VwGH vom 10.08.2021, Ro 2020/04/0030
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie Hofrat Dr. Pürgy als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des Mag. SB, vertreten durch die RIHS Rechtsanwalt GmbH in 1010 Wien, Kramergasse 9/3/13, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W120 2229586-1/14E, betreffend vergaberechtliches Feststellungsverfahren (mitbeteiligte Parteien: 1. M GmbH, vertreten durch die Finanzprokuratur in 1010 Wien, Singerstraße 17-19, und 2. U S in R), zu Recht erkannt:
Spruch
Der Revision wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Beschluss im Umfang seiner Spruchpunkte A.I. und A.II. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
In ihrem darüberhinausgehenden Anfechtungsumfang wird die Revision abgewiesen.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
11. Zur Vorgeschichte wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/04/0231, verwiesen.
21.1. Laut Akteninhalt liegen dem Revisionsfall folgende unstrittige Tatsachen zugrunde:
3Die erstmitbeteiligte Partei (im Folgenden: Auftraggeberin) schrieb mit Kundmachung vom die Tabaktrafik am Standort F, im Wege der öffentlichen Ausschreibung gemäß § 25 Tabakmonopolgesetz 1996 (TabMG 1996) als Tabakfachgeschäft aus. Der Revisionswerber bewarb sich fristgerecht um die ausgeschriebene Tabaktrafik.
4Am schloss die Auftraggeberin mit der Zweitmitbeteiligten einen „temporären Bestellungsvertrag“ betreffend die verfahrensgegenständliche Tabaktrafik für die Dauer von bis .
5Der Revisionswerber beantragte beim Bundesverwaltungsgericht die vergaberechtliche Nachprüfung dieses Bestellungsvertrages, wobei seine Anträge vom Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen wurden. Die Anfechtung dieser Entscheidung beim Verwaltungsgerichtshof bildete den Gegenstand des zu Ro 2019/04/0231 protokollierten Revisionsverfahrens.
61.2. Am bestellte die Auftraggeberin ohne vorherige Ausschreibung die Zweitmitbeteiligte wiederum durch „temporären Bestellungsvertrag“ als Tabaktrafikantin für die verfahrensgegenständliche Tabaktrafik für die Dauer von bis .
72. Mit Eingaben beim Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) vom 12. und begehrte der Revisionswerber 1.) die Feststellung gemäß § 97 Abs. 1 Z 2 Bundesvergabegesetz Konzessionen 2018 (BVergGKonz 2018), dass die Durchführung des Konzessionsvergabeverfahrens zur Besetzung der verfahrensgegenständlichen Tabaktrafik ohne vorherige Bekanntmachung rechtswidrig gewesen sei, 2.) die Feststellung gemäß § 97 Abs. 1 Z 3 BVergGKonz 2018, dass die Zuschlagserteilung eines Bestellungsvertrags ohne Mitteilung der Zuschlagsentscheidung rechtswidrig gewesen sei, sowie 3.) die Nichtigerklärung des Bestellungsvertrages betreffend die Zweitmitbeteiligte für den Zeitraum von bis gemäß § 100 Abs. 2 leg. cit., eventualiter die Verhängung einer wirksamen, angemessenen und abschreckenden Geldbuße gemäß § 100 Abs. 9 leg. cit.
8Begründend führte der Revisionswerber aus, er sei durch die rechtswidrige Vergabe unter Missachtung der Bekanntmachungsvorschriften in seinem Recht auf Teilnahme am Vergabeverfahren und auf ein faires und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren verletzt worden. Sämtliche Beschaffungsvorgänge der Auftraggeberin müssten - auch nach dem TabMG 1996, dem durch das BVergGKonz 2018 in vielen Bestimmungen derogiert worden sei - öffentlich ausgeschrieben werden. Die Auftraggeberin wäre nach dem TabMG 1996 verpflichtet, Bestellungsverträge auf unbestimmte Zeit abzuschließen, es sei denn, es stünde im Voraus fest, dass die Tabaktrafik nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums oder als Schulungstrafik betrieben werden solle.
Die Vergabe einer Tabaktrafik sei als Dienstleistungskonzession im Sinne des § 6 BVergGKonz 2018 zu qualifizieren. Dienstleistungskonzessionen seien entgeltliche Verträge, mit denen ein Auftraggeber einen Unternehmer mit der Erbringung und der Durchführung von Dienstleistungen (Verkauf von Tabakwaren) betraue, wobei die Gegenleistung im Recht zur Verwertung der vertragsgegenständlichen Dienstleistungen bestehe.
9Die Auftraggeberin hielt dem in ihrer Stellungnahme vom entgegen, die Bestellung von Tabaktrafikanten gemäß TabMG 1996 stelle keine Dienstleistungskonzession im Sinne des BVergGKonz 2018 dar, sondern eine privatrechtliche Ermächtigung. Im gegenständlichen Fall liege keine Vergabe gemäß BVergGKonz 2018 vor, sondern es sei für den gegenständlichen Standort, auf Grundlage der Bestimmungen des TabMG 1996, eine Tabaktrafikantin im Sinne des § 32 Abs. 3 TabMG 1996 für den Zeitraum vom bis zum vorläufig bzw. befristet bestellt worden. Demgemäß sei auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bereits mehrfach ausgesprochen worden, dass es sich bei einem Vertrag über eine Bestellung zum Tabaktrafikanten um eine besondere Bewilligung handle, Handel mit den dem Tabakmonopol unterliegenden Waren zu treiben. Sie sei ungeachtet der Rechtsform des privatrechtlichen Vertrages einer Ermächtigung gleichzuhalten. Damit handle es sich bei der Vergabe einer Tabaktrafik nicht um eine Dienstleistungskonzession gemäß § 6 BVergGKonz 2018, weshalb das Bundesverwaltungsgericht keine Zuständigkeit im gegenständlichen Fall erlange.
103.1. Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Anträge als unzulässig zurück. Die Revision erklärte es für zulässig, weil die Frage, ob der Abschluss eines Vertrages über den Betrieb einer Tabaktrafik in den Anwendungsbereich des BVergGKonz 2018 falle und insbesondere ob der Betrieb einer Tabaktrafik eine Dienstleistung sei, in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes, des Obersten Gerichtshofes oder des Gerichtshofes der Europäischen Union nicht behandelt worden sei.
113.2. Das Verwaltungsgericht traf in seiner Begründung die Feststellung, am sei der vorläufige bzw. befristete Bestellungsvertrag betreffend die verfahrensgegenständliche Trafik mit der zweitmitbeteiligten Partei abgeschlossen worden. Hierzu sei keine Ausschreibung oder Kundmachung nach dem TabMG 1996 durchgeführt worden. Dem Revisionswerber sei erst am zur Kenntnis gelangt, welche Person konkret „zumindest bis zum zur Tabaktrafikantin“ bestellt worden sei.
3.3. Rechtlich führte das Verwaltungsgericht aus, Voraussetzung zur Einleitung eines Feststellungsverfahrens gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz BVergGKonz 2018 sei, dass es sich um die Vergabe eines Konzessionsvertrages handelt, der dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliege.
Unter Verweis auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in dem Parallelverfahren vom , W187 2219311-1/25E, führte das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Beschluss zusammengefasst aus, dass ein Trafikant keine Aufgabe für den Auftraggeber oder die Öffentlichkeit an Stelle des Auftraggebers erbringe. Vielmehr handle es sich bei einem Vertrag über eine Trafik um eine besondere Bewilligung, Handel mit den dem Tabakmonopol unterliegenden Waren zu treiben. Diese Bewilligung sei ungeachtet der Rechtsform des privatrechtlichen Vertrages einer Ermächtigung gleichzuhalten. Daher könne schon begrifflich keine Dienstleistung vorliegen, die abhängig von der Form des Entgelts dem BVergG 2018 oder dem BVergGKonz 2018 unterliege. Damit handle es sich bei der Vergabe einer Tabaktrafik nicht um eine Dienstleistungskonzession gemäß § 6 BVergGKonz 2018. Vor diesem Hintergrund seien die Feststellungsanträge wegen der Nichtanwendbarkeit des BVergGKonz 2018 als unzulässig zurückzuweisen (Spruchpunkte A.I. und A.II.).
12Die Anträge auf Nichtigerklärung des vorliegenden Vertrages vom sowie auf Verhängung einer Geldbuße seien ebenso bereits mangels Anwendbarkeit des BVergGKonz 2018 als unzulässig zurückzuweisen. Die Anträge seien aber auch bereits mangels Antragsrechts unzulässig. Das Bundesverwaltungsgericht habe gemäß § 100 Abs. 2 BVergGKonz 2018 einen Vertrag im Anschluss an eine Feststellung gemäß § 78 Abs. 3 Z 3 oder 4 BVergGKonz 2018 von Amts wegen für nichtig zu erklären oder bei Absehen von einer solchen Nichtigerklärung gemäß § 100 Abs. 9 BVergGKonz 2018 von Amts wegen eine Geldbuße zu verhängen. Ein gesondertes Antragsrecht bestehe nicht, zumal ein derartiger Antrag auch nicht im BVergGKonz 2018 vorgesehen sei (A.III).
134. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende ordentliche Revision. Die erstmitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.
145. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
15Die Revision ist im Sinne der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zulässig und teilweise berechtigt.
165.1. Hinsichtlich der Frage der Anwendbarkeit des BVergGKonz 2018 und des Vorliegens der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts kann wegen der Übereinstimmung der maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte zur Begründung dieser Entscheidung gemäß § 43 Abs. 2 VwGG auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2019/04/0231, verwiesen werden.
17Aus den dort ausgeführten Gründen ist dem Bundesverwaltungsgericht auch im vorliegenden Fall nicht darin beizupflichten, dass der Vorgang zur Vergabe eines nach dem TabMG 1996 zu vergebenden Bestellungsvertrags nicht den Vorschriften des BVergGKonz 2018 unterliege.
18Die auf die irrige Rechtsansicht der Nichtanwendbarkeit des BVergGKonz 2018 gestützte Zurückweisung der Feststellungsanträge (Spruchpunkte A.I. und A.II.) ist daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
195.2. Hinsichtlich der Abweisung der Revision betreffend Spruchpunkt A.III. kann wegen der ebenso gleichgelagerten maßgeblichen tatsächlichen und rechtlichen Aspekte gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wiederum auf das bereits oben genannte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom , Ro 2019/04/0231, verwiesen werden.
20Aus den dort genannten Gründen ist auch hier die Revision hinsichtlich Spruchpunkt A.III. des angefochtenen Beschlusses abzuweisen.
215.3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020040030.J00 |
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