VwGH vom 29.06.2020, Ro 2020/16/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision des Stadtsenates der Stadt Krems an der Donau, vertreten durch Dr. Frank Riel, Dr. Wolfgang Grohmann und Dr. Christoph Sauer, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Gartenaugasse 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom , Zl. LVwG-AV-523/001-2019, betreffend Ergänzungsabgabe nach der NÖ Bauordnung 2014 (mitbeteiligte Partei: B GmbH in W, vertreten durch Dr. Georg Retter, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Roseggerstraße 16/2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Aufwandersatzbegehren der revisionswerbenden Partei wird abgewiesen.
Begründung
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis verpflichtete das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die mitbeteiligte GesmbH (Mitbeteiligte) im Instanzenzug, aus Anlass der Änderung von Grundstücksgrenzen der Grundstücke 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9, je der KG K, eine Ergänzungsabgabe in der Höhe von 55.544,43 € zu entrichten. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
2Unter Vorlage eines näher bezeichneten Teilungsplanes habe die Mitbeteiligte als damalige Alleineigentümerin beim Magistrat der Stadt Krems die Bewilligung der Änderung von Grundstücksgrenzen durch Teilung und Vereinigung der (damaligen) Grundstücke 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und 9, je der KG K, beantragt. Die damalige Punktparzelle 1 der KG K sei jedenfalls schon seit dem ein Grundstück im Bauland, zu welchem Zeitpunkt sich auch bereits ein bis dato bestehendes Gebäude befunden habe, dessen nördliche, östliche und südliche Außenmauern mit der Grundstücksgrenze zum diese Punktparzelle in diesen Bereichen umschließenden Grundstück Nr. 4 ident gewesen seien. Jedenfalls die östliche Außenmauer dieses Gebäudes sei nicht als Brandwand ausgebildet, befänden sich doch in dieser Außenmauer Fenster- und Türöffnungen.
3Der erwähnte, mittlerweile grundbücherlich durchgeführte Teilungsplan sehe vor, dass die damalige Punktparzelle 1 in vier Trennstücke geteilt werde (Trennstücke Nr. 10, 11, 12 und 13), die übrigen Grundstücke ebenso geteilt und teilweise vereinigt würden sowie letztlich in weiterer Folge das Trennstück Nr. 10 mit dem unbebauten Grundstück Nr. 6, das Trennstück Nr. 11 mit dem unbebauten Grundstück Nr. 7 und die Trennstücke Nr. 12 und 13 mit dem unbebauten Grundstück Nr. 3 vereinigt würden, sodass nicht nur die gesamten bisherigen Grundstücke von dieser Teilung und Vereinigung betroffen seien, sondern insbesondere auch die gesamte Punktparzelle dadurch mit anderen Grundstücken vereinigt werde und erlösche.
4Durch die dadurch neu geschaffenen Grundstücksgrenzen werde der Bauwich des auf der ehemaligen Punktparzelle befindlichen Gebäudes im gesetzlichen Ausmaß auf allen Seiten eingehalten und würden sämtliche gebotenen Vorgaben im Hinblick auf den Brandschutz bei Außenwänden gegenüber den Grundstücksgrenzen erfüllt. Es lägen dadurch die Voraussetzungen für eine baubehördliche Bewilligung dieses Gebäudes nunmehr vor.
5Durch diese Änderung der Grenzen seien sowohl das Gesamtausmaß als auch die Anzahl der Bauplätze vergrößert worden.
6Die Vereinigung der in Rede stehenden Punktparzelle, welche als ein nach § 11 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014 bebautes Grundstück anzusehen sei und bezüglich deren anzunehmen sei, dass für den Baubestand erst durch die Vereinigung mit den anschließenden Grundstücken oder Teilen davon die Voraussetzung für eine baubehördliche Bewilligung nach den baurechtlichen Bestimmungen erfüllt würden, sei in der Form erfolgt, dass nicht die Punktparzelle als Gesamte mit den anschließenden Grundstücken oder Teilen davon vereinigt worden sei, sondern die Punktparzelle zunächst in Trennstücke geteilt worden sei und diese Trennstücke sodann derart mit den anschließenden Grundstücken oder Teilen davon vereinigt worden seien, dass nunmehr drei neue Grundstücke bestünden. Insgesamt sei die Punktparzelle jedoch damit als solche aufgeteilt worden und auch damit erloschen.
7Vom strikten Gesetzeswortlaut des § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 sei dieser Fall nicht erfasst. Nach der Rechtsprechung (zB ) sollte mit der Ausnahmebestimmung des § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 ein Anreiz geschaffen werden, Bauplätze nach § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit., deren Bebauung nicht den Anforderungen der geltenden Bauordnung oder den Bebauungsplänen entsprächen, mit anschließenden unbebauten Grundstücken zu vereinigen und derart einen den genannten Bestimmungen entsprechenden Zustand herzustellen. Auch im Revisionsfall sehe das Verwaltungsgericht keine stichhaltigen Gründe, warum im konkreten Fall mit der tatsächlich vorgenommenen Teilung und Vereinigung der Grundstücke nicht diese Ziele verfolgt worden sein sollten. Auch aus dem Motivenbericht sei nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber bewusst Fälle von der Ausnahmeregelung ausgeklammert wissen wollte, in denen nur Teile von nach § 11 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014 bebauten Grundstücken oder gar zwar das gesamte Grundstück, dieses jedoch in Teilen mit anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon vereinigt werden. Auch der Verwaltungsgerichtshof () habe - bezogen auf die alte Gesetzeslage der NÖ Bauordnung 1996 - den Standpunkt vertreten, dass er nie deshalb die Anwendbarkeit des § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 1996 verneint habe, weil eine Punktparzelle oder Teile dieser Punktparzelle mit einem Teil des daneben liegenden (unbebauten) Grundstückes vereinigt werden. Umso mehr müsse diese Rechtsprechung auch für die nunmehr geltende Rechtslage anzuwenden sein, wenn ausdrücklich von „Teilen“ des Grundstücks die Rede sei, auch wenn eben der Gesetzgeber dies - offenbar missverständlich - wörtlich nur auf die anschließenden unbebauten Grundstücke beziehe. Dass im Revisionsfall drei völlig neu gestaltete Grundstücke und Bauplätze geschaffen worden seien und deshalb die Ausnahmebestimmung nicht zur Anwendung gelangen könne, überzeuge deshalb nicht, weil bei jeder Teilung oder Vereinigung von Grundstücken (oder Teilen davon) denklogisch immer neu gestaltete Grundstücke bezogen auf deren Ausmaß und deren Begrenzung entstünden.
8Da die Mitbeteiligte lediglich die Nichtberücksichtigung des Grundstücks Nr. 4 im festgestellten Ausmaß von 2.549 m2 bei der Berechnung der Ergänzungsabgabe als unberücksichtigt begehrt habe, sei der Beschwerde vollinhaltlich Folge zu geben und die Ergänzungsabgabe auf den unbestritten gebliebenen Betrag zu reduzieren.
9Die Revision sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Ausnahmebestimmung des § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 auch dann zur Anwendung gelange, wenn nur Teile eines nach § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit. bebauten Grundstückes mit anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon vereinigt werden.
10Die dagegen erhobene Revision des Stadtsenates der Stadt Krems legte das Landesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verfahrens und einer mit Schriftsatz vom eingereichten Revisionsbeantwortung der Mitbeteiligten dem Verwaltungsgerichtshof vor.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12Zwischen den Parteien des Verfahrens ist unstrittig, dass das in Rede stehende Grundstück 1 ein Bauplatz im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 4 der NÖ Bauordnung 2014 war.
13§ 39 Abs. 1 der NÖ Bauordnung 2014 lautet:
„§ 39. (1) Bei der Änderung der Grenzen von Bauplätzen (§ 10 und V. Abschnitt des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014, LGBl. Nr. 3/2015 in der geltenden Fassung) ist dem Eigentümer mit Erlassung des letztinstanzlichen Bescheides der Behörde nach § 2 bzw. mit Erlassung des Umlegungsbescheides nach § 44 des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 für jeden der neugeformten Bauplätze eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben, wenn das Gesamtausmaß oder die Anzahl der Bauplätze vergrößert wird.
Eine Vorschreibung hat bei der Vereinigung eines nach § 11 Abs. 1 Z 4 bebauten Grundstücks mit unbebauten Grundstücken nicht zu erfolgen, wenn für den Baubestand erst durch die Vereinigung mit den an einer oder mehreren Seiten anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach den Bestimmungen dieses Gesetzes und des Bebauungsplans sowie im Hinblick auf den Brandschutz bei (Außen-)Wänden gegenüber einer Grundstücksgrenze nach einer Verordnung der Landesregierung erfüllt würden.
Die Höhe der Ergänzungsabgabe (EA) wird wie folgt berechnet:
...“
14Das Landesverwaltungsgericht geht selbst zutreffend davon aus, dass der im Revisionsfall vorliegende Sachverhalt vom Wortlaut des § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 nicht erfasst ist.
15§ 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 erhielt seine im Revisionsfall anzuwendende Fassung durch das Landesgesetz LGBl. Nr. 50/2017. Die Materialien (Motivenbericht vom ) führen dazu aus:
„Die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung soll nicht von der Vereinigung ganzer Grundstücke abhängig sein. Mit den vereinigten Grundstücksteilen muss allerdings die Erfüllung gesetzlicher Vorgaben (Anpassung an NÖ BO 2014, NÖ BTV 2014 und allfällige Bebauungspläne) gewährleistet sein. Eine spätere Vereinigung mit weiteren Grundstücksteilen bewirkt dann jedenfalls die Ergänzungsabgabe.
Der Wortlaut der Ausnahmeregelung wurde aus früheren NÖ Bauordnungen übernommen, wo ua auch Regelungen über öffnungslose Brandwände an der Grundstücksgrenze noch in der Bauordnung selbst enthalten waren ...“
16Mit § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung 2014 sollen demnach Fälle erfasst werden, in denen ein Bauplatz iSd § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit. erst durch Vereinigung mit daran anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon die Voraussetzungen für eine Bewilligung nach den (gegenüber früheren Bauordnungen abweichenden) Bestimmungen der NÖ Bauordnung 2014 erfüllt. Die sich dabei ergebende Vergrößerung des Gesamtausmaßes des Bauplatzes sollte abweichend von § 39 Abs. 1 erster Satz der NÖ Bauordnung 2014 nicht zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe führen. Die Vereinigung eines Bauplatzes iSd § 11 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014 mit anschließenden unbebauten Grundstücken oder Teilen davon führt allerdings nicht zu einer Änderung der Anzahl der Bauplätze.
17Der revisionswerbende Stadtrat leitet zutreffend ab, dass mit der Einfügung der Worte „oder Teilen davon“ in § 39 Abs. 1 zweiter Satz der NÖ Bauordnung gegenüber früheren Bauordnungen klarstellend ausgeführt werden sollte, dass die Pflicht zur Entrichtung eines Ergänzungsbeitrages nur bei der Vereinigung eines Bauplatzes mit Teilen von anschließenden unbebauten Grundstücken und nicht auch bei der Vereinigung von Teilen eines Bauplatzes mit anschließenden unbebauten Grundstücken entfallen solle.
18Wird demnach wie im Revisionsfall ein Bauplatz iSd § 11 Abs. 1 Z 4 NÖ Bauordnung 2014 geteilt und werden sodann die Teile davon mit anschließenden Grundstücken oder Teilen davon vereinigt, so vergrößert sich die Anzahl der Bauplätze. Von diesem Tatbestandsmerkmal des § 39 Abs. 1 erster Satz der NÖ Bauordnung 2014 eine Ausnahme zu schaffen, ist zur „Sanierung“ eines Bauplatzes iSd § 11 Abs. 1 Z 4 leg. cit. nicht erforderlich und würde einen ungerechtfertigten Vorteil gegenüber einer vergleichbaren Vorgangsweise darstellen, wenn zunächst ein Bauplatz iSd § 11 Abs. 1 Z 4 der NÖ Bauordnung 2014 ungeteilt mit anschließenden Grundstücken oder Teilen davon - ohne dass zunächst dafür eine Ergänzungsabgabe vorzuschreiben wäre - vereinigt würde, aber nach der Vereinigung der neu entstandene Bauplatz geteilt würde, was wegen der Vergrößerung der Anzahl der Bauplätze zur Vorschreibung einer Ergänzungsabgabe führen würde.
19Eine andere Betrachtungsweise gebietet auch die vom Landesverwaltungsgericht für sich in Anspruch genommene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Bauordnungen nicht.
20Zur Vorgängerbestimmung des § 39 Abs. 1 zweiter Satz NÖ Bauordnung 2014 hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass damit ein Anreiz geschaffen werden sollte, Bauplätze, deren Bebauung nicht den Anforderungen der geltenden Bauordnung oder den Bebauungsplänen der Gemeinden (zB wegen nunmehr einzuhaltender Abstandsbestimmungen) entspricht, mit angrenzenden unbebauten Grundstücken zu vereinigen und derart einen den genannten Bestimmungen entsprechenden Zustand herzustellen ().
21In dem vom Landesverwaltungsgericht zitierten Erkenntnis vom , 2007/17/0041, hat der Verwaltungsgerichtshof zu § 39 Abs. 1 erster Satz NÖ Bauordnung ausgeführt, wenn eine Grundfläche von einem Bauplatz abgetrennt und einem anderen bestehenden Bauplatz hinzugefügt werde, dann werde weder die Anzahl der Bauplätze noch ihr Gesamtausmaß verändert. Auf die Frage der Anwendung von § 39 Abs. 1 zweiter Satz NÖ Bauordnung sei daher nicht einzugehen gewesen.
22Im Revisionsfall hat sich nach den Feststellungen des Landesverwaltungsgerichtes die Anzahl der Bauplätze durch die Teilung des Grundstückes Nr. 1 und die anschließende Vereinigung der Trennstücke mit angrenzenden Grundstücken oder Teilen davon vergrößert.
23Das Landesverwaltungsgericht durfte im Revisionsfall daher nicht nach § 39 Abs. 1 zweiter Satz NÖ Bauordnung 2014 von der Vorschreibung eines Ergänzungsbeitrages (teilweise) absehen.
24Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
25Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47ff VwGG iVm der VwGH-AufwErsV.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160001.J00 |
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