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VwGH vom 10.09.2020, Ro 2020/15/0016

VwGH vom 10.09.2020, Ro 2020/15/0016

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der L in K, vertreten durch Dr. Manfred Sommerbauer und DDr. Michael Hermann Dohr, Rechtsanwälte in 2700 Wiener Neustadt, Babenbergerring 5a/3. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/4100388/2018, betreffend Körperschaftsteuer 2016, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die revisionswerbende Partei, eine Körperschaft öffentlichen Rechts, führte in ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2016 „Einkünfte gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988“ an. Betreffend anrechenbare Steuern wies es inländische Kapitalertragsteuer aus. In einem Begleitschreiben ersuchte die revisionswerbende Partei um Rückzahlung der entrichteten Kapitalertragsteuer im Zuge der Veranlagung.

2Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Körperschaftsteuer 2016 fest. Darin wurden Einkünfte aus Kapitalvermögen „gemäß § 27a Abs. 2 EStG 1988“ ausgewiesen, die einem Steuersatz von 25% unterworfen wurden. Im Hinblick auf die einbehaltenen Steuerbeträge ergab sich eine Abgabengutschrift.

3Die Revisionswerberin erhob dagegen Beschwerde. Sie sei Inhaberin von zwei Wertpapierdepots, die bei derselben Bank geführt würden. Sie sei verpflichtet, einen bestehenden Pensionsfonds zu dotieren. Hiezu habe sie am Wertpapiere aus dem einen Depot entnommen und in das andere Depot (Pensionsfonds) eingelegt. Es sei Kapitalertragsteuer entrichtet worden. Bei der Übertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen sei keine Veräußerung anzunehmen; die Depotübertragung sei steuerneutral zu behandeln.

4Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab. Dazu führte das Finanzamt insbesondere aus, die Entnahme aus einem Depot werde grundsätzlich als Realisierung behandelt. Eine Depotübertragung solle nur dann von dieser Realisierung ausgenommen werden, wenn die Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich der im Depot befindlichen Wertpapiere weiterhin gesichert sei. Durch die vorliegende Entnahme und Einlage der Wertpapiere werde bewirkt, dass sie aus einem steuerpflichtigen in einen steuerbefreiten Bereich wechselten. Damit liege keine Depotübertragung iSd § 27 Abs. 6 Z 2 zweiter Teilstrich EStG 1988 vor, sondern es bestehe Steuerpflicht (per Analogie) nach § 18 KStG 1988.

5Die Revisionswerberin beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.

6Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin erbringe gegenüber ihren pensionierten Dienstnehmern Leistungen aus dem Titel der Altersversorgung. Zu diesem Zweck habe die Revisionswerberin einen Pensionsfonds eingerichtet. Die Revisionswerberin sei Inhaberin von zwei jeweils bei der X Bank geführten Depots; eines der Depots sei dem Pensionsfonds der Revisionswerberin zugeordnet. Am seien Wertpapiere (Schuldverschreibungen) aus dem anderen Depot ausgeschieden. Auf Grundlage eines Veräußerungsgewinns habe die depotführende Stelle Kapitalertragsteuer einbehalten. Am selben Tag seien diese Wertpapiere in das Pensionsfonds-Depot (zum aktuellen Kurswert samt Stückzinsen) eingelegt worden.

8Nach § 27 Abs. 6 Z 2 erster Satz EStG 1988 gälten die Entnahme oder das sonstige Ausscheiden von Wertpapieren aus dem Depot als steuerpflichtige Veräußerung. Auch im Falle eines Depotübertrages werde ein Veräußerungsvorgang fingiert, welcher zur Steuerpflicht führe. Nach § 27 Abs. 6 Z 2 zweiter Satz EStG 1988 komme es hingegen bei der Übertragung auf ein anderes Depot desselben Steuerpflichtigen bei derselben (inländischen) depotführenden Stelle zu keiner fiktiven Veräußerung.

9Beschränkt Steuerpflichtige iSd § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 seien mit ihren Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 kraft § 21 Abs. 2 Z 3 Teilstrich 4 KStG 1988 dann nicht steuerpflichtig, wenn diese Einkünfte nachweislich einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung zuzurechnen seien. Der Pensionsfonds der Revisionswerberin sei als derartige Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung anzusehen. All jene Substanzgewinne, welche mit den in das Pensionsfondsdepot übertragenen Wertpapieren erwirtschaftet würden, unterlägen keiner Besteuerung. Käme im Zuge der Depotübertragung die Befreiungsbestimmung des § 27 Abs. 6 Z 2 Teilstrich 1 EStG 1988 zur Anwendung, so hätte dies zur Folge, dass sämtliche bis zu diesem Zeitpunkt erwirtschafteten Kursgewinne ungeachtet ihrer bisherigen Zugehörigkeit zu einem beschränkt steuerpflichtigen Bereich der Revisionswerberin letztlich nicht besteuert würden. Selbst bei steuerneutralen Depotübertragungen von einem steuerpflichtigen Depot auf ein anderes steuerpflichtiges Depot bei derselben depotführenden Stelle wirke das Nichtaufdecken eines Wertzuwachses nicht dauerhaft. Die Besteuerung werde in diesem Fall bei einer anschließenden steuerpflichtigen Veräußerung oder Depotentnahme insofern nachgeholt, als bei der Ermittlung des Wertzuwachses die seinerzeitigen Anschaffungskosten heranzuziehen seien und nicht ein allenfalls höherer gemeiner Wert im Zeitpunkt der steuerfreien Depotübertragung.

10Es erweise sich daher der Wortlaut des § 27 Abs. 6 Z 2 Teilstrich 1 EStG 1988 insofern als überschießend, als hiervon auch jene Fälle umfasst wären, bei denen das aufnehmende Depot der steuerfreien Sphäre des Abgabepflichtigen zuzuordnen sei. Werde angesichts eines überschießend weiten Gesetzeswortlauts eine umschreibbare Fallgruppe von den Grundwertungen oder Zwecken des Gesetzes entgegen seinem Wortlaut gar nicht getroffen und unterscheide sie sich von den eigentlich gemeinten Fallgruppen so weit, dass die Gleichbehandlung sachlich ungerechtfertigt und willkürlich wäre, seien die überschießend geregelten Fallgruppen im Zuge der teleologischen Reduktion von der Regelung auszunehmen. Es würde dem Gesetzeszweck des § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988, die Besteuerung von Wertpapieren in inländischen Depots durchgehend sicherzustellen, zuwiderlaufen, wenn die Ausnahmeregelung des § 27 Abs. 6 Z 2 zweiter Satz Teilstrich 1 EStG 1988 auch auf Depotübertragungen in Depots, deren Erträge keiner Steuerpflicht mehr unterlägen, zur Anwendung gelangte. Folglich sei die Entnahme der Wertpapiere aus dem Depot letztlich als steuerpflichtige Veräußerung zu werten; die realisierten Wertsteigerungen seien zu besteuern.

11Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision.

12Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14Die Revisionswerberin ist als inländische Körperschaft des öffentlichen Rechts gemäß § 1 Abs. 3 Z 2 KStG 1988 mit ihren Einkünften im Sinne des § 21 Abs. 2 und 3 KStG 1988 steuerpflichtig.

15Nach § 21 Abs. 2 KStG 1988 erstreckt sich bei beschränkt Steuerpflichtigen im Sinne des § 1 Abs. 3 Z 2 und 3 KStG 1988 die Steuerpflicht auf Einkünfte, bei denen die Steuer durch Steuerabzug erhoben wird. Dies gilt u.a. nicht für Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, für Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 und für Einkünfte aus Derivaten im Sinne des § 27 Abs. 4 EStG 1988, die einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nachweislich zuzurechnen sind.

16§ 27 EStG 1988 lautet in der im Streitjahr anwendbaren Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2015, BGBl. I Nr. 163, auszugsweise:

„(1) Einkünfte aus Kapitalvermögen sind Einkünfte aus der Überlassung von Kapital (Abs. 2), aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen (Abs. 3) und aus Derivaten (Abs. 4), soweit sie nicht zu den Einkünften im Sinne des § 2 Abs. 3 Z 1 bis 4 gehören. Bei Tauschvorgängen ist § 6 Z 14 sinngemäß anzuwenden.

(2) Zu den Einkünften aus der Überlassung von Kapital gehören: [...]

2.Zinsen, und andere Erträgnisse aus Kapitalforderungen jeder Art, beispielsweise aus Darlehen, Anleihen, Hypotheken, Einlagen, Guthaben bei Kreditinstituten und aus Ergänzungskapital im Sinne des VAG 2016, ausgenommen Stückzinsen; [...]

(3) Zu den Einkünften aus realisierten Wertsteigerungen von Kapitalvermögen gehören Einkünfte aus der Veräußerung, Einlösung und sonstigen Abschichtung von Wirtschaftsgütern, deren Erträge Einkünfte aus der Überlassung von Kapital im Sinne von Abs. 2 sind (einschließlich Nullkuponanleihen). [...]

(6) Als Veräußerung im Sinne der Abs. 3 und 4 gelten auch:

1.Umstände, die zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechtes der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten hinsichtlich eines Wirtschaftsgutes im Sinne des Abs. 3 oder eines Derivates im Sinne des Abs. 4 führen.

a)Bei Wegzug einer natürlichen Person in einen EU/EWR-Staat mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe ist auf Grund eines in der Steuererklärung gestellten Antrages über die dadurch entstandene Abgabenschuld im Abgabenbescheid nur abzusprechen, die Abgabenschuld jedoch bis zur tatsächlichen Veräußerung des Wirtschaftsgutes oder Derivates nicht festzusetzen. Dies gilt ebenso bei der unentgeltlichen Übertragung eines Wirtschaftsgutes oder Derivates an eine andere natürliche Person, die in einem EU/EWR-Staat mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe ansässig ist.

b)Als tatsächliche Veräußerung gilt auch ein späterer Wegzug oder die spätere Überführung des Wirtschaftsgutes oder Derivates in einen Staat, der von lit. a nicht erfasst ist.

c)Die tatsächliche Veräußerung gilt als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. § 205 der Bundesabgabenordnung ist nicht anzuwenden.

d)In allen nicht in lit. a genannten Fällen sind die § 6 Z 6 lit. c und d sinngemäß anzuwenden.

e)Im Falle der Entstehung des Besteuerungsrechts der Republik Österreich im Verhältnis zu anderen Staaten gilt der gemeine Wert als Anschaffungskosten. Erfolgt in den Fällen nicht festgesetzter Abgabenschuld ein Wiedereintritt in das Besteuerungsrecht der Republik Österreich, sind weiterhin die ursprünglichen Anschaffungskosten, höchstens aber die gemeinen Werte maßgeblich. Die spätere Veräußerung gilt nicht als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a der Bundesabgabenordnung. Weist der Steuerpflichtige nach, dass Wertsteigerungen im EU/EWR-Raum eingetreten sind, sind diese vom Veräußerungserlös abzuziehen.

2.Die Entnahme und das sonstige Ausscheiden aus dem Depot. Sofern nicht Z 1 anzuwenden ist, liegt in folgenden Fällen keine Veräußerung vor:

-Bei der Übertragung auf ein anderes Depot desselben Steuerpflichtigen bei derselben depotführenden Stelle.

-Bei der Übertragung auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen bei einer inländischen depotführenden Stelle, wenn der Steuerpflichtige die übertragende depotführende Stelle beauftragt, der übernehmenden depotführenden Stelle die Anschaffungskosten mitzuteilen.

-Bei der Übertragung von einer inländischen depotführenden Stelle auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen bei einer ausländischen depotführenden Stelle, wenn der Steuerpflichtige die übertragende depotführende Stelle beauftragt, dem zuständigen Finanzamt innerhalb eines Monats seinen Namen und seine Steuer- oder Sozialversicherungsnummer, die übertragenen Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten sowie jene Stelle mitzuteilen, auf die die Übertragung erfolgt.

-Bei der Übertragung von einer ausländischen depotführenden Stelle auf ein Depot desselben Steuerpflichtigen bei einer anderen ausländischen depotführenden Stelle und bei der unentgeltlichen Übertragung von einer ausländischen depotführenden Stelle auf ein Depot eines anderen Steuerpflichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem zuständigen Finanzamt innerhalb eines Monats die übertragenen Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten sowie jene Stelle und jenen Steuerpflichtigen mitteilt, auf die die Übertragung erfolgt.

-Bei der unentgeltlichen Übertragung von einer inländischen depotführenden Stelle auf das Depot eines anderen Steuerpflichtigen, wenn

-der depotführenden Stelle anhand geeigneter Unterlagen (insbesondere Notariatsakt, Einantwortungsbeschluss, Schenkungsmeldung) die unentgeltliche Übertragung nachgewiesen wird, oder

-der Steuerpflichtige die depotführende Stelle beauftragt, dem zuständigen Finanzamt innerhalb eines Monats seinen Namen und seine Steuer- oder Sozialversicherungsnummer, die übertragenen Wirtschaftsgüter, deren Anschaffungskosten und gegebenenfalls jene Stelle mitzuteilen, auf die die Übertragung erfolgt. [...]“

17Die allgemeine Erfassung der Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen (neben der bisherigen Erfassung der Einkünfte aus der Überlassung von Kapital, also der Erträgnisse aus dem Kapitalstamm; vgl. z.B. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 27 Tz 1.1) im Rahmen der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen wurde mit dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (981 BlgNR 24. GP 118) wurde hiezu ausgeführt, § 27 Abs. 6 EStG 1988 solle bestimmte wirtschaftliche Vorgänge als steuerpflichtige Realisierung eines Wertzuwachses - und damit der Veräußerung iSd § 27 Abs. 3 EStG 1988 gleichgestellt - fingieren. Die Entnahme oder das sonstige Ausscheiden aus dem Depot würden grundsätzlich als Realisierung behandelt. Eine Depotübertragung solle hingegen immer dann von diesem Grundsatz ausgenommen sein, wenn die Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich der sich in dem Depot befindlichen Wertpapiere weiterhin gesichert sei. Werde auf ein anderes Depot bei derselben depotführenden Stelle übertragen, sei die Übertragung steuerneutral, weil die depotführende Stelle weiterhin über alle für den Steuerabzug erforderlichen Daten verfüge. Dies gelte grundsätzlich nicht nur bei inländischen, sondern auch bei ausländischen depotführenden Stellen. Im Übrigen werde die „Wegzugsbesteuerung“ geregelt.

18Mit dem Abgabenänderungsgesetz 2015 wurde § 27 Abs. 6 EStG 1988 - wie auch aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (896 BlgNR 25. GP 5 ff) hervorgeht - im Hinblick auf das „Wegzugsbesteuerungskonzept“ im außerbetrieblichen Bereich neu geregelt. Das bisherige Nichtfestsetzungskonzept werde auf den tatsächlichen Wegzug einer natürlichen Person sowie auf eine unentgeltliche Übertragung an eine andere natürliche Person eingeschränkt. Für sämtliche andere Umstände, die zu einer Einschränkung des Besteuerungsrechts im Verhältnis zu EU/EWR-Staaten mit umfassender Amts- und Vollstreckungshilfe führten, solle hingegen ein Ratenzahlungskonzept über einen Verteilungszeitraum von sieben Jahren vorgesehen werden.

19Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des bezughabenden Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. ; , Ro 2015/15/0015, mwN). Stehen die Materialien aber in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos (vgl. , mwN).

20Nach dem Wortlaut des Gesetzes sollen Wertsteigerungen von Kapitalvermögen steuerlich erfasst werden, wenn diese Wertsteigerungen „realisiert“ werden. Dieses „Realisieren“ erfolgt grundsätzlich mit der Veräußerung (§ 27 Abs. 3 EStG 1988). Als steuerpflichtiges Realisieren der Veräußerung gleichgestellt ist die Entnahme (vgl. bereits § 95 Abs. 4 Z 3 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 65/2008) oder das sonstige Ausscheiden der Wertpapiere aus dem Depot. Die Übertragung auf ein anderes Depot desselben Steuerpflichtigen bei derselben depotführenden Stelle gilt aber nicht als Veräußerung.

21§ 21 Abs. 2 Z 3 KStG 1988 nimmt von einer Besteuerung u.a. Einkünfte aus der Überlassung von Kapital gemäß § 27 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 und Einkünfte aus realisierten Wertsteigerungen im Sinne des § 27 Abs. 3 EStG 1988 aus, die einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts nachweislich zuzurechnen sind (vgl. hiezu ). Damit sind also etwa (laufende) Erträgnisse (wie etwa Zinsen) aus Kapitalforderungen (etwa aus Anleihen) von einer Besteuerung ausgenommen, wenn und solange diese Erträgnisse einer derartigen Einrichtung nachweislich zuzurechnen sind. Eine Übertragung derartiger Wertpapiere aus einem allgemeinen Depot in ein Depot, das einer derartigen Einrichtung zuzurechnen ist, bewirkt sohin, dass ab dem Beginn dieser Zurechnung (anders als bisher) die Erträgnisse nicht mehr der Steuerpflicht unterliegen.

22Während § 27 Abs. 6 Z 1 EStG 1988 Rechtsfolgen für Fälle regelt, in denen das Besteuerungsrecht der Republik Österreich eingeschränkt wird, setzt § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 betreffend die Ausnahme von der Veräußerungsfiktion (bei Entnahme oder Ausscheiden aus dem Depot) das Weiterbestehen der Steuerpflicht voraus. Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Budgetbegleitgesetz 2011 soll eine Ausnahme von der fingierten Realisierung nur dann vorliegen, wenn die Besteuerungsmöglichkeit hinsichtlich der sich in dem Depot befindlichen Wertpapiere weiterhin gesichert ist. Bei der Übertragung von Wertpapieren auf ein steuerbefreites Depot ist allerdings die weitere Besteuerungsmöglichkeit nicht mehr gesichert. Das Gesetz enthält nämlich für diesen Fall keinen ausdrücklichen Besteuerungstatbestand für die nachfolgende Veräußerung von Wertpapieren. Die Übertragung von einem Depot, für das Steuerpflicht iSd § 21 Abs. 2 KStG 1988 besteht, auf ein befreites Depot iSd § 21 Abs. 2 Z 3 Teilstrich 4 KStG 1988 ist daher keiner der Ausnahmen des § 27 Abs. 6 Z 2 EStG 1988 zu subsumieren und somit wie eine Veräußerung nach § 27 Abs. 3 EStG 1988 zu behandeln.

23Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

24Von der von der revisionswerbenden Partei beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

25Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020150016.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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