Suchen Hilfe
VwGH vom 23.11.2020, Ro 2020/11/0018

VwGH vom 23.11.2020, Ro 2020/11/0018

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und die Hofräte Dr. Grünstäudl und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Österreichischen Zahnärztekammer in Wien, vertreten durch Tschurtschenthaler Walder Fister Rechtsanwälte GmbH in 9020 Klagenfurt, Dr. Arthur Lemisch-Platz 7, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom , Zl. ABT08GP-87.08-1/2012-40, betreffend Errichtung eines privaten Zahnambulatoriums (mitbeteiligte Partei: J P in S (Ungarn), vertreten durch die Rechtsanwaltspartnerschaft Venus & Lienhart in 8280 Fürstenfeld, Augustinerplatz 7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1Mit dem angefochtenen Spruchpunkt I des Bescheides vom (im Folgenden: Errichtungsbewilligung) erteilte die belangte Behörde der mitbeteiligten Partei die krankenanstaltenrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines selbstständigen Zahnambulatoriums. Begründend führte die belangte Behörde, soweit hier von Bedeutung, aus, im Hinblick auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom , C-169/07, Hartlauer, dürften die Bestimmungen des Steiermärkischen Krankenanstaltengesetzes 1999 (KALG), LGBl. Nr. 66, über die Bedarfsprüfung auf den Antrag der mitbeteiligten Partei, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat habe, nicht angewendet werden.

2Mit Schriftsatz vom beantragte die Revisionswerberin die Zustellung der Errichtungsbewilligung, in eventu die Feststellung ihrer Parteistellung im Errichtungsbewilligungsverfahren.

3Mit Beschwerdevorentscheidung vom gab die belangte Behörde dem Antrag der Revisionswerberin auf Zustellung der Errichtungsbewilligung statt.

4Die Revisionswerberin bringt vor, die Errichtungsbewilligung sei ihr am zugestellt worden.

5Gegen die Errichtungsbewilligung richtet sich die vorliegende, beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachte Revision, in welcher vorgebracht wird, die belangte Behörde habe zu Unrecht von einer Bedarfsprüfung abgesehen.

6Die belangte Behörde teilte über Aufforderung des Verwaltungsgerichtshofes mit, auf Grund der Aktenlage sei von einer Zustellung der Errichtungsbewilligung an die Revisionswerberin (erst) am auszugehen.

7Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie ausführte, im Hinblick auf das hg. Erkenntnis vom , 2011/11/0198, wäre eine Bedarfsprüfung durchzuführen gewesen. Die mitbeteiligte Partei erstattete keine Revisionsbeantwortung.

8Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9Die Revision stützt sich auf § 4 Abs. 3 und 5 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz - VwGbk-ÜG, BGBl. I Nr. 33/2013.

10Im Revisionsfall ist das Vorbringen der Revisionswerberin, die Errichtungsbewilligung sei der mitbeteiligten Partei vor Ablauf des , ihr selbst jedoch erst nach Ablauf des zugestellt worden, nicht bestritten worden. Der Verwaltungsgerichtshof legt diesen Sachverhalt daher seiner Beurteilung zu Grunde.

11Die Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 VwGbk-ÜG für die Erhebung einer Revision gegen die Errichtungsbewilligung durch die Revisionswerberin liegen daher vor (siehe zu einer vergleichbaren Konstellation das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Ro 2020/11/0020, auf dessen nähere Begründung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).

12Da die Errichtungsbewilligung von der Steiermärkischen Landesregierung und somit von einer anderen als der im zweiten Satz des § 4 Abs. 5 VwGbk-ÜG genannten Behörde erlassen worden ist, gelten gemäß dem letzten Satz dieser Bestimmung die Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht.

13Die Revisionslegitimation der Revisionswerberin ergibt sich aus dem ebenfalls sinngemäß anzuwendenden Art. 133 Abs. 8 B-VG in Verbindung mit § 8 Abs. 4 Stmk. Krankenanstaltengesetz 2012 - StKAG, LGBl. Nr. 111/2012, in der Fassung LGBl. Nr. 102/2019.

14Die Revision ist daher zulässig.

15Sie ist auch berechtigt.

16Die im Revisionsfall einschlägigen Bestimmungen des KALG in der im Zeitpunkt der Erlassung der Errichtungsbewilligung - gemäß § 68a Abs. 22 KALG - maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 145/2006 lauteten (auszugsweise):

„§ 3

Errichtungsbewilligung

(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Bewilligung der Landesregierung.

(2) Diese kann unbeschadet der nach sonstigen Rechtsvorschriften erforderlichen Voraussetzungen nur erteilt werden, wenn

a)ein Bedarf im Sinne des Abs. 3 nach einer Krankenanstalt hinsichtlich des angegebenen Anstaltszweckes (§ 1 Abs. 3 und § 2 a) und des in Aussicht genommenen Leistungsangebotes gegeben ist;

...

(3) Der Bedarf ist nach dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot sowohl nach dem Landes-Krankenanstaltenplan als auch im Hinblick auf das bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater-gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch Ambulanzen der genannten Krankenanstalten und niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Kassenvertragszahnärzte und Kassenvertragsdentisten zu beurteilen...“

17Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem zum Salzburger Krankenanstaltengesetz 2000 (SKAG) in der Fassung LGBl. Nr. 91/2010 ergangenen Erkenntnis vom , 2011/11/0198, zum einen ausdrücklich der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 19.529/2011; 19.606/2011 ua.) angeschlossen, dass durch die Einführung einer Bedarfsprüfung für Gruppenpraxen in § 26b ZÄG - ungeachtet des Umstands, dass die dort vorgesehene bundesunmittelbare Bedarfsregelung nicht in allen Einzelheiten der durch Ausführungsgesetze der Länder konkretisierten bundesgrundsatzgesetzlichen Vorgabe für die Bedarfsregelung für selbständige Ambulatorien entspricht - insgesamt eine unionsrechtskonforme Rechtslage geschaffen worden ist, und zwar noch vor der Erlassung der Ausführungsgesetze der Länder aufgrund der Vorgaben des KAKuG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 61/2010. Zum anderen hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis dem seinerzeitigen Beschwerdevorbringen, die in § 7 Abs. 1 lit. a SKAG enthaltene Bedarfsregelung für selbständige Ambulatorien entspreche auch insofern nicht den Vorgaben des EuGH, weil sie nicht auf einheitlichen Kriterien beruhe, entgegengehalten, dass die Einheitlichkeit des Gesetzesvollzugs durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sichergestellt ist (vgl. auch ua.).

18Diese Ausführungen sind im Hinblick auf die Gleichartigkeit der Bedarfsregelung in § 3 Abs. 2 lit. a und Abs. 3 KALG auf den Revisionsfall übertragbar. Die belangte Behörde ist daher im Verfahren zur Erteilung der Errichtungsbewilligung zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Bewilligungsvoraussetzung des Bedarfs nicht anzuwenden gewesen sei.

19Der angefochtene Bescheid war der wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020110018.J00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.

Fundstelle(n):
VAAAE-94860