VwGH vom 05.10.2021, Ro 2021/03/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch Dr. Andreas Bernegger, Rechtsanwalt in 1080 Wien, Lederergasse 16/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zlen. 1. W110 2226213-1/10E und 2. W110 2226270-1/10E, betreffend eine Maßnahme der Wettbewerbsaufsicht gemäß § 74 EisbG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schienen-Control Kommission; mitbeteiligte Partei: B AG in W, vertreten durch die Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 1010 Wien, Schubertring 6; weitere Partei: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Gegenstand des Revisionsverfahrens ist eine Maßnahme der Schienen-Control Kommission (SCK) im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht in Bezug auf einen Mietvertrag aus dem Jahr 2018 zwischen der B AG (B) als Vermieterin einerseits und der revisionswerbenden Partei (Ö) als Mieterin andererseits betreffend die Vermietung von näher bezeichneten Räumlichkeiten für den Fahrscheinverkauf in mehreren österreichischen Personenbahnhöfen (Mietgegenstände).
2Der Mietvertrag enthält in seinem § 2 Abs. 2 eine Kündigungsklausel mit folgendem Wortlaut (Hervorhebung nicht im Original):
„Der Vertrag kann von beiden Vertragsteilen jederzeit unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum Letzten eines jeden Kalendermonats gekündigt werden.
Beide Vertragsparteien sind berechtigt, auch einzelne Mietgegenstände lt. Beilage 1 zu kündigen, nicht jedoch einzelne Teilflächen der jeweiligen Mietgegenstände.“
3Mit Bescheid vom erklärte die SCK die unterstrichen wiedergegebene Vertragsklausel, die einen Kündigungsausschluss für Teilflächen der Mietgegenstände vorsieht, für unwirksam.
4Begründend führte sie aus, der Betreiber von Serviceeinrichtungen (hier: die B) sei angehalten, die in einer Serviceeinrichtung vorhandenen Kapazitäten bestmöglich zu nutzen. Dabei müsse es dem Betreiber der Serviceeinrichtung möglich sein, bereits zugewiesene Kapazitäten teilweise einem anderen antragstellenden Eisenbahnverkehrsunternehmen zuzuweisen, damit auch dieses einen angemessenen Teil der vorhandenen Kapazitäten erhalte. Dem stehe der Kündigungsausschluss für Teilflächen entgegen, weshalb er diskriminierend iSd § 58b Abs. 1 EisbG sei. Hinzu komme, dass die Klausel im Vertragsmuster der B, welches als Teil der Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht werde, nicht enthalten sei. Darin liege ein Verstoß gegen § 59 EisbG.
5Die dagegen erhobenen Beschwerden der Ö und der B wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Die Revision erklärte das BVwG für zulässig.
6In den Entscheidungsgründen legte das BVwG dar, dass es die Rechtsansicht der SCK teile, wonach die vorliegende vertragliche Regelung, die eine Kündigung für Teilflächen ausschließe, der Sache nach in die Schienennetz-Nutzungsbedingungen aufzunehmen gewesen wäre (was nicht geschehen sei), weil es sich dabei um eine Zugangsbedingung zu Serviceeinrichtungen gehandelt habe und die rechtlichen Rahmenbedingungen in einschränkender Weise vorgegeben würden. Somit stelle die Vorgangsweise der B, ein Kündigungsverbot für Teilflächen von Mietgegenständen in Abweichung von den Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu vereinbaren, einen Verstoß gegen § 59 Abs. 1 EisbG dar.
7Es könne der SCK auch nicht entgegengetreten werden, wenn sie eine Vertragsklausel für unwirksam erklärt habe, mit welcher die Betreiberin von Serviceeinrichtungen ein Kündigungsrecht für Teilflächen ausgeschlossen habe, ohne dafür eine Veranlassung ins Treffen führen zu können. Die B treffe die Verpflichtung zur Wahrung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Serviceeinrichtungen. Dies schließe mit ein, dass sie alle Handlungen unterlassen müsse, die einen solchen diskriminierungsfreien Zugang behinderten, erschwerten oder einschränkten. Das Teilkündigungsverbot sei geeignet, die Herstellung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu den Serviceeinrichtungen (der im Wege einer behördlichen Entscheidung nach § 73 EisbG erfolgen könne) zu verzögern. Anders als die gegenständliche Vertragsklausel schließe die Regelung des Muster-Mietvertrags der Schienennetz-Nutzungsbedingungen eine Kündigung von Teilflächen von Mietgegenständen nicht dezidiert aus und sei damit im Einzelfall einer den eisenbahnrechtlichen Vorschriften entsprechenden Vertragsauslegung zugänglich. Zu einer solchen Teilkündigung könne die B auch verpflichtet sein, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu Serviceeinrichtungen für alle Eisenbahnverkehrsunternehmen zu schaffen. Diese Verpflichtung bestehe unabhängig von der Zuständigkeit der SCK, aufgrund einer Beschwerde nach § 73 EisbG einen - den Abschluss eines Vertrags ersetzenden - Bescheid gemäß § 73 Abs. 5 und 6 EisbG zu erlassen. Die Unwirksamerklärung der Vertragsbestimmung setze auch keinen konkreten Bedarfsfall voraus und erweise sich demnach nicht als rechtswidrig.
8Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass zu den maßgeblichen Rechtsfragen, nämlich weder zur Frage der Zulässigkeit der teilweisen Überlassung von Mietgegenständen, noch zur Frage, ob der Betreiber von Serviceeinrichtungen verpflichtet sei, von rechtsgeschäftlichen Vereinbarungen Abstand zu nehmen, die eine solche allenfalls erforderliche Überlassung von Teilen des Mietgegenstands vertraglich ausschließen würden (und demnach eine behördliche Vorgangsweise nach § 73 Abs. 6 EisbG erforderlich machten), Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
9Die vorliegende Revision macht zusammengefasst geltend, die für unwirksam erklärte Vertragsklausel sei nicht diskriminierend, weil eine Kündigung von Teilflächen von Serviceeinrichtungen weder im EisbG normiert noch eine solche nach dem ABGB zulässig sei, wenn sie nicht explizit vertraglich vereinbart werde. Somit gelte die Unzulässigkeit der Kündigung von Teilflächen unabhängig davon, ob diese - wie hier - ausdrücklich vereinbart werde oder nicht. Nach Rechtsauffassung der revisionswerbenden Partei sei die Betreiberin von Serviceeinrichtungen auch nicht dazu verpflichtet, vertragliche Vorkehrungen zu treffen (oder diese zu unterlassen), um die Möglichkeit zu wahren, einen Teil der vertraglich überlassenen Flächen zu einem späteren Zeitpunkt an andere Eisenbahnverkehrsunternehmen zu vergeben. Sie sei auch nicht gehalten, Verträge mit Eisenbahnverkehrsunternehmen (teilweise) zu kündigen oder anzupassen, um (Teile der) Serviceeinrichtungen anderen Unternehmen zur Verfügung zu stellen, falls diese nachträglich einen Bedarf anmeldeten. Derartige Verpflichtungen ergäben sich weder aus dem Unionsrecht noch aus dem EisbG. Die vom BVwG intendierte Einführung einer Teilkündigungsmöglichkeit bewirke für die Ö unzumutbare Nachteile, weil dadurch getätigte Investitionen frustriert sein können und der Ö gegen die Teilkündigung kein Rechtsschutz eingeräumt sei. Im Übrigen hätte das BVwG zur Rechtsansicht gelangen müssen, dass die Abweichung der für unwirksam erklärten Vertragsklausel von den Schienennetz-Nutzungsbedingungen - sofern tatsächlich eine solche vorliege - weder eine Diskriminierung noch eine Marktverzerrung oder andere unerwünschte Entwicklungen herbeiführen könne und sohin kein Verstoß gegen § 59 EisbG gegeben sei.
10Die SCK erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der ausgeführt wird, der Ö stünde im Falle einer Teilkündigung ein Beschwerderecht nach § 73 EisbG zu und sie könne bei einer ungerechtfertigten Kündigung die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses erreichen. Die Revision lasse nicht erkennen, weshalb die für unwirksam erklärte Klausel erforderlich sei. Träfe es, wie von der revisionswerbenden Partei vertreten, zu, dass der Ausschluss einer Teilkündigung ohnehin für alle Verträge gelte, wäre die revisionswerbende Partei durch die Unwirksamerklärung nicht beschwert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
11Die Revision ist zulässig, weil zu der vom BVwG und von der Revision angesprochenen Rechtsfrage, ob das EisbG bzw. das Unionsrecht eine Unwirksamkeitserklärung der gegenständlichen Vertragsklausel rechtfertigen, keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliegt.
12Soweit die belangte Behörde in ihrer Revisionsbeantwortung in Zweifel zieht, dass die Ö durch die angefochtene Entscheidung beschwert sei, ist ihr Folgendes zu entgegnen: Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgesprochen, dass der Zuweisungsstelle (hier: der B) ein subjektives öffentliches Recht zukommt, im Rahmen des Verfahrens nach § 74 EisbG den dort vorgesehenen wettbewerbsbehördlichen Maßnahmen bei Nichtvorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen nicht unterzogen zu werden (vgl. , mwN). Anders gewendet beschränkt sich die Befugnis der SCK, in Verträge - wie den vorliegenden - korrigierend einzugreifen, strikt auf den ihr gesetzlich zugewiesenen Bereich.
13Nichts Anderes gilt in Bezug auf die Vertragspartnerin der Zuweisungsstelle (hier: der Ö), in deren Vertragsautonomie durch die wettbewerbsbehördliche Maßnahme eingegriffen wird. Auch sie hat das subjektive öffentliche Recht, dass die von ihr ausbedungenen vertraglichen Regelungen von der SCK nicht für unwirksam erklärt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für eine derartige Maßnahme nicht vorliegen.
14Unter diesem Blickwinkel ist die Beschwer der revisionswerbenden Ö fallbezogen gegeben.
15Die Revision ist auch begründet.
16Die maßgeblichen Bestimmungen des Eisenbahngesetzes 1957 (EisbG) lauten auszugsweise wie folgt:
„Zugang zu Serviceeinrichtungen, Gewährung von Serviceleistungen
§ 58b. (1) Betreiber von Serviceeinrichtungen haben unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dies begehren, den Zugang, einschließlich des Schienenzugangs, zu ihren nachfolgend angeführten Serviceeinrichtungen und zu den Leistungen zu ermöglichen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden:
1.Personenbahnhöfe, deren Gebäude und Einrichtungen, einschließlich der Einrichtungen für die Anzeige von Reiseauskünften sowie geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf;
...
Schienennetz-Nutzungsbedingungen
§ 59. (1) Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat nach Konsultation mit den Beteiligten Schienennetz-Nutzungsbedingungen ... zu erstellen. ...
(4) In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben Angaben zur Eisenbahninfrastruktur, die Fahrwegkapazitätsberechtigten zur Verfügung steht, und Angaben über die Zugangsbedingungen zur Eisenbahninfrastruktur einschließlich der wesentlichen administrativen, technischen und finanzielle Modalitäten enthalten zu sein. Darüber hinaus haben in Schienennetz-Nutzungsbedingungen Informationen über die Bedingungen, einschließlich der administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten für den Zugang zu an ihre Eisenbahninfrastruktur angeschlossenen Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und über die Gewährung der Serviceleistungen, die in solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, enthalten zu sein oder es hat ein Verweis auf eine Internetseite enthalten zu sein, in der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form in für jedermann zugänglicher Weise veröffentlicht sind. In den Schienennetz-Nutzungsbedingungen haben insbesondere enthalten zu sein:
...
6.einen Abschnitt mit Informationen über den Zugang zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges und über die Gewährung von Serviceleistungen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden, sowie über die dafür zu entrichtenden Entgelte;
...
Behandlung von Begehren auf Zugang zu Serviceeinrichtungen und Gewährung von Serviceleistungen
§ 71a. (1) Jeder Betreiber einer Serviceeinrichtung hat ein Begehren von Eisenbahnverkehrsunternehmen auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen zu prüfen und Verhandlungen zu führen.
...
(3) Begehren auf Gewährung des Zuganges zu einer Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzugangs, und auf Gewährung von Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtung erbracht werden, dürfen nur abgelehnt werden, wenn tragfähige Alternativen vorhanden sind.
...
(7) Stellt der Betreiber einer im § 58b Abs. 1 angeführten Serviceeinrichtung Konflikte zwischen verschiedenen Begehren auf Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzugangs, sowie auf Gewährung von Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtung erbracht werden, fest, so hat er sich zu bemühen, all diesen Begehren weitmöglichst zu entsprechen.
...
Beschwerde gegen einen Betreiber von Serviceeinrichtungen
§ 73. (1) Wird das an einen Betreiber von Serviceeinrichtungen gerichtete Begehren eines Eisenbahnverkehrsunternehmens auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen abgelehnt oder kommt eine Einigung zwischen dem Betreiber von Serviceeinrichtungen und dem Eisenbahnverkehrsunternehmen nicht innerhalb einer angemessenen Frist zustande, kann das Eisenbahnverkehrsunternehmen Beschwerde an die Schienen-Control Kommission erheben. ...
(6) Liegt einem Begehren auf Zugang zu einer Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und der Gewährung der Serviceleistungen, die in einer solchen Serviceeinrichtungen erbracht werden, ein nachgewiesener Bedarf zugrunde, ist eine tragfähige Alternative nicht vorhanden und konnte dem Begehren deshalb nicht entsprochen werden, weil der Betreiber der Serviceeinrichtung nicht über die erforderliche Kapazität verfügt, hat die Schienen-Control Kommission mit dem die Beschwerde erledigenden Bescheid
1.Verträge über die Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der in der Serviceeinrichtung erbrachten Serviceleistungen, oder Urkunden, in denen die Gewährung des Zuganges zu dieser Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung der in der Serviceeinrichtung erbrachten Serviceleistungen dokumentiert ist, in einer Weise zu ändern, damit auch dem beschwerdeführende Eisenbahnverkehrsunternehmen ein für erforderlich erachteter, angemessener Teil der vorhandenen Kapazität zugeteilt werden kann, und
2.dem beschwerdeführenden Eisenbahnverkehrsunternehmen Zugang zur Serviceeinrichtung, einschließlich des Schienenzuganges, und die Serviceleistungen zu gewähren, die in der Serviceeinrichtung erbracht werden, wobei der Bescheid den Abschluss eines schriftlichen Vertrages darüber ersetzt; der Bescheid hat sämtliche Bedingungen im Hinblick auf die administrativen, technischen und finanziellen Modalitäten zu enthalten.
(7) Ein gemäß Abs. 5 und 6 erlassener Bescheid steht einem zeitlich späteren Abschluss eines Vertrages über die Gewährung des Zugangs zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und die Gewährung von Serviceleistungen zwischen dem beschwerdeführenden Eisenbahnverkehrsunternehmen und dem Betreiber von Serviceeinrichtungen nicht entgegen.
Überwachung des Wettbewerbs
§ 74. (1) Die Schienen-Control Kommission hat zur Sicherstellung des Wettbewerbs in den Schienenverkehrsmärkten auf Beschwerde von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen sowie von Amts wegen über geeignete Maßnahmen zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten zu entscheiden; insbesondere hat sie ...
4.einem Betreiber von Serviceeinrichtungen hinsichtlich der Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und der Gewährung von Serviceleistungen im Falle des Zuwiderhandelns ein den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entsprechendes Verhalten aufzuerlegen oder nicht entsprechendes Verhalten zu untersagen oder
5.den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären ...“
17Die unionsrechtlichen Grundlagen lauten auszugsweise wie folgt:
18Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung):
„Art. 13 Bedingungen für den Zugang zu Leistungen
(1) ...
(2) Die Betreiber von Serviceeinrichtungen ermöglichen allen Eisenbahnunternehmen unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung Zugang ... zu den in Anhang II Nummer 2 genannten Einrichtungen sowie zu den Leistungen, die in diesen Einrichtungen erbracht werden.
(3) ...
(4) Anträge von Eisenbahnunternehmen auf Zugang zur Serviceeinrichtung und auf dortige Erbringung von Leistungen nach Anhang II Nummer 2 werden innerhalb einer von der Regulierungsstelle gemäß Artikel 55 festgelegten angemessenen Frist beantwortet. Solche Anträge dürfen nur abgelehnt werden, wenn tragfähige Alternativen vorhanden sind, die es ermöglichen, den betreffenden Güter- oder Personenverkehrsdienst auf denselben Strecken oder Alternativstrecken unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen durchzuführen. Dies stellt keine Verpflichtung für den Betreiber der Serviceeinrichtung dar, Investitionen in Ressourcen oder Einrichtungen zu tätigen, um allen Anträgen von Eisenbahnunternehmen entsprechen zu können. ...
(5) Stellt der Betreiber einer Serviceeinrichtung gemäß Anhang II Nummer 2 Konflikte zwischen verschiedenen Anträgen fest, so bemüht er sich, allen Anträgen weitestmöglich zu entsprechen. Besteht keine tragfähige Alternative und kann nicht allen auf nachgewiesenem Bedarf beruhenden Anträgen auf Zugang zu Kapazitäten der betreffenden Serviceeinrichtung stattgegeben werden, so kann der Antragsteller bei der in Artikel 55 genannten Regulierungsstelle Beschwerde einlegen, die den Fall prüft und gegebenenfalls tätig wird, damit ein angemessener Teil der Kapazität dem Antragsteller zugewiesen wird.
...
ANHANG II
FÜR DIE EISENBAHNUNTERNEHMEN ZU ERBRINGENDE LEISTUNGEN (gemäß Artikel 13)
1....
2.Der Zugang ... wird zu folgenden Serviceeinrichtungen, soweit vorhanden, und zu den Leistungen, die in diesen Einrichtungen erbracht werden, gewährt:
a)Personenbahnhöfe, deren Gebäude und sonstige Einrichtungen, einschließlich Einrichtungen für die Anzeige von Reiseauskünften sowie geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf, ...“;
19Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 der Kommission vom über den Zugang zu Serviceeinrichtungen und schienenverkehrsbezogenen Leistungen:
„Artikel 1 Gegenstand
Diese Verordnung bestimmt die Einzelheiten des Verfahrens und die anzuwendenden Kriterien für den Zugang zu den in den Serviceeinrichtungen zu erbringenden Leistungen, die in Anhang II Nummern 2, 3 und 4 der Richtlinie 2012/34/EU aufgeführt sind. ...
Art. 4 Beschreibung der Serviceeinrichtung
(1) Die Betreiber von Serviceeinrichtungen erstellen für die Serviceeinrichtungen und Leistungen, für die sie zuständig sind, eine Beschreibung der Serviceeinrichtung.
(2) Die Beschreibung der Serviceeinrichtung enthält mindestens die folgenden Informationen, soweit sie in dieser Verordnung vorgeschrieben sind:
a)[bis] h) ...
i)zumindest bei Serviceeinrichtungen und schienenverkehrsbezogenen Leistungen, die von Betreibern betrieben bzw. erbracht werden, die unter direkter oder indirekter Kontrolle einer Kontrollinstanz stehen, sind Musterzugangsverträge und allgemeine Geschäftsbedingungen bereitzustellen; ...
Artikel 10 Koordinierungsverfahren
(1) Erhält der Betreiber einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung einen Antrag auf Zugang zur Serviceeinrichtung oder die Erbringung einer Leistung, der mit einem anderen Antrag unvereinbar ist oder bereits zugewiesene Kapazität der Serviceeinrichtung betrifft, so bemüht er sich, alle Anträge durch Gespräche und Koordinierung mit den betroffenen Antragstellern bestmöglich abzustimmen. Diese Koordinierung erstreckt sich auch auf die Anbieter von Zusatzleistungen und Nebenleistungen gemäß Anhang II Nummern 3 und 4 der Richtlinie 2012/34/EU, wenn solche Leistungen in der Einrichtung angeboten werden und der Antragsteller sie beantragt hat. Jede Änderung von bereits gewährten Zugangsrechten bedarf der Zustimmung des jeweiligen Antragstellers.
(2) Die Betreiber von Serviceeinrichtungen im Sinne von Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU dürfen weder Anträge auf Zugang zu ihrer Serviceeinrichtung oder die Erbringung einer Leistung ablehnen noch dem Antragsteller tragfähige Alternativen angeben, wenn in ihrer Serviceeinrichtung eine dem Bedarf des Antragstellers entsprechende Kapazität verfügbar ist oder im Verlauf des Koordinierungsverfahrens oder danach voraussichtlich verfügbar sein wird. ...
(5) Konnte einem Antrag auf Zugang zu einer in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie 2012/34/EU genannten Serviceeinrichtung nach dem Koordinierungsverfahren nicht entsprochen werden und hat die Einrichtung ihre Auslastungsgrenze erreicht, so kann die Regulierungsstelle den Betreiber der Serviceeinrichtung auffordern, Maßnahmen zu ergreifen, die es ermöglichen, zusätzlichen Anträgen auf Zugang zu seiner Einrichtung zu entsprechen. Solche Maßnahmen müssen transparent und nichtdiskriminierend sein.“
20Gemäß § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG hat die SCK zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen oder anderer unerwünschter Entwicklungen in diesen Märkten den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären.
21Von dieser Kompetenz machte die SCK in Bezug auf die in Rede stehende Vertragsklausel, mit der eine Teilkündigung für Teilflächen der Mietgegenstände ausgeschlossen wurde, Gebrauch. Diese Entscheidung wurde vom BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis bestätigt. Zur Begründung stützte sich das BVwG zum einen darauf, dass die Klausel im Muster-Mietvertrag der Schienennetz-Nutzungsbedingungen nicht enthalten sei. Darin liege ein Verstoß gegen § 59 Abs. 1 EisbG. Zum anderen verpflichte § 58b EisbG den Betreiber der Serviceeinrichtung dazu, allen Eisenbahnverkehrsunternehmen bei Bedarf diskriminierungsfreien Zugang zu den Serviceeinrichtungen zu gewähren. Dies schließe mit ein, dass er alle Handlungen unterlassen müsse, die einen solchen diskriminierungsfreien Zugang behindern, erschweren oder einschränken würden. Dieser Verpflichtung widerspreche die gegenständliche Vertragsklausel, die eine Kündigung für Teilflächen ausschließe.
22Folgt man der Argumentation des BVwG, würden offensichtlich beide Gründe für sich betrachtet ausreichen, die Vertragsklausel im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht gemäß § 74 EisbG für unwirksam zu erklären.
Zum Verstoß gegen § 59 Abs. 1 EisbG (Abweichung der Vertragsklausel von den Schienennetz-Nutzungsbedingungen):
23Die Verpflichtung, Schienennetz-Nutzungsbedingungen zu erstellen und zu veröffentlichen, soll Transparenz und einen nicht diskriminierenden Zugang zur Schieneninfrastruktur für alle Zugangsberechtigten sicherstellen (vgl. die Erläuterungen zur RV zur EisbG-Novelle BGBl I Nr 38/2004, 349 BlgNR 22. GP, S 8). Den Schienennetz-Nutzungsbedingungen kommt daher eine zentrale Rolle bei der Gewährleistung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs (§ 54 Z 1 EisbG) zu, insbesondere indem sie die Regeln zur Zugangsgewährung vereinheitlichen und der individuellen (abweichenden) Vereinbarung zwischen Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eisenbahnverkehrsunternehmen entziehen, sodass die für den Zugang zur Anwendung kommenden Bedingungen nicht im jeweiligen Einzelfall das Ergebnis allenfalls ungleichgewichtiger Verhandlungsmacht widerspiegeln (vgl. , 0098 bis 0099, 0107).
24Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass der Schutz vor Diskriminierung, den die SCK im Rahmen der Wettbewerbsaufsicht nach § 74 EisbG zu gewährleisten hat und der im Sinne des § 54 Z 4 EisbG als Schutz von Zugangsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung zu verstehen ist, auch die Sicherstellung umfasst, dass die veröffentlichten Schienennetz-Nutzungsbedingungen alle nach dem Gesetz erforderlichen Inhalte aufweisen, und dass schließlich das Eisenbahninfrastrukturunternehmen den Zugang zu den jeweiligen Leistungen nicht an Bedingungen knüpft, die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen nicht enthalten sind (vgl. , mwN).
25Fallbezogen ist unstrittig, dass die relevanten Muster-Mietverträge in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen die in Rede stehende Vertragsklausel nicht enthielten. Der beanstandete Mietvertrag wich insoweit von den Schienennetz-Nutzungsbedingungen ab.
26Das allein reicht allerdings noch nicht, um die Klausel für unwirksam zu erklären. Weder das EisbG noch das Unionsrecht verbieten es, in Einzelverträge spezifische - von den Vertragspartnern gewünschte - Zusatzregelungen aufzunehmen, die sich von Muster-Mietverträgen in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen unterscheiden, solange diese keine wettbewerbsverzerrenden oder diskriminierenden Auswirkungen haben. Auch die der SCK in § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG eingeräumte Befugnis, Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, erlaubt nur solche Eingriffe in Verträge, die zur Vermeidung der Diskriminierung von Fahrwegkapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen geboten sind. Die der Regulierungsbehörde in § 74 Abs. 1 Z 5 EisbG eingeräumte Befugnis ermächtigt diese sohin nicht, einen Vertrag einzig deshalb ganz oder teilweise für ungültig zu erklären, weil er von dem in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthaltenen Mustervertrag abweicht, obwohl diese Abweichung weder wettbewerbsverzerrend noch diskriminierend oder in anderer - vergleichbarer - Weise unerwünscht wäre. Die Unwirksamkeitserklärung muss vielmehr aus den in § 74 Abs. 1 EisbG genannten Gründen (zur Korrektur von Fällen der Diskriminierung von Fahrwegskapazitätsberechtigten oder Eisenbahnverkehrsunternehmen, von Marktverzerrungen und anderer unerwünschter Entwicklungen) erforderlich sein (vgl. zu den Befugnissen des § 74 wiederum , Rn 30ff).
27Für die Beurteilung, ob die Unwirksamkeitserklärung im gegenständlichen Fall rechtens war, ist somit entscheidend, ob diese Voraussetzungen in Bezug auf die in Rede stehende Vertragsklausel gegeben waren.
Zur Unwirksamkeitserklärung wegen möglicher Diskriminierung anderer Eisenbahnunternehmen:
28Das BVwG vertrat die Rechtsansicht, der Betreiber von Serviceeinrichtungen habe den Eisenbahnverkehrsunternehmen unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Zugang zu Serviceeinrichtungen zu ermöglichen. Dies schließe mit ein, dass er alle Handlungen unterlasse, die einen solchen diskriminierungsfreien Zugang behindern, erschweren oder einschränken könnten. Eben dazu könne die gegenständliche Klausel führen, falls die Überlassung von Teilflächen eines Mietgegenstandes zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu Serviceeinrichtungen für andere Eisenbahnunternehmen erforderlich werden könnte. Die B verletze ihre Pflichten als Betreiberin von Serviceeinrichtungen, wenn sie die Möglichkeit, Teilflächen anderen Eisenbahnunternehmen bei Bedarf zu überlassen, durch Abschluss der gegenständlichen Kündigungsverzichtsklausel erschwere. Anders als die beanstandete Vertragsklausel schließe der Muster-Mietvertrag der Schienennetz-Nutzungsbedingungen eine Kündigung von Teilflächen von Mietgegenständen nicht aus und sei damit einer den eisenbahnrechtlichen Vorschriften entsprechenden Vertragsauslegung (offenbar gemeint im Sinne einer Aufkündigung von Teilflächen des Mietgegenstandes bei einem angemeldeten Bedarf durch ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen) zugänglich.
29Die Revision wendet dagegen ein, die Vertragsklausel habe nur wiedergegeben, was auch ohne sie gesetzlich vorgesehen sei. Die Unzulässigkeit der Kündigung von Teilflächen gelte nämlich unabhängig davon, ob diese ausdrücklich vereinbart werde oder nicht. Durch die Streichung der Klausel erfahre die Rechtslage keine Änderung.
30Mit diesem Vorbringen ist die Revision im Recht:
31Im vorliegenden Fall sind - mangels Anwendbarkeit der Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes (MRG; vgl. dazu § 1 Abs. 2 Z 1 MRG, der unter anderem Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebes eines Verkehrsunternehmens vermietet werden, vom Geltungsbereich des MRG ausschließt) - die Bestimmungen über den Bestandvertrag im ABGB, insbesondere § 1116 leg. cit., maßgeblich.
32Nach der zu § 1116 ABGB ergangenen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes ist eine Teilkündigung, bei der Teile des Bestandverhältnisses aufrechterhalten werden sollen, eine Abänderung des Bestandvertrages, die grundsätzlich nicht durch einseitige Willenserklärung bewirkt werden kann. Sie ist daher - abgesehen von einer ausdrücklichen Einräumung im Vertrag - nur auf Grund spezieller Kündigungsschutzvorschriften (§ 31 MRG) zulässig; eine ausdehnende Auslegung ist ausgeschlossen (vgl. etwa ; sowie Würth in Rummel ABGB3§ 1116 Rz 6).
33Vor diesem rechtlichen Hintergrund bewirkt die Streichung der Vertragsklausel, mit der eine Kündigung von Teilflächen der Mietgegenstände für beide Vertragspartner ausgeschlossen wurde, keine Änderung der Rechtslage. Die Unwirksamkeitserklärung der Vertragsklausel führt nämlich dazu, dass in Ermangelung einer entsprechenden vertraglichen Regelung das dispositive Gesetzesrecht zur Anwendung gelangt, das eine einseitige Aufkündigung des Mietvertrags für Teilflächen des Mietgegenstandes ebenfalls nicht vorsieht.
34Selbst unter der Annahme, dass ein Kündigungsausschluss für Teilflächen eine Diskriminierung von anderen Eisenbahnunternehmen zur Folge haben könnte (siehe dazu gleich), würde ein diskriminierungsfreier Zustand durch die wettbewerbsaufsichtsbehördliche Maßnahme der SCK nicht erreicht. Eine solche Maßnahmen kann daher - für sich betrachtet - nicht als geeignet und erforderlich angesehen werden, um den Wettbewerb sicherzustellen und wäre demzufolge als Ergebnis eines Verfahrens nach § 74 EisbG auch nicht zulässig.
35Die Revision wendet sich ungeachtet des bisher Gesagten auch gegen die Rechtsauffassung des BVwG, dass der Betreiber von Serviceeinrichtungen verpflichtet wäre, Mietverträge vorausschauend so zu gestalten, dass anderen Eisenbahnunternehmen Flächen für den Fahrscheinverkauf in Personenbahnhöfen bei Bedarf zur Verfügung gestellt werden könnten, obwohl einer solcher Bedarf noch gar nicht angemeldet worden ist. Eine solche Verpflichtung bestehe nach Rechtsauffassung der revisionswerbenden Partei nicht. Das Unionsrecht sehe insoweit ein Koordinierungsverfahren vor, indem eine Änderung bereits zugewiesener Kapazitäten nur im Einverständnis mit dem betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmen zulässig sei. Nach den regulierungsrechtlichen Vorgaben komme die Kompetenz zum Eingriff in bestehende Verträge allein der Regulierungsbehörde zu. Die Ausführungen des BVwG, wonach diese behördliche Aufgabe (vorab) durch Betreiber der Serviceeinrichtung wahrzunehmen wäre, entbehre jeglicher Grundlage. Dem Eisenbahnunternehmen, das später einen Bedarf anmelde, stehe eine Beschwerdemöglichkeit nach § 73 EisbG offen, wenn ihm keine Serviceeinrichtungen zur Verfügung gestellt würden. Das von einem Eingriff durch den Betreiber der Serviceeinrichtung betroffene Eisenbahnverkehrsunternehmen (hier: die revisionswerbende Partei) könne sich aber nicht zur Wehr setzen, was nach Auffassung der revisionswerbenden Partei keinesfalls den Intentionen des Gesetzgebers entspreche und einen unzulässigen Eingriff in das Eigentumsrecht der revisionswerbenden Partei darstelle.
36Dieses Revisionsvorbringen zeigt die Notwendigkeit auf, für Konflikte zwischen verschiedenen Begehren auf Gewährung des Zugangs zu Serviceeinrichtungen eine die Interessen aller Beteiligten wahrende Lösung zu finden.
37Die Lösung kann allerdings - anders als die Revision zu vermeinen scheint - nicht darin liegen, einmal abgeschlossene Verträge immer und ausnahmslos von der Zustimmung zur Vertragsänderung seitens des begünstigten Eisenbahnverkehrsunternehmens (hier der revisionswerbenden Partei) abhängig zu machen und bei mangelnder Einigung dem Begehren eines anderen Eisenbahnverkehrsunternehmens, das Bedarf an einer Serviceeinrichtung anmeldet, schlichtweg nicht zu entsprechen.
38Die Revision scheint auch die rechtliche Argumentation des BVwG misszuverstehen, die nicht darauf gerichtet war, dem Betreiber der Serviceeinrichtung Eingriffe in bestehende Verträge zu ermöglichen, sondern ihn dazu verpflichten möchte, schon bei Abschluss des Mietvertrags mit dem vorerst einzigen Bedarf anmeldenden Eisenbahnverkehrsunternehmen die Notwendigkeit im Auge zu haben, künftig anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen Teilflächen vermieten zu können, um einen diskriminierungsfreien Zugang zu den Serviceeinrichtungen sicherzustellen. Deshalb sei es nach Auffassung des BVwG unzulässig, in den Mietvertrag einen Kündigungsausschluss für Teilflächen aufzunehmen.
39Zu diesen Erwägungen ist klarstellend festzuhalten:
Die Bestimmungen des 6. Teiles des EisbG sind auf dem Boden der unionsrechtlichen Vorgaben, denen die nationalen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung zu entsprechen haben, soweit wie möglich im Lichte des Wortlauts, des Zusammenhangs und der Ziele der Richtlinie 2012/34/EU auszulegen und anzuwenden, um das mit ihr angestrebte Ergebnis zu erreichen (vgl. wiederum mwN und Verweis auf die Rechtsprechung des EuGH).
40§ 58b Abs. 1 EisbG verpflichtet den Betreiber einer Serviceeinrichtung unter Ausschluss jeglicher Diskriminierung den Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dies begehren, den Zugang zu seinen Serviceeinrichtungen - unter anderem zu Personenbahnhöfen, deren Gebäuden und Einrichtungen, einschließlich der Einrichtungen für die Anzeige von Reiseauskünften sowie geeigneter Örtlichkeiten für den Fahrscheinverkauf - und zu den Leistungen zu ermöglichen, die in diesen Serviceeinrichtungen erbracht werden.
41Diese nationalen Bestimmung setzt nach der Intention des Gesetzgebers Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2012/34/EU um (vgl. die Erläuterungen der RV 841 BlgNR 25. GP, 7, zur Novelle des EisbG, BGBl. I Nr. 137/2015), der normiert, dass die Betreiber von Serviceeinrichtungen allen Eisenbahnunternehmen diskriminierungsfreien Zugang zu den in Anhang II Nummer 2 der Richtlinie genannten Einrichtungen und Leistungen, die in diesen Einrichtungen erbracht werden, gewähren müssen (vgl. dazu auch den 27. Erwägungsgrund zur Richtlinie 2012/34/EU).
42Vor diesem Hintergrund enthält u.a. § 71a EisbG rechtliche Rahmenbedingungen, wie ein Begehren auf Zugang zu einer Serviceeinrichtung zu behandeln ist (vgl. zum Koordinierungsverfahren auch Art. 10 der Durchführungsverordnung [EU] 2017/2177). Danach hat jeder Betreiber einer Serviceeinrichtung ein Begehren eines Eisenbahnverkehrsunternehmens auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und auf Gewährung von Serviceleistungen zu prüfen und Verhandlungen zu führen. Nach Abs. 7 dieser Bestimmung hat sich der Betreiber einer im § 58b Abs. 1 EisbG angeführten Serviceeinrichtung, sofern er Konflikte zwischen verschiedenen Begehren auf Gewährung des Zuganges zu diesen Leistungen feststellt, zu bemühen, all diesen Begehren weitmöglichst zu entsprechen.
43Wird das Begehren eines Eisenbahnverkehrsunternehmens an einen Betreiber von Serviceeinrichtungen auf Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen und auf Gewährung von Serviceleistungen abgelehnt oder kommt eine Einigung zwischen diesen nicht innerhalb einer angemessenen Frist zustande, wird dem betreffenden Eisenverkehrsunternehmen gesetzlich die Möglichkeit eingeräumt, Beschwerde an die SCK zu erheben (§ 73 Abs. 1 EisbG). Gemäß § 73 Abs. 5 und 6 EisbG hat die SCK in diesem Fall (bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen) einen vertragsersetzenden Bescheid zu erlassen und ist damit befugt, dem beschwerdeführenden Eisenbahnverkehrsunternehmen den Zugang zu einer Serviceeinrichtung einzuräumen. Im Rahmen dieses Verfahrens kommt der SCK auch die Kompetenz zu, bestehende Verträge oder Urkunden abzuändern, um dem Zugang begehrenden Eisenbahnverkehrsunternehmen einen angemessenen Teil der vorhandenen Kapazitäten eines Betreibers einer Serviceeinrichtung zukommen zu lassen.
44Die vom BVwG in der angefochtenen Entscheidung geforderte vorausschauende Vertragsgestaltung, die es auch ohne Anmeldung eines konkreten Bedarfs ermöglichen soll, künftig anderen Eisenbahnverkehrsunternehmungen Zugang zu einer bestimmten Serviceeinrichtung einzuräumen, ist in den wiedergegebenen gesetzlichen Regelungen nicht vorgesehen. § 58b EisbG soll nach seinem Wortlaut antragstellenden Eisenbahnverkehrsunternehmen, die aktuell Zugang zu Serviceeinrichtungen fordern, diskriminierungsfreien Zugang garantieren (arg.: „... Eisenbahnverkehrsunternehmen, die dies begehren ...“). Ob künftig auch ein anderes Eisenbahnverkehrsunternehmen Bedarf anmelden könnte, ist dabei noch nicht zu beachten. Dass es allenfalls zweckmäßig sein könnte, für diese Möglichkeit Vorsorge zu treffen, mag zutreffen. Eine Verpflichtung der Betreiber von Serviceeinrichtungen, solche vorsorglichen Maßnahmen zu treffen, ist aus den gesetzlichen Bestimmungen aber nicht abzuleiten.
45Auch das Unionsrecht verlangt dies in den einschlägigen Regelungen nicht. Es sieht vielmehr - wie auch das nationale Recht - einen Mechanismus vor, bei einem später angemeldeten Bedarf eines anderen Eisenbahnverkehrsunternehmens auf eine einvernehmliche Lösung hinzuwirken und für den Fall, dass eine solche nicht erzielt werden kann, eine Beschwerde des betroffenen Eisenbahnverkehrsunternehmens an die Regulierungsstelle und eine Zuweisungsmöglichkeit durch diese vorzusehen.
46Fallbezogen kommt - wie der Vollständigkeit halber anzumerken ist - hinzu, dass § 2 Abs. 2 des gegenständlichen Mietvertrags beiden Vertragsparteien und somit auch der B als Betreiberin der Serviceeinrichtungen ohnedies die Möglichkeit einräumt, ganze Bestandobjekte ohne Bindung an bestimmte Gründe unter Einhaltung einer 6-monatigen Kündigungsfrist zum Letzten des Monats aufzukündigen. Auch ausgehend davon vermag das Argument des BVwG, dass der vorliegende Kündigungsausschluss für Teilflächen geeignet ist, einen diskriminierungsfreien Zugang zu Serviceeinrichtungen zu verhindern, nicht zu überzeugen, steht es der B doch offen ein Mietverhältnis zur Gänze aufzukündigen und den Zugang dazu neu zu verhandeln.
47Zusammengefasst erweisen sich beide vom Verwaltungsgericht herangezogene Begründungen für die Unwirksamerklärung der gegenständlichen Vertragsklausel als nicht tragfähig.
48Das angefochtene Erkenntnis war aus den genannten Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
49Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2021030001.J00 |
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