VwGH vom 26.02.2020, Ro 2020/09/0002
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Doblinger und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Hotz, über die Revision der Disziplinaranwältin der Stadt Wien in 1082 Wien, Rathaus, Stiege 4, Hochparterre, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W170 2207255-1/15E, betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße nach der Wiener Dienstordnung 1994 (mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Franz Scharf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Schulerstraße 20/7), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Strafausspruches wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte steht als Richter des Verwaltungsgerichtes Wien in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Wien. Zur weiteren Vorgeschichte wird auf das hg. Erkenntnis vom , Ra 2017/09/0049, verwiesen.
2 Mit dem nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergangenen angefochtenen Erkenntnis erkannte das Bundesverwaltungsgericht den Mitbeteiligten einer Verletzung seiner Dienstpflichten nach § 18 Abs. 2 zweiter Satz der (Wiener) Dienstordnung 1994 (in der Folge: DO 1994) schuldig, weil er am
20. und je eine Äußerung seiner Lebensgefährtin in einer privaten Angelegenheit zwischen ihr und der Inhaberin X eines näher bezeichneten Fitnessclubs sowie am eine E-Mail, worin er sich zum bisherigen Verhalten der Clubinhaberin X geäußert habe, an näher bezeichnete Empfänger von seiner dienstlichen E-Mail-Adresse verschickt und dabei als Richter des Verwaltungsgerichtes Wien unterzeichnet habe, wodurch er es unterlassen habe, im Dienst und außer Dienst alles zu vermeiden, was die Achtung und das Vertrauen, die seiner Stellung entgegengebracht werden, untergraben könnte. Es verhängte deshalb über ihn gemäß § 76 Abs. 1 Z 2 DO 1994 eine Geldbuße in der Höhe eines halben Monatsgehaltes unter Ausschluss der Kinderzulage, wobei diese Geldbuße unter Ausschluss der Kinderzulage unter Setzung einer Bewährungsfrist von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.
3 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht hinsichtlich des Schuldspruches für nicht zulässig, hinsichtlich der Strafhöhe für zulässig und begründete Letzteres damit, dass zur Strafhöhe für Dienstpflichtverletzungen durch Richter dieses Verwaltungsgerichtes bei derartigen Dienstpflichtverletzungen keinerlei Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorzufinden sei.
4 In der Begründung der - im Revisionsfall relevanten - Strafbemessung wertete das Verwaltungsgericht zusammengefasst die Begehung von zwei Dienstpflichtverletzungen - einerseits die beiden E-Mails vom 20. und an die Fitnessclubbetreiberin und andererseits das E-Mail vom an Adressen der Franchisezentrale und den Konsumentenschutzverein - als erschwerend sowie als mildernd das Tatsachen- und Schuldeingeständnis, die bisherige
Unbescholtenheit, die bisherige ausgezeichnete Dienstverrichtung und die überlange Verfahrensdauer.
5 Die gegen dieses Erkenntnis erhobene Revision der Disziplinaranwältin richtet sich inhaltlich gegen den Ausspruch zur Strafhöhe; der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist nach Art. 133 Abs. 4 B-VG die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. ; , Ro 2018/10/0031, mwN).
8 Das bloße Fehlen einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Rechtsfrage führt nicht automatisch zur Zulässigkeit einer Revision (vgl. z.B. die Nachweise bei Thienel, Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Verwaltungsgerichtsbarkeit, ZVG 2018, 180 (189)). Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt dann nicht vor, wenn es trotz fehlender Rechtsprechung auf Grund der eindeutigen Rechtslage keiner Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf (vgl. z.B. , mwN).
9 Eine Ermessensentscheidung unterliegt nur insofern der Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof im Rahmen von dessen Befugnissen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG, als dieser gegebenenfalls zu prüfen hat, ob von dem im Gesetz eingeräumten Ermessen im Sinn des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde. Sofern weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, geht die Ausübung des Ermessens über die Bedeutung des Einzelfalles nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung dar (vgl. u.a. , mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. , mwN) bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. ).
10 Im Zulässigkeitsvorbringen der Revision wird zutreffend eine Ermessensüberschreitung aufgrund unrichtiger Rechtsanwendung aufgezeigt, womit sich die Revision als zulässig erweist; sie ist auch berechtigt:
11 § 78 und 108 Wiener Dienstordnung 1994 (DO 1994), LGBl. Nr. 56/1994 in der Fassung LGBl. Nr. 34/2014 lauten (auszugsweise):
"Bedingte Strafnachsicht
§ 78. (1) Wenn anzunehmen ist, dass die bloße Androhung der Vollziehung der Strafe genügen wird, um den Beamten von weiteren Dienstpflichtverletzungen abzuhalten und es nicht der Vollstreckung der Strafe bedarf, um der Begehung von Dienstpflichtverletzungen durch andere entgegenzuwirken, kann die Disziplinarbehörde unter Bestimmung einer Bewährungsfrist von einem bis zu drei Jahren eine Disziplinarstrafe gemäß § 76 Abs. 1 Z 2 und 3 ganz oder teilweise bedingt nachsehen, wenn über den Beamten bisher keine solche Strafe im Ausmaß von mehr als einem halben Monatsbezug verhängt wurde. § 108 Abs. 5 ist anzuwenden.
(2) Bei Anwendung des Abs. 1 ist insbesondere auf die Art der Dienstpflichtverletzung, die Person des Beamten, den Grad des Verschuldens und auf sein dienstliches Verhalten Bedacht zu nehmen.
(3) Die Bewährungsfrist beginnt mit Eintritt der Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses (der Disziplinarverfügung). Ihr Ende ist von der Disziplinarbehörde so festzusetzen, dass die Bewährungsfrist nicht die für die ausgesprochene Strafe in Betracht kommende Tilgungsfrist (§ 108 Abs. 1) überschreitet.
(4) ...
Tilgung der Disziplinarstrafe
§ 108. (1) Die wegen einer Dienstpflichtverletzung verhängten Strafen des Verweises, der Geldbuße und der Geldstrafe, die beiden letztgenannten Strafen jedoch nur, wenn sie auf keine höhere Strafe als einen Monatsbezug lauten, gelten nach Ablauf von einem Jahr, die sonstigen Disziplinarstrafen nach Ablauf von drei Jahren nach Rechtskraft des Disziplinarerkenntnisses (der Disziplinarverfügung) als getilgt.
(2) ..."
12 Aus § 78 Abs. 3 letzter Satz DO 1994 folgt, dass bei den nicht auf mehr als den einfachen Monatsbezug lautenden Geldbußen oder Geldstrafen die Bewährungsfrist immer nur bis zu einem Jahr betragen kann (vgl. Hutterer/Rath, Dienst- und Besoldungsrecht der Wiener Gemeindebediensteten, 3. Auflage (2014), S. 225). Gemäß § 14 Abs. 1 Verwaltungsgericht-Dienstrechtsgesetz (VWG-DRG) gelten bei der Ahndung von Dienstpflichtverletzungen der Mitglieder des Verwaltungsgerichtes § 76 und 108 DO 1994 sinngemäß.
13 Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes umfasst ein reumütiges Geständnis iSd § 34 Abs. 1 Z 17 StGB neben dem Zugeben der gegen den Täter erhobenen und in der Verurteilung für richtig befundenen Anschuldigung zumindest in ihren wesentlichen Punkten, auch ein diesbezügliches Schuldbekenntnis, verbunden mit einer nicht bloß intellektuellen, sondern gesinnungsmäßigen Missbilligung der Tat (vgl. u.a. ; , 2013/09/0046; , 98/10/0313).
14 Im vorliegenden Fall führt das Verwaltungsgericht in seinen dislozierten Feststellungen aus, dass der Mitbeteiligte "selbst vor dem Bundesverwaltungsgericht das Hinzufügen einer (dienstlichen) Signatur zu einem E-Mail noch mit dem Übergeben einer Visitenkarte (verglich), er hat ausgeführt, dass er eine solche Handlung nicht mehr durchführen würde allerdings nur, um sich die nachfolgenden Probleme zu ersparen", und leitet daraus ab, dass eine gesinnungsmäßige Missbilligung der Tat hier nicht erkannt werden könne.
15 Wie die Revision im Ergebnis zutreffend aufzeigt, bleibt bei dieser Sachlage angesichts der dargelegten Judikatur für die Heranziehung eines Schuldeingeständnisses des Mitbeteiligten als Milderungsgrund kein Platz; auch die Annahme eines mildernd zu wertenden Tatsachengeständnisses durch das Verwaltungsgericht erweist sich als verfehlt, da nach dem Verfahrensgang die Aussage des Mitbeteiligten nicht wesentlich zur Wahrheitsfindung beigetragen und somit keinen Milderungsgrund iSv § 34 Abs. 1 Z 17 StGB erfüllen kann. Demgegenüber bestehen keine Bedenken, wenn das Verwaltungsgericht - entgegen der weiteren Argumentation in der Revision - die beiden E-Mail-Sendungen vom 20. und offenkundig als fortgesetztes Delikt wertet (vgl. zum Begriff des fortgesetzten Delikts u.a. ; , Ra 2016/03/0108) und deshalb im Zusammenhang mit dem E-Mail vom erschwerend von zwei (und nicht von drei) Dienstpflichtverletzungen ausgeht und im Weiteren (auch) die lange Verfahrensdauer, die nicht aus dem Verhalten des Mitbeteiligten resultiert, als Milderungsgrund wertet. Wenn das Verwaltungsgericht weiters bei seiner Gesamtabwägung zur Strafbemessung bei Einräumung einer bedingten Strafnachsicht eine Probezeit von drei Jahren für notwendig erachtet, übersieht es, dass bei der verhängten Geldbuße bei richtiger Anwendung von § 78 DO 1994 lediglich eine Probezeit von bis zu einem Jahr in Betracht kommt.
16 Indem somit das Verwaltungsgericht zu Unrecht in seiner Strafbemessung tragend ein Tatsachen- und Schuldeingeständnis als mildernd heranzieht und hinsichtlich der verhängten Geldbuße eine bedingte Strafnachsicht (nur) unter Festlegung einer unzulässig langen Probezeit gewährt, belastet es sein Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, sodass dieses im Umfang des angefochtenen Strafausspruches gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020090002.J04 |
Schlagworte: | Besondere Rechtsgebiete |
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