beitragsordnung zu leisten gehabt, die gemäß der Beitragsordnung auch der Finanzierung von Bestattungsbeihilfe und Hinterbliebenenunterstützung gedient hätten. Mit Einstellung ihrer ärztlichen Tätigkeit sei die Mutter des Revisionswerbers als ordentliches Mitglied der Ärztekammer ausgeschieden. Unmittelbar nach ihrem Ausscheiden als ordentliches Mitglied habe sie sich freiwillig als außerordentliche Kammerangehörige eintragen lassen. Auch als außerordentliche Kammerangehörige sei die Mutter gemäß § 41 Ärztegesetz 1984 und später gemäß § 69 Ärztegesetz 1998 unter anderem verpflichtet gewesen, die in der Umlagenordnung und in der Beitragsordnung festgesetzten Umlagen und Beiträge zu leisten.

14Der Wohlfahrtsfonds sei ein zweckgebundenes Sondervermögen der Ärztekammer und habe unter anderem an Hinterbliebene im Falle des Ablebens eines anspruchsberechtigten Kammerangehörigen Leistungen zu erbringen.

15Gemäß § 76 Abs. 1 Ärztegesetz 1984 hätten sich außerordentliche Kammerangehörige zur Leistung von Beiträgen „freiwillig verpflichten“ können, um in den Genuss der Leistungen des Wohlfahrtsfonds zu gelangen. § 24 Abs. 1 der Satzung der Ärztekammer wiederhole diesen Gesetzeswortlaut.

16§ 12 Abs. 3 der Beitragsordnung normiere, dass Bezieher einer Pensionsleistung aus dem Wohlfahrtsfonds mit einem Leistungsanspruch gemäß § 38 Abs. 1 lit. b oder Abs. 1a der Satzung des Wohlfahrtsfonds einen Monatsbeitrag in Höhe von 58,40 € zu entrichten hätten. In § 12 Abs. 3 der Beitragsordnung sei von einer Freiwilligkeit der Beitragszahlung keine Rede. Allerdings sei der freiwillige Beitritt Grundlage für die - auf die Dauer der Kammerzugehörigkeit - verpflichtende Beitragszahlung gewesen. Ein Anspruch auf die verfahrensgegenständlichen Leistungen habe nur bestanden, wenn die Beiträge ordnungsgemäß entrichtet worden seien.

17Gemäß § 11 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds könnten sich die außerordentlichen Kammerangehörigen über ihren Antrag zur Leistung von Beiträgen zum Wohlfahrtsfonds freiwillig verpflichten, um den Anspruch auf den Genuss der Leistungen dieses Fonds zu erwerben. Mit dieser Wortwahl sei offenbar gemeint, dass der Beitritt als außerordentliches Kammermitglied freiwillig erfolge. Im Fall eines Beitritts seien jedoch die Beiträge gemäß § 12 Abs. 3 Beitragsordnung verpflichtend zu zahlen.

18Es sei der Mutter des Revisionswerbers freigestanden, als Pensionistin die Beitragspflicht jederzeit durch Austritt aus der Kammer - unter Verlust eines entsprechenden Leistungsanspruches - zu beenden.

19Die Mutter des Revisionswerbers sei der Verpflichtung zur Zahlung eines Beitrags gemäß § 12 Abs. 3 der Beitragsordnung - im Wege der Einbehaltung des Beitrags von der Pension - nachgekommen.

20Es sei unstrittig, dass es sich bei den gegenständlichen Zahlungen um Vorteile aus Versorgungseinrichtungen oder Unterstützungseinrichtungen einer Kammer der selbständig Erwerbstätigen handle und dass diese Vorteile einmalig und nicht wie eine Pension laufend ausbezahlt worden seien.

21Damit sei der Abgabentatbestand des § 22 Z 4 EStG 1988 erfüllt und somit die Beschwerde bereits entschieden. Die Zahlungen seien jeweils zur Gänze beim Revisionswerber als Einkünfte gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 zu erfassen. Das Gesetz setze nicht voraus, dass Einmalzahlungen an Bezugsberechtigte auf Pflichtbeiträge der verstorbenen Ärztin zurückzuführen seien.

22Eine Betriebsausgabenpauschalierung komme hier nicht in Betracht und sei im Beschwerdeverfahren auch nicht mehr geltend gemacht worden; andere Betriebsausgaben seien hiezu nicht behauptet worden und seien auch nicht ersichtlich.

23Unbeschadet der eigenartigen Formulierung („freiwillig verpflichten“) seien auch hinsichtlich der Beiträge der Mutter für den Wohlfahrtsfonds Pflichtbeiträge vorgelegen. Der freiwillige Beitritt zu einer Körperschaft öffentlichen Rechts bedeute nicht, dass die auf Grund dieses Beitritts von der Körperschaft verpflichtend vorgeschriebenen Beiträge freiwillig geleistet würden.

24Die Mutter des Revisionswerbers sei ab ihrem freiwilligen Beitritt zur Zahlung der Beiträge verpflichtet gewesen; allfällige Beitragsrückstände seien auch nach dem Verwaltungsvollstreckungsrecht einzubringen gewesen. Es habe sich daher um Pflichtbeiträge der Mutter gehandelt; diese seien von der Mutter bei der Veranlagung als Betriebsausgaben geltend zu machen gewesen. Ob die Beiträge der Mutter in der Vergangenheit tatsächlich steuerlich berücksichtigt worden seien, sei aber für die Beurteilung als Pflichtbeitrag nicht maßgebend.

25In Bezug auf Einmalleistungen von Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen kenne das Gesetz aber kein Erfordernis, dass diese auf Pflichtbeiträgen beruhten; es sehe auch keine gänzliche oder teilweise Steuerfreistellung von Einmalleistungen vor.

26Die Revision sei zulässig, weil sich der Verwaltungsgerichtshof bisher nicht ausdrücklich mit der Frage zu befassen gehabt habe, ob Zahlungen der Ärztekammer an Hinterbliebene einer Ärztin, die als aus der Ärzteliste gestrichenes freiwilliges außerordentliches Mitglied einer Ärztekammer weiter an diese Beiträge geleistet habe, steuerfrei zu belassen seien, weil die geleisteten Beiträge auf diesen freiwilligen Beitritt zur Ärztekammer zurückzuführen seien.

27Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom , E 3907/2020-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab. In der Begründung führte der Verfassungsgerichtshof aus, die Beschwerde behaupte die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zu diesen Rechten (vgl. VfSlg. 18.031/2006 zum Leistungsfähigkeitsprinzip) sowie vor dem Hintergrund des Beschwerdefalls lasse ihr Vorbringen die behaupteten Rechtsverletzungen, aber auch die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht oder die Verletzung in einem sonstigen Recht wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass sie keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.

28Gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts wendet sich auch die vorliegende Revision. Der Revisionswerber bekämpft die Besteuerung des „Ablebensversicherungsanspruches“ von 28.549,52 €; unstrittig ist hingegen, dass die Bestattungsbeihilfe (4.000 €) sowie die Hinterbliebenenunterstützung (5.516,51 €) steuerpflichtig sind.

29Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

30Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

31Nach § 32 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 gehören zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 EStG 1988 u.a. auch Einkünfte aus einer ehemaligen betrieblichen Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 3 EStG 1988, und zwar jeweils auch beim Rechtsnachfolger.

32Gemäß § 22 Z 4 EStG 1988 sind Bezüge und Vorteile aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit sie nicht unter § 25 EStG 1988 fallen, Einkünfte aus selbständiger Arbeit.

33Dass es sich bei den hier zu beurteilenden (einmaligen) Leistungen nicht um solche nach § 25 EStG 1988, insbesondere nicht um Pensionen aus der gesetzlichen Sozialversicherung gleichartigen Bezügen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, handelt, ist im Verfahren unbestritten (vgl. ebenso , mwN).

34Sowohl der Revisionswerber als auch das Finanzamt gehen davon aus, dass von § 22 Z 4 EStG 1988 nur Leistungen erfasst sind, die auf gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 als Betriebsausgaben abzugsfähigen Pflichtbeiträgen zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen beruhten (ebenso die Verwaltungsmeinung in EStR 2000 Rz 5297 f; vgl. auch Doralt, EStG8, § 22 Tz 187 f; Kirchmayr/Geringer in Doralt et al, EStG21, § 25 Tz 62); strittig zwischen den Parteien ist die Frage, ob Pflichtbeiträge vorliegen. Das Bundesfinanzgericht nimmt hingegen an, für die Besteuerung nach § 22 Z 4 EStG 1988 komme es nicht darauf an, ob die Leistung auf abzugsfähigen Pflichtbeiträgen beruhte.

35Dem Wortlaut nach setzt § 22 Z 4 EStG 1988 nicht voraus, dass die zu beurteilenden Bezüge oder Vorteile auf abzugsfähigen Pflichtbeiträgen beruhten. § 22 Z 4 EStG 1988 dient zur steuerlichen Erfassung von Bezügen und Vorteilen aus Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, denen kein Pensionscharakter zukommt (vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Einkommensteuergesetznovelle 1974, BGBl. Nr. 469, 1201 BlgNR 13. GP 13; vgl. auch , VwSlg. 7198/F). Insbesondere dient diese Bestimmung somit der Erfassung von - wie hier vorliegend - einmaligen Leistungen (vgl. , VwSlg. 5549/F).

36Gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 sind (und waren) u.a. Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen, Betriebsausgaben.

37Maßgebend für die Abgrenzung zwischen nach dieser Bestimmung zu behandelnden Pflichtbeiträgen und - allenfalls als Sonderausgaben zu berücksichtigenden - freiwilligen Beiträgen ist, ob die Beitragsleistung den Steuerpflichtigen auf Grund einer zwingenden Vorschrift trifft, deren Anwendungsbereich er nicht entrinnen kann (vgl. , VwSlg. 4904/F; , 91/13/0150; , 93/14/0003; , 2009/15/0189, mwN). Unter Pflichtbeiträgen versteht das Gesetz jene, die auf Grund einer „Zwangsmitgliedschaft“ zu gesetzlichen Interessensvertretungen zu entrichten sind (vgl. ).

38Die hier strittige Hinterbliebenenunterstützung nach § 38 Abs. 1 lit. b der Satzung des Wohlfahrtsfonds (persönlicher Ablebensversicherungsanspruch) wird (nur) im Fall des Ablebens eines Mitgliedes des Wohlfahrtsfonds gewährt.

39Mitglieder des Wohlfahrtsfonds sind nach § 11 der Satzung des Wohlfahrtsfonds u.a. die ordentlichen Kammerangehörigen der Ärztekammer, also Ärzte, die in der von der Ärztekammer geführten Ärzteliste eingetragen sind und ihren Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausüben und - im Allgemeinen - keine Alters- oder sonstige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds beziehen (§ 68 Abs. 1 Ärztegesetz 1998).

40Im Zeitraum, in dem die Mutter des Revisionswerbers in die Ärzteliste eingetragen war und den ärztlichen Beruf ausgeübt hat, war sie ordentliche Kammerangehörige. Als solche war sie auch Mitglied des Wohlfahrtsfonds und zur Entrichtung von Beiträgen verpflichtet (unbestritten auch nach früheren Satzungen und Beitragsordnungen). Dieser Beitragspflicht konnte die Mutter des Revisionswerbers nicht „entrinnen“; bei diesen Beiträgen handelte es sich - im Verfahren unbestritten - um Pflichtbeiträge.

41Mit Beendigung der Ausübung des ärztlichen Berufes mit Ablauf von März 1994 wurde die Mutter des Revisionswerbers aus der Ärzteliste gestrichen. Sie war damit nicht mehr ordentliche Kammerangehörige. Ihre Eigenschaft als außerordentliche Kammerangehörige der Ärztekammer beruhte darauf, dass sie sich freiwillig als solche eintragen ließ (§ 40 Abs. 4 Ärztegesetz 1984; § 2 Abs. 2 Satzung der Ärztekammer 1993; vgl. nunmehr § 68 Abs. 5 Ärztegesetz 1998). Als außerordentliche Kammerangehörige war sie noch nicht ohne Weiteres Mitglied des Wohlfahrtsfonds. Außerordentliche Kammerangehörige können sich aber „über ihren Antrag zur Leistung von Beiträgen zum WFF freiwillig verpflichten, um den Anspruch auf den Genuss der Leistungen dieses Fonds zu erwerben“ (§ 11 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds in der Fassung vom ; ebenso § 24 Abs. 2 der Satzung der Ärztekammer 1993; § 76 Ärztegesetz 1984; vgl. nunmehr § 109 Abs. 9 Ärztegesetz 1998).

42Wenn § 12 Abs. 3 der Beitragsordnung der Ärztekammer Niederösterreich normiert, dass Bezieher einer Pensionsleistung aus dem Wohlfahrtsfonds mit einem Leistungsanspruch (u.a.) gemäß § 38 Abs. 1 lit. b der Satzung einen Monatsbeitrag in Höhe von 58,40 € zu entrichten haben, so setzt diese Beitragspflicht - wie schon aus dieser Bestimmung hervorgeht - einen Leistungsanspruch nach § 38 Abs. 1 lit. b der Satzung voraus. Ein derartiger Leistungsanspruch besteht aber (im Allgemeinen; eine Ausnahme wären etwa Bezieher einer Pensionsleistung, die aber weiterhin regelmäßig ärztlich tätig sind und daher nach § 68 Abs. 1 Ärztegesetz 1988 ordentliche Kammerangehörige sind) nur dann, wenn der Bezieher der Pensionsleistung sich freiwillig als außerordentlicher Kammerangehöriger hat eintragen lassen und sich überdies zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet hat.

43Die Beitragszahlung nach Beendigung der aktiven ärztlichen Tätigkeit beruht sohin in zweifacher Weise auf einer freiwilligen Entscheidung der Mutter des Revisionswerbers. Eine freiwillig eingegangene Verpflichtung begründet aber keine Pflichtbeiträge (vgl. neuerlich , VwSlg. 4904/F; vgl. weiters ).

44Es lagen somit bis März 1994 Pflichtbeiträge der Mutter vor, die nach § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 als Betriebsausgaben berücksichtigt werden konnten; darauf, ob sie tatsächlich einkommensmindernd berücksichtigt wurden, kommt es nicht an (vgl. etwa , VwSlg. 7230/F; , 2005/14/0099, VwSlg. 8186/F). Ab April 1994 sind diese Beiträge hingegen als freiwillig zu beurteilen.

45Eine fehlende steuerliche Berücksichtigung von zu steuerpflichtigen Einnahmen führenden Ausgaben widerstreitet dem Sachlichkeitsgebot (vgl. , VwSlg. 8132/F, unter Hinweis auf , VfSlg. 10.101). Eine derartige Verfassungswidrigkeit kann allenfalls durch eine einschränkende Auslegung (teleologische Reduktion) vermieden werden (vgl. etwa , VfSlg. 18.031). Ein derartiger Verstoß gegen das Sachlichkeitsgebot kann aber auch dadurch vermieden werden (vgl. neuerlich : „Bedenken [...] aus der Zusammenschau der Beitrags- und der Leistungsseite [...]“), dass Beitragszahlungen - in verfassungskonformer Auslegung - (in voller Höhe) allenfalls als Sonderausgaben berücksichtigt werden (vgl. etwa , VwSlg. 8132/F; , 2003/15/0046; vgl. auch ).

46Die Rechtsfigur der teleologischen Reduktion (oder Restriktion) verschafft der ratio legis gegen einen überschießend weiten Gesetzeswortlaut Durchsetzung. Voraussetzung ist stets der Nachweis, dass eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen wird und dass sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit unterscheidet, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt oder willkürlich wäre. Die „verdeckte“ Lücke besteht im Fehlen einer nach der ratio notwendigen Ausnahme (vgl. , mwN).

47Steht die Hinterbliebenenunterstützung nach dem Ableben eines aktiv tätigen Arztes (also eines ordentlichen Kammerangehörigen) zu, so beruht diese Hinterbliebenenunterstützung in voller Höhe auf Pflichtbeiträgen. Steht die Hinterbliebenenunterstützung hingegen nach dem Ableben eines außerordentlichen Kammerangehörigen zu, so beruht diese Hinterbliebenenunterstützung zum Teil auf Pflichtbeiträgen, zum Teil auf freiwilligen Beiträgen. Die Höhe dieser Hinterbliebenenunterstützung beträgt unabhängig von der Beitragshöhe (für aktive Ärzte hängt der monatliche Beitrag vom „Beitrittsalter“ ab; für Bezieher einer Pensionsleistung beträgt der monatliche Beitrag jeweils 58,40 €) und unabhängig von der Dauer der Beiträge jeweils 28.549,52 €. Wenn auch die Hinterbliebenenunterstützung (in der mit in Kraft getretenen Fassung der Satzung) nur dann gewährt wird, wenn die Beiträge „mindestens in den drei Monaten vor dem Ereigniseintritt oder bei kürzerer Mitgliedschaftsdauer seit Beginn der Mitgliedschaft entrichtet oder unverschuldet nicht entrichtet“ wurden (nach der vorangegangenen Fassung war erforderlich, dass diese Beiträge „für mindestens 3 Monate vor dem Ereigniseintritt“ entrichtet oder unverschuldet nicht entrichtet worden waren), so ändert sich die Höhe dieser Leistung durch die freiwilligen Beiträge nicht.

48Da insgesamt nur drei allenfalls freiwillige Monatsbeiträge in Höhe von jeweils 58,40 € erforderlich sind, um diesen Anspruch in Höhe von 28.549,52 € zu wahren, ist im Hinblick auf diese Fallgruppe eine Einschränkung des Wortlautes im Sinne einer teleologischen Reduktion selbst dann nicht erforderlich, wenn die freiwilligen Beiträge nicht (in voller Höhe) das steuerpflichtige Einkommen mindernd berücksichtigt werden konnten.

49Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

50Von der vom Revisionswerber beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

51Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021130001.J00

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