VwGH vom 25.06.2020, Ro 2020/15/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der L GmbH in N, vertreten durch die Testat-Treuhand Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsges.m.b.H. in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/1100126/2018, betreffend Festsetzung von Forschungsprämie für das Jahr 2010, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1In einer Beilage zur Körperschaftsteuererklärung 2010 vom machte die Revisionswerberin u.a. eine Forschungsprämie in Höhe von 2.728.244,32 € geltend. Am (mit Wirksamkeit vom ) wurde dieser Betrag am Abgabenkonto der Revisionswerberin gutgeschrieben.
2Am begann bei der Revisionswerberin eine Außenprüfung, die u.a. die Forschungsprämie 2010 betraf. In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom wurde ausgeführt, die Außenprüfung sei betreffend Forschungsprämie 2010 zur Ansicht gelangt, dass die verlängerte Verjährungsfrist gemäß § 207 Abs. 2 BAO anzuwenden sei, wobei dies aber nur insoweit gelte, als die Gutschrift der Forschungsprämie auf dem Abgabenkonto nicht als nach außen hin erkennbare Verlängerungshandlung gesehen werde. Es seien nicht alle geltend gemachten Kosten zu berücksichtigen. Unter anderem seien Zahlungen an eine Schwestergesellschaft in der Schweiz nicht in die Bemessungsgrundlage der Prämie einzubeziehen.
3Mit (undatiertem) Bescheid (zugestellt an die Revisionswerberin am ) setzte das Finanzamt die Forschungsprämie für das Kalenderjahr 2010 mit 934.491,91 € fest. Das Finanzamt verwies auf den Bericht der Außenprüfung bzw. auf die Niederschrift vom . Für den Zeitraum sei bereits ein Betrag von 2.728.244,32 € gebucht; es bleibe daher zur „Nachzahlung“ ein Betrag von 1.793.752,41 €.
4Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Sie machte zum einen geltend, es liege Verjährung vor, zum anderen wandte sie sich gegen die Festsetzung der Höhe nach; insoweit wurde beantragt, die Forschungsprämie mit 1.867,171,19 € festzusetzen. Die Aufwendungen im Rahmen des Kostenumlagevertrages mit der Schwestergesellschaft in der Schweiz seien zu berücksichtigen.
5Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Das Bundesfinanzgericht sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
6Nach Schilderung des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, strittig sei zunächst, ob der Bescheid über die Festsetzung der Forschungsprämie 2010 innerhalb der Verjährungsfrist ergangen sei. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 108c Abs. 4 EStG 1988 würden sowohl die Prämien als auch die Rückforderungsansprüche als Abgaben vom Einkommen gelten. Es handle sich somit um eine Abgabe nach § 1 BAO. Die Forschungsprämie sei aber weder eine Einkommen- noch eine Körperschaftsteuer. Die Entstehung des Abgabenanspruches richte sich daher nach § 4 Abs. 1 BAO. Der Anspruch auf die Forschungsprämie entstehe erst mit der Geltendmachung der Prämie. § 108c Abs. 3 EStG 1988 sehe für die Geltendmachung der Prämie eine eigene Ausschluss- bzw. Präklusivfrist vor. Die nur auf Antrag geltend zu machende Forschungsprämie unterliege damit nicht den verjährungsrechtlichen Beschränkungen gemäß § 207 ff BAO.
7Von der eigentlichen Forschungsprämie sei der im Gesetz ausdrücklich erwähnte Rückforderungsanspruch zu unterscheiden. Dieser könne schon begrifflich nicht eher entstehen, als eine Leistung erfolgt sei, welche rückgefordert werden könne. Unter Leistung sei die Gutschrift bzw. Verbuchung am Abgabenkonto zu verstehen. Die zu Unrecht erfolgte Gutschrift sei jener Tatbestand im Sinne des § 4 Abs. 1 BAO, an den das Gesetz die Abgabenpflicht, im vorliegenden Fall den Rückforderungsanspruch, knüpfe.
8Da der Rückforderungsanspruch frühestens mit der Leistung entstehe, beginne die Verjährung zur Festsetzung der Rückforderung nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit Ablauf des Jahres, in dem die Gutschrift auf dem Abgabenkonto erfolgt sei. Im vorliegenden Fall habe daher die Verjährung mit Ablauf des Jahres 2011 begonnen; sie habe mit Ablauf des Jahres 2016 geendet. Da die Außenprüfung im Jahr 2016 begonnen habe, sei die Verjährungsfrist um ein Jahr verlängert worden. Der Festsetzungsbescheid sei damit innerhalb der Verjährungsfrist ergangen.
9Zum Einwand der Höhe nach sei zu bemerken, dass die Revisionswerberin aufgrund eines im November 2009 abgeschlossenen Kostenumlagevertrages in den Jahren 2009 bis 2014 Forschungskosten an eine Gesellschaft in der Schweiz (LCH) geleistet habe. Die Kosten der Entwicklung sollten von der Revisionswerberin und anderen im Vertrag angeführten Gesellschaften getragen werden. Beim Verkauf von Produkten der LCH an die Revisionswerberin (und die anderen Gesellschaften) sollte sodann der Ansatz von Forschungskosten im Verkaufspreis unterbleiben.
10Die Forschung und Entwicklung habe unbestritten in der Schweiz stattgefunden. Die LCH sei ein eigenständiges Unternehmen; die Voraussetzung zur Geltendmachung der Forschungsprämie sei daher nicht gegeben. Es handle sich um Auftragsforschung. Da die von der Revisionswerberin geleisteten Aufwendungen einen eigenständigen Betrieb in der Schweiz betreffen würden, welcher seinen Sitz unstrittig außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes habe, seien diese Aufwendungen nicht zu berücksichtigen.
11Da es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Verjährung betreffend Rückforderungsansprüche einer Forschungsprämie gebe, sei die Revision zulässig.
12Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
13Das Finanzamt hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht; hierauf hat die Revisionswerberin repliziert.
14Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.
16 § 108c EStG 1988 in der Fassung vor dem Budgetbegleitgesetz 2011, BGBl. I Nr. 111/2010 (vgl. § 124b Z 180 EStG 1988) lautete:
„Prämien für Forschung und Bildung (Forschungsprämie, Bildungsprämie)
§ 108c. (1) Prämien für Forschung und Bildung können geltend machen
1.Steuerpflichtige, soweit sie nicht Gesellschafter einer Gesellschaft sind, bei der die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind,
2.Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen sind.
(2) Es beträgt
1.die Forschungsprämie 8% der Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 4 und Z 4b; die Forschungsprämie kann nur von jenen Aufwendungen geltend gemacht werden, die nicht Grundlage eines Forschungsfreibetrages gemäß § 4 Abs. 4 Z 4a sind; für Kalenderjahre (Wirtschaftsjahre), für die ein Freibetrag gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 und Z 4b geltend gemacht wird, steht keine Forschungsprämie zu;
2.die Bildungsprämie 6% der Aufwendungen im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 8; die Bildungsprämie kann nur von jenen Aufwendungen geltend gemacht werden, die nicht Grundlage eines Bildungsfreibetrages gemäß § 4 Abs. 4 Z 8 sind.
(3) Die Prämien können erst nach Ablauf des jeweiligen Wirtschaftsjahres geltend gemacht werden, spätestens jedoch bis zum Eintritt der Rechtskraft des betreffenden Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides (§ 188 der Bundesabgabenordnung).
(4) Die sich aus dem Verzeichnis ergebenden Prämien sind auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen. Die Gutschrift wirkt auf den Tag der Einreichung des Verzeichnisses zurück. Werden Aufwendungen, für die eine Bildungsprämie geltend gemacht worden ist, vergütet, ist die Bildungsprämie im Ausmaß von 6% des als Betriebseinnahme anzusetzenden Vergütungsbetrages zurückzuzahlen. Sowohl die Prämien als auch Rückforderungsansprüche gelten als Abgaben vom Einkommen im Sinne der Bundesabgabenordnung und des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes. Auf Gutschriften und Rückforderungen sind jene Bestimmungen der Bundesabgabenordnung anzuwenden, die für wiederkehrend zu erhebende, selbst zu berechnende Abgaben gelten. Bei Gesellschaften, die nach bürgerlichem Recht nicht rechtsfähige Personenvereinigungen sind, hat die zusammengefasste Verbuchung der Gebarung mit jenen Abgaben zu erfolgen, die die Beteiligten gemeinsam schulden.
(5) Die Prämien sind zu Lasten des Aufkommens an veranlagter Einkommensteuer zu berücksichtigen.
(6) Die Prämien sind insoweit zu gewähren, als die Aufwendungen nach dem angefallen sind.“
17§ 201 BAO (in der Fassung BGBl. I Nr. 20/2009) lautete:
„§ 201. (1) Ordnen die Abgabenvorschriften die Selbstberechnung einer Abgabe durch den Abgabepflichtigen an oder gestatten sie dies, so kann nach Maßgabe des Abs. 2 und muss nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen eine erstmalige Festsetzung der Abgabe mit Abgabenbescheid erfolgen, wenn der Abgabepflichtige, obwohl er dazu verpflichtet ist, keinen selbst berechneten Betrag der Abgabenbehörde bekannt gibt oder wenn sich die bekanntgegebene Selbstberechnung als nicht richtig erweist.
(2) Die Festsetzung kann erfolgen,
1.von Amts wegen innerhalb eines Jahres ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages,
2.wenn der Antrag auf Festsetzung spätestens ein Jahr ab Bekanntgabe des selbstberechneten Betrages eingebracht ist,
3.wenn kein selbstberechneter Betrag bekannt gegeben wird oder wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 303 Abs. 4 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen vorliegen würden,
5.wenn bei sinngemäßer Anwendung des § 293b oder des § 295a die Voraussetzungen für eine Abänderung vorliegen würden.
(3) Die Festsetzung hat zu erfolgen,
1.wenn der Antrag auf Festsetzung binnen einer Frist von einem Monat ab Bekanntgabe des selbst berechneten Betrages eingebracht ist, oder
2.wenn bei sinngemäßer Anwendung der § 303 bis 304 die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens auf Antrag der Partei vorliegen würden.
(4) Innerhalb derselben Abgabenart kann die Festsetzung mehrerer Abgaben desselben Kalenderjahres (Wirtschaftsjahres) in einem Bescheid zusammengefasst erfolgen.“
18Gemäß § 207 Abs. 1 BAO unterliegt das Recht, eine Abgabe festzusetzen, der Verjährung. Nach § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist - abgesehen von näher genannten, hier nicht zu beurteilenden Abgaben - fünf Jahre. Soweit eine Abgabe hinterzogen ist, beträgt die Verjährungsfrist nach Satz zwei dieser Bestimmung zehn Jahre. Nach § 207 Abs. 4 BAO verjährt das Recht, den Ersatz zu Unrecht geleisteter oder die Rückzahlung zu Unrecht bezogener Beihilfen zu fordern, sowie das Recht auf Rückforderung zu Unrecht zuerkannter Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben in fünf Jahren, wobei Absatz 2 zweiter Satz sinngemäß gilt.
19Nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist (soweit nicht in § 208 Abs. 2 BAO ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird).
20Nach § 208 Abs. 1 lit. c BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 4 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem die rückzufordernden Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen geleistet wurden.
21Strittig ist im Verfahren insoweit zunächst, ob es sich bei der Forschungsprämie um eine Abgabe im Sinne des § 207 Abs. 2 BAO (iVm § 1 BAO) oder um eine Beihilfe, Erstattung, Vergütung oder Abgeltung im Sinne des § 207 Abs. 4 BAO (iVm § 2 lit. a BAO) handelt. Die Verjährungsfrist beträgt zwar unabhängig von dieser Beurteilung im vorliegenden Fall jeweils fünf Jahre; abweichend ist aber der Beginn der Verjährung geregelt.
22Das Verfahren betreffend die Forschungsprämie ist - wie etwa auch jenes betreffend Investitionszuwachsprämie - ein eigenständiges Verfahren. Es wird erst mit der Geltendmachung der Prämie in Gang gesetzt, wobei es sich bei diesem Vorgang um eine Selbstbemessung handelt. § 108c Abs. 4 EStG 1988 sieht als Handlungsalternativen für das Finanzamt lediglich vor, entweder die geltend gemachten Prämien auf dem Abgabenkonto gut zu schreiben oder einen Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen (vgl. , mwN).
23Die Revisionswerberin geht davon aus, dass es sich bei der Forschungsprämie und bei Rückforderungsansprüchen um Abgaben iSd § 1 BAO handelt und daher die Verjährung gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt. Das Finanzamt geht hingegen - auch in der Revisionsbeantwortung - davon aus, dass es sich um Beihilfen, Erstattungen, Vergütungen oder Abgeltungen von Abgaben und Beiträgen iSd § 2 lit. a BAO handelt; die Verjährung für die Rückforderung beginne daher mit dem Ablauf des Jahres, in dem dieser Betrag geleistet worden sei (§ 208 Abs. 1 lit. c BAO).
24Das Bundesfinanzgericht führt aus, dass die Forschungsprämie systematisch durchaus als Abgeltung im Sinne des § 2 lit. a Z 2 BAO eingestuft werden könnte. Nach der ausdrücklichen Anordnung des § 108c Abs. 4 EStG 1988 gälten aber sowohl die Prämien als auch die Rückforderungsansprüche als Abgaben vom Einkommen, sodass es sich hiebei um Abgaben und nicht um die Abgeltung von Abgaben handle.
25§ 108c Abs. 4 EStG 1988 sieht - wie bereits erwähnt - als Handlungsalternativen für das Finanzamt lediglich die Gutschrift auf dem Abgabenkonto und die Erlassung eines Bescheides nach § 201 BAO vor. Festsetzungsbescheide nach § 201 BAO haben die gesamte Abgabe festzusetzen und nicht bloß die Nachforderung zu enthalten, um welche sich die Selbstberechnung als zu niedrig erweist (vgl. z.B. , mwN). Auch im Fall von „negativen Abgabenansprüchen“ wie der Forschungsprämie (vgl. ) ist in einem Bescheid gemäß § 201 BAO die Forschungsprämie in insgesamt zutreffender Höhe festzusetzen, wobei sich auch eine Abweichung von der Selbstberechnung zugunsten des Abgabepflichtigen ergeben kann (auch im vorliegenden Fall ergaben sich anlässlich der Außenprüfung etwa zum Teil Abweichungen zugunsten des Abgabepflichtigen). Gegenstand der Festsetzung nach § 201 BAO ist somit die Abgabe selbst und nicht die Rückzahlung oder Rückforderung zu Unrecht bezogener oder zuerkannter Beträge iSd § 207 Abs. 4 BAO.
26Hiefür spricht auch folgende Überlegung: Ob ein Rückforderungsanspruch (oder hingegen ein Anspruch des Abgabepflichtigen) resultiert, ergibt sich erst durch Gegenüberstellung der geltend gemachten, selbst berechneten Prämie mit der gemäß § 201 BAO festgesetzten Prämie. Es erschiene nicht überzeugend, wäre der Beginn der Verjährung von diesem Ergebnis abhängig, also davon, ob die auf Antrag oder von Amts wegen vorzunehmende Festsetzung der Abgabe nach § 201 BAO einen höheren oder einen niedrigeren Betrag als den selbst berechneten ergäbe. Auch aus diesem Grund ist davon auszugehen, dass sich § 208 Abs. 1 lit. c BAO - der völlig anders geartete Verfahrenslagen betrifft (vgl. etwa die Erstattung von Einkommensteuer im Zusammenhang mit Leistungen an eine Bausparkasse und deren Rückforderung nach § 108 Abs. 6 EStG 1988) - nicht auf eine Festsetzung nach § 201 BAO bezieht.
Die Verjährung für die Festsetzung einer Abgabe (iSd § 201 BAO) beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist.
27Nach § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
28Der Verwaltungsgerichtshof hat - im Zusammenhang mit der Abgrenzung von Masseforderungen von Konkursforderungen (§ 46 KO, IO) - ausgeführt (vgl. ), aus § 108c EStG 1988 ergebe sich, dass der die Prämienforderung auslösende Sachverhalt in der Tätigung von (dort) Bildungsaufwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z 8 EStG 1988 gelegen sei. Auf die Modalitäten der Geltendmachung nach § 108c Abs. 3 und 4 EStG 1988 bzw. die Fälligkeit komme es nicht entscheidend an.
29Für die Frage des Entstehens des Abgabenanspruchs iSd § 208 Abs. 1 lit. a BAO ist aber zu berücksichtigen, dass die Forschungsprämie (lediglich) geltend gemacht werden kann. Es steht daher in der Disposition des Abgabepflichtigen, ob er diesen Anspruch geltend macht oder nicht (oder - nach der hier anwendbaren Rechtslage - alternativ einen Forschungsfreibetrag nach § 4 Abs. 4 Z 4, 4a oder 4b EStG 1988). Erst diese Geltendmachung des (negativen) Abgabenanspruches (durch Selbstbemessung) führt zum Entstehen dieses negativen Abgabenanspruches. Die Revisionswerberin wendet hiezu ein, dass auch die Geltendmachung von Betriebsausgaben in der Disposition des Abgabepflichtigen stehe (§ 17 Abs. 3 EStG 1988). Entgegen diesem Vorbringen sind Betriebsausgaben grundsätzlich von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. ). Der Abgabenanspruch für die Einkommensteuer entsteht - für die zu veranlagende Abgabe - mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird (§ 4 Abs. 2 Z 2 BAO), unabhängig davon, ob im Rahmen dieses Veranlagungsverfahrens Betriebsausgaben geltend gemacht werden. Der negative Abgabenanspruch der Forschungsprämie setzt für sein Entstehen aber die Geltendmachung voraus. Eine zeitliche Beschränkung dieser Dispositionsmöglichkeit des Abgabepflichtigen ergibt sich dadurch, dass die Prämien bis zum Eintritt der Rechtskraft des Einkommensteuer-, Körperschaftsteuer- oder Feststellungsbescheides geltend zu machen sind (§ 108c Abs. 3 EStG 1988; vgl. auch - die Geltendmachung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbetrag betreffend - , mwN).
30Da die Forschungsprämie für das Jahr 2010 - wie auch gesetzlich vorgesehen (§ 108c Abs. 3 EStG 1988) - (erst) im Jahr 2011 geltend gemacht wurde, entstand der negative Abgabenanspruch in diesem Jahr (2011). Mit dem Ablauf dieses Jahres begann demnach die Verjährung (§ 208 Abs. 1 lit. a BAO). Durch die im November 2016 begonnene Außenprüfung, die u.a. die Forschungsprämie 2010 betraf, verlängerte sich die Verjährungsfrist um ein Jahr (§ 209 Abs. 1 BAO). Die Abgabenfestsetzung im Dezember 2017 erfolgte schon aus diesem Grund vor Ablauf der Verjährungsfrist.
31Die Revision bekämpft auch die Höhe der Forschungsprämie.
32Nach § 108c Abs. 2 Z 1 EStG 1988 beträgt die Forschungsprämie 8% der Aufwendungen iSd § 4 Abs. 4 Z 4 und Z 4b EStG 1988. Gemäß § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 (in der hier anwendbaren Fassung vor BGBl. I Nr. 111/2010) konnte der Freibetrag insbesondere von Aufwendungen nicht geltend gemacht werden, „die einem Betrieb oder einer Betriebsstätte außerhalb der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraumes zuzurechnen sind [...]“.
33Im Rahmen der Außenprüfung wurde hiezu festgehalten, eine Schwestergesellschaft der Revisionswerberin (LCH) forsche und entwickle in der Schweiz an einem näher genannten Projekt. Der Auffassung der Revisionswerberin werde dahin beigepflichtet, dass die Forschung nicht in einer ihrer Betriebsstätten außerhalb der EU bzw. des EWR stattgefunden habe. Forschungsaufwendungen in ausländischen (nicht EU/EWR-Raum) Betrieben oder Betriebsstätten von ausländischen Betrieben könnten grundsätzlich nicht einer Förderung in Österreich zugänglich gemacht werden. Die Verrechnungspreisrichtlinien hätten darauf keinen Einfluss. Da die Revisionswerberin nicht selbst forsche, seien die Zahlungen der Revisionswerberin an die LCH allenfalls als Auftragsforschung anzusehen; für die Gewährung einer Forschungsprämie fehlten allerdings die gesetzlichen Voraussetzungen.
34In der Beschwerde machte die Revisionswerberin hiezu geltend, im Jahr 2009 sei zwischen der LCH (als „federführender Gesellschaft“) und sechs weiteren Gesellschaften des Konzerns, darunter auch der Revisionswerberin, (als „mitwirkenden Gesellschaften“) ein Kostenumlagevertrag für Forschungs- und Entwicklungsleistungen geschlossen worden. Entsprechend diesem Vertrag hätten die mitwirkenden Gesellschaften als vorwiegende Käuferinnen ebenso wie der Produzent (LCH) ein gemeinsames Interesse daran gehabt, dass die vom Produzenten erstellten Maschinen geänderten Bestimmungen entsprächen. Aufwendungen im Rahmen eines Kostenverteilungsvertrages stellten u.a. nach Rz 113 der Verrechnungspreisrichtlinien 2010 originäre Aufwendungen der Poolmitglieder dar. Die im Rahmen des Pools anfallenden Forschungsaufwendungen seien damit als eigenbetriebliche Aufwendungen und nicht als Auftragsforschung zu qualifizieren.
35Das Bundesfinanzgericht führte hiezu im Wesentlichen aus, die Forschung habe - laut den Prüfungsfeststellungen - nicht in einer Betriebsstätte der Revisionswerberin außerhalb der EU bzw. des EWR stattgefunden. Die Forschung und Entwicklung habe unbestritten in der Schweiz bei der LCH stattgefunden. Die Voraussetzungen zur Geltendmachung der Forschungsprämie seien sohin nicht gegeben. Es liege keine eigenbetriebliche Forschung der Revisionswerberin vor. Zur Prüfungsfeststellung, die an die LCH geleisteten Zahlungen seien als solche für Auftragsforschung anzusehen, da die Revisionswerberin nicht selbst forsche, sei auf den Kostenumlagevertrag vom November 2009 zu verweisen. Demnach hätten sich die Poolmitglieder - u.a. die Revisionswerberin - dazu entschieden, die LCH mit der Organisation und Koordination (federführend) der gemeinsamen F&E-Leistungen zu beauftragen.
36In der Revision wird dazu geltend gemacht, unbestritten sei die Feststellung, wonach die LCH in der Schweiz am genannten Projekt forsche und entwickle. Daraus folgt bereits, dass es sich bei dieser Forschung nicht um eigenbetriebliche Forschung der Revisionswerberin iSd § 4 Abs. 4 Z 4 EStG 1988 handelt. Wenn in der Revision weiters geltend gemacht wird, geforscht werde gemeinschaftlich und jedes der Poolmitglieder (ebenso wie auch fremde Dritte nach entsprechendem Auftrag eines der Poolmitglieder) könne Leistungsteile zur Erreichung des Forschungszweckes beitragen, zeigt sie nicht auf, dass derartiges Vorbringen bereits im bisherigen Verfahren erstattet und für das Bundesfinanzgericht nachvollziehbar konkretisiert worden wäre. Im Übrigen wird auch in der Revision nicht behauptet, dass die Revisionswerberin selbst (abgesehen von den Zahlungen) Leistungsteile zur Erreichung des Forschungszweckes beigetragen hätte.
37Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
38Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020150009.J00 |
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