VwGH vom 24.02.2021, Ro 2020/16/0024
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Mag. M E J H in S, vertreten durch Dr. Bertram Schneider, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 6845 Hohenems, Nibelungenstraße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RV/1100139/2017, betreffend Grunderwerbsteuer (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: nunmehr Finanzamt Österreich), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 € binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Bescheid vom setzte das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel gegenüber dem Revisionswerber Grunderwerbsteuer für einen Kaufvertrag vom mit S.B., ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 582.000 € mit 20.370 € fest. Der Bemessung sei der gemeine Wert der Grundstücke zugrunde gelegt worden.
2Der Revisionswerber erhob dagegen mit Schriftsatz vom Beschwerde. Er wandte sich gegen die vom Finanzamt angenommene Höhe des gemeinen Wertes und beantragte die Festsetzung der Grunderwerbsteuer anhand des Kaufpreises von 465.000 €, welcher nicht geringer sei als der tatsächliche gemeine Wert.
3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das damalige Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel die Beschwerde als unbegründet ab. Der Kaufvertrag sei einer von drei Kaufverträgen, welche mit dem Verkäufer abgeschlossen worden seien. Der Kaufpreis für die in Rede stehenden Liegenschaften sei mit 465.000 € vereinbart worden. Es läge jedoch ein Kauf zur Abstattung von Pfandrechtsschulden zu einem weit unter dem ermittelten gemeinen Wert liegenden Kaufpreis vor. In den Kaufverträgen werde ausgeführt, dass die bestehenden Pfandlasten gegenüber einer Bank aus den Kaufpreisen zu tilgen seien und die Liegenschaften pfandlastenfrei gestellt würden. Auch in der Beschwerde werde ausgeführt, dass die Bank dem Verkäufer für den Fall eines Verkaufs zu den in Ansatz gekommenen Kaufpreisen nicht nur eine Lastenfreistellung der Liegenschaften, sondern zusätzlich eine Restschuldbefreiung zugesagt und schließlich auch gewährt habe.
4Dagegen brachte der Revisionswerber am einen Vorlageantrag ein.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis setzte das Bundesfinanzgericht die Grunderwerbsteuer, ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 663.812,23 € geändert mit 23.233,45 € fest und sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
6Die Hypothekargläubigerin (Bank) habe gegen Ausfolgung des Kaufpreises auf die auf der Liegenschaft lastenden, deutlich höher als der Kaufpreis liegenden Hypotheken verzichtet. Die Bank habe dem Verkäufer für den Fall des Verkaufs zu den zum Ansatz kommenden Preisen nicht nur eine Lastenfreistellung der Liegenschaften, sondern zusätzlich eine Restschuldbefreiung zugesagt und schließlich auch gewährt. Der Verkäufer habe in der Folge Privatkonkurs angemeldet. Die Restschuld wäre daher mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht einbringlich gewesen. Der im Beschwerdeverfahren erhobenen Behauptung des Revisionswerbers, eine Restschuldbefreiung wäre auch dann gewährt worden, wenn kein Verkauf stattgefunden hätte, und eine Schuldbefreiung wäre auch für den Fall einer Umschuldung gewährt worden, hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, dass in der Mitteilung des Notars bei Vorlage der Marktwertermittlungen vorgebracht worden sei, es sei auf das Geschick des agierenden Maklers zurückzuführen dass „die Grundbuchsgläubigerin zur Lastenfreistellung im Gegenzug zum Erlös von 940 T€ bereit gewesen ist.“ Weiters sei in der Beschwerde ausgeführt worden, dass die finanzierende Bank dem Verkäufer für den Fall eines Verkaufes zu den zum Ansatz kommenden Preisen nicht nur eine Lastenfreistellung der Liegenschaften, sondern zusätzlich eine Restschuldbefreiung zugesagt und schließlich auch gewährt habe.
7Mit näherer Begründung hielt das Bundesfinanzgericht den gemeinen Wert durch die erfolgte Marktwertermittlung für nicht nachgewiesen.
8Allerdings hätte der Veräußerer ohne die Gewährung der Restschuldbefreiung die Liegenschaft nicht um diesen Preis veräußert. Für die Bank hätte das Risiko bestanden, dass bei einer Versteigerung ein geringerer Kaufpreis erzielt werde und dass sie dadurch einen höheren Betrag hätte als uneinbringlich abschreiben müssen. Wie der Revisionswerber im Beschwerdeverfahren selbst ausgeführt habe, sei für die Bank der Umstand wesentlich gewesen, durch die Veräußerung des Grundstückes den Verlust begrenzen zu können. Dazu habe die Bank dem Veräußerer einen Restschuldenerlass zusichern müssen. Daher seien die Leistungen der Bank an den Veräußerer der Gegenleistung hinzuzurechnen.
9Dem im Beschwerdeverfahren vom Revisionswerber ins Treffen geführten Einwand, die Forderung, auf welche die Bank im Wege des Restschulderlasses verzichtet habe, sei in diesem Umfang uneinbringlich gewesen, hielt das Bundesfinanzgericht entgegen, § 14 Abs. 2 BewG beziehe sich nicht auf Schulden. Der Nichtansatz einer Forderung wegen Uneinbringlichkeit führe nicht dazu, dass auch die Verpflichtung des Schuldners mit Null zu bewerten sei. Aus der Tatsache, dass die Forderung aus Sicht des Gläubigers als uneinbringlich anzusehen sei, sei für den Schuldner nichts zu gewinnen. Der hinzuzurechnende Schulderlass sei aus der Sicht des Veräußerers mit dem Nennwert der Schulden zu bewerten.
10Die Zulässigkeit der Revision begründete das Bundesfinanzgericht damit, dass zur Frage der Bewertung eines Schuldnachlasses im Zusammenhang mit § 5 Abs. 3 Z 2 GrEStG noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorliege.
11Die dagegen erhobene Revision legte das Bundesfinanzgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer vom damaligen Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel mit Schriftsatz vom eingereichten Revisionsbeantwortung dem Verwaltungsgerichtshof vor.
12Der Revisionswerber erachtet sich im Recht verletzt, „keine Grunderwerbsteuer von einem im Zuge eines Liegenschaftserwerbes von Dritter Seite dem Verkäufer gewährten Nachlass einer uneinbringlichen Forderung bezahlen zu müssen.“
13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14§ 4 des Grunderwerbsteuergesetzes 1987 (GrEStG) in der im Revisionsfall noch maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 36/2014 lautet auszugsweise:
„§ 4. (1) Die Steuer ist vom Wert der Gegenleistung (§ 5) zu berechnen.
(2) Abweichend von Abs. 1 gilt Folgendes:
1......
2......
3.Die Steuer ist - abgesehen von Z 1 und 2 - vom gemeinen Wert zu berechnen:
a)wenn eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln ist oder die Gegenleistung geringer ist als der gemeine Wert des Grundstückes;
b).....
(4) .....“
15§ 5 GrEStG lautet auszugsweise:
„§ 5. (1) Gegenleistung ist
1.bei einem Kauf
der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen,
2......
.....
7......
(2) Zur Gegenleistung gehören
1.Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt,
2.Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten.
(3) Der Gegenleistung sind hinzuzurechnen
1.Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß sie auf den Erwerb des Grundstückes verzichten,
2.Leistungen, die ein anderer als der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, daß der Veräußerer dem Erwerber das Grundstück überläßt.
(4) Die Grunderwerbsteuer, die für den zu besteuernden Erwerbsvorgang zu entrichten ist, wird der Gegenleistung weder hinzugerechnet noch von ihr abgezogen.“
16Gemäß § 1 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes 1955 (BewG) gelten die Bestimmungen des ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (§§ 2 bis 17), soweit sich nicht aus den abgabenrechtlichen Vorschriften oder aus dem zweiten Teil des BewG etwas anderes ergibt, u.a. für die bundesrechtlich geregelten Abgaben.
17§ 10 BewG enthält Bestimmungen über den in § 4 Abs. 3 GrEStG erwähnten gemeinen Wert.
18Gemäß § 14 Abs. 1 BewG sind Kapitalforderungen - von im Revisionsfall nicht interessierenden, in § 13 leg. cit. genannten Wertpapieren und Anteilen abgesehen - sowie Schulden mit dem Nennwert anzusetzen, wenn nicht besondere Umstände einen höheren oder geringeren Wert begründen.
19Gemäß § 14 Abs. 2 BewG bleiben Forderungen, die uneinbringlich sind, außer Ansatz.
20Das Bundesfinanzgericht geht davon aus, dass die Voraussetzungen des § 5 Abs. 3 Z 2 GrEStG für die erwähnte „Restschuldbefreiung“ vorlägen und setzt die erlassene Schuld mit dem Nennwert an. § 14 Abs. 2 BewG erfasse lediglich Forderungen, nicht aber Schulden.
21Der Revisionswerber wendet dagegen ein, ein Schuldnachlass sei ebenfalls nach § 14 Abs. 2 BewG zu bewerten. Der Verzicht auf eine uneinbringliche Forderung erhöhe den Wert einer Gegenleistung nicht. Die in Rede stehenden Forderungen, auf welche die Bank verzichtet habe („Restschuldbefreiung“) seien uneinbringlich gewesen.
22Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff der Gegenleistung im Sinne der § 4 und 5 GrEStG ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Er ist vielmehr im wirtschaftlichen Sinn (§ 21 BAO) zu verstehen. Für die Beurteilung der Gegenleistung kommt es nicht auf die äußere Form der Verträge, sondern auf den wahren wirtschaftlichen Gehalt an, der nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise zu ermitteln ist. Unter einer Gegenleistung ist daher jede geldwerte entgeltliche Leistung zu verstehen, die für den Erwerb des Grundstückes zu zahlen ist (vgl. , mwN).
23Im Sinne des § 5 Abs. 1 GrEStG ist die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Grunderwerbsteuer in erster Linie die Gegenleistung d.h. jede bewertbare Leistung, die der Erwerber aufwenden muss, um das Grundstück zu erhalten (vgl. ). Es ist somit auf denjenigen abzustellen, der die Leistung erbringt, also auf den Erwerber des Grundstücks, der die Gegenleistung (für das Grundstück) erbringt.
24§ 5 Abs. 3 Z 2 GrEStG spricht ausdrücklich von der Leistung, welche ein anderer als der Erwerber dem Veräußerer erbringt. Es ist somit ebenso auf denjenigen abzustellen, der diese Leistung erbringt.
25Nichts Anderes galt im Übrigen auch für die Gegenleistung nach § 7 Abs. 1 Z 1 des in der Revisionsbeantwortung des Finanzamtes herangezogenen Kapitalverkehrsteuergesetzes (vgl. ).
26Im Revisionsfall hat die in Rede stehende Leistung (Restschuldbefreiung) die Bank erbracht, welche auf die ihr gegenüber dem Veräußerer zustehende restliche Forderung verzichtet hat. Dergestalt handelt es sich bei der Höhe dieser Leistung um den Wert einer Forderung, auf welche die Bank verzichtet hat. Damit ist - entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichtes - die Frage der Einbringlichkeit dieser restlichen Forderung nach § 14 Abs. 2 BewG von Bedeutung.
27Das angefochtene Erkenntnis war daher, ohne dass auf die Verfahrensrügen des Revisionswerbers eingegangen werden musste, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
28Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020160024.J00 |
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