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VwGH vom 07.03.2019, Ro 2019/21/0002

VwGH vom 07.03.2019, Ro 2019/21/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des M A I, vertreten durch Dr. Christian Frießnegger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Gonzagagasse 19/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , W207 1426296- 3/5E, betreffend (insbesondere) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005, Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines befristeten Einreiseverbotes sowie Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

1. den Beschluss gefasst:

Die Revision wird, soweit sie sich gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Ausspruch über das Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung sowie gegen die Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes richtet, zurückgewiesen.

2. zu Recht erkannt:

2.1. Die Revision wird, soweit sie sich gegen den Ausspruch betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 richtet, als unbegründet abgewiesen.

2.2. Im Übrigen wird der Revision Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis in Bezug auf die Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

3. Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Der Revisionswerber ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er wurde 1994 in Afghanistan geboren, begab sich allerdings nach dem Tod der Eltern schon im Alter von etwa vier Jahren mit seiner Tante nach Pakistan, wo er sich bis zu seiner Ausreise im Jahr 2010 aufhielt.

2 Der Revisionswerber stellte nach seiner illegalen Einreise in Österreich am einen Antrag auf internationalen Schutz. In diesem Verfahren wurde dem Revisionswerber mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt; unter einem wurde ihm eine zunächst bis befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt, die in der Folge verlängert wurde.

3 Der Revisionswerber wurde sodann mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom wegen des Verbrechens der (qualifiziert begangenen) Vergewaltigung gemäß § 201 Abs. 1 und 2 erster Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt, aus der er Ende 2016 bedingt entlassen wurde.

4 Bereits davor hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) mit Bescheid vom dem Revisionswerber im Hinblick auf die erwähnte Straftat gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 den Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt, jedoch gemäß dem letzten Absatz dieser Bestimmung festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Afghanistan unzulässig sei, weil dies eine reale Gefahr einer Verletzung von (insbesondere) Art. 3 EMRK bedeuten würde. Des Weiteren wurde ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde. Unter einem wurde dem Revisionswerber die Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter entzogen, wobei in der Begründung dieses Bescheides zum Ausdruck gebracht wurde, der weitere Aufenthalt des Revisionswerbers sei gemäß § 46a Abs. 1 Z 2 FPG geduldet. Die gegen die den Revisionswerber belastenden Spruchpunkte dieses Bescheides erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit Erkenntnis vom ab.

5 Aus Anlass seines am gestellten Antrags auf Verlängerung der ihm mittlerweile erteilten Karte für Geduldete wurde der Revisionswerber am einvernommen und hierauf mit Bescheid des BFA vom (neuerlich) ausgesprochen, dass dem Revisionswerber ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 (von Amts wegen) nicht erteilt werde. Unter einem erließ das BFA gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG und gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot. Des Weiteren sprach das BFA aus, dass gemäß § 55 Abs. 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde, und es erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Schließlich stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan zulässig sei.

6 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis vom als unbegründet ab. Es sprach gemäß § 25a Abs. 1 VwGG aus, dass die (ordentliche) Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens und Vorlage der Akten durch das BVwG (§ 30a Abs. 4 bis 6 VwGG) - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

8 Die Revision ist, soweit sie sich gegen den Ausspruch betreffend den Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 und gegen die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG wendet, zulässig und teilweise auch berechtigt, im Übrigen jedoch unzulässig.

9 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision nämlich (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision in dieser Hinsicht ist der Verwaltungsgerichtshof nach § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Auch in der ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision aufzuzeigen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet. Das gilt auch dann, wenn sich die Revision zwar auf die Gründe, aus denen das Verwaltungsgericht die (ordentliche) Revision für zulässig erklärt hatte, beruft, diese aber fallbezogen keine Rolle (mehr) spielen oder zur Begründung der Zulässigkeit der konkret erhobenen Revision nicht ausreichen (vgl. etwa , Rn. 9, und , Rn. 15, jeweils mit dem Hinweis auf , Rn. 8, mwN).

11 Das BVwG begründete den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision zusammengefasst einerseits damit, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ob die Rechtskraft einer im Rahmen eines Verfahrens zur Aberkennung des subsidiären Schutzes auf der Rechtsgrundlage des § 58 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ergangenen (negativen) Entscheidung über die vorgenommene Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 einer inhaltsgleichen Entscheidung im Rahmen eines Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung auf der Rechtsgrundlage des § 58 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 entgegenstehe. Andererseits fehle auch Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob bei der nach § 52 Abs. 9 FPG vorzunehmenden Feststellung über die (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung bei unveränderter allgemeiner Lage im Herkunftsstaat eine Bindung an die im Rahmen eines Verfahrens zur Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 2 AsylG 2005 getroffene rechtskräftige Feststellung über die Unzulässigkeit der Abschiebung bestehe.

12 Bei der Begründung ihrer Zulässigkeit wird dann in der Revision (nur) auf diese Fragen Bezug genommen. Zur ersten Frage vertritt der Revisionswerber - entgegen dem Standpunkt des BVwG - die Meinung, eine bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage nochmals vorgenommene amtswegige Nichtgewährung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 verstoße gegen den Grundsatz "ne bis in idem", widerspreche daher der "Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft" und stelle somit einen "Verstoß gegen die Unwiederholbarkeit von Bescheiden" dar. Infolge des deshalb "nichtigen" Ausspruchs über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 fehle gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 auch die Grundlage für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung. Zur zweiten Frage vertritt der Revisionswerber - ebenfalls im Widerspruch zum BVwG - die Auffassung, in Bezug auf die gemäß § 52 Abs. 9 FPG getroffene Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan liege mangels Änderung des Sachverhalts ein Verstoß gegen die Bindungswirkung der gegenteiligen rechtskräftigen Entscheidung des BFA vom vor.

13 Der zuletzt referierten Auffassung ist beizupflichten und dazu auf folgende Ausführungen im - mittlerweile ergangenen - , zu verweisen:

"15 Das BVwG hat in seinen Zulassungsbegründungen, auf die noch im Detail einzugehen sein wird, einleitend festgehalten, es bestehe eine klare Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dahingehend, dass mit einer Refoulement-Beurteilung in Bezug auf den Herkunftsstaat eines Fremden eine zu beachtende Rechtskraftwirkung einhergehe, deren Durchbrechung nur dann gerechtfertigt sei, wenn sich nach Erlassung der in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert hätten, also eine neue Sache vorliege, für die die Rechtskraftwirkung der ursprünglichen Entscheidung nicht mehr gelten würde. Von einer nachträglichen Änderung der Sache sei der Fall zu unterscheiden, dass der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt werde oder neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorgelegen, aber erst später bekannt geworden seien. Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage sei von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und binde Gerichte und Behörde, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehöre (Verweis auf ).

16 Diesem Befund des BVwG ist zuzustimmen und es ist - entgegen der in der Amtsrevision vertretenen Ansicht des BFA - nicht zu sehen, warum das für das Verhältnis einer Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) einer Abschiebung nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zur Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG anders sein sollte. Richtig ist nur, dass § 52 Abs. 9 FPG nach seinem Wortlaut für den Fall der Erlassung einer Rückkehrentscheidung ausnahmslos anordnet, es sei gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Insoweit wird von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der ‚Unwiederholbarkeit' abgegangen. Dass das auch für die ‚Unabänderlichkeit' - ‚das bedeutendste Merkmal der Rechtskraftwirkung' (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 16 (Stand April 2018) mit Verweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) - gelte, lässt sich dem Gesetz jedoch nicht entnehmen. Im Gegenteil zeigt § 51 Abs. 5 FPG, dass eine rechtskräftige Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat nur dann geändert werden kann, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat. (Dass Rückkehrentscheidungsverfahren seit dem FrÄG 2015 von § 51 FPG nicht mehr erfasst werden, ist - siehe die ErläutRV 582 BlgNR 25. GP 20 zur Novellierung dieser Bestimmung - nur dem Umstand geschuldet, dass für solche Verfahren in § 52 Abs. 9 FPG ohnehin eine amtswegige Feststellung vorgesehen ist; vgl. auch die auf die Neufassung des § 46a FPG durch das FrÄG 2015 bezugnehmenden ErläutRV aaO sowie die ErläutRV 1523 BlgNR 25. GP 33 zur Änderung des § 52 Abs. 9 FPG durch das FrÄG 2017, in denen einerseits im Zusammenhang mit einem neuen Abspruch nach § 52 Abs. 9 FPG auf eine Änderung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes Bezug genommen und andererseits ausgeführt wird, ‚als von der Rechtskraft des seinerzeitigen Zulässigkeitsausspruchs nicht umfasste neue Sache erfordert eine nachträglich eintretende wesentliche Verbesserung der im Zielstaat vorherrschenden Umstände in rechtlicher Hinsicht bloß eine abweichende bzw. neue Bewertung der Zulässigkeit gemäß § 52 Abs. 9 FPG.')

17 Dass gegenständlich keine ‚Vorfragenkonstellation' vorliegt, wie das BFA unter Verweis auf die - hypothetische - Aussage in Hengstschläger/Leeb, AVG § 38 Rz 9, es wäre das Vorliegen einer Vorfrage zu verneinen, wenn zwei Behörden über die selbe Rechtsfrage als Hauptfrage zu entscheiden hätten, anmerkt, vermag nichts daran zu ändern, dass das BFA von seiner in Rechtskraft erwachsenen Feststellung über die Unzulässigkeit der Abschiebung der Mitbeteiligten in die Russische Föderation ohne Sachverhaltsänderung nicht abweichen durfte. Indem das BFA die Zulässigkeit seiner Amtsrevision u.a. auch damit begründet, es fehle Rechtsprechung dazu, wie eine nach einem Ausspruch gemäß § 8 Abs. 3a iVm § ? Abs. 2 AsylG 2005 eingetretene Sachverhaltsänderung im Herkunftsstaat vom BFA aufgegriffen werden könne, geht es letztlich der Sache nach selbst von einer Rechtskraftwirkung der gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 getroffenen Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) der Abschiebung in den Herkunftsstaat eines Fremden aus. Das hat der Verwaltungsgerichtshof im Übrigen auch in seinem Erkenntnis , Rn. 12, bekräftigt, wo er - ebenfalls mit dem Vorbringen konfrontiert, es fehle Rechtsprechung dazu, wie eine nach einem Ausspruch gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 eingetretene Sachverhaltsänderung im Herkunftsstaat vom BFA aufgegriffen werden könne - ausgeführt hat, die mit dem FNG geschaffene Regelung des § 52 Abs. 9 FPG ermögliche es, im Fall von geänderten Verhältnissen im Rückkehrentscheidungsverfahren selbst einen ‚actus contrarius' zur Feststellung gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 zu setzen. Insoweit wurde die vom BVwG aufgezeigte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (siehe oben Rn. 15) von diesem auch schon - im Übrigen nach Stellung des im angefochtenen Erkenntnis und in der Amtsrevision auch angesprochenen Vorabentscheidungsersuchens EU 2017/0011, in dem es um die hier nicht relevante Frage der Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten geht - für die vorliegende Konstellation bestätigt."

14 Demzufolge trifft die vom BVwG im angefochtenen Erkenntnis vertretene Auffassung, Maßstab der "ex lege" (offenbar gemeint: gemäß § 52 Abs. 9 FPG) neu durchzuführenden Prüfung der (Un-)Zulässigkeit der Abschiebung sei nicht die rechtskräftige Vorentscheidung, sondern es sei vielmehr "kraft gesetzlicher Anordnung" eine neue Beurteilung vorzunehmen, die eine Neubewertung in jede Richtung und sohin auch eine andere rechtliche Beurteilung bei unveränderter Lage im Herkunftsstaat erlaube, nicht zu. Vielmehr wäre im gegenständlichen Verfahren vom BFA und vom BVwG auf die mit Bescheid des BFA vom getroffene rechtskräftige Feststellung über die Unzulässigkeit (insbesondere) der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan Bedacht zu nehmen gewesen. Eine gegenteilige Feststellung, wie sie nunmehr vorgenommen wurde, hätte nur unter der Voraussetzung ergehen dürfen, dass sich nach Erlassung der rechtskräftigen Vorentscheidung der Sachverhalt oder die Rechtsvorschriften wesentlich geändert haben, sodass eine neue Sache vorliegt (siehe zu einem weiteren vergleichbaren Fall auch , Rn. 14).

15 Eine derartige Änderung wurde vom BVwG nicht aufgezeigt und sie lässt sich auch den von ihm wiedergegebenen Feststellungen zur Situation in Afghanistan nicht ohne Weiteres entnehmen. In Anbetracht dessen ist die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG über die Zulässigkeit der Abschiebung des Revisionswerbers nach Afghanistan inhaltlich rechtswidrig. Der insoweit - wegen Abweichens von der dargestellten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässigen Revision war daher in diesem Umfang Folge zu geben und dieser Ausspruch gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG (jedenfalls) aufzuheben.

16 Die Revision ist überdies auch insoweit zulässig, als sie releviert, es fehle (ausdrückliche) Rechtsprechung zur Frage der Wiederholbarkeit von (amtswegigen) Entscheidungen betreffend die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 57 AsylG 2005. Diesbezüglich ist sie allerdings nicht berechtigt.

17 Gemäß § 58 Abs. 1 AsylG 2005 hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird (Z 4) oder wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt (Z 5). Damit im Zusammenhang normiert § 10 Abs. 2 AsylG 2005, dass die Entscheidung, mit der einem Fremden, der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt wird, mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden ist.

18 Demnach ordnet das Gesetz für die beiden hier in Rede stehenden Fälle - Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen einen nicht rechtmäßig aufhältigen Fremden - an, dass jeweils und dem Wortlaut nach ausnahmslos von Amts wegen eine Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 vorgenommen werden muss, worüber gemäß § 58 Abs. 3 AsylG 2005 im "verfahrensabschließenden Bescheid" abzusprechen ist. Demnach bietet das Gesetz für eine Auslegung, eine solche Prüfung habe - wie der Revisionswerber meint - nur dann zu erfolgen, wenn sie nicht schon zuvor nach einem (anderen) der in § 58 Abs. 1 AsylG 2005 angeführten Tatbestände vorgenommen wurde, keine ausreichende Grundlage. Vielmehr heißt es auch in den diesbezüglichen ErläutRV zum FNG (1803 BlgNR 24. GP 48) ohne jede Einschränkung, in § 58 Abs. 1 AsylG 2005 werde in den Z 1 bis 5 festgelegt, zu welchem Zeitpunkt das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 von Amts wegen zu prüfen habe. Insoweit wurde somit vom Gesetzgeber - wie bei § 52 Abs. 9 FPG (siehe die oben zitierten Ausführungen in , Rn 16) - von dem die materielle Rechtskraft kennzeichnenden Umstand der "Unwiederholbarkeit" abgegangen. Primärer Hintergrund dafür ist, dass ein negatives Ergebnis der amtswegigen Prüfung der Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 als Bedingung für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung konstruiert wurde (vgl. § 10 Abs. 1 und 2 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 1 und 2 FPG). Allerdings ist auch in diesem Zusammenhang klarzustellen, dass damit nicht auch von der sich aus der Rechtskraft ergebenden "Unabänderlichkeit" abgegangen wurde und daher auch in Bezug auf die amtswegig zu treffenden Entscheidungen betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 eine Bindung an rechtskräftige Vorentscheidungen besteht, soweit nicht mittlerweile eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes oder der maßgeblichen Rechtsvorschriften eingetreten ist.

19 Die Auffassung des Revisionswerbers, der Abspruch des BFA im Bescheid vom über die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 sei "nichtig" und dessen Bestätigung durch das BVwG im angefochtenen Erkenntnis sei rechtswidrig, trifft daher nicht zu. Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

20 In Bezug auf die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (samt Ausspruch über das Nichtbestehen einer Frist für die freiwillige Ausreise und Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung) sowie in Bezug auf die Erlassung eines befristeten Einreiseverbotes enthält die Revision nichts, was ihre Zulässigkeit gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erkennen ließe. Im Übrigen wird zu diesen Punkten auch in den weiteren Revisionsausführungen kein inhaltliches Vorbringen erstattet. Die Revision war daher in diesem Umfang gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.

21 Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte - soweit nicht gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohnehin ex lege in nichtöffentlicher Sitzung zu entscheiden war - gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

22 Der Kostenzuspruch gründet sich auf die § 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019210002.J00

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