VwGH vom 30.06.2022, Ro 2021/07/0007

VwGH vom 30.06.2022, Ro 2021/07/0007

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Dr. Bachler, Mag. Haunold, Mag. Stickler und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision der Gemeinde Radfeld, vertreten durch Mag. Mathias Kapferer, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Burggraben 4/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG-2020/37/1113-36, betreffend die Anerkennung der Bildung eines Wasserverbands und gleichzeitige Beiziehung einer widerstrebenden Minderheit nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Tirol; mitbeteiligte Parteien: 1. Gemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister Ing. A M in B, 2. Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister Ing. R P in B, 3. Gemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister B Z in K, 4. Marktgemeinde K, vertreten durch den Bürgermeister A H in K, 5. Stadtgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister B F inR, 6. Stadtgemeinde W, vertreten durch die Bürgermeisterin H W in W, 7. T AG in I, 8. A GmbH in I, 9. Ö AG in W und 10. Land Tirol, Landesstraßenverwaltung in 6020 Innsbruck, Herrengasse 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Gemeinde hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1In einer gemeinsamen Gründungsversammlung vom erklärten die mitbeteiligten Parteien auf der Grundlage einer ausgearbeiteten Satzung, dem zu gründenden Wasserverband „Hochwasserschutz Unteres U.-Tal“ (in der Folge als „Wasserverband“ bezeichnet) freiwillig als Mitglieder beizutreten. Gleichzeitig beschlossen die mitbeteiligten Parteien mehrheitlich, die revisionswerbende Gemeinde als dem Wasserverband widerstrebende Minderheit zwangsweise beizuziehen.

2Die §§ 1 und 2 der Satzung des Wasserverbands lauten wörtlich:

§ 1 Name, Rechtspersönlichkeit und Sitz des Verbandes

(1) Der Wasserverband führt den Namen Wasserverband Hochwasserschutz Unteres U.-Tal und ist auf Grund einer freien Vereinbarung der Mehrheit der daran Beteiligten gebildet.

(2) Er hat seinen Sitz bei der Geschäftsstelle im Baubezirksamt Kufstein.

(3) Mit der Rechtskraft des die freie Vereinbarung der Mehrheit der daran Beteiligten unter gleichzeitiger Beiziehung der widerstrebenden Minderheit anerkennenden Bescheides der Aufsichtsbehörde erlangt der Verband Rechtspersönlichkeit als Körperschaft öffentlichen Rechtes. Der Anerkennungsbescheid schließt die Genehmigung der Satzungen in sich.

§ 2 Zweck und Umfang des Verbandes

(1) Die Tätigkeit des Verbandes erstreckt sich auf den I inklusive der Rückstaubereiche der Zubringer von Flusskilometer *** orographisch links und Flusskilometer *** orographisch rechts im Gemeindegebiet A bis Flusskilometer *** orographisch links im Gemeindegebiet K und Flusskilometer *** orographisch rechts im Gemeindegebiet B.

(2) Zwecke des Verbandes sind:

1.die Errichtung von schutzwasserbaulichen Maßnahmen: Hochwasserrückhalt und lineare Maßnahmen, auf Grundlage des generellen Projektes mit der Bezeichnung ‚Hochwasserschutz Tiroler U.-Tal INN - Maßnahmenplanung Unteres U.-Tal‘ und des sich daraus ergebenden wasserrechtlich bewilligten Einreichprojektes für den Inn.

2.die Instandhaltung und Sanierung der bereits bestehenden und der neu errichteten bzw. in Hinkunft zu errichtenden Hochwasserschutzbauten,

3.die Kontrolle, Betreuung und Instandhaltung bestehender und wasserrechtlich bewilligter Verbandsanlagen zum Hochwasserschutz am I“

3Mit Schreiben vom beantragten die mitbeteiligten Parteien unter Vorlage des Protokolls der Gründungsversammlung vom samt Anwesenheitsliste und der Satzung des Wasserverbands die wasserrechtliche Bewilligung „der Satzungen“ nach § 88a Wasserrechtsgesetz 1959 (WRG 1959).

4Mit Bescheid der belangten Behörde vom wurde der Wasserverband anerkannt (Spruchpunkt I.), die revisionswerbende Gemeinde als widerstrebende Minderheit dem Wasserverband zwangsweise beigezogen (Spruchpunkt II.), die Satzung des Wasserverbands genehmigt (Spruchpunkt III.) sowie den Anträgen der revisionswerbenden Gemeinde jeweils vom auf „Bestellung eines externen Gutachters“ und „Abweisung des Ansuchens auf wasserrechtliche Bewilligung und Bewilligung der Satzung nach § 88a WRG 1959“ und vom auf „Ablehnung des Landeshauptmannes als formell zuständige Behörde“ nicht stattgegeben (Spruchpunkt IV.)

5Die dagegen erhobene Beschwerde der revisionswerbenden Gemeinde wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die ordentliche Revision erklärte es für zulässig.

6Das Verwaltungsgericht führte - soweit für den vorliegenden Revisionsfall von Bedeutung - begründend aus, Ziel des Wasserbands sei der Hochwasserschutz für ein mehrere Gemeinden des unteren U.-Tals umfassendes Gebiet. Der Wasserverband diene somit dem in § 73 Abs. 1 lit. a iVm. § 87 Abs. 1 WRG 1959 definierten Zweck. Mitglieder dieses Verbands seien Rechtspersonen im Sinn des § 87 Abs. 2 und 3 WRG 1959.

7Nach § 88a Abs. 3 WRG 1959 habe die Wasserrechtsbehörde nach Ermittlung aller für die Bildung des Wasserverbands maßgebenden Umstände zunächst den Umfang des Unternehmens klarzustellen und zu bestimmen, welche Beteiligten in welchem Ausmaß bei Bildung des Wasserverbands als beteiligt anzusehen seien.

8§ 2 Abs. 2 Z 1 der Satzung des Wasserverbands nehme ausdrücklich Bezug auf ein genau bezeichnetes generelles Projekt. Gemäß dem generellen Projekt „Hochwasserschutz Tiroler U.-Tal I - Maßnahmenplanung Unteres U.-Tal“ seien zum Schutz des Siedlungsraums in der revisionswerbenden Gemeinde Linearmaßnahmen am I und ein Rückstaudamm am östlichen Ortsrand vorgesehen. Der Rückstaudamm sei dabei Teil der Umschließungsdämme des Rückhalteraums R-K, der zur Kompensation der maßnahmenbedingten Hochwasserverschärfung (Erhöhung des Spitzenabflusses) vorgesehen sei.

9Für das Siedlungsgebiet in der revisionswerbenden Gemeinde solle durch die Maßnahmen des genannten generellen Projekts ein Schutz gegenüber einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100) hergestellt werden. Grundlage für dieses generelle Projekt sei die „Regionalstudie Tiroler U.-Tal“ gewesen, bei der bereits in Abstimmung mit der Raumordnung ein Maßnahmenkonzept für den Hochwasserschutz erarbeitet worden sei. Das auf Basis dieser Regionalstudie erstellte Projekt „Hochwasserschutz U.-Tal I bis K“ sei Gegenstand einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gewesen. Mit dem auch der revisionswerbenden Gemeinde zugestellten Bescheid der belangten Behörde vom sei festgestellt worden, dass für die Abschnitte A, B und C dieses Projekts eine UVP nicht durchzuführen sei. Abschnitt A (B-K-K) entspreche im Wesentlichen jenem Bereich, auf den sich die Tätigkeit des Wasserverbands beziehe. Das Vorbringen der revisionswerbenden Gemeinde, die Aufteilung des Tiroler U.-Tal in drei verschiedene Abschnitte diene lediglich der Vermeidung eines „UVP-Beteiligungsverfahrens“, sei daher nicht nachvollziehbar.

10Für die Planungsperiode 2016 bis 2021 sei auf Basis des WRG 1959 der erste Nationale Hochwasserrisikomanagementplan (RMP 2015) erlassen worden. Die revisionswerbende Gemeinde liege im Risikogebiet „I - K bis S. (APSFR ****)“. Für dieses Risikogebiet werde unter der „Maßnahme M03 - einzugsgebietsbezogene Konzepte und Planungen zur Verbesserung des Wasser- und Feststoffhaushaltes erstellen“ die „Regionalstudie Tiroler U.-Tal“ mit dem Status „Planung abgeschlossen“ angeführt und (damit) ein Bezug zur angeführten Regionalstudie hergestellt.

11Unter Berücksichtigung der für das genannte Risikogebiet getroffenen Festlegungen und des erstellten generellen Projekts sei der Umfang - und damit auch die Art - des Unternehmens im Sinn des § 88a Abs. 1 WRG 1959 in § 2 der Satzung des Wasserverbands hinreichend bestimmt. Für die Gründung des Wasserverbands und die Beiziehung der widerstrebenden revisionswerbenden Gemeinde sei eine detailliertere Festlegung der beabsichtigten Hochwasserschutzmaßnahmen nicht erforderlich. Die konkrete Umsetzung und damit auch die Detailplanung der im generellen Projekt enthaltenen planerischen Vorgaben sei gemäß § 43 Abs. 1 WRG 1959 Aufgabe des Wasserverbands.

12Zum Vorbringen der revisionswerbenden Gemeinde, wonach ein von ihr näher umschriebenes alternatives Konzept des Hochwasserschutzes und in diesem Zusammenhang insbesondere das Potential der alpinen Retentionsflächen vollkommen außer Acht gelassen worden sei, hielt das Verwaltungsgericht fest, diese Retentionsflächen zielten darauf ab, Spitzenabflüsse durch Hochwasserrückhalt oberhalb des verfahrensgegenständlichen Projektgebiets zu reduzieren. Die revisionswerbende Gemeinde räume aber selbst ein, dass dieses Potential stark vom Umsetzungswillen und den realen Möglichkeiten abhänge. Dementsprechend habe eine Prüfung der Machbarkeit/Umsetzbarkeit etwa von Speichern/Rückhaltebecken im Einzugsgebiet des I nicht stattgefunden. Darüber hinaus seien diese theoretischen Rückhaltewirkungen maßgeblich von den definierten Randbedingungen abhängig.

13Das Verwaltungsgericht erachtete allerdings folgenden Umstand als wesentlich:

14Mit der Nationalen Hochwasserrisikomanagementplanverordnung 2015 (RMPV 2015) sei der RMP 2015 veröffentlicht und seine Kapitel 4 (Angemessene Ziele des Hochwasserrisikomanagements) und 5 (Maßnahmenplanung) für verbindlich erklärt worden. Kapitel 5 enthalte auch das Bundesland Tirol betreffende allgemeine Ausführungen.

15Gemäß § 4 RMPV 2015 seien die in Kapitel 4 des RMP 2015 angeführten Ziele mit den in Unterkapitel 5.6. des RMP 2015 dargestellten Maßnahmen entsprechend der in den Abschnitten A bis D der Anlage 3 bis 27 des Anhangs 2 dargestellten Statusentwicklungen (der Maßnahmensetzung, Fortführung bzw. Überprüfung) bis zum Zyklusende des RMP 2015 () anzustreben. Dabei sei die in Unterkapitel 5.6. des RMP 2015 zur jeweiligen Maßnahme angeführte (und in Unterkapitel 5.7. des RMP 2015 zusammengefasste) Prioritätensetzung zu berücksichtigen.

16Entsprechend Unterkapitel 5.7. kämen den in M08a (Hochwasser- und Feststoffrückhalteanlagen) und M08b (lineare Schutzmaßnahmen) beschriebenen Maßnahmen - sie seien dem „Handlungsfeld Schutz“ zugeordnet - die Prioritäten 2 und 3 zu. Beim verfahrensgegenständlichen relevanten Risikogebiet **** würden Linear- und Rückhaltemaßnahmen - vgl. M08a und M08b - angeführt.

17Mit der RMPV 2015 habe der gemäß § 55l WRG 1959 zuständige Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) verbindlich für den verfahrensgegenständlichen Bereich, und damit auch für das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde, Maßnahmen zum Hochwasserschutz - wie etwa Linearmaßnahmen am I - festgelegt, ohne diese näher zu konkretisieren. Dem Verwaltungsgericht sei es verwehrt, im gegenständlichen Verfahren zur Bildung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang den veröffentlichten und für das gegenständliche Verfahren in relevanten Bereichen für verbindlich erklärten RMP 2015 - dieser beinhalte die für das Risikogebiet 7062 und damit auch für das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde vorgesehenen Maßnahmen zum Hochwasserschutz - zu überprüfen oder gar als nicht geltend zu qualifizieren.

18Vielmehr bestehe gemäß § 43 Abs. 1 WRG 1959 die Verpflichtung zur Umsetzung der Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements, insbesondere durch Bildung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbands. Aufgabe des Wasserverbands sei - im Einklang mit der in § 43 Abs. 1 WRG 1959 enthaltenen Verpflichtung - die Ausführung der für das Risikogebiet **** und damit auch für das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde vorgesehenen Maßnahmen zum Hochwasserschutz. Diese Aufgabe umfasse auch die Ausarbeitung eines zur Einreichung bei der Wasserrechtsbehörde geeigneten Projekts. Folglich sei eine nähere Auseinandersetzung mit dem theoretischen Potential alpiner Retentionsflächen rechtlich nicht geboten.

19Zudem sei gemäß § 42 Abs. 1 WRG 1959 grundsätzlich derjenige zur Herstellung von Hochwasserschutzbauten und Vorrichtungen verpflichtet, dem die bedrohten oder beschädigten Liegenschaften und Anlagen gehören. Für die - von der revisionswerbenden Gemeinde - angedachten Rückhaltemaßnahmen oberhalb des Projektgebiets sei völlig offen, wer deren Planung und Errichtung übernehme. Ein derartige Maßnahmen beinhaltender Hochwasserrisikomanagementplan existiere nicht, weshalb auch nicht die Verpflichtung zur Bildung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbands gemäß § 43 Abs. 1 WRG 1959 bestehe. Eine sonstige Verpflichtung von Gebietskörperschaften zur Errichtung derartiger Rückhaltebecken sehe das WRG 1959 nicht vor.

20Ebenso erübrige es sich, auf die von der revisionswerbenden Gemeinde behaupteten, möglichen Rückhaltewirkungen neu erbauter oder umgebauter bestehender Speicherkraftwerke einzugehen. Derartige theoretische Überlegungen stellten kein rechtlich relevantes Argument gegen die mit der RMPV 2015 für verbindlich erklärten Hochwasserschutzmaßnahmen im verfahrensgegenständlichen Bereich dar. Abgesehen davon lasse sich der Neubau von Speicherkraftwerken oder der Umbau bestehender Speicherkraftwerke - und der damit allenfalls verbundene Hochwasserschutz - rechtlich nicht erzwingen.

21Zur Zulässigkeit der ordentlichen Revision führte das Verwaltungsgericht aus, die rechtliche Beurteilung stütze sich auf die §§ 42 ff sowie die §§ 87 ff WRG 1959, insbesondere auf § 88a WRG 1959. Das Verwaltungsgericht lege den Tatbestand des § 88a WRG 1959 dahingehend aus, dass bei dessen Anwendung von dem zumindest teilweise für verbindlich erklärten RMP 2015 auszugehen sei. Eine Überprüfung der im RMP 2015 festgelegten und für verbindlich erklärten Maßnahmen sei dem Verwaltungsgericht in einem Verfahren nach den §§ 87 ff WRG 1959 verwehrt. Ebenso verbiete sich eine Überprüfung eines ministeriell genehmigten Gefahrenzonenplans. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auslegung des Tatbestands des § 88a WRG 1959 und des § 42a WRG 1959 iVm der Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über die Gefahrenzonenplanungen nach dem WRG 1959 (WRG-Gefahrenzonenplanungsverordnung - WRG-GZPV) komme jedenfalls eine über den gegenständlichen Fall hinausgehende Bedeutung zu. Zu dieser Frage werde daher die ordentliche Revision zugelassen.

22Dagegen richtet sich die vorliegende „ordentliche und außerordentliche“ Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

23Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision beantragt.

24Die sechstmitbeteiligte Gemeinde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie beantragt, „der ordentlichen und außerordentlichen Revision“ keine Folge zu geben und das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts zu bestätigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

25Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

26Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

27Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

28Auch in einer vom Verwaltungsgericht für zulässig erklärten (ordentlichen) Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem erwähnten Gesichtspunkt maßgeblichen Gründe zur Zulässigkeit der Revision anzusprechen. Diesbezüglich genügt es, wenn in der Revision auf eine zutreffende und ausreichende Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts in erkennbarer Weise Bezug genommen wird (vgl. ; , Ro 2021/07/0002, jeweils mwN).

29Die vorliegende Revision erfüllt diese Anforderung. Sie ist jedoch aus den nachfolgenden Gründen nicht begründet.

30Die maßgebenden Bestimmungen des WRG 1959 lauten auszugsweise:

Vorsorgen in Gebieten mit potenziellem signifikantem Hochwasserrisiko

§ 42a. (1) Für Gebiete mit potenziellem signifikantem Hochwasserrisiko hat der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft mit dem Ziel der Verringerung hochwasserbedingter nachteiliger Folgen auf die menschliche Gesundheit, die Umwelt, das Kulturerbe und wirtschaftliche Tätigkeiten Hochwasserrisikomanagementpläne (§ 55l) zu erstellen.

(...)

Vorsorgen gegen wiederkehrende Überschwemmungen.

§ 43. (1) Soweit dies zur Unterstützung der Umsetzung der planerischen Vorgaben des Hochwasserrisikomanagementplanes erforderlich ist, ist in Gebieten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Hochwasser überflutet werden können, durch die Bildung einer Wassergenossenschaft (§ 73) oder eines Wasserverbandes (§ 87) für die Ausführung von Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements Sorge zu tragen oder es sind die von Fall zu Fall durch Bundesgesetz bestimmten anderweitigen Vorsorgen zu treffen. Insoweit es sich nicht um vom Bunde betreute Gewässer (§§ 7 und 8 des Wasserbautenförderungsgesetzes 1985) oder solche Gewässer handelt, welche die Grenze zwischen zwei Bundesländern oder gegen das Ausland bilden, ist die Landesgesetzgebung ermächtigt, fallweise die an Stelle der Bildung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes tretenden besonderen Maßnahmen, wie insbesondere Konkurrenzbildung und dergleichen durch Ausführungsgesetze zu regeln.

(...)

Hochwasserrisikomanagementpläne

§ 55l. (1) Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft hat mit Verordnung auf der Grundlage der gemäß § 55k erstellten Hochwassergefahrenkarten und Hochwasserrisikokarten auf der Ebene der Flussgebietseinheiten für die Gebiete mit potenziellem signifikantem Hochwasserrisiko (§ 55j) bis zum koordinierte Hochwasserrisikomanagementpläne zu erstellen und zu veröffentlichen.

(...)

(7) Die Hochwasserrisikomanagementpläne, einschließlich der in Teil II des Anhangs B beschriebenen Bestandteile, sind bis zum und danach alle sechs Jahre unter besonderer Berücksichtigung der voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Auftreten von Hochwasser zu überprüfen und erforderlichenfalls zu aktualisieren.

(...)

NEUNTER ABSCHNITT

Von den Wassergenossenschaften

Zweck der Wassergenossenschaften.

§ 73. (1) Zur Verfolgung wasserwirtschaftlich bedeutsamer Zielsetzungen können Wassergenossenschaften gebildet werden. Zweck einer Wassergenossenschaft kann insbesondere sein:

a)der Schutz von Grundeigentum und Bauwerken gegen Wasserschäden, die Regulierung des Laufes oder die Regelung des Abflusses (Wasserstandes) eines Gewässers, Vorkehrungen gegen Wildbäche und Lawinen, die Instandhaltung von Ufern und Gerinnen einschließlich der Räumung;

(...)

ZEHNTER Abschnitt

Von den Wasserverbänden

Zweck und Umfang; Mitgliedschaft

§ 87. (1) Zu den im § 73 genannten Zwecken können, wenn sich die vorgesehenen Maßnahmen über den Bereich mehrerer Gemeinden erstrecken, auch Wasserverbände als Körperschaften öffentlichen Rechtes gebildet werden. Die Beschränkung auf einzelne der genannten Zwecke oder die Vereinigung verschiedener Zwecke ist zulässig. Neben den wasserbaulichen oder wasserwirtschaftlichen Maßnahmen können auch mit ihnen zusammenhängende oder durch sie bedingte Aufgaben zusätzlicher Verbandszweck sein. Zusätzliche Verbandszwecke sind nur zulässig, soweit dadurch nicht die Erfüllung eines in Abs. 1 genannten Zweckes beeinträchtigt wird.

(2) Als Mitglieder eines Wasserverbandes kommen in Betracht

a)Gebietskörperschaften,

b)Wassergenossenschaften,

c)zur Erhaltung öffentlicher Verkehrswege (Eisenbahn, Straße, Wasserwege) Verpflichtete.

(...)

Bildung von Wasserverbänden

§ 88. (1) Ein Wasserverband wird gebildet

a)durch Anerkennung einer freien Vereinbarung der daran Beteiligten (freiwilliger Wasserverband),

b)durch Anerkennung eines Mehrheitsbeschlusses der Beteiligten und gleichzeitige Beiziehung der widerstrebenden Minderheit (Wasserverband mit Beitrittszwang),

c)durch Bescheid des Landeshauptmannes (Zwangsverband).

(2) Der Anerkennungsbescheid schließt die Genehmigung der Satzungen in sich. Der Wasserverband erlangt Rechtspersönlichkeit als Körperschaft öffentlichen Rechtes, wenn gegen einen Bescheid gemäß Abs. 1 kein ordentliches Rechtsmittel mehr ergriffen werden kann.

(...)

Wasserverbände mit Beitrittszwang

§ 88a. (1) Wenn über Zweck, Umfang und Art eines Unternehmens keine Vereinbarung aller Beteiligten (§ 87 Abs. 2 und 3) zustande kommt, das Unternehmen aber von einer Mehrheit der Beteiligten begehrt wird und von unzweifelhaftem Nutzen ist, sich ferner ohne Ausdehnung auf das Gemeindegebiet oder auf Liegenschaften oder Anlagen einer widerstrebenden Minderheit technisch und wirtschaftlich nicht zweckmäßig durchführen läßt, hat die Behörde die widerstrebenden Beteiligten auf Antrag der Mehrheit durch Bescheid dem zu bildenden Wasserverband als Mitglied beizuziehen. Unter den gleichen Voraussetzungen kann ein freiwilliger Wasserverband in einen Wasserverband mit Beitrittszwang umgebildet werden.

(...)

(3) Die Behörde hat nach Ermittlung aller für die Bildung des Wasserverbandes maßgebenden Umstände zunächst den Umfang des Unternehmens klarzustellen und zu bestimmen, welche Beteiligten (§ 87 Abs. 2 und 3) und in welchem Ausmaß sie bei Bildung des Wasserverbandes als beteiligt anzusehen sind. Hierauf ist das Verhältnis der für und der gegen das Unternehmen abgegebenen Stimmen zu ermitteln; wer sich nicht oder nicht bestimmt erklärt hat, ist den für das Unternehmen Stimmenden beizuzählen.

(...)

Satzungen

§ 88c. (1) Die Satzungen haben die Tätigkeit des Wasserverbandes zu regeln; sie sind von den Mitgliedern eines freiwilligen Wasserverbandes zugleich mit der freien Vereinbarung, von den Mitgliedern eines Wasserverbandes mit Beitrittszwang vor dem Antrag auf Beiziehung der widerstrebenden Minderheit zu beschließen.

(...)

(3) Die Satzungen haben Bestimmungen zu enthalten über

a)den Namen, Sitz, Zweck und Umfang des Verbandes,

(...)“

31Die - auf der Grundlage des § 55l WRG 1959 erlassene - Verordnung des BMLFUW betreffend Planungen zum Hochwasserrisikomanagement (Nationale HochwasserrisikomanagementplanVO 2015 - RMPV 2015), BGBl. II Nr. 268/2016, lautet:

1. Abschnitt - Allgemeine Bestimmungen

Gegenstand

§ 1. Das Planungsdokument „Nationaler Hochwasserrisikomanagementplan 2015“ (RMP 2015) wird in den Anhängen 1 (Textteil) und 2 (Anlagen) veröffentlicht und in den folgenden Bestimmungen Teile des RMP 2015 für verbindlich erklärt.

Verbindliche Teile

§ 2. Mit dieser Verordnung werden aus den im Anhang 1 veröffentlichten Kapiteln des RMP 2015

1.Einleitung;

2.Allgemeines;

3.Grundlagen;

4.Angemessene Ziele des Hochwasserrisikomanagements;

5.Maßnahmenplanung;

6.Evaluierung des Maßnahmenprogramms;

7.Information und Beteiligung der Öffentlichkeit;

8.Koordination mit den Umweltzielen und dem Nationalen Gewässerbewirtschaftungsplan;

9Auswirkungen des Klimawandels;

10.Strategische Umweltprüfung

die Kapitel 4 (Angemessene Ziele des Hochwasserrisikomanagements) und 5 (Maßnahmenplanung) des Nationalen Hochwasserrisikomanagementplanes - nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen - verbindlich erklärt.

Planungsbereich

§ 3. Der Planungsbereich des RMP 2015 bezieht sich auf die 391 in Anlage 2 des Anhangs 2 enthaltenen Gebiete mit potenziellem signifikantem Hochwasserrisiko (APSFR) in den Flussgebietseinheiten Donau, Rhein und Elbe.

2. Abschnitt - Maßnahmensetzung

Statusentwicklung und Prioritätensetzung

§ 4. Die in Kapitel 4 des RMP 2015 angeführten Ziele sind mit den in Unterkapitel 5.6. des RMP 2015 dargestellten Maßnahmen entsprechend der in den Abschnitten A bis D der Anlagen 3 bis 27 des Anhangs 2 dargestellten Statusentwicklung (der Maßnahmensetzung, Fortführung bzw. Überprüfung) bis zum Zyklusende des RMP 2015 () anzustreben. Dabei ist die im Unterkapitel 5.6. des RMP 2015 zur jeweiligen Maßnahme angeführte (und in Unterkapitel 5.7. des RMP 2015 zusammengefasste) Prioritätensetzung zu berücksichtigen.

Vollziehung

§ 5. (1) Die Stellen, die in Vollziehung des Wasserrechtsgesetzes 1959 und des Forstgesetzes 1975 tätig sind, haben - auch als Träger von Privatrechten gemäß Art. 17 B-VG - die in Kapitel 4 und 5 des RMP 2015 festgelegten Ziele und Maßnahmen zu berücksichtigen und auf deren Erreichung und Umsetzung hinzuwirken.

(2) Für andere Dienststellen gelten die Bestimmungen des RMP 2015 als Empfehlungen. Die Zuständigkeiten der Länder werden durch diese Verordnung nicht berührt.“

32Für das Verwaltungsgericht war im vorliegenden Fall wesentlich, dass mit der RMPV 2015 der gemäß § 55l WRG 1959 zuständige BMFLUW verbindlich auch für das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde Maßnahmen zum Hochwasserschutz - wie etwa Linearmaßnahmen am I - festgelegt habe, ohne diese näher zu konkretisieren. Das Verwaltungsgericht erachtete es für nicht zulässig, im gegenständlichen Verfahren zur Bildung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang den veröffentlichten und teilweise für verbindlich erklärten RMP 2015 zu überprüfen oder gar als nicht geltend zu qualifizieren. Vielmehr bestehe nach Ansicht des Verwaltungsgerichts gemäß § 43 Abs. 1 WRG 1959 die Verpflichtung zur Umsetzung der Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements, insbesondere durch Bildung einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbands.

33In diesem Zusammenhang schließt sich die Revision der vom Verwaltungsgericht aufgeworfenen Frage an, ob es in einem Verfahren zur Gründung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang nach § 88a WRG 1959 - auf dem Boden des § 43 Abs. 1 WRG 1959 - von dem zumindest teilweise für verbindlich erklärten RMP 2015 auszugehen hatte.

34§ 43 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 (in der Fassung der WRG-Novelle 2011, BGBl. I Nr. 14/2011) sieht vor, dass, soweit dies zur Unterstützung der Umsetzung der planerischen Vorgaben des Hochwasserrisikomanagementplans erforderlich ist, in Gebieten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Hochwasser überflutet werden können, durch die Bildung einer Wassergenossenschaft (§ 73) oder eines Wasserverbandes (§ 87) für die Ausführung von Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements Sorge zu tragen ist (oder die von Fall zu Fall durch Bundesgesetz bestimmten anderweitigen Vorsorgen zu treffen sind).

35§ 43 Abs. 1 erster Satz WRG 1959 bietet grundsätzlich die Möglichkeit, in einzelnen Fällen, insbesondere wenn großflächige Überflutungen vorkommen, die umfangsreiche und aufeinander abgestimmte Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements erfordern, diese Maßnahmen im Wege von Wassergenossenschaften und Wasserverbänden zu realisieren. Bestehen solche Situationen in Gebieten, die mit hoher Wahrscheinlichkeit von Hochwasser überflutet werden können, kann die Wasserrechtsbehörde - an die sich diese Handlungsmöglichkeit richtet - auf die Bildung von Wassergenossenschaften oder Wasserverbänden hinwirken oder selbst die Bildung einer Zwangsgenossenschaft oder eines Zwangsverbandes vornehmen (vgl. dazu die ErläutRV 1030 BlgNR 24. GP 12, sowie Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020] § 43 K1).

36Liegt bereits eine freiwillige Vereinbarung der Beteiligten einer Wassergenossenschaft oder eines Wasserverbandes über die Umsetzung von in einem Hochwasserrisikomanagementplan vorgesehenen Maßnahmen vor, hat die Wasserrechtsbehörde im Verfahren über die Gründung der Genossenschaft oder des Verbands, insbesondere in Hinblick auf Zweck, Umfang und Art des Verbands- oder Genossenschaftsvorhabens, von den Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagementplans auszugehen. Nur auf diese Weise kommt sie in einem solchen Fall der an sie gerichteten Anordnung, für die Ausführung von Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements „Sorge zu tragen“, in gesetzmäßiger Weise nach.

37Im vorliegenden Fall wird nicht in Zweifel gezogen, dass Aufgabe des gegenständlichen Wasserverbands die Ausführung der für das im RMP 2015 enthaltene Risikogebiet ****7062 (I - K bis S), in dem sich auch das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde befindet, vorgesehenen Maßnahmen des Hochwasserschutzes, wie etwa Linearmaßnahmen am I, ist. In Kapitel 5 („Maßnahmenplanungen“) des RMP - das nach § 2 RMPV 2015 für verbindlich erklärt wurde - wird festgehalten, dass am Unteren I „die Konstituierung von 3 Wasserverbänden als Bauherr für neue Hochwasserschutzmaßnahmen angestrebt“ wird (vgl. Seite 59 des RMP 2015). Daraus wird offenbar, dass der Wasserverband zum Zweck der Umsetzung der durch die RMPV 2015 für verbindlich erklärten Maßnahmen des Hochwasserrisikomanagements gegründet werden soll.

38Ausgehend davon ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass für das Verwaltungsgericht im gegenständlichen Verfahren zur Gründung eines Wasserverbands nach § 87 ff WRG 1959 keine Möglichkeit bestand, von den Vorgaben des teilweise für verbindlich erklärten RMP 2015 abzuweichen, weil es auf dem Boden des § 43 Abs. 1 WRG 1959 für deren Umsetzung zu sorgen hatte.

39Die Initiative zur Bildung eines Wasserverbands nach den §§ 87 ff WRG 1959 geht grundsätzlich - sofern es sich nicht um einen von der Wasserrechtsbehörde zu bildenden Zwangsverband im Sinn des § 88 Abs. 1 lit. c und § 88b WRG 1959 handelt - von den Beteiligten aus und erfordert deren „freie Vereinbarung“ (Einigung über Aufgaben, Zwecke, Ziele, Organisation und Satzung). Rechtspersönlichkeit erlangt der Wasserverband erst mit behördlicher Anerkennung (vgl. Berger in Oberleitner/Berger, WRG4 [2018] § 88 Rz 1). Für die Bildung eines Wasserverbands sind daher zwei Akte erforderlich, nämlich die Beschlussfassung der Beteiligten über die Satzung und der Anerkennungsbescheid der Wasserrechtsbehörde.

40Nach § 88 Abs. 1 lit. b WRG 1959 besteht die Möglichkeit der Bildung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang. Dies erfolgt durch Anerkennung eines Mehrheitsbeschlusses der Beteiligten (dabei muss es sich um in § 87 Abs. 2 und 3 WRG 1959 genannte juristische oder natürliche Personen handeln) über die Satzung und gleichzeitige Beiziehung der dem Wasserverband widerstrebenden Minderheit.

41Dafür legt § 88a WRG 1959 die Voraussetzungen und das Verfahren fest. Nach Abs. 1 leg. cit. hat die Wasserrechtsbehörde die widerstrebende Minderheit auf Antrag der Mehrheit durch Bescheid dem Wasserverband beizuziehen, wenn über Zweck, Umfang und Art des „Unternehmens“ (also das durch den Wasserverband zu verwirklichende Vorhaben) keine Vereinbarung der Beteiligten zustande kommt, dieses aber von der Mehrheit begehrt wird und von „unzweifelhaftem Nutzen“ ist, und sich ferner ohne Ausdehnung auf das Gemeindegebiet oder auf Liegenschaften oder Anlagen der widerstrebenden Minderheit technisch und wirtschaftlich nicht zweckmäßig durchführen lässt.

42Nach § 88a Abs. 3 WRG 1959 hat die Wasserrechtsbehörde nach Ermittlung aller für die Bildung des Wasserverbands maßgebenden Umstände zunächst den Umfang des „Unternehmens“ klarzustellen und zu bestimmen, welche Beteiligten (§ 87 Abs. 2 und 3 WRG 1959) in welchem Ausmaß bei Bildung des Wasserverbands als beteiligt anzusehen sind. Hierauf ist das Verhältnis der für und der gegen das Unternehmen abgegebenen Stimmen zu ermitteln; wer sich nicht oder nicht bestimmt erklärt hat, ist den für das Unternehmen Stimmenden beizuzählen.

43Daraus ergibt sich, dass Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 88a Abs. 1 WRG 1959 der Versuch der Mehrheit ist, eine Vereinbarung mit der Minderheit über das Verbandsvorhaben herzustellen und das Scheitern dieses Versuchs. Aus welchen Gründen eine solche Vereinbarung nicht zustande kommt, ist nicht von Bedeutung (vgl. Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020] § 75 K1). Liegt diese Voraussetzung vor, kann die Mehrheit über die Satzung des Wasserverbands mit Beitrittszwang und über die Antragstellung auf Beiziehung der widerstrebenden Minderheit Beschluss fassen, wobei die widerstrebende Minderheit von der Teilnahme an dieser Willensbildung ausgeschlossen ist (vgl. , sowie Berger in Oberleitner/Berger, WRG4 [2018] § 75 Rz 4).

44Wie sich aus dem oben dargestellten Verfahrensgang ergibt, lagen diese Voraussetzungen für die Antragstellung auf Anerkennung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang nach § 88a Abs. 1 WRG 1959 im gegenständlichen Fall vor.

45Parteistellung im Verfahren über die Anerkennung eines Wasserverbands mit Beitrittszwang nach § 88a WRG 1959 haben dagegen alle Personen (im Sinn des § 87 Abs. 2 und 3 WRG 1959), die Mitglied des Wasserverbands werden sollen, also sowohl die Mehrheit der Beteiligten als auch die widerstrebende Minderheit (vgl. zu Wassergenossenschaften mit Beitrittszwang: Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020] § 75 K7). Um ihre zwangsweise Beiziehung zum Wasserverband zu verhindern, kann die widerstrebende Minderheit im Gründungsverfahren inhaltlich einwenden, dass das Verbandsvorhaben für sie nicht von „unzweifelhaftem Nutzen“ ist und/oder sich dieses auch ohne Ausdehnung auf ihr Gemeindegebiet, ihre Liegenschaften oder Anlagen technisch und wirtschaftlich zweckmäßig durchführen lässt. Zudem kann sie die unzureichende Klarstellung des Unternehmens nach § 88a Abs. 3 WRG als Verfahrensmangel geltend machen.

46Im vorliegenden Revisionsfall bringt die revisionswerbende Gemeinde in den Revisionsgründen vor, es liege kein „Unternehmen“ im Sinn des § 88a WRG 1959 vor, das nach Zweck, Umfang und Art hinreichend genau bestimmt sei. § 2 der Satzung des Wasserverbandes beschreibe zwar Zweck und Umfang des Unternehmens, dies jedoch so abstrakt, dass eine Überprüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 88a Abs. 1 WRG 1959 zur zwangsweisen Beiziehung nicht möglich sei. Beim generellen Projekt „Hochwasserschutz Tiroler U.-Tal I - Maßnahmenplanung Unteres U.-Tal“ handle es sich nur um eine Rahmenplanung.

47Das Verwaltungsgericht hat vorliegend jedoch dargelegt, dass § 2 Abs. 2 Z 1 der Satzung des Wasserverbands ausdrücklich auf das angesprochene generelle Projekt, wonach zum Schutz des Siedlungsgebiets der revisionswerbenden Gemeinde Linearmaßnahmen am I und ein Rückstaudamm am östlichen Ortsrand vorgesehen seien, verweise. Für dieses Siedlungsgebiet solle durch die Maßnahmen des generellen Projekts ein Schutz gegenüber einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100) hergestellt werden. Grundlage für das generelle Projekt sei die „Regionalstudie Tiroler U.-Tal“ gewesen, bei der bereits in Abstimmung mit der Raumordnung ein Maßnahmenkonzept für den Hochwasserschutz erarbeitet worden sei. Das auf Basis dieser Regionalstudie erstellte Projekt „Hochwasserschutz U.-Tal I bis K“ sei Gegenstand eines Verfahrens zur Feststellung der Notwendigkeit einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) - die aufgrund eines rechtskräftigen Bescheids der belangten Behörde vom nicht durchzuführen sei - gewesen. Zudem liege die revisionswerbende Gemeinde im Risikogebiet „I - K bis S (APSFR ****)“ nach dem RMP 2015. Für dieses Risikogebiet werde im RMP 2015 ein Bezug zur angeführten Regionalstudie hergestellt.

48Unter Berücksichtigung der für das genannte Risikogebiet getroffenen Festlegungen und des erstellten generellen Projekts sei daher nach Ansicht des Verwaltungsgerichts der Umfang - und damit auch die Art - des Unternehmens im Sinn des § 88a Abs. 1 WRG 1959 in § 2 der Satzung des Wasserverbands hinreichend bestimmt. Für die Gründung des Wasserverbands und der Beiziehung der widerstrebenden revisionswerbenden Gemeinde sei eine detailliertere Festlegung der beabsichtigten Hochwasserschutzmaßnahmen nicht erforderlich. Die konkrete Umsetzung und damit auch die Detailplanung der im generellen Projekt enthaltenen planerischen Vorgaben sei gemäß § 43 Abs. 1 WRG 1959 Aufgabe des Wasserverbands.

49Dass diese Satzungsauslegung, die sich auf dem Boden des § 88c Abs. 3 Z 1 WRG 1959, wonach die Satzung des Wasserverbandes Bestimmungen über dessen Zweck und Umfang zu enthalten hat, zur Klarstellung des Umfangs des Verbandsvorhabens jedenfalls als zweckmäßig erwies, fehlerhaft erfolgt wäre, zeigt die revisionswerbende Gemeinde nicht auf. Der Umfang des Verbandsvorhabens, nämlich die Umsetzung der im RMP 2015 enthaltenen - durch die RMPV 2015 für verbindlich erklärten - Maßnahmen des Hochwasserschutzes über ein mehrere Gemeinden umfassendes Gebiet, im Sinn des § 88a Abs. 3 WRG 1959 wurde hinreichend klargestellt.

50Die revisionswerbende Gemeinde bringt für den Fall, dass von einer hinreichend genauen Bestimmtheit des Verbandsvorhabens ausgegangen werde, vor, dass dieses nicht von unzweifelhaftem Nutzen sei. Stehe nur ein Konzept zur Verfügung, dann sei dessen Nutzen gerade nicht „unzweifelhaft“ zu bejahen. Nur wenn dieses im Vergleich zu einem anderen Konzept stehe, könne sich diese Beurteilung grundlegend ändern. Der unzweifelhafte Nutzen ende nämlich dort, wo ein anderes Konzept einen höheren Nutzen oder denselben, jedoch wirtschaftlicheren oder ressourcenschonenderen Nutzen habe.

51Damit spricht die revisionswerbende Gemeinde das von ihr im Verfahren ins Treffen geführte „alternative Konzept“ des Hochwasserschutzes in ihrem Gemeindegebiet bzw. das von ihr behauptete Potential der alpinen Retentionsflächen an, welches ihrer Ansicht nach dem unzweifelhaften Nutzen des - hinreichend klaren - Verbandsvorhabens entgegenstehe.

52Nach § 88a Abs. 1 WRG 1959 ist Voraussetzung für die zwangsweise Beiziehung einer widerstrebenden Minderheit in einen zu bildenden Wasserverband, dass das Unternehmen für diese von „unzweifelhaftem Nutzen“ ist (vgl. zu Wassergenossenschaften , 0382). Das Erfordernis des unzweifelhaften Nutzens bezieht sich dabei auf das gesamte, von der Mehrheit der Beteiligten ins Auge gefasste Vorhaben, nicht aber auf das einzelne Gemeindegebiet bzw. die einzelnen Liegenschaften oder Anlagen der widerstrebenden Minderheit. Der Beitrittszwang zu einem Wasserverband erstreckt sich nämlich auf alle Beteiligten, welche nach der Beschaffenheit des Vorhabens von den Vorteilen nicht ausgeschlossen werden können (vgl. sinngemäß den Nachweis bei Berger in Oberleitner/Berger, WRG4 [2018] § 75 Rz 2). Der unzweifelhafte Nutzen ist an objektiven - und nicht subjektiven - Maßstäben nach den in § 73 Abs. 1 WRG 1959 genannten Zwecken zu messen. Ein unzweifelhafter Nutzen bloß für die Mehrheit, ohne Nutzen für die widerstrebende Minderheit - abgesehen vom Fall des § 88a Abs. 2 WRG 1959 - reicht für eine zwangsweise Beiziehung hingegen nicht aus (vgl. ebenso sinngemäß Bumberger/Hinterwirth, WRG3 [2020] § 75 K5).

53Die revisionswerbende Partei führt in diesem Zusammenhang allerdings bloß aus, dass ihr alternatives Konzept durch das Verwaltungsgericht keiner ausreichenden Prüfung unterzogen worden sei und deshalb der unzweifelhafte Nutzen des Verbandsvorhabens nicht vorliegen könne. Damit macht sie lediglich subjektive, nur auf ihr Gemeindegebiet bezogene Gründe geltend, mit denen aber der unzweifelhafte Nutzen des Verbandsvorhabens nach dem Gesagten nicht in Zweifel gezogen werden kann. Dieser liegt erkennbar - wie für die mitbeteiligten Parteien - auch für die revisionswerbende Gemeinde darin, dass ihr Gemeindegebiet vor Überflutungen durch Hochwasser geschützt wird (vgl. § 73 Abs. 1 lit. a WRG 1959).

54Die revisionswerbende Gemeinde tritt auch nicht der Feststellung des Verwaltungsgerichts entgegen, wonach sich der gesamte angestrebte Hochwasserschutz am I zwischen den Gemeinden B und A nur gemeindeübergreifend herstellen und sich somit nicht ohne Einbeziehung des Gebietes der revisionswerbenden Gemeinde erreichen lasse. Folglich erweist sich die Beurteilung des Verwaltungsgerichts, wonach sich das Verbandsvorhaben im Sinn des § 88a Abs. 1 WRG 1959 ohne Ausdehnung auf das Gebiet der revisionswerbenden Gemeinde technisch und wirtschaftlich nicht zweckmäßig durchführen lasse, als nicht zu beanstanden.

55In der Zulässigkeitsbegründung der Revision werden auch über die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Rechtsfrage hinausgehende „Gründe“ erblickt, die für die Zulässigkeit der Revision sprächen.

56Nach Ansicht der revisionswerbenden Gemeinde sei die Interpretation des § 88a WRG 1959 durch das Verwaltungsgericht unrichtig, weil der RMP 2015 bereits sechs Jahre alt sei und gemäß § 55l Abs. 7 WRG 1959 bis spätestens überarbeitet werden müsse. Nachdem im gegenständlichen Verfahren der Zwangsbeitritt der revisionswerbenden Gemeinde aktuell zu beurteilen sei, könne Grundlage dieser Entscheidung keineswegs ein Plan aus dem Jahr 2015 sein. § 88a WRG 1959 müsse daher so ausgelegt werden, dass es den zuständigen Behörden im Sinn einer unabhängigen und objektiven Überprüfung der Beitrittsvoraussetzungen zwingend obliege, die im RMP 2015 vor sechs Jahren angenommenen Kriterien zu überprüfen, insbesondere, wenn dazu umfangreiches Vorbringen mit entsprechenden Beweisanboten erstattet werde.

57Dazu ist festzuhalten, dass nach der ständigen hg. Rechtsprechung für die Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt seiner Erlassung maßgeblich ist (vgl. , mwN). Die - auf der Grundlage des § 55l Abs. 1 WRG 1959 erlassene - RMPV 2015, mit der der RMP 2015 veröffentlicht und teilweise für verbindlich erklärt wurde, stand zum Entscheidungszeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses unbestritten in Geltung. Vor diesem Hintergrund ist das Zulässigkeitsvorbringen, dass der RMP 2015 nicht Grundlage für das gegenständlichen Gründungsverfahren nach §§ 87 ff WRG 1959 sein könne, nicht nachvollziehbar.

58Die Anordnung des § 55l Abs. 7 WRG 1959, wonach der RMP 2015 bis zum (und danach alle sechs Jahre) unter besonderer Berücksichtigung der voraussichtlichen Auswirkungen des Klimawandels auf das Auftreten von Hochwasser zu überprüfen und erforderlichenfalls zu aktualisieren sei, richtet sich unzweifelhaft an den BMLFUW, der eine entsprechende Durchführungsverordnung zu erlassen hat (vgl. dazu die nunmehr im - gegenständlich nicht relevanten - Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtshofes in Geltung stehende HochwasserrisikomanagementplanVO 2021, BGBl. II Nr. 182/2022).

59Soweit die revisionswerbende Gemeinde vorbringt, es sei zu klären, inwieweit eine Verordnung des zuständigen Ministers - hier die RMPV 2015 - in einem durch ein unabhängiges Verwaltungsgericht durchzuführenden Verfahren inhaltlich einer Überprüfung gemäß § 88a WRG 1959 zu unterziehen sei, ist zunächst darauf zu verweisen, dass es sich bei der RMPV 2015 - wie die revisionswerbende Gemeinde selbst erkennt - um eine Verordnung im Sinne des Art. 18 Abs. 2 B-VG handelt. Mit ihrer Forderung nach „inhaltlicher Überprüfung“ durch das Verwaltungsgericht verkennt die revisionswerbende Partei aber, dass dem Verwaltungsgericht im Grunde des Art. 135 Abs. 4 iVm Art 89 Abs. 1 B-VG die Prüfung der Gültigkeit gehörig kundgemachter Verordnungen nicht zusteht. Das Verwaltungsgericht hat, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, vielmehr gemäß Art. 89 Abs. 2 B-VG den Antrag auf Aufhebung dieser Rechtsvorschrift beim Verfassungsgerichtshof zu stellen (vgl. ).

Derartige Bedenken im Hinblick auf die Gesetzmäßigkeit der RMPV 2015 sind beim Verwaltungsgerichtshof auch vor dem Hintergrund des Revisionsvorbringens nicht entstanden, sodass er sich nicht zu einer Antragstellung im Sinne des Art. 139 B-VG veranlasst sieht.

60Das weitere Revisionsvorbringen („4.2. Unterlassene Beweisaufnahme“, „4.3. Vorgreifende Beweiswürdigung“, „4.4. Einseitige Beweiswürdigung“ und „4.5. Befangenheit des Amtssachverständigen“) bezieht sich erkennbar auf das von der revisionswerbenden Gemeinde im Gründungsverfahren nach §§ 87 WRG 1959 ins Treffen geführte „alternative Konzept“. Da mit diesem - wie bereits erwogen - der „unzweifelhafte Nutzen“ des Verbandsvorhabens im Sinn des § 88a Abs. 1 WRG 1959 nicht in Zweifel gezogen werden kann, sind die in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Rechtsfragen im vorliegenden Revisionsfall nicht relevant.

61Nach dem Gesagten erweist sich die Revision als unbegründet. Sie war deshalb gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

62Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021070007.J00

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