TEL.: +43 1 246 30-801  |  E-MAIL: support@lindeverlag.at
Suchen Hilfe
VwGH vom 08.11.2021, Ro 2021/05/0020

VwGH vom 08.11.2021, Ro 2021/05/0020

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mairinger sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart-Mutzl und Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, über die Revision des M H in W, vertreten durch die DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in 1090 Wien, Währinger Straße 2-4, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom , VGW-011/030/6786/2019-5, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Revisionswerber einer Übertretung der §§ 135 Abs. 1 und 5 iVm 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) schuldig erkannt, weil er es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der C. GmbH zu verantworten habe, dass diese Gesellschaft als Verwalterin einer näher bezeichneten Liegenschaft und der darauf befindlichen baulichen Anlagen in Wien in einer Angelegenheit der ordentlichen Verwaltung in der Zeit von bis nicht dafür Sorge getragen habe, dass das Gebäude und die baulichen Anlagen in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften der BO entsprechendem Zustand erhalten worden seien. Es sei unterlassen worden, eine fehlende Fassadenglasscheibe, die infolge einer Beschädigung beseitigt habe werden müssen, instand setzen zu lassen. Über den Revisionswerber wurde gemäß § 135 Abs. 1 BO eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 670,--, sowie für den Fall der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von elf Stunden verhängt. Zudem wurde der Revisionswerber zum Ersatz der Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens verpflichtet und gemäß § 9 Abs. 7 VStG die Haftung der C. GmbH ausgesprochen.

2Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht Wien (in der Folge: Verwaltungsgericht) der vom Revisionswerber gegen dieses Straferkenntnis erhobenen Beschwerde insoweit Folge, als es die Geldstrafe auf EUR 500,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe auf neun Stunden herabsetzte. Der Kostenbeitrag für das verwaltungsbehördliche Verfahren wurde angepasst und ausgesprochen, dass der Revisionswerber keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten habe. Weiters erfolgte hinsichtlich der C. GmbH wiederum ein Haftungssausspruch gemäß § 9 Abs. 7 VStG. Einen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG enthält das Erkenntnis entgegen § 25a Abs. 1 VwGG nicht.

3Begründend führte das Verwaltungsgericht dazu zusammengefasst aus, das Vorliegen der „inkriminierten Konsenswidrigkeit“ sei nie bestritten worden, weshalb das Straferkenntnis dem Grunde nach zu bestätigen sei. Aufgrund des mittlerweile eingetretenen Wegfalls der Konsenswidrigkeit „und der damit verbundenen Spezialpräventive“ habe das Strafmaß jedoch herabgesetzt werden können.

4Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vorbringt, seitens der C. GmbH sei im Tatzeitraum alles in ihren Kräften Stehende unternommen worden, um die in Rede stehende Glastafel zu ersetzen. In der Bescheidbeschwerde sei dazu umfangreiches Vorbringen erstattet worden (wird näher ausgeführt), das Verwaltungsgericht habe dazu aber keinerlei Feststellungen getroffen, weshalb diesbezüglich ein Abweichen von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.

5Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie die Zurück-, in eventu die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

6Die - im Hinblick auf den vom Verwaltungsgericht unterlassenen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision als ordentliche Revision zu behandelnde (vgl. dazu etwa , mwN) - Revision ist bereits im Hinblick auf die in der Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Feststellungsmängel zur Frage des Verschuldens des Revisionswerbers zulässig. Sie ist auch begründet.

7Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt ein Baugebrechen (§ 129 Abs. 2 und 4 BO), das beseitigt werden muss, immer dann vor, wenn der Zustand einer Baulichkeit so mangelhaft geworden ist, dass dadurch öffentliche Interessen berührt werden. Dies kann durch eine gröbliche Störung des Stadtbildes oder durch die Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit gegeben sein, wobei es genügt, wenn eine Gefahr für Leben, Gesundheit oder körperliche Sicherheit auch nur einer Person herbeigeführt oder vergrößert werden kann (vgl. , oder auch , Ra 2018/05/0039, jeweils mwN).

8Die Verpflichtung zur Beseitigung eines Baugebrechens bedarf zu ihrer Konkretisierung nicht erst eines baupolizeilichen Auftrages (vgl. , mwN).

9Für die Unterlassung der Beseitigung eines Baugebrechens ist - für den Fall, dass ein solcher bestellt ist - gemäß § 135 Abs. 5 BO weiters grundsätzlich der Hausverwalter verantwortlich (vgl. wiederum , mwN); dieser ist bei Delikten im Rahmen der ordentlichen Verwaltung der zunächst strafrechtlich Verantwortliche (vgl. z.B. , mwN).

10Bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 BO (hier: in Verbindung mit § 135 Abs. 5 leg. cit.) handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG, was bedeutet, dass bereits das bloße Nichterfüllen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, als eine Verletzung der gesetzlichen Instandhaltungspflicht eine Strafe nach sich zieht, wenn der Beschuldigte nicht aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften Stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. für viele etwa , oder auch bereits , 98/05/0150, , 95/05/0225, und , 0099/61). In diesem Rahmen kann auch eine behauptete vorübergehende tatsächliche Unmöglichkeit einer Sanierung eines Baugebrechens Berücksichtigung finden. Um der Vermutung des § 5 Abs. 1 VStG erfolgreich entgegenzutreten, hat daher der Beschuldigte initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht (vgl. , mwN).

11Fallbezogen hat der Revisionswerber - worauf er in der Revision zutreffend verweist - in seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht sachverhaltsbezogenes Vorbringen zu der Frage erstattet, dass seines Erachtens nach seitens der C. GmbH während des angelasteten Tatzeitraumes alles in ihren Kräften Stehende unternommen wurde, um die in Rede stehende Glastafel zu ersetzen. Mit diesem - nach der oben wiedergegebenen Rechtsprechung zur Frage eines Entlastungsbeweises im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG rechtlich relevanten - Vorbringen hat sich das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis in keiner Weise auseinandergesetzt und, offenbar beruhend auf der unzutreffenden Rechtsauffassung, es käme gegenständlich (bloß) auf eine Konsenswidrigkeit an, keine entsprechenden Feststellungen dazu getroffen.

12Wegen des Fehlens der für die rechtliche Beurteilung im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG notwendigen Sachverhaltsfeststellungen liegt somit ein sekundärer Feststellungsmangel vor, der das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. etwa , , 2004/05/0113, oder in diesem Sinne auch , Ra 2020/05/0059).

13Das angefochtene Erkenntnis war daher bereits aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, ohne dass auf das übrige Revisionsvorbringen einzugehen war.

14Für das fortzusetzende Verfahren wird darauf hingewiesen, dass das angefochtene Erkenntnis auch keine Ausführungen zum Beschwerdevorbringen des Revisionswerbers enthält, wonach gegenständlich gar kein Baugebrechen im Sinne des § 129 Abs. 2 und 4 BO vorliege, weil durch die fehlende Fassadenglasscheibe keine öffentlichen Interessen verletzt seien, zumal weder eine gröbliche Störung des Stadtbildes, noch eine Gefährdung der Sicherheit und Gesundheit gegeben sei (vgl. zur Frage eines zu beseitigenden Baugebrechens nach § 129 Abs. 2 und 4 BO für viele etwa nochmals die bereits genannten Erkenntnisse des , und , Ra 2014/05/0013, jeweils mwN; vgl. zur Abgrenzung zwischen Baugebrechen nach § 129 Abs. 2 und 4 BO und einer - hier nicht verfahrensgegenständlichen - Vorschriftswidrigkeit nach § 129 Abs. 10 BO , mwN). Auch die diesbezügliche Auseinandersetzung wird das Verwaltungsgericht daher im fortzusetzenden Verfahren nachzuholen haben.

15Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021050020.J00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.