VwGH vom 24.09.2020, Ro 2020/03/0006
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Ö AG in W, vertreten durch die Jarolim Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Volksgartenstraße 3/2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W110 2186901-1/10E, betreffend Maßnahmen der Wettbewerbsaufsicht gemäß § 74 EisbG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schienen-Control Kommission; mitbeteiligte Partei: W GmbH in W, vertreten durch Lichtenberger & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 19; weitere Partei: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1Mit Bescheid vom erklärte die vor dem Bundesverwaltungsgericht belangte Behörde, die Schienen-Control Kommission, gestützt auf § 74 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) einzelne Tarife des Anhangs 4 „Bahnstromnetznutzung“ der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 (SNNB 2018) für unwirksam, verpflichtete die revisionswerbende Partei, die für unwirksam erklärten Bestimmungen zu entfernen sowie durch die Version 1.0 zu ersetzen und untersagte der revisionswerbenden Partei die Berufung auf die für unwirksam erklärten Tarife gegenüber Eisenbahnverkehrsunternehmen. Wörtlich lautet der Spruchpunkt I. des vor dem Verwaltungsgericht angefochtenen Bescheides:
„1.Die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für das Jahr 2018, gültig gemäß Punkt 1.5. der Schienennetznutzungsbedingungen 2018 vom bis zum , gemäß Punkt 2.3.4. im Anhang 4 ‚Bahnstromnetznutzung‘ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) veröffentlichten Tarife ‚Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom‘ und ‚Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom‘ werden in ihrer mit geänderten und veröffentlichten Fassung in der Version 2.0 der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 für unwirksam erklärt.
2.Die in den Schienennetz-Nutzungsbedingungen für das Jahr 2018, gültig gemäß Punkt 1.5. der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 vom bis zum , gemäß Punkt 2.3.4. im Anhang ‚Bahnstromnetznutzung‘ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) veröffentlichten Tarife ‚Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom‘ und ‚Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom‘ in ihrer mit geänderten und veröffentlichten Fassung in der Version 2.0 der Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind binnen 3 Tagen ab Zustellung dieses Bescheides aus dem gemäß 2.3.4. veröffentlichen Anhang 4 ‚Bahnstromnetznutzung‘ zu den Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 zu entfernen und durch die gemäß Punkt 2.3.4. im Anhang 4 ‚Bahnstromnetznutzung‘ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) veröffentlichten Tarife ‚Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom‘ und ‚Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom‘ in ihrer mit veröffentlichten Fassung der Version 1.0 der Schienennetz-Nutzungsbedingungen 2018 zu ersetzen.
3.Die Ö AG hat es ab Zustellung dieses Bescheides zu unterlassen, sich gegenüber Eisenbahnverkehrsunternehmen auf die in Spruchpunkt 1 für unwirksam erklärten Tarife gemäß Punkt 2.3.4. der im Anhang 4 ‚Bahnstromnetznutzung‘ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) der Schienennetz-Nutzungsbedingungen in ihrer mit aktualisierten und veröffentlichten Fassung in der Version 2.0 zu berufen.“
2Unter Spruchpunkt II. wurden die Anträge der mitbeteiligten Partei, die belangte Behörde möge die gemäß Spruchpunkt I. erlassenen Verpflichtungen zu sämtlichen auf Basis der SNNB 2018 abgeschlossenen Verträgen, insbesondere auch bezüglich der Anlage 3 des Bahnstromnetznutzungsvertrages vom , Punkt 2. „Netznutzungspreis Umformung“ und Punkt 3. „Netznutzungspreis Verteilung“ aussprechen, abgewiesen.
3Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht (unter Spruchpunkt A.) die gegen Spruchpunkt I. des Bescheides gerichtete Beschwerde der revisionswerbenden Partei gemäß § 74 Abs. 1 EisbG als unbegründet ab und erklärte (unter Spruchpunkt B.) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig.
4Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die SNNB 2018 in der am veröffentlichten Version 1.0, gültig vom bis zum , im Anhang 4 „Bahnstromnetznutzung“ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) die Tarife „Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom“ und „Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom“ enthielten. Die Tarife hätten € 5,07/MWh im Hochtarif und € 4,23/MWh im Niedertarif für die Tarifpositionen „Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom“ sowie € 39,52/MWh im Hochtarif und € 32,93/MWh im Niedertarif für die Tarifposition „Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom“ betragen. Die in den SNNB für das Jahr 2018 im Anhang 4 „Bahnstromnetznutzung“ unter Punkt 3. a) und unter Punkt 3. b) veröffentlichten Tarife hätten laut Version 2.0 € 7,34/MWh im Hochtarif und € 6,12/MWh im Niedertarif für die Tarifpositionen „Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom“ sowie € 39,70/MWh im Hochtarif und € 33,08/MWh im Niedertarif für die Tarifposition „Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom“ betragen. Die Version 2.0 sei am veröffentlicht worden. Als Termin für den jährlichen Wechsel der Netzfahrplanperiode habe die revisionswerbende Partei in den SNNB 2018 den zweiten Samstag im Dezember, 24.00 Uhr, festgelegt. Als Bestellfrist für die Fahrwegkapazität hinsichtlich der Netzfahrplanperiode 2018 habe die revisionswerbende Partei den als Hauptbestelltermin in den SNNB 2018 verlautbart. Die Systemnutzungsentgelte-Verordnung 2018 (SNE-V 2018) sei am kundgemacht worden und am in Kraft getreten. Gemäß § 5 SNE-V 2018 komme es zu einem erheblichen Anstieg der Kosten auf den Netzebenen 1 und 2.
5In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, dass § 59 Abs. 8 EisbG seinem klaren Wortlaut nach nicht nur die (Erst-)Veröffentlichung der SNNB, sondern auch deren Änderung an die Einhaltung der dort näher präzisierten Frist binde. Angesichts der Bedeutung der Veröffentlichungsvorschriften des EisbG zugunsten der Transparenz und der Planbarkeit hinsichtlich der Inanspruchnahme der Schieneninfrastruktur durch die Eisenbahnverkehrsunternehmen könne die Regelung des § 59 Abs. 2 EisbG, wonach die SNNB bei Bedarf zu ändern seien, nicht dahingehend interpretiert werden, dass jede beliebige Änderung der SNNB ungeachtet der Transparenzvorschriften zulässig wäre. Dies würde der Zielsetzung dieser Vorschriften (und damit den Intentionen des nationalen und europäischen Gesetzgebers) eklatant zuwiderlaufen. Folglich liege die Lösung des Verhältnisses zwischen den Anordnungen in § 59 Abs. 8 und Abs. 2 EisbG in der Auslegung des Begriffs des „Bedarfs“, der an einer Änderung der SNNB bestehen müsse. Wie die revisionswerbende Partei zutreffend ausführe, habe sich der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom , 2013/03/0034, mit dieser Thematik in einer etwas anders gelagerten Konstellation auseinandergesetzt. Grund der Änderung der SNNB im damaligen Verfahren sei - anders als im vorliegenden Fall - die Aufnahme von Entgelten für bestimmte Leistungen als Folge einer durch die belangte Behörde getroffenen Entscheidung gewesen, wobei die Infrastrukturbetreiberin gehalten gewesen sei, der behördlichen Entscheidung nachzukommen. Im gegenständlichen Verfahren sei die in Rede stehende Änderung der SNNB nicht auf eine Entscheidung der belangten Behörde zurückzuführen, sondern auf einen Anstieg des Nutzungsentgelts. Dass dies in gewisser Weise wiederum auf einen Hoheitsakt, nämlich auf eine Verordnung der Regulierungskommission der E-Control, zurückgehe, mache die gegenständliche Konstellation nicht mit jener vergleichbar, die dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zugrunde gelegen sei.
6In Anbetracht des vorliegenden Falles könne dahingestellt bleiben, unter welchen Voraussetzungen - abgesehen von der Bedachtnahme auf eine Entscheidung der belangten Behörde - von einem solchen Bedarf für eine Änderung der SNNB auszugehen sei, der von der Einhaltung der Transparenzvorschriften nach § 59 Abs. 8 EisbG entbinde. Die kurzfristig - im Übrigen noch vor Erlassung der SNE-V 2018 - vorgenommene Änderung der Bahnstromnetznutzungstarife in den SNNB greife in Anbetracht des Umfangs des Entgeltanstiegs erheblich in die bereits getroffenen Dispositionen der Eisenbahnverkehrsunternehmen hinsichtlich der begehrten Fahrwegkapazität ein, wogegen die Infrastrukturbetreiberin die Kostenerhöhung in der nächstfolgenden Tarifperiode unter Beachtung der Publikationsvorschriften durchaus berücksichtigen könnte. Vor diesem Hintergrund könne im vorliegenden Fall kein Bedarf einer Änderung der SNNB angenommen werden, der die Außerachtlassung der Anordnung des § 59 Abs. 8 EisbG rechtfertigen könnte.
7Wenn auch aus der Sicht des Verwaltungsgerichts die Gesetzeslage einer Änderung der SNNB im gegenständlichen Fall entgegenstehe, liege - ungeachtet des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2013/03/0034, das lediglich eine Facette denkbarer Änderungsgründe betroffen habe - noch keine abschließend klärende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur gegenständlichen Konstellation vor.
8Dagegen erhob die revisionswerbende Partei zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom , E 689/2019-11, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG zur Entscheidung abtrat.
9Daraufhin erhob die revisionswerbende Partei die vorliegende ordentliche Revision, die vom Verwaltungsgericht nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei jeweils eine Revisionsbeantwortung erstatteten, gemeinsam mit den Verwaltungsakten vorgelegt wurde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
10Die Revision bringt in Ergänzung zur Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts zusammengefasst vor, dass zu klären sei, ob im Anwendungsbereich des § 59 Abs. 2 EisbG die Frist des § 59 Abs. 8 EisbG einzuhalten sei bzw. ob die in § 59 Abs. 8 EisbG statuierte Frist nur auf die erstmalige Kundmachung der SNNB oder auch auf die nachträglich bedarfsmäßige Ergänzung Anwendung finde. Darüber hinaus sei die Bestimmung des § 59 Abs. 2 EisbG dahingehend zu verstehen, dass eine Abänderung der SNNB - unabhängig von der in § 59 Abs. 8 EisbG normierten Frist - jederzeit wirksam erfolgen könne, sofern ein Änderungsbedarf bestehe. Die Nichteinhaltung der Veröffentlichungsfristen gemäß § 59 Abs. 8 EisbG begründe nicht die Rechtswidrigkeit einer Änderung rechtzeitig veröffentlichter SNNB (Hinweis auf ).
11Die Revision ist mit Blick auf die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts zulässig, sie ist aber nicht begründet.
12Das gegenständliche Verfahren betrifft Maßnahmen der Wettbewerbsaufsicht im Sinne des § 74 EisbG. Die für das gegenständliche Verfahren maßgebenden Rechtsvorschriften finden sich im 6. Teil des EisbG, der unter der Überschrift „Regulierung des Schienenverkehrsmarktes“ steht. Der Zweck dieser Bestimmungen wird in § 54 EisbG, in der Fassung BGBl. I Nr. 137/2015, wie folgt festgelegt:
„§ 54. Zweck der Bestimmungen des 6. Teiles dieses Bundesgesetzes ist es, die wirtschaftliche und effiziente Nutzung der Schienenbahnen in Österreich
1.durch die Herstellung eines chancengleichen und funktionsfähigen Wettbewerbs zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen im Bereich des Schienenverkehrsmarktes auf Haupt- und solchen Nebenbahnen, die mit anderen Haupt- oder Nebenbahnen vernetzt sind,
2.durch die Förderung des Eintrittes neuer Eisenbahnverkehrsunternehmen in den Schienenverkehrsmarkt,
3.durch die Sicherstellung des Zuganges zur Eisenbahninfrastruktur für Zugangsberechtigte und
4.durch die Schaffung einer Überwachung des Wettbewerbs zum Schutze von Fahrwegkapazitätsberechtigten vor Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung
zu gewährleisten.“
13Die weiteren maßgeblichen Bestimmungen des EisbG, BGBl. Nr. 60/1957, in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2019, lauten (auszugsweise):
„Schienennetz-Nutzungsbedingungen
§ 59. [...]
(2) Ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen hat seine Schienennetz-Nutzungsbedingungen auf dem neuesten Stand zu halten, bei Bedarf zu ändern und gegenüber jedem Fahrwegkapazitätsberechtigten in gleicher Weise anzuwenden.
[...]
(8) Die Eisenbahninfrastrukturunternehmen haben die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sowie deren Änderungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist (§ 65 Abs. 4) für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität unentgeltlich in elektronischer Form auf ihrer Internetseite in für jedermann zugänglicher Weise zu veröffentlichen und der Schienen-Control Kommission innerhalb eines Monats ab Erstellung oder Änderung derselben vorzulegen.“
„Netzfahrplanerstellung
§ 65. [...]
(4) Die Frist für die Einbringung von Begehren von Fahrwegkapazitätsberechtigten auf Zuweisung von Fahrwegkapazität, die in den Netzfahrplan aufgenommen werden soll, darf nicht mehr als zwölf Monate vor dem Inkrafttreten des Netzfahrplanes ablaufen. Spätestens vier Monate nach Ablauf der Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität durch die Fahrwegkapazitätsberechtigten hat die Zuweisungsstelle einen Netzfahrplanentwurf zu erstellen.
[...]“
„5. Abschnitt
Wettbewerbsüberwachung, Marktbeobachtung
Überwachung des Wettbewerbs
§ 74. (1) Die Schienen-Control Kommission hat auf Beschwerde von einer entgelterhebenden Stelle hinsichtlich der Entscheidung über die Höhe eines zu entrichtenden Wegeentgeltes, der Gewährung von Wegeentgeltnachlässen und der Einhebung von Wegeentgelten im Falle des Zuwiderhandelns ein den Bestimmungen des 6. Teiles oder ein den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entsprechendes Verhalten aufzuerlegen oder nicht entsprechendes Verhalten zu untersagen oder
[...]
4.einem Betreiber von Serviceeinrichtungen hinsichtlich der Gewährung des Zuganges zu Serviceeinrichtungen, einschließlich des Schienenzuganges, und der Gewährung von Serviceleistungen im Falle des Zuwiderhandelns ein den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften entsprechendes Verhalten aufzuerlegen oder nicht entsprechendes Verhalten zu untersagen oder
5.den Bestimmungen des 6. Teiles oder den unmittelbar anzuwendenden unionsrechtlichen, die Regulierung des Schienenverkehrsmarktes regelnden Rechtsvorschriften nicht entsprechende Schienennetz-Nutzungsbedingungen, Verträge oder Urkunden ganz oder teilweise für unwirksam zu erklären, oder
6.die Berufung auf Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die zur Gänze für unwirksam erklärt sind oder die Berufung auf diejenigen Teile der Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die für unwirksam erklärt sind, zu untersagen, oder
[...]“
14Die Regulierung des Schienenverkehrs geht auf die Vorgaben aus der Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, der Richtlinie 95/18/EG des Rates vom über die Erteilung von Genehmigungen an Eisenbahnunternehmen und der Richtlinie 2001/14/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung zurück. In der Europäischen Union kam es aus Gründen der Klarheit zu einer Neufassung dieser Richtlinien durch die Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (im Folgenden: RL 2012/34/EU). Mit BGBl. I Nr. 137/2015 wurden vor allem die Vorgaben aus der RL 2012/34/EU umfassend umgesetzt (vgl. § 170 Z 1 EisbG sowie die Erläuterungen der RV 841 BlgNR 25. GP, S 1, zur Novelle des EisbG, BGBl. I Nr. 137/2015).
15Art. 27 der RL 2012/34/EU lautet:
„Artikel 27
Schienennetz-Nutzungsbedingungen
(1) Der Infrastrukturbetreiber erstellt und veröffentlicht nach Konsultation mit den Beteiligten Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die gegen Zahlung einer Gebühr, die nicht höher sein darf als die Kosten für die Veröffentlichung dieser Unterlagen, erhältlich sind. Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen werden in mindestens zwei Amtssprachen der Union veröffentlicht. Ihr Inhalt wird unentgeltlich in elektronischer Form in dem Internetportal des Infrastrukturbetreibers bereitgestellt und über ein gemeinsames Internetportal zugänglich gemacht. Dieses Internetportal wird von den Infrastrukturbetreibern im Rahmen ihrer Zusammenarbeit nach den Artikeln 37 und 40 eingerichtet.
(2) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten Angaben zum Fahrweg, der den Eisenbahnunternehmen zur Verfügung steht, und zu den Zugangsbedingungen für den betreffenden Fahrweg. Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen enthalten ferner Informationen zu den Bedingungen für den Zugang zu Serviceeinrichtungen, die an das Netz des Infrastrukturbetreibers angeschlossen sind, und für die Erbringung der Leistungen in diesen Einrichtungen oder verweisen auf eine Website, auf der diese Informationen unentgeltlich in elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden. Anhang IV enthält den Inhalt der Schienennetz-Nutzungsbedingungen.
(3) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern.
(4) Die Schienennetz-Nutzungsbedingungen sind mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen.“
16Das Verwaltungsgericht stützte die Unwirksamerklärung der in Anhang 4 „Bahnstromnetznutzung“ der SNNB 2018 angeführten Tarife „Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom“ und „Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom“ (in der Version 2.0) - durch Abweisung der Beschwerde - darauf, dass die Tariferhöhungen nicht unter Wahrung der in § 59 Abs. 8 EisbG bestimmten Frist veröffentlicht wurden.
17§ 59 Abs. 2 EisbG verpflichtet die Eisenbahninfrastrukturunternehmen dazu, die SNNB auf dem neuesten Stand zu halten, bei Bedarf zu ändern und gegenüber jedem Fahrwegkapazitätsberechtigten in gleicher Weise anzuwenden. Damit wird Art. 27 Abs. 3 der RL 2012/34/EU umgesetzt.
18Gemäß § 59 Abs. 8 EisbG haben die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die SNNB sowie deren Änderungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist (§ 65 Abs. 4 EisbG) für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität unentgeltlich in elektronischer Form auf ihrer Internetseite in für jedermann zugänglicher Weise zu veröffentlichen und der Schienen-Control Kommission innerhalb eines Monats ab Erstellung oder Änderung derselben vorzulegen. Die Frist nach § 65 Abs. 4 EisbG betrifft die Zuweisung von Fahrwegkapazität, die in den Netzfahrplan aufgenommen werden soll. Es wird damit - auch unter Berücksichtigung der damit umgesetzten Bestimmung des Art. 27 Abs. 4 der RL 2012/34/EU - deutlich, dass diese Vorlauffrist im Wesentlichen dem Zweck dient, das Verfahren der Netzplanerstellung in zeitlicher Hinsicht zu strukturieren und den Zugangsberechtigten rechtzeitig klare Informationen über Fahrwegkapazitäten zu geben (vgl. zu § 59 Abs. 2 EisbG idF BGBl. I Nr. 38/2004, der Vorläuferbestimmung des nunmehrigen § 59 Abs. 8 EisbG, ).
19Den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts zufolge wurden die SNNB für das Jahr 2018 in der Version 1.0 am und damit rechtzeitig vier Monate vor dem Hauptbestelltermin für die Fahrwegkapazität am veröffentlicht. Die Veröffentlichung der mit Bescheid der belangten Behörde für unwirksam erklärten Bahnstromnetznutzungstarife in der Version 2.0 der SNNB 2018 hingegen erfolgte erst am .
20Die revisionswerbende Partei vertritt die Auffassung, dass nur die erstmalige Erstellung der SNNB innerhalb von vier Monaten vor Ablauf der in § 65 Abs. 4 EisbG normierten Frist im Internet zu veröffentlichen sei, wohingegen bei einer „bedarfsmäßigen Änderung“ bereits rechtzeitig (unter Einhaltung der in § 59 Abs. 8 EisbG normierten Frist) veröffentlichter SNNB keine Bindung an die gesetzlichen Veröffentlichungsfristen bestehe.
21Dieser Rechtsansicht steht - wie auch das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat - bereits der eindeutige Wortlaut des § 59 Abs. 8 EisbG entgegen, wonach die Eisenbahninfrastrukturunternehmen die SNNB sowie deren Änderungen mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist (§ 65 Abs. 4 EisbG) für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Fahrwegkapazität veröffentlichen und der belangten Behörde innerhalb eines Monats ab Erstellung oder Änderung derselben vorzulegen haben. Dem Verwaltungsgericht kann demnach nicht entgegengetreten werden, wenn es aufgrund des klaren Wortlauts der Gesetzesbestimmung sowie vor dem Hintergrund des mit der RL 2012/34/EU verfolgten Ziels der Transparenz und der Planungssicherheit (vgl. Erwägungsgrund 34 der RL 2012/34/EU) zu dem Ergebnis gelangt ist, dass nicht jede beliebige Änderung der SNNB ungeachtet der Transparenzvorschriften des § 59 Abs. 8 EisbG zulässig sei.
22Die Revision bringt in weiterer Folge vor, dass zu klären sei, wann ein Bedarf nach § 59 Abs. 2 EisbG gegeben sei, der zur nachträglichen Änderung der SNNB - auch ohne Wahrung der in § 59 Abs. 8 EisbG normierten Frist - ermächtige. Sie verweist in diesem Zusammenhang auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2013/03/0034, in welchem dieser ausgesprochen hat, dass es mit der die (dortige) beschwerdeführende Partei treffenden Verpflichtung, die SNNB auf dem neuesten Stand zu halten und bei Bedarf zu ändern nicht vereinbar sei, wenn die belangte Behörde die von der beschwerdeführenden Partei vorgenommene Änderung deshalb für unwirksam erklärt habe, weil dabei die Frist für die Einbringung von Begehren auf Zuweisung von Zugtrassen nicht eingehalten worden sei. § 59 Abs. 2 EisbG idF BGBl. I Nr. 38/2004 (welcher dem nunmehrigen § 59 Abs. 8 EisbG entspricht), stehe einer „bei Bedarf“ erfolgenden Änderung bereits - unter Einhaltung der in dieser Bestimmung normierten Fristen - veröffentlichten SNNB, um einer behördlichen Entscheidung zu entsprechen, nicht entgegen.
23Der Revision ist zu erwidern, dass diesem Erkenntnis - wie auch das Verwaltungsgericht richtig erkannte - eine andere Ausgangssituation zugrunde lag, die mit dem gegenständlichen Sachverhalt nicht vergleichbar ist:
24Gegenstand des mit Erkenntnis vom , 2013/03/0034, abgeschlossenen Verfahrens war die Aufnahme von Entgelten für näher bestimmte Leistungen in die SNNB als Folge einer durch die belangte Behörde getroffenen Entscheidung, da die dortige beschwerdeführende Partei die - von der belangten Behörde nicht geteilte und in der Folge auch vom Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom , 2012/03/0087, 0098, 0099 und 0107, verworfene - Ansicht vertreten hat, dass es in Bezug auf die in Frage stehenden Leistungen nicht erforderlich wäre, die dafür verlangten Entgelte in die SNNB aufzunehmen. Vor diesem Hintergrund war die beschwerdeführende Partei gehalten, der rechtskräftigen behördlichen Entscheidung zu entsprechen und die in Frage stehenden Regelungen in die SNNB aufzunehmen, um diese auf dem neuesten Stand zu halten. Die Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen zählt zu den Grundsätzen eines geordneten rechtsstaatlichen Verfahrens (vgl. , mwN).
25Im gegenständlich zu beurteilenden Fall hingegen sind die durch die revisionswerbende Partei in die SNNB 2018 aufgenommenen Änderungen der Tarife „Nutzung Umformung 16,7 Hz Bahnstrom“ und „Verteilung 16,7 Hz Bahnstrom“ nicht auf eine rechtskräftige behördliche oder gerichtliche Entscheidung, sondern auf eine Erhöhung der vorgelagerten Netzkosten auf den Netzebenen 1 und 2 zurückzuführen, welche ihre Grundlage in der durch die Regulierungskommission der E-Control erlassenen SNE-V 2018 hat. Die aufgrund der § 49 und 51 des Elektrizitätswirtschafts- und - organisationsgesetzes 2010 (ElWOG 2010) durch die Regulierungskommission der E-Control erlassene SNE-V 2018 enthält Vorschriften über die Festlegung der Verrechnung von Systemnutzungsentgelten gemäß § 52 bis § 58 ElWOG 2010, ihre Verrechnungsmodalitäten, Vorgaben hinsichtlich der Netzebenenzuordnung der Anlagen und hinsichtlich temporärer Anschlüsse sowie der Kostenwälzung gemäß § 62 ElWOG 2010 (vgl. § 1 SNE-V 2018).
26Anders als in dem mit Erkenntnis vom , 2013/03/0034, abgeschlossenen Verfahren, in welchem das Eisenbahninfrastrukturunternehmen unmittelbar aufgrund eines rechtskräftigen Bescheides verpflichtet war, diesem zu entsprechen, richtet sich die in Frage stehende SNE-V 2018 an Netzbetreiber, die Netzbenutzern im Sinne des § 7 Z 49 ElWOG 2010 (wie der revisionswerbenden Partei) Systemnutzungsentgelte für die Erbringung von näher genannten Leistungen in Rechnung stellen können. Eine Überwälzung dieser Entgelte auf Eisenbahnverkehrsunternehmen erfolgt erst in einem weiteren Schritt auf Grundlage des EisbG.
27Zudem ist festzuhalten, dass die SNE-V 2018 zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der geänderten Bahnstromnetznutzugstarife in der Version 2.0 noch nicht kundgemacht war. Die Kundmachung der SNE-V 2018, BGBl. II Nr. 398/2017, erfolgte erst am und somit knapp sechs Wochen nach Veröffentlichung der SNNB 2018 in der Version 2.0 am . Die Berufung auf Kostensteigerungen durch eine Verordnung, die mangels Kundmachung noch kein Mindestmaß an Publizität erlangt hat und damit noch nicht rechtlich existent geworden ist, kann aber die Außerachtlassung der in § 59 Abs. 8 EisbG normierten Veröffentlichungsfrist jedenfalls nicht rechtfertigen (vgl. zur rechtlichen Existenz einer Verordnung, sobald diese ein Mindestmaß an Publizität erlangt hat, etwa ).
28Zum weiteren Vorbringen der revisionswerbenden Partei, mit welchem sich diese gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichts zur Geltendmachung der Kostenerhöhung in der nächstfolgenden Tarifperiode wendet und diesen entgegenhält, dass damit nie die volle Kostendeckung nach § 69b EisbG erlangte werde, ist auszuführen, dass Gegenstand des hier zu beurteilenden Verfahrens ausschließlich die Frage der Zulässigkeit der Aufnahme nachträglich geänderter Tarife in die SNNB 2018 ohne Wahrung der Frist gemäß § 59 Abs. 8 EisbG war, nicht aber die Frage, ob bzw. in welcher Art und in welchem Umfang die vorgelagerten Netzkosten, die sich aus der SNE-V 2018 ergeben, in den Bahnstromnetznutzungstarifen zu berücksichtigen sind.
29Soweit die revisionswerbende Partei gleichheitsrechtliche Bedenken im Zusammenhang mit § 59 Abs. 8 EisbG ins Treffen führt, genügt es, auf den oben genannten Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , E 689/2019-11, hinzuweisen, in welchem dieser vor dem Hintergrund des Beschwerdefalls keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen § 59 Abs. 8 EisbG hegte.
30Letztlich regte die revisionswerbende Partei an, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) zu richten.
31Zu der an den EuGH zu richtenden Frage, ob die in Art. 27 Abs. 4 der RL 2012/34/EU statuierte Frist nur auf die erstmalige Kundmachung der SNNB oder auch auf die nachträglich bedarfsmäßige Ergänzung anzuwenden sei, ist auszuführen, dass der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , Ro 2015/03/0045 - unter Verweis auf Judikatur des EuGH (u.a. , Westbahn Management GmbH, Rn. 33; , ÖBB-Personenverkehrs AG, Rn. 64) - klargestellt hat, dass die Bestimmungen des 6. Teils des EisbG auf dem Boden der unionsrechtlichen Vorgaben, denen die nationalen Rechtsvorschriften zu deren Umsetzung zu entsprechen haben, soweit wie möglich im Lichte des Wortlauts, des Zusammenhangs und der Ziele der RL 2012/34/EU auszulegen und anzuwenden sind, um das mit ihr angestrebte Ergebnis zu erreichen. Nach dem Wortlaut des Art. 27 der RL 2012/34/EU sind die SNNB auf dem neuesten Stand zu halten, bei Bedarf zu ändern (Abs. 3) und mindestens vier Monate vor Ablauf der Frist für die Beantragung von Fahrwegkapazität zu veröffentlichen (Abs. 4). Vor dem Hintergrund der Ziele der Richtlinie, wonach die Veröffentlichung der SNNB Transparenz und einen nichtdiskriminierenden Zugang zu den Eisenbahnfahrwegen und Leistungen in Serviceeintrichtungen für alle Eisenbahnunternehmen sicherstellen sollen (vgl. Erwägungsgrund 34 der RL 2012/34/EU) sowie dem klaren Wortlaut des den Art. 27 Abs. 4 der RL 2012/34/EU umsetzenden § 59 Abs. 8 EisbG, war der Anregung zur Einholung einer Vorabentscheidung durch den EuGH nicht zu folgen. Bezüglich der beiden anderen Fragen (betreffend den Änderungsbedarf gemäß Art. 27 Abs. 3 der RL 2012/34/EU und der Frage der Weiterverrechnung der Systemnutzungsentgelte in der jeweils aktuellen Tarifperiode) sieht sich der Verwaltungsgerichtshof aufgrund der vorangegangenen Erwägungen zur gegenständlich erfolgten Aufnahme der geänderten Tarife in die SNNB 2018 auf Grundlage einer im Veröffentlichungszeitpunkt (noch) nicht existenten Verordnung nicht veranlasst, ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zu richten. Diesbezüglich kommt noch hinzu, dass der in Zusammenhang mit der aufgeworfenen dritten Vorlagefrage angesprochene § 69b EisbG im vorliegenden Verfahren nicht zur Anwendung gelangte.
32Die Revision erweist sich somit insgesamt als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
33Eine Kostenentscheidung hatte mangels eines auf Kostenzuspruch gerichteten Antrags der obsiegenden Parteien zu unterbleiben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020030006.J00 |
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