VwGH vom 22.01.2021, Ro 2020/02/0005
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision von 1. P, 2. A GmbH und 3. N AG, alle in G und alle vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , 1. VGW-002/094/12047/2019-14 und 2. VGW-002/V/094/12048/2019, betreffend Übertretung des Wiener Wettengesetzes und Verfall (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Die Revision der Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerberin wird als unbegründet abgewiesen.
II. den Beschluss gefasst:
Die Revision der Drittrevisionswerberin wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberinnen haben dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1Mit Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom wurde die Erstrevisionswerberin folgender Übertretung schuldig erachtet:
2„Sie [die Erstrevisionswerberin] haben als von den zur Vertretung nach außen Berufenen (handelsrechtlichen Geschäftsführern) der [Zweitrevisionswerberin] bestellte, und somit als gemäß § 9 Abs. 2 VStG 1991 verantwortliche Beauftragte dieser Gesellschaft, zu verantworten, dass diese am um 17:39 Uhr in der Betriebsstätte in [...] Wien, F[...]Platz[...], Wettlokal - Gastgewerbebetrieb ‚A[...]‘, wo eine ständige Aufsicht gemäß § 19 Abs. 2 Wiener Wettengesetz gegeben ist, die Tätigkeit als Wettunternehmerin in der Art des gewerbsmäßigen Abschlusses von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen, wie z.B. Fußballspiele (Probewette [...]: Einzelwette [...] Nottingham Forest U 23 gegen Norwich City U 23 (Live); [...] Gesamtquote 3,70; Gesamteinsatz € 1,-; Maximaler Gewinn € 3,70 [...]) durch 19 Wettterminals [...] im Sinne des § 2 Z 8 Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 40/2018, und durch einen Wettannahmeschalter [...] ausübt, insofern gegen die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 1. Satz Wiener Wettengesetz, LGBl. für Wien Nr. 26/2016 in der geltenden Fassung, wonach in Betriebsstätten mit ständiger Aufsicht die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer durch die Einrichtung eines geeigneten Kontrollsystems dafür sorgen muss, dass der Aufenthalt in Räumen einer Betriebsstätte nur volljährigen Personen ermöglich wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen haben, verstoßen hat, als in dieser Betriebsstätte neunzehn Wettterminals und ein Wettannahmeschalter aufgestellt waren, und während der behördlichen Überprüfung zwischen 14:50 Uhr und ca. 18:30 festgestellt wurde, dass es kein geeignetes Kontrollsystem gibt, das den Aufenthalt von minderjährigen Personen im Wettlokal verhindert, da zwar, laut Angabe der verantwortlichen Personen der [Zweitrevisionswerberin], Mitarbeiter das Lokal halbstündlich im Hinblick darauf kontrollieren, ob sich im Wettlokal Personen aufhalten, die augenscheinlich unter 18 Jahre alt sind, weiters über diese Kontrollen Protokolle geführt werden, in denen der verantwortliche Mitarbeiter bestätigt, dass sich nur Personen im Lokal aufhalten, die über 18 Jahre alt sind (siehe die sich im Akt befindlichen Fotos dieser Protokolle - Vermerk ‚alles O.K.‘), tatsächlich aber der Gastgewerbebetrieb ‚A[...]‘ sowie das von diesem aus zugängliche Wettbüro während der gegenständlichen Überprüfung durch mehrere Personen, bei denen die Volljährigkeit augenscheinlich zweifelhaft war, ohne Kontrolle eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises betreten werden konnte, und sich diese anschließend in der Betriebsstätte aufhalten konnten, und lediglich halbstündige Kontrollen einen bis zu 30-minütigen Aufenthalt ohne entsprechende Kontrolle ermöglichen, und somit kein geeignetes Kontrollsystem besteht.“
3Die Erstrevisionswerberin habe mit dieser Übertretung § 19 Abs. 2 erster Satz Wr. Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 in der geltenden Fassung, verletzt, weshalb über sie gemäß § 24 Abs. 1 Z 12 Wr. Wettengesetz iVm § 9 Abs. 1 VStG eine Geldstrafe von € 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe drei Tage und 20 Stunden) verhängt wurde. Weiters wurde der Erstrevisionswerberin die Zahlung von € 200,-- als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens auferlegt. Die Zweitrevisionswerberin hafte für die Geldstrafe und die Verfahrenskosten gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand. Gemäß § 17 Abs. 1 VStG iVm § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz wurden 19 näher genannte Wettannahmeautomaten sowie das Equipment eines Wettannahmeschalters samt dem jeweiligen Inhalt der Kassen für verfallen erklärt.
4Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde der Erst- und der Zweitrevisionswerberin wies das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass es sich bei der Betriebsstätte um eine Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht handle und der Zutritt zu dieser Betriebsstätte nicht nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht worden sei. Die Erstrevisionswerberin habe daher § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wr. Wettengesetz, LGBl. Nr. 26/2016 in der Fassung LGBl. Nr. 40/2018, verletzt. Ferner verpflichtete das Verwaltungsgericht die Erstrevisionswerberin zur Zahlung eines Verfahrenskostenbeitrages sowie die Zweitrevisionswerberin zur Haftung hiefür. Die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.
5In seiner Begründung ging das Verwaltungsgericht davon aus, dass es sich bei dem Lokal am F Platz in Wien um eine „Eigenfiliale“ der Zweitrevisionswerberin, den Gastgewerbebetrieb „A“ handle, in welchem sich 19 betriebsbereite Wettterminals und ein betriebsbereiter Wettannahmeschalter befunden hätten. Eigentümerin dieser Geräte sei die Drittrevisionswerberin. Das angefochtene Straferkenntnis sei der Drittrevisionswerberin nicht zugestellt worden. Am gegenständlichen Standort sei die Zweitrevisionswerberin als Buchmacherin tätig gewesen. Die Zweitrevisionswerberin verfüge für die gegenständliche Betriebsstätte über eine Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten iSd Gesetzes betreffend Gebühren von Totalisateur- und Buchmacherwetten sowie Maßnahmen zur Unterdrückung des Winkelwettwesens (GTBW-G). Die gegenständliche Betriebsstätte habe zum Tatzeitpunkt aus einem Hauptraum bestanden, in welchem sich eine Schank sowie vier Wettterminals und ein Wettannahmeschalter befunden hätten. Im Hauptraum habe es keine räumliche Trennung zwischen dem Gastgewerbebetrieb und den Wettterminals gegeben. Diesen Hauptraum habe man über die Eingangstüre zum gegenständlichen Lokal erreicht. Von dort aus sei man in einen Nebenraum gelangt, welcher durch eine elektrische Schiebetüre vom Hauptraum abgetrennt gewesen sei. Diese Schiebetüre habe sich automatisch geöffnet, wenn jemand den Nebenraum habe betreten wollen. Der Haupteingang zum Lokal habe sich direkt neben dem Eingang zum Nebenraum befunden. Im Nebenraum hätten sich 15 Wettterminals befunden. Zum Tatzeitpunkt sei in der gegenständlichen Betriebsstätte der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal auch Personen möglich gewesen, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nicht nachgewiesen hätten oder gesperrt gewesen seien. Zum Zeitpunkt der Kontrolle seien „einfache Dienstnehmer“ der Zweitrevisionswerberin im Lokal anwesend gewesen. Zu Beginn der Kontrolle seien weder die Erstrevisionswerberin noch ein Geschäftsführer der Zweitrevisionswerberin oder eine „verantwortliche Person nach dem Wr. Wettengesetz“ in der gegenständlichen Betriebsstätte anwesend gewesen.
6Nach Darlegung seiner Beweiswürdigung hielt das Verwaltungsgericht in seiner rechtlichen Beurteilung fest, aus dem Wortlaut des § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz und den Erläuterungen zu dieser Bestimmung ergebe sich, dass das Vorliegen einer ständigen Aufsicht im Sinne dieser Bestimmung die Anwesenheit der verantwortlichen Person nach dem Wr. Wettengesetz oder des Wettunternehmers selbst, sohin dessen Geschäftsführer oder verantwortlichen Beauftragten gemäß § 9 Abs. 2 VStG verlange. Eine solche Person sei jedoch zum Beginn der Kontrolle durch die belangte Behörde in der Betriebsstätte nicht anwesend gewesen. Ohne deren Anwesenheit vor Ort werde den Anforderungen an eine (systematische) ständige Aufsicht nicht entsprochen. Ausdrücklich hielt das Verwaltungsgericht fest, dass die Anwesenheit von geschulten Mitarbeitern der Zweitrevisionswerberin keine ständige Aufsicht im Sinne von § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz darstelle. Dies ergebe sich aus den Zielen des Wr. Wettengesetzes und aus den sich daraus ergebenden hohen Anforderungen an eine verantwortliche Person nach § 5 Abs. 1 lit. a iVm § 4 Abs. 1 lit. a bis c leg. cit.. Es könne dem Gesetzgeber nicht unterstellt werden, dass dieser zum Ziel gehabt hätte, eine Regelung zu treffen, wonach eine ständige Aufsicht, welche mit einer äußerst hohen Verantwortung einhergehe, von „einfachen Mitarbeitern“ erfüllt werden könne. Es liege somit keine ständige Aufsicht iSd § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz vor. Eine Zutrittskontrolle zu der Betriebsstätte habe nicht stattgefunden, weshalb die Erstrevisionswerberin den Tatbestand des § 19 Abs. 2 [zweiter Satz] Wr. Wettengesetz erfüllt habe.
7Zum Verfall führte das Verwaltungsgericht aus, dass § 17 VStG nicht anwendbar sei. Es handle sich um einen objektiven Verfall, der nach § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz auch dann ausgesprochen werden könne, wenn eine bestimmte Person verfolgt werden könne. Der Verfallsausspruch sei der Erstrevisionswerberin als Täterin zugestellt worden, weshalb dieser als rechtswirksam erlassen anzusehen sei. Die gegenständlichen Geräte seien entgegen dem Wr. Wettengesetz verwendet worden, aus diesem Grund sei der Ausspruch des Verfalls gemäß § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz iVm § 17 VStG zu Recht erfolgt.
8Die ordentliche Revision erachtete das Verwaltungsgericht für zulässig, weil Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dazu fehle, ob ein Verfallsausspruch nach § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz iVm § 17 VStG als rechtmäßig anzusehen sei, wenn dieser nicht gegenüber der (bekannten) Eigentümerin (hier: der Drittrevisionswerberin) der für verfallen erklärten Geräte, sondern gegenüber der Verfügungsberechtigten über diese Geräte erfolgt sei.
9Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
10Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, worauf die revisionswerbenden Parteien replizierten.
11Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
12Die revisionswerbenden Parteien bringen zur Zulässigkeit der Revision vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Voraussetzungen einer „ständigen Aufsicht“ iSd § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz. Laut Ansicht der revisionswerbenden Parteien liege in der verfahrensgegenständlichen Betriebsstätte eine ständige Aufsicht vor. Weiters weiche die Entscheidung von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Verbotsirrtum sowie zur Aktenwidrigkeit ab. Schließlich ergäben sich Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Verfallsauspruch. So verkenne das Verwaltungsgericht die rechtliche Natur des § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz und sein Verhältnis zu § 17 VStG. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgehend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Parteistellung des Eigentümers, dem Determinierungsgebot und dem Parteiengehör abgewichen.
13Die belangte Behörde brachte in ihrer Revisionsbeantwortung vor, dass es sich bei der verfahrensgegenständlichen Betriebsstätte auch aus ihrer Sicht um eine Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht handle, jedoch kein ausreichendes Kontrollsystem vorhanden gewesen sei, um den Aufenthalt von Minderjährigen in dieser Betriebsstätte zu verhindern. Es liege kein Verbotsirrtum vor, der Verfall sei zulässig und rechtskonform ausgesprochen worden.
14In ihrer Replik vermuteten die revisionswerbenden Parteien schließlich einen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unzulässigen Austausch der Tat.
Zu I.:
15Die Revision erweist sich hinsichtlich der Frage, wann eine Betriebsstätte mit „ständiger Aufsicht“ vorliegt, für zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.
Gemäß § 5 Abs. 1 lit. a Wr. Wettengesetz ist eine Betriebsstätte für die Ausübung der Tätigkeit einer Wettunternehmerin oder eines Wettunternehmers geeignet, wenn für jede Betriebsstätte jeweils mindestens eine verantwortliche Person bestellt wird, welche die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 lit. a bis c erfüllt (die Person also a) eigenberechtigt ist, b) die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt oder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines anderen Vertragsstaates des EWR-Abkommens, der Schweiz oder eines Drittstaates ist, dessen Staatsangehörige nach dem Recht der Europäischen Union Inländerinnen bzw. Inländern gleichzustellen sind, oder Drittstaatsangehörige oder Staatenlose ist, sofern diese Person im Besitz eines Aufenthaltstitels mit entsprechendem Zweckumfang ist und c) die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt) und in der Lage ist sowie die entsprechende Anordnungsbefugnis besitzt, die Einhaltung der Bestimmungen dieses Gesetzes zu gewährleisten; betreibt eine Wettunternehmerin oder ein Wettunternehmer mehrere Betriebsstätten, so muss je Wiener Gemeindebezirk nur eine verantwortliche Person namhaft gemacht werden.
Nach § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz in der Urfassung (LGBl. Nr. 26/2016) musste die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer in einer Betriebsstätte mit Wettterminals jedenfalls in geeigneter Weise dafür sorgen, dass der Zutritt zu Räumen mit einem Wettterminal und die Teilnahme an einer Wette nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises [...] nachgewiesen haben und nicht gesperrt sind.
16Die hier anwendbare Bestimmung des § 19 Wr. Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 40/2018 lautet auszugsweise:
„§ 19. (1) Die Teilnahme an einer Wette darf nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht werden.
(2) Die Wettunternehmerin oder der Wettunternehmer muss durch die Einrichtung eines geeigneten Kontrollsystems dafür sorgen, dass der Aufenthalt in Räumen einer Betriebsstätte nur volljährigen Personen ermöglicht wird, die ihre Identität durch Vorlage eines gültigen amtlichen Lichtbildausweises nachgewiesen haben. In Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers oder durch diese oder diesen selbst muss durch geeignete Maßnahmen sichergestellt werden, dass bereits der Zutritt zur Betriebsstätte nur volljährigen und nicht selbstgesperrten Personen ermöglicht wird.
...“
17Den Materialien (Beilage 7/2018, S 12-13) ist dazu Folgendes zu entnehmen:
„§ 19 Abs. 1 stellt ausdrücklich klar, dass die Teilnahme an Wetten nur volljährigen und nicht gesperrten Personen ermöglicht werden darf. Die Wettunternehmerin bzw. der Wettunternehmer ist daher verpflichtet, das Alter der Personen zu überprüfen und die Identität mit der ihm von der Behörde übermittelten Liste der gesperrten Personen abzugleichen.
§ 19 Abs. 2 regelt die Aufenthalts- bzw. Zutrittsbeschränkungen und stellt dabei darauf ab, ob in der Betriebsstätte eine ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin bzw. des Wettunternehmers oder durch diese oder diesen selbst (in Folge: ständige Aufsicht) besteht: In Räumen einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht ist der Aufenthalt nur volljährigen Personen gestattet. Demgegenüber ist in Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht bereits der Zutritt nur volljährigen sowie auch nicht gesperrten Personen zu gewähren.
In Betriebsstätten mit ständiger Aufsicht hat die Wettunternehmerin bzw. der Wettunternehmer daher dafür Sorge zu tragen, dass Minderjährige sich nicht in der Betriebsstätte aufhalten. Wie konkret die Wettunternehmerin bzw. der Wettunternehmer dieser Verpflichtung nachkommt, bleibt ihr bzw. ihm überlassen (z.B. verpflichtende Kontrolle durch das anwesende Personal, Schranken im Eingangsbereich etc.). Als Aufenthalt im Sinne dieses Gesetzes ist die zeitlich kurzfristige Anwesenheit in der Betriebsstätte nach Betreten bis zur unmittelbar zu erfolgenden Entfernung anzusehen. In dieser Zeit darf die minderjährige Person in keiner Form an Wetttätigkeiten teilnehmen (weder zusehen noch selbst wetten). Dass junge Menschen (das sind Menschen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben) sich nicht in Wettbüros aufhalten dürfen, wird bereits in § 9 Abs. 1 Gesetz zum Schutz der Jugend (Wiener Jugendschutzgesetz 2002 - WrJSchG 2002) geregelt. Auch nach dem Wr. Wettengesetz ist der Aufenthalt von Jugendlichen in einer Betriebsstätte nun jedenfalls verboten.
Betriebsstätten ohne ständige Aufsicht müssen durch geeignete Maßnahmen (beispielsweise durch den Abgleich biometrischer Daten) gegen den Zutritt durch gesperrte und minderjährige Personen geschützt sein. Zutritt im Sinne dieses Gesetzes ist das über den unmittelbaren Eingangsbereich hinausgehende Betreten der Betriebsstätte. Das bedeutet, dass die elektronische Kontrolle bereits unmittelbar nach Dur[ch]schreiten der Eingangstür bzw. des Eingangsportals zu erfolgen hat.
...“
18Demnach hat der Gesetzgeber mit der Novelle LGBl. Nr. 40/2018 in § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz die Unterscheidung zwischen einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht und einer Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht vorgenommen.
19Nach dem klaren Gesetzeswortlaut des § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz ist eine ständige Aufsicht durch verantwortliche Personen der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers oder durch diese oder diesen selbst auszuüben. Dies setzt die Anwesenheit einer solchen Person in der Betriebsstätte voraus, andernfalls es sich um eine Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht handelt.
20Nach der bisher dazu ergangenen Judikatur liegt eine Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht jedenfalls dann nicht vor, wenn die in einem Tankstellenlokal beschäftigten Personen nicht bei der Wettunternehmerin bzw. beim Wettunternehmer (selbst) angestellt und somit nicht als verantwortliche Personen zu qualifizieren waren (vgl. -0119).
21Die verantwortliche Person der Wettunternehmerin oder des Wettunternehmers kann nur eine solche im Sinne des § 5 Abs. 1 lit. a Wr. Wettengesetz sein. Es kann dem Gesetzgeber nämlich nicht zugesonnen werden, dass er im selben Gesetz ein und denselben Begriff in unterschiedlicher Weise verstanden wissen wollte. Auch die Materialien sprechen nicht gegen dieses Verständnis, zumal der Hinweis auf Kontrollen durch das anwesende Personal oder Schranken im Eingangsbereich bei einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht lediglich andeutet, dass die verantwortliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 lit.a Wr. Wettengesetz ungeachtet ihrer Aufsichtspflicht direkt in der Betriebsstätte weitere personelle und sachliche Maßnahmen treffen kann, um ihrer Verpflichtung nachzukommen. Dem steht auch § 5 Abs. 1 lit. a letzter Halbsatz Wr. Wettengesetz, nach dem bei mehreren Betriebsstätten in einem Wiener Gemeindebezirk nur eine verantwortliche Person namhaft gemacht werden muss, nicht entgegen. Damit wird nämlich (lediglich) eine Voraussetzung für die Eignung von Betriebsstätten für die Ausübung der Wetttätigkeit festgelegt. Im Unterschied dazu hat § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz in der hier anzuwendenden Fassung den Jugendschutz in den konkreten Betriebsstätten im Auge, den der Gesetzgeber in einer Betriebsstätte mit ständiger Aufsicht einer verantwortlichen Person überantwortet. Diese Aufsicht kann nur dann als gewährleistet erachtet werden, wenn auch bei mehreren Betriebsstätten in einem Gemeindebezirk in jeder einzelnen Betriebsstätte eine verantwortliche Person die Aufsicht ausübt.
22Im vorliegenden Fall stellte das Verwaltungsgericht fest, dass (lediglich) geschulte Mitarbeiter in der gegenständlichen Betriebsstätte anwesend waren und verneinte daher zu Recht das Vorliegen einer ständigen Aufsicht im Sinne von § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz.
23Die Revision bringt weiter vor, die Erstrevisionswerberin sei einem schuldausschließenden Verbotsirrtum unterlegen.
24Nach der hg. Rechtsprechung setzt ein Rechtsirrtum im Sinne des § 5 Abs. 2 VStG voraus, dass dem Betroffenen das Unerlaubte seines Verhaltens trotz Anwendung der nach seinen Verhältnissen erforderlichen Sorgfalt unbekannt geblieben ist. Auch eine irrige Gesetzesauslegung entschuldigt den Betroffenen nur dann, wenn sie unverschuldet war. Um sich darauf berufen zu können, bedarf es einer Objektivierung der eingenommenen Rechtsauffassung durch geeignete Erkundigungen. Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer - allenfalls sogar plausiblen - Rechtsauffassung vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum bei einer derartigen Konstellation nicht auszuschließen. Selbst guter Glaube stellt den angeführten Schuldausschließungsgrund dann nicht dar, wenn es Sache der Partei ist, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Zweifel bei der Behörde nachzufragen (vgl. etwa , mwN).
25Gerade in Fällen, in denen die Möglichkeiten der Rechtsordnung im Wirtschaftsleben bis aufs Äußerste ausgenützt werden sollen, ist eine besondere Sorgfalt bei der Einholung von Auskünften über die Zulässigkeit einer beabsichtigten Tätigkeit an den Tag zu legen (vgl. erneut ).
26Das Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum ist dann nicht auszuschließen, wenn bei Aufwendung der gehörigen Sorgfalt auffallen hätte müssen, dass Auskünfte nicht geeignet sind, sich für eine bestimmte Rechtsmeinung auf sie zu stützen. Auch kann aus dem Umstand, dass das Recht in verschiedenen Fällen von Verwaltungsbehörden oder Gerichten unterschiedlich angewendet wird, niemand ein Recht ableiten (, mwN).
27Den Revisionswerberinnen ist einzuräumen, dass sie im Beschwerdeverfahren einen Aktenvermerk der belangten Behörde vom vorgelegt hatten, der somit vor dem Tatzeitpunkt () verfasst wurde. Insofern ist die Feststellung des Verwaltungsgerichts aktenwidrig, wonach die von der Erst- und der Zweitrevisionswerberin vorgelegten Auskünfte der belangten Behörde von einer Zeit nach dem Tatzeitpunkt stammen würden.
28Allerdings erweist sich dieser Verfahrensmangel als nicht relevant:
29Vor dem Hintergrund der dargestellten Rechtsprechung zur Ausnützung der Möglichkeiten der Rechtsordnung im Wirtschaftsleben bis aufs Äußerste und im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut von § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz zum Begriff der „verantwortlichen Person“ sowie auf das zu den Materialien Gesagte hätte die Erstrevisionswerberin bei der ihr obliegenden Sorgfalt die Auskunft nicht so verstehen dürfen, dass die Aufsicht auch durch nicht ausdrücklich in § 19 Abs. 2 Wr. Wettengesetz genannte Personen zulässig sei. Der Revision gelingt es daher nicht, einen schuldausschließenden Rechtsirrtum darzulegen.
30Schließlich bringen die revisionswerbenden Parteien in ihrer Replik vom vor, das Verwaltungsgericht habe einen unzulässigen „Austausch der Tat“ vorgenommen, weil es die Erstrevisionswerberin nach § 19 Abs. 2 zweiter Satz Wr. Wettengesetz bestraft habe und nicht wie ursprünglich die Behörde nach Abs. 2 erster Satz leg. cit.
31Dazu ist zunächst auszuführen, dass „Sache“ des Verwaltungsstrafverfahrens die dem Beschuldigten innerhalb der Verjährungsfrist zur Last gelegte Tat mit ihren wesentlichen Sachverhaltselementen ist und zwar unabhängig von ihrer rechtlichen Beurteilung (vgl. ).
32Nach der hg. Rechtsprechung ist etwa eine Präzisierung der rechtlichen Grundlage der Bestrafung (Angabe der verletzten Verwaltungsbestimmung und angewendeten Strafnorm) zulässig, wenn es nicht zu einem „Austausch der Tat“ durch Heranziehung eines anderen als des ursprünglich der Bestrafung zu Grunde gelegten Sachverhalts kommt (vgl. , mwN).
33Im vorliegenden Fall ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht einen anderen Sachverhalt als die belangte Behörde herangezogen hat, zumal die Nichtverhinderung des Aufenthalts Jugendlicher (und selbstgesperrter Personen) in einer Betriebsstätte notwendiger Weise auch den (nicht verhinderten) Zutritt zu dieser umfasst (in diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass die Teilnahme an einer Wette denklogisch den Zutritt zu einer Betriebsstätte miteinschließt: -0047; siehe dazu auch, -0108, wo ein Günstigkeitsvergleich zwischen § 19 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 48/2016 und § 19 Wiener Wettengesetz idF LGBl. Nr. 40/2018 ergab, dass sich die Tatbilder vom Unwerturteil her in keiner Weise unterscheiden, sodass die Bestrafung wegen eines Aufenthalts Jugendlicher nicht günstiger ist, als eine Strafe wegen eines Zutritts Jugendlicher).
34Gehen die Revisionswerberinnen zum Verfallsausspruch vom Vorliegen eines selbständigen bzw. objektiven Verfalls aus, sind sie auf die Begründung des Verwaltungsgerichtes zu verweisen, das durch das Fehlen einer ständigen Aufsicht von einer dem Wr. Wettengesetz widersprechenden Verwendung der Verfallsgegenstände ausgegangen ist und den von der belangten Behörde ausgesprochenen Verfall „gemäß § 24 Abs. 2 Wr. Wettengesetz iVm § 17 VStG“ als rechtmäßig erkannt hat. Die Erstrevisionswerberin wurde als Beschuldigte und als verantwortliche Beauftrage nach § 9 Abs. 2 VStG, die Zweitrevisionswerberin als Verfügungsberechtigte der für verfallen erklärten Geräte dem Verfahren beigezogen. Gegenüber beiden wurde der Verfall ausgesprochen.
35In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass Eingriffsgegenstände in einer Betriebsstätte ohne ständige Aufsicht und ohne Zutrittskontrolle entgegen den Bestimmungen des Wr. Wettengesetzes betrieben werden.
36Die Revision war nach dem Gesagten hinsichtlich der Erst- und Zweitrevisionswerberin abzuweisen.
Zu II.:
37Gemäß § 26 Abs. 2 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 kann in Fällen, in denen das Erkenntnis bereits einer anderen Partei zugestellt oder verkündet worden ist, die Revision bereits ab dem Zeitpunkt erhoben werden, in dem der Revisionswerber von dem Erkenntnis Kenntnis erlangt hat.
38Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 26 Abs. 2 VwGG in der bis geltenden Fassung war diese Bestimmung nicht auf den Fall einer „übergangenen Partei“ im Mehrparteienverfahren, sondern nur auf Parteien anzuwenden, deren Parteistellung unstrittig war und die auch tatsächlich dem Verwaltungsverfahren beigezogen worden sind. Jedenfalls musste die Frage des Mitspracherechts als Partei des Verwaltungsverfahrens zunächst durch die Behörde entschieden werden, sei es durch Abweisung eines Antrages auf Bescheidzustellung, sei es durch Anerkennung der Parteistellung in Form der Parteifeststellung. Daran hat sich durch § 26 Abs. 2 VwGG idF BGBl. I Nr. 33/2013 nichts geändert. Die genannte Bestimmung ist nur auf Parteien anzuwenden, deren Parteistellung unstrittig war und die auch tatsächlich dem bisherigen Verfahren beigezogen worden sind. Die Frage des Mitspracherechts als Partei des Verfahrens muss zunächst durch die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht entschieden werden (vgl. , mwN).
39Eine übergangene Partei, die dem gesamten Verwaltungsverfahren nicht beigezogen wurde, hat nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens das Recht auf Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, nicht jedoch das Recht, einen letztinstanzlichen Bescheid beim Verwaltungsgerichtshof zu bekämpfen, ehe sie nicht durch Ergreifen der ihr auf Verwaltungsebene zukommenden Rechtsmittel den Instanzenzug ausgeschöpft hat. Dies gilt auch im Revisionsverfahren (, mwN).
40Laut den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts war die Drittrevisionswerberin (bekannte) Eigentümerin der als verfallen erklärten Geräte und somit auch Partei des verwaltungsbehördlichen Verfahrens. Sie wäre dem Verfahren daher beizuziehen gewesen. Das Straferkenntnis der belangten Behörde wurde ihr nicht zugestellt und sie erhob dagegen auch keine Beschwerde. Seit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren wird sie nunmehr von der Rechtsvertreterin der Erst- und Zweitrevisionswerberin vertreten.
41Die Revision der Drittrevisionswerberin war daher mangels Revisionsberechtigung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
42Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG - im Besonderen auf § 51 VwGG - iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2021:RO2020020005.J00 |
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