VwGH vom 16.06.2021, Ro 2020/15/0023

VwGH vom 16.06.2021, Ro 2020/15/0023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des E M in M, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1 A/VII, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100047/2018, betreffend Einkommensteuer 2016, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Der Revisionswerber, ein Angestellter der C GmbH, wurde mit Schreiben vom gekündigt und bis zum Ende seines Dienstverhältnisses () freigestellt. Nachdem er gegen die Kündigung Klage beim Arbeits- und Sozialgericht erhob, sprach die C GmbH mit Schreiben vom die fristlose Entlassung aus. Auch die Entlassung wurde vom Revisionswerber beim Arbeits- und Sozialgericht bekämpft.

2Im Jänner 2017 wurde zwischen dem Revisionswerber und der C GmbH eine Einigung dahingehend erzielt, dass das Dienstverhältnis einvernehmlich per aufgelöst werde, die C GmbH einen Bruttobetrag in Höhe von 180.000 € an ihn leiste und auf die Einhaltung der laut Dienstzettel vereinbarten Konkurrenzklausel verzichte. Weiters wurde vereinbart, dass die C GmbH bis Ende Jänner 2017 die Endabrechnung vornehmen und die sich daraus ergebenden Nettoansprüche bis spätestens an den Revisionswerber überweisen werde.

3Die C GmbH meldete den Revisionswerber rückwirkend für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 zur Sozialversicherung an. In einem sogenannten 13. Lohnabrechnungslauf rechnete sie die laufenden und sonstigen Bezüge für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 ab, nahm diese (43.354,05 €) in das Lohnkonto und in den Lohnzettel des Jahres 2016 auf und übermittelte dem Finanzamt den berichtigten Lohnzettel.

4Am überwies die C GmbH die für September 2016 bis Dezember 2016 berechneten Nettobezüge an den Revisionswerber, der am gleichen Tag eine Ruhensanzeige beim Arbeits- und Sozialgericht einbrachte.

5Mit Bescheid vom wurde der Bezug von Arbeitslosengeld für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 vom Arbeitsmarktservice widerrufen und der Revisionswerber zur Rückzahlung des (nunmehr) unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes verpflichtet.

6Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 wurden die im berichtigten Lohnzettel ausgewiesenen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit der Besteuerung unterworfen, wogegen der Revisionswerber, mit der Begründung, die C GmbH habe dem Finanzamt einen unrichtigen Lohnzettel übermittelt, Beschwerde erhob. Der Revisionswerber begehrte, dass die für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 angefallenen Bezüge nicht im Einkommensteuerbescheid 2016 erfasst würden.

7Das Finanzamt erließ eine Beschwerdevorentscheidung, in welcher es dem Begehren des Revisionswerbers nicht entsprach, der Beschwerde aber in einem für das Revisionsverfahren nicht relevanten Punkt Folge gab. Zum Vorbringen, die C GmbH habe dem Finanzamt einen unrichtigen Lohnzettel übermittelt, führte es aus, die fristlose Entlassung vom sei durch den Vergleich in eine einvernehmliche Auflösung zum umgewandelt und das Gehalt, die Provisionen und Sonderzahlungen bis inklusive seien ordnungsgemäß nachverrechnet worden. Im Jänner 2017 seien zusätzlich die gesetzliche Abfertigung in Höhe von 101.217,33 € sowie eine freiwillige Abfertigung (versteuert mit 6%) in Höhe von 24.551,52 € abgerechnet worden. Die Abrechnung sei vom Anwalt des Revisionswerbers akzeptiert, und die Lohnzettel der Jahre 2016 und 2017 seien der Abrechnung entsprechend übermittelt worden. Die Lohnabrechnung für beide Jahre sei korrekt und die Beschwerde daher in diesem Punkt abzuweisen.

8Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht und führte im Vorlageantrag aus, die gegenständlichen Zahlungen seien ihm erst im Jahr 2017 zugeflossen, und auch der diesen Zahlungen zugrundeliegende Vergleich sei erst im Jahr 2017 geschlossen worden. Die Zahlungen seien zur Gänze im Jahr 2017 zu erfassen.

9Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde - wie zuvor das Finanzamt - teilweise statt. Hinsichtlich der Berücksichtigung der aufgrund des Vergleiches für das Jahr 2016 geleisteten Nachzahlungen im Jahr 2017 gab es der Beschwerde keine Folge und verwies zunächst auf den mit dem Abgabensicherungsgesetz 2007 (AbgSiG 2007), BGBl. I Nr. 99/2007, eingeführten § 79 Abs. 2 EStG 1988, der normiere, dass bei Auszahlung von Bezügen für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar, die Lohnsteuer bis zum 15. Februar als Lohnsteuer für das Vorjahr abzuführen sei. Abweichend vom allgemeinen Zufluss-Abflussprinzip gälten diese Bezüge gemäß § 19 Abs. 1 Z 3 EStG 1998 als im Vorjahr zugeflossen. Die Anwendung der steuerlichen Begünstigung für Nachzahlungen gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 sei in diesen Fällen nicht möglich.

10Im Revisionsfall sei davon auszugehen, dass die mit Schreiben vom von der C GmbH ausgesprochene fristlose Entlassung zurückgenommen, das gegenständliche Dienstverhältnis im Jahr 2016 fortgesetzt, die Nachverrechnung der Monate September 2016 bis Dezember 2016 nach dem und vor dem vorgenommen und die diesbezüglichen Bezüge dem Revisionswerber am überwiesen worden seien. Damit sei das Tatbestandsmerkmal „nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar des Folgejahres“ jedenfalls erfüllt.

11Das Bundesfinanzgericht könne sich dem Beschwerdevorbingen, wonach der Anspruch für die in Rede stehende Zahlung (erst) durch den Vergleich im Jahr 2017 entstanden sei, nicht anschließen. Aufgrund der zwischen der C GmbH und dem Revisionswerber erzielten Einigung habe das Arbeitsverhältnis bis zur einvernehmlichen Auflösung per bestanden. Im Übrigen sei der Revisionswerber von der C GmbH für den fraglichen Zeitraum beim zuständigen Sozialversicherungsträger rückwirkend angemeldet worden. Der Rechtsanspruch auf die gegenständlichen Bezüge sei damit durch das (unverändert aufrechte) Dienstverhältnis jeweils mit Ablauf des entsprechenden Kalendermonats entstanden. Der Revisionswerber habe somit seine Ansprüche auf Entgelt für den Zeitraum, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit () gedauert habe, beibehalten, und die Bezüge für September 2016 bis Dezember 2016 seien sozialversicherungs- und steuerrechtlich diesen Vorjahresmonaten zuzuordnen.

12Im Übrigen wären die - dem Revisionswerber für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 gebührenden, Anfang Februar 2017 ausbezahlten - Bezüge jedenfalls auch wirtschaftlich dem Jahr 2016 zuzurechnen.

13Eine Revision erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig, weil Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, welche Zahlungen für das Vorjahr bezahlte Bezüge iSd § 79 Abs. 2 EStG 1988 darstellten.

14Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die gegenständliche ordentliche Revision, die sich ausschließlich gegen die Erfassung der auf den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 entfallenden laufenden und sonstige Bezüge im Jahr 2016 wendet. Bei diesen Bezügen könne es sich nicht um Bezüge des Vorjahres im Sinne des § 79 Abs. 2 EStG 1988 handeln, weil der diesen Bezügen zugrundeliegende Rechtsanspruch nicht im Jahr 2016, sondern erst durch die im Jahr 2017 getroffene Vereinbarung entstanden sei.

15Das Finanzamt hat - nach Einleitung des Vorverfahrens - eine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16§ 79 Abs. 2 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung des AbgSiG 2007, BGBl. I Nr. 99/2007, lautet:

„(2) Werden Bezüge für das Vorjahr nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt, ist die Lohnsteuer bis zum 15. Februar als Lohnsteuer für das Vorjahr abzuführen. § 67 Abs. 8 lit. c ist nicht anzuwenden.“

17In den Erläuterungen zum AbgSiG 2007 wird zu § 79 Abs. 2 EStG 1988 u.a. ausgeführt (270 BlgNR 23. GP 7 f):

„In der Praxis kommt es häufig vor, dass in einem so genannten 13. Lohnabrechnungslauf im Folgejahr Aufrollungen und Nachträge für das Vorjahr abgerechnet werden. Dabei handelt es sich meist um die Zahlung von Überstunden für das Vorjahr und anderer laufender oder sonstiger Bezüge, die sozialversicherungsrechtlich dem Vorjahr zuzurechnen sind. Durch die Gesetzesänderung sollen diese bis zum 15. Februar des Folgejahres durch den Arbeitgeber vorgenommenen Nachverrechnungen auch steuerlich dem Vorjahr zugerechnet werden.

Durch die Neuregelung hat der Arbeitgeber für Bezüge, die das Vorjahr betreffen und die nach dem 15. Jänner bis zum 15. Februar ausgezahlt werden, die Lohnsteuer bis zum 15. Februar abzuführen. Die Lohnsteuer für diese Bezüge soll als Lohnsteuer des Vorjahres ausgewiesen werden. Weiters sind diese Bezüge in das Lohnkonto und in den Lohnzettel des Vorjahres aufzunehmen.

Die Anwendung der steuerlichen Begünstigung für Nachzahlungen gemäß § 67 Abs. 8 lit. c EStG 1988 ist in solchen Fällen nicht möglich, weil sie auch bei einer Zurechnung dieser Bezüge zu dem Kalenderjahr der Zahlung infolge der willkürlichen Verschiebung des Auszahlungszeitpunktes nicht zum Tragen kommt. Durch die Neuregelung sind allerdings jene Steuerbefreiungen und Steuerbegünstigungen zu berücksichtigen, die bei einer Auszahlung der Bezüge im laufenden Kalenderjahr anzuwenden sind.“

18Strittig ist, ob es sich bei den Bezügen, die aufgrund einer im Jänner 2017 getroffenen Vereinbarung für das Jahr 2016 ausbezahlt wurden, um Bezüge des Vorjahres im Sinne des § 79 Abs. 2 EStG 1988 handelt.

19Der Revisionswerber bestreitet dies mit der Begründung, dass Vorjahresbezügen im Sinne des § 79 Abs. 2 EStG 1988 eine vom Arbeitnehmer im Vorjahr erbrachte Leistung zugrunde liegen müsse, auf deren Gegenleistung (das Entgelt) der Arbeitnehmer bereits im Vorjahr einen Rechtsanspruch erworben habe. Im gegenständlichen Fall habe das Dienstverhältnis mit dem Ausspruch der Entlassung am geendet. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes hätten ab diesem Zeitpunkt keine Ansprüche auf Zahlung des Entgelts bestanden bzw. begründet werden können.

20Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufgezeigt.

21In Streit stehen im gegenständlichen Fall die für die Monate September 2016 bis Dezember 2016 ausbezahlten Bezüge. Im Falle der ursprünglich ausgesprochenen Kündigung (auf den ) wären die Ansprüche auf diese Bezüge zweifellos noch im Jahr 2016 entstanden. Die im Jahr 2016 ausgesprochene Entlassung hätte, wenn sie sich als unberechtigt erwiesen hätte, die Ansprüche ebenfalls noch im Jahr 2016 entstehen lassen. Arbeitgeber und Arbeitnehmer haben im Jänner 2017 (im arbeitsgerichtlichen Streit) vereinbart, dass das Dienstverhältnis (erst) zum aufgelöst werde und der Revisionswerber einen Gesamtbetrag von (brutto) 180.000 € erhalte. Damit konnte das BFG unbedenklich davon ausgehen, dass die Voraussetzungen einer Entlassung (und der Entfall des Anspruchs auf Bezüge für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016) nicht gegeben gewesen waren.

22Soweit der Revisionswerber darauf verweist, dass die anhängigen Verfahren beim Arbeits- und Sozialgericht nicht zu Ende geführt und die Entlassung nicht für unwirksam erklärt worden sei, ist ihm zu entgegnen, dass es den Parteien eines Verfahrens vor dem Arbeits- und Sozialgericht unbenommen bleibt, auch während des anhängigen Verfahrens (außergerichtliche) Vereinbarungen in Bezug auf den Streitgegenstand zu treffen. Das ist im Revisionsfall geschehen. Der Revisionswerber und die C GmbH haben sich außergerichtlich u.a. darauf geeinigt, das Arbeitsverhältnis einvernehmlich (erst) zum zu beenden und der Revisionswerber hat aufgrund dieser Einigung dem Arbeits- und Sozialgericht ein (ewiges) Ruhen des Verfahrens angezeigt.

23Der Regelung des § 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, wonach aufgrund eines Vergleiches geleistete Zahlungen - von bestimmten Ausnahmen abgesehen - „im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen sind“, kommt bei Zahlungen, die im Zusammenhang mit einer Kündigungsanfechtung oder einer Anfechtung der Entlassung stehen, keine Bedeutung zu, wenn die Kündigung oder Entlassung aufgrund einer Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht effektuiert wird und der aufgrund dieser Vereinbarung zu zahlende Betrag - wie im Revisionsfall - auf einzelne Komponenten aufgeteilt und bestimmten Zeiträumen zugeordnet werden kann (vgl. idS Kirchmayr/Schaunig in Doralt et al, EStG19, § 67 Tz 114). Diese Bestimmung steht der Anwendung des § 79 Abs. 2 EStG 1988 nicht entgegen, wenn sich - wie im gegenständlichen Fall - die Bezüge feststellen lassen, die das Vorjahr betreffen.

24Auch die Vereinbarung eines Gesamtbetrages, mit dem sämtliche Ansprüche des Revisionswerbers abgedeckt werden sollen, ändert an der Beurteilung der für den Zeitraum September bis Dezember 2016 nachgezahlten Bezüge nichts. Die C GmbH hat - nach den insoweit unwidersprochenen Ausführungen des Finanzamts in der Beschwerdevorentscheidung, die nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes als Vorhalt gilt - die laufenden und sonstigen Bezüge für die Monate September bis Dezember 2016 und Jänner 2017 ordnungsgemäß abgerechnet. Im Jänner 2017 hat sie zudem die gesetzliche Abfertigung abgerechnet und den sodann verbleibenden Betrag als freiwillige Abfertigung behandelt. Die Vereinbarung eines Gesamtbetrages wirkte sich demnach nur auf die Höhe der freiwilligen Abfertigung, nicht aber auf die Höhe der hier strittigen laufenden und sonstigen Bezüge der Monate September bis Dezember 2016, aus.

25Aus den dargelegten Gründen kann nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn das Bundesfinanzgericht die für den Zeitraum September 2016 bis Dezember 2016 geleisteten Beträge als Bezüge für das Vorjahr beurteilt hat, die - aufgrund ihrer Auszahlung nach dem und vor dem - gemäß § 79 Abs. 2 EStG 1988 dem Jahr 2016 zuzurechnen sind.

26Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

27Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020150023.J00

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