VwGH vom 14.05.2020, Ro 2020/13/0003

VwGH vom 14.05.2020, Ro 2020/13/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 4/5/10 in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7102813/2018, betreffend Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für das Jahr 2016 (mitbeteiligte Partei: V OG in W, vertreten durch die Dr. Wilhelm Frick Steuerberater und Wirtschaftsprüfer GmbH in 1100 Wien, Liesingbachstraße 224), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1Mit Bescheid vom (berichtigt mit Bescheid vom ) stellte das Finanzamt die Einkünfte der Mitbeteiligten gemäß § 188 BAO für das Jahr 2016 fest und rechnete die Einkünfte den Beteiligten zu. Dabei wurde auch festgestellt, die (negativen) Einkünfte seien nicht ausgleichsfähig. In der Begründung wurde hiezu ausgeführt, gemäß § 2 Abs. 2a EStG 1988 seien negative Einkünfte aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkte im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen seien, weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 vortragsfähig. Bei der Herstellung von Filmen, um die Filmrechte sodann im Wege der Nutzungsüberlassung zu verwerten, liege ein Verwalten von unkörperlichen Wirtschaftsgütern vor.

2Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.

4Die Mitbeteiligte beantragte, die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorzulegen.

5Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge und änderte den Feststellungsbescheid antragsgemäß ab. Es sprach aus, dass bei der Veranlagung der beteiligten Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkommensermittlung keine nichtausgleichsfähigen Verluste zu berücksichtigen seien. Weiters sprach es aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

6Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht in der Begründung im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe in der ersten Hälfte des Streitjahres das Drehbuch für einen Film fertiggestellt und habe im Sommer 2016 mit den Dreharbeiten begonnen, die in der zweiten Jahreshälfte 2016 abgeschlossen worden seien. Autorin und Regisseurin des Films sei eine Gesellschafterin der Mitbeteiligten gewesen, die näher genannte (insbesondere künstlerische) Ausbildungen an verschiedenen Universitäten absolviert habe. Der Film habe eine Vielzahl von Festivalpreisen und -nominierungen erzielen können. Im Jahr 2018 sei mit dem Vertrieb des Kinofilms am weltweiten Markt begonnen worden, wofür Filmversionen mit englischen und spanischen Untertiteln erstellt worden seien. Der Kinostart in Österreich sei im Oktober 2018 gewesen.

7Im Hinblick darauf, dass der im Streitjahr 2016 erwirtschaftete Verlust ausschließlich aus den Produktions- und Herstellungskosten des Filmes resultiert habe, sei davon auszugehen, dass der Unternehmensschwerpunkt nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht in der Verwaltung unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern, sondern in der Herstellung eines Kinofilms gelegen sei. Die Mitbeteiligte sei im Jahr 2016 ausschließlich mit der Herstellung des Films beschäftigt gewesen; sie habe keinen Handel mit Verwertungsrechten betrieben.

8Die zielgerichtete, auf die Entwicklung und Herstellung eines Kinofilms gerichtete Tätigkeit stelle kein Verwalten von Wirtschaftsgütern im Sinne des § 2 Abs. 2a zweiter Teilstrich EStG 1988 dar. Sie ziele vielmehr auf die Entwicklung eines neuen, materiellen Produktes ab. Die eigenschöpferisch tätigen Personen, die den Film erschaffen, verwalteten kein immaterielles Produkt, sondern erzeugten ein neues Filmprodukt, das in der Folge der Allgemeinheit als künstlerische Arbeit zur Verfügung gestellt werde.

9Hinsichtlich der zu klärenden Rechtsfrage, ob die Produktion eines Filmes, um die Verwertungsrechte zu verwalten, unter den Tatbestand des § 2 Abs. 2a zweiter Teilstrich EStG 1988 falle, gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, sodass eine ordentliche Revision zulässig sei.

10Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

11Zur Zulässigkeit wird in der Revision insbesondere geltend gemacht, ein Filmproduzent, der einen Film herstelle, könne diese Tätigkeit ausschließlich durch Rechteverwertung wirtschaftlich nützen. Die Tätigkeit sei daher von Beginn an wirtschaftlich auf eine Rechteverwertung ausgerichtet. Eine Tätigkeit, deren Ergebnis wirtschaftlich nur über die Rechteverwertung vermarktbar sei, unterliege dem § 2 Abs. 2a zweiter Teilstrich EStG 1988. Insoweit unterscheide sich dieser Fall auch von jenem des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/15/0085, der die Tätigkeit eines Erfinders betroffen habe. Auch in der Revisionsbegründung macht das Finanzamt insbesondere geltend, bei einer Filmproduktion handle es sich um eine Tätigkeit, deren Ergebnis wirtschaftlich nur über die Rechteverwertung vermarktbar sei. Der Unternehmensschwerpunkt liege somit in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht in der Herstellung des Films, welcher für sich keinen wirtschaftlichen Wert für die Mitbeteiligte habe, sondern in der beabsichtigten Verwertung des Filmes im Rahmen von Lizenz- und Filmrechtvergaben. Das Bundesfinanzgericht habe sich nur auf den Zeitraum der Produktion bezogen. Es habe außer Acht gelassen, dass die Produktion nur bei einer nachfolgenden Verwertung wirtschaftlich Sinn mache. Das Bundesfinanzgericht gehe überdies davon aus, dass die Tätigkeit auf die Entwicklung eines neuen, materiellen Produktes gerichtet sei. Sollte damit ein körperliches Wirtschaftsgut gemeint sein, würde das Aktivierungsverbot des § 4 Abs. 1 letzter Satz EStG 1988 für selbst hergestellte immaterielle Wirtschaftsgüter nicht zur Anwendung kommen. Die Herstellungskosten wären damit zu aktiveren, sodass sie keine Verluste generieren könnten.

12Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet; Aufwandersatz wurde nicht beantragt.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14Die Revision ist zulässig, aber nicht begründet.

15Nach § 2 Abs. 2a zweiter Gedankenstrich EStG 1988 sind negative Einkünfte „aus Betrieben, deren Unternehmensschwerpunkt(e) im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter oder in der gewerblichen Vermietung von Wirtschaftsgütern gelegen ist“, weder ausgleichsfähig noch gemäß § 18 Abs. 6 EStG 1988 vortragsfähig. Solche negativen Einkünfte sind mit positiven Einkünften aus dieser Betätigung oder diesem Betrieb frühestmöglich zu verrechnen.

16Die Bestimmung des § 2 Abs. 2a EStG 1988 wurde mit dem Steuerreformgesetz 2000, BGBl. I Nr. 106/1999, eingefügt. Das hier zu beurteilende Verlustausgleichsverbot wurde aber bereits mit dem Abgabenänderungsgesetz 1989, BGBl. Nr. 660, verfügt (damals noch in § 2 Abs. 2 EStG 1988). Dazu wurde im Ausschussbericht (1162 BlgNR 17. GP 2 f) ausgeführt:

„Wie sich im Laufe des Jahres 1989 gezeigt hat, ist auf Grund der geänderten steuerlichen Situation ein neuer Typ von Verlustzuweisungsgesellschaften entstanden. Es handelt sich dabei um Kommanditgesellschaften und atypisch stille Gesellschaften, die (stille) Beteiligungen, Forderungen, Genußrechte auf der Basis von Besserungsverpflichtungen und selbsthergestellte Rechte (insbesondere Filmrechte) verwalten. Die an die Anleger zugewiesenen Verluste resultieren aus Teilwertabschreibungen und aus pauschalen Abschreibungen gemäß § 6 Z 2 lit. c, aus Abschreibungen von Forderungen aus Besserungszusagen sowie aus der Sofortabschreibung gemäß § 4 Abs. 1 vorletzter Satz. Der gemeinsame Nenner dieser Projekte ist das schwerpunktmäßige Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter.

Die gesetzliche Verankerung der vollen Steuerwirksamkeit von Verlusten beschränkt haftender Gesellschafter rechtfertigt eine Sonderbehandlung von Verlusten aus Unternehmen, die schwerpunktmäßig unkörperliche Wirtschaftsgüter verwalten. Es handelt sich dabei nämlich nicht um ‚normale‘ Unternehmen, sondern um solche, die praktisch nur zum Zwecke von Verlustzuweisungen ins Leben gerufen werden. Ob der Unternehmensschwerpunkt im Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter gelegen ist, muß nach dem Gesamtbild der wirtschaftlichen Verhältnisse (Relation des wirtschaftlichen Erfolgs aus mehreren Unternehmenssparten zueinander, Wertverhältnisse in der Gesellschaft vorhandener Vermögenswerte zueinander) beurteilt werden. Aus der Formulierung ‚Verluste aus Betrieben‘ ergibt sich insbesondere, daß (auch) Verlustanteile von Mitunternehmern der Beschränkung unterliegen. [...]“

17Nach der in diesen Erläuterungen u.a. angesprochenen Bestimmung des § 4 Abs. 1 vorletzter Satz EStG 1988 (in der damaligen Fassung; nunmehr: letzter Satz) darf für unkörperliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten nur angesetzt werden, wenn sie entgeltlich erworben worden sind.

18Bei der Interpretation einer Gesetzesnorm ist auf den Wortsinn und insbesondere auch auf den Zweck der Regelung, auf den Zusammenhang mit anderen Normen sowie die Absicht des Gesetzgebers abzustellen. Erläuterungen zur Regierungsvorlage können im Rahmen der Interpretation des Gesetzes einen Hinweis auf das Verständnis des Gesetzes bieten (vgl. , mwN). Stehen die Materialien aber in eindeutigem Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, sind sie für die Auslegung bedeutungslos (vgl. ; vgl. auch RIS-Justiz RS0008795).

19Aus den zitierten Erläuterungen könnte auf eine Absicht des Gesetzgebers geschlossen werden, gerade auch Verluste, die daraus resultieren, dass Filmrechte „selbsthergestellt“ werden, weder ausgleichsfähig noch vortragsfähig sein sollen, was auch damit harmonieren würde, dass für derartige, nicht entgeltlich erworbene unkörperliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ein Aktivposten nicht angesetzt werden darf, sodass die Aufwendungen für die Herstellung dieses unkörperlichen Wirtschaftsgutes sofort erfolgswirksam sind.

20Der Wortlaut des Gesetzes setzt aber das „Verwalten“ (bzw. die „Vermietung“) voraus. Das Verwalten unkörperlicher Wirtschaftsgüter umfasst die auf Gewinn gerichtete Fruchtziehung aus unkörperlichen Wirtschaftsgütern. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits (dort zu einem Erfinder) ausgesprochen hat, besteht der Schwerpunkt der Tätigkeit eines Erfinders nicht in der Verwaltung von Kenntnissen und Erfahrungen, sondern im produktiven Einsatz seines Wissens. Der eigenschöpferisch tätige Erfinder verwaltet nicht Wissen, sondern erzeugt neues Wissen (vgl. , mwN).

21In gleicher Weise besteht bei einem Filmproduzenten der Schwerpunkt der Tätigkeit ebenfalls im produktiven Einsatz seiner Fähigkeiten und nicht in der Verwaltung dieser Fähigkeiten. Der Filmproduzent schafft Neues. Dass aber die Einnahmen nicht aus der Herstellung des Films, sondern aus dessen Vermarktung resultieren, ist keine Besonderheit der mitbeteiligten Partei oder der Art der vorliegenden Tätigkeit, sondern ist bei jedem in einer Marktwirtschaft tätigen Unternehmen der Fall. Der Schwerpunkt der „Tätigkeit“ der Mitbeteiligten liegt nicht darin, aus selbst hergestellten oder gar von Dritten erworbenen Filmrechten Früchte zu ziehen und allenfalls auch Filmrechte zu veräußern (wie entsprechend ein gewerblicher Wertpapierhändler mit Wertpapieren handeln würde), sondern darin, (unkörperliche) Filmrechte durch Herstellung eines Filmes zu generieren.

22Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020130003.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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