VwGH vom 21.10.2020, Ro 2019/15/0185
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser, die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des Finanzamts Graz-Umgebung in 8018 Graz, Adolf-Kolping-Gasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100829/2017, betreffend Einkommensteuer 2016 (mitbeteiligte Partei: S W in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1Der Mitbeteiligte war im strittigen Zeitraum als kaufmännischer Angestellter eines Unternehmens mit „All-in-Bezug“ tätig. Nach den im Verfahren unbestritten gebliebenen Feststellungen des Bundesfinanzgerichts wurde ihm ab April 2016 für die Wegstrecke vom Wohnort zur Arbeitsstätte zudem ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt.
2Zwischen Arbeitgeber und Mitbeteiligten war ein „Kostenbeitragsmodell“ in der Form vereinbart („Car Policy“-Übereinkommen), dass „die Höhe des aus lohnsteuerrechtlicher Sicht anzusetzenden Sachbezuges als monatliche Zuzahlung (‚Privatanteil‘) durch den Dienstnehmer zu leisten ist“.
3Dementsprechend entrichtete der Mitbeteiligte im Wege des Lohneinbehalts durch den Dienstgeber monatliche Kostenbeiträge in Höhe von 394,35 € (dies entspricht 1,5 % der vom Dienstgeber aufgewendeten Anschaffungskosten für den Dienstwagen). Eine Besteuerung des Sachbezugs unterblieb.
4Vom Arbeitgeber waren nach dem „Car Policy“-Übereinkommen u.a. folgende Kosten zu tragen: An- und Abmeldung, Wartung laut Serviceplan, Verschleißreparaturen, Ersatzteile und Bereifung, § 57a-Begutachtungen (das „Pickerl“), Kraftstoff mittels vom Dienstgeber beigestellten Tankkarten (in Ausnahmefällen auch ohne Tankkarte), Parken und Garagieren im dienstlichen Zusammenhang, Haftpflicht-, Vollkasko- und Rechtsschutzversicherung, Jahresvignette sowie bestimmte Mautgebühren und Reinigungskosten.
5Das Fahrzeug stand dem Mitbeteiligten für „alle dienstlich erforderlichen Fahrten“ zur Verfügung. Darüber hinaus konnte das Dienstfahrzeug „wie ein privates Kraftfahrzeug vom Dienstnehmer sowie in notwendigem Rahmen auch von seinen Familienangehörigen und von Personen genutzt werden, die sich mit dem Dienstnehmer einen gemeinsamen Haushalt teilen“. Eine Beanspruchung „über das normale Maß hinaus“ war jedoch untersagt.
6Abgesehen von dem monatlichen Kostenbeitrag beschränkten sich die im Zusammenhang mit dem Dienstwagen anfallenden Kosten für den Mitbeteiligten auf einen allenfalls zu leistenden Selbstbehalt im Schadensfall, private Parkgebühren, Mautgebühren bei Privatfahrten sowie die Kosten für die laufende Reinigung.
7Das Finanzamt gewährte das vom Mitbeteiligten im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagung für das Jahr 2016 geltend gemachte große Pendlerpauschale und den Pendlereuro für den Zeitraum Mai bis Dezember 2016 nicht, weil dem Mitbeteiligten in diesem Zeitraum für die Wegstrecke vom Wohnort zur Arbeitsstätte ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung gestellt worden sei.
8Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde. Darin erachtete er sich durch die Nichtberücksichtigung des Pendlerpauschales und des Pendlereuros in seinem verfassungsmäßigen Gleichheitsrecht verletzt, weil er für die Privatnutzung des von seinem Dienstgeber zur Verfügung gestellten Kraftfahrzeugs vereinbarungsgemäß aus seinem versteuerten Lohnbezug monatliche Kostenbeiträge in Höhe des nach der Sachbezugswerteverordnung errechneten Sachbezugs geleistet habe. Da sich aufgrund dieser Kostenbeiträge ein Sachbezugswert von Null für die Zurverfügungstellung des arbeitgebereigenen Kraftfahrzeugs ergebe, sei der Mitbeteiligte einem Dienstnehmer ohne dienstgebereigenes Kraftfahrzeug gleichzustellen.
9In seiner abweisenden Beschwerdevorentscheidung verwies das Finanzamt auf Judikatur des Verfassungsgerichtshofs, wonach der Ausschluss des Anspruchs auf das Pendlerpauschale bei der Möglichkeit zur Privatnutzung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeugs keine Verletzung in verfassungsgesetzlichen Rechten erkennen lasse (Hinweis auf ).
10Aufgrund eines Vorlageantrags des Mitbeteiligten wurde die Beschwerde dem Bundesfinanzgericht zur Entscheidung vorgelegt.
11Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde statt.
12Begründend führte es zunächst aus, dass nach den Urteilen des BFH vom , VI R 49/14 und VI R 2/15, der Vorteil des Arbeitnehmers, der ein arbeitgebereigenes Kfz zur Privatnutzung zur Verfügung gestellt erhalte, die insgesamt entstandenen Kfz-Aufwendungen (Gesamtkosten) umfasse. Dazu gehörten die Kosten, die unmittelbar dem Halten und dem Betrieb des Kfz dienten und im Zusammenhang mit dessen Nutzung typischerweise entstünden. Der BFH rechne dazu insbesondere die Kosten für Betriebsstoffe, Wartung und Reparaturen sowie die regelmäßig wiederkehrenden festen Kosten (etwa für Haftpflicht, Kfz-Steuer, AfA, Leasing, Garagenmiete). Abgesehen von den Garagierungskosten, für welche die österreichische Sachbezugswerteverordnung gesonderte Bestimmungen enthalte, erschienen die Ausführungen des BFH auf den Begriff des geldwerten Vorteils nach § 15 Abs. 2 EStG 1988 übertragbar.
13Vor diesem Hintergrund gehe das Bundesfinanzgericht davon aus, dass der Verordnungsgeber in Umsetzung des gesetzlichen Auftrages (§ 15 Abs. 2 EStG 1988) bei der Festlegung der Kfz-Sachbezugswerte die „Gesamtkosten“ der Kfz-Nutzung iSd der BFH-Judikatur (ohne Garagierungskosten) berücksichtigt habe, wobei für die Bemessung der Höhe die durchschnittlichen Kosten- und Nutzungsverhältnisse in Österreich zu Grunde gelegt worden seien.
14Im Hinblick auf die historischen - im angefochtenen Erkenntnis näher dargestellten - Bezugnahmen der Sachbezugsregelungen auf die steuerliche Behandlung der betroffenen Kfz beim Dienstgeber gehe das Bundesfinanzgericht weiters davon aus, dass der Sachbezugswerteverordnung die Annahme eines 8-jährigen Nutzungszeitraumes von Dienstwagen zu Grunde liege. Die darüberhinausgehende Differenz zum Wert von 1,5 % diene demnach der Abgeltung der laufenden Bewirtschaftungskosten des Fahrzeuges, sodass der Gesamtwert von 1,5 % die „höchstgerichtlichen Vergleichskosten“ für ein eigenes privates Kfz bzw. die „Gesamtkosten“ iSd BFH (ohne Garagierungskosten) abbilde. Dementsprechend umfasse auch der monatliche Kostenbeitrag des Mitbeteiligten in Höhe des Sachbezugswertes sämtliche anfallende Kfz-Kosten.
15Die Regelungen des § 4 Sachbezugswerteverordnung und des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 idF BGBl I Nr. 53/2013 würden auf eine Gleichstellung von Dienstnehmern mit und ohne Dienstwagen bezüglich der Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abstellen. Der Ausschluss des Dienstwagennutzers vom Pendlerpauschale solle eine Berücksichtigung von Kosten verhindern, die diesem tatsächlich nicht erwachsen.
16Wenn nun im gegenständlichen Falle dem Mitbeteiligten aufgrund des von ihm zu leistenden Kostenbeitrages aber gar kein entgeltlicher Vorteil iSd § 15 Abs. 2 EStG 1988 zufließe und ihm dadurch, trotz Dienstwagens, Kosten für die Strecke Wohnung – Arbeitsstätte erwachsen würden, die mit jenen von Dienstnehmern ohne Dienstwagen vergleichbar seien, erfordere die ratio legis in Verbindung mit dem Gleichheitsgrundsatz in verfassungskonformer Auslegung die Nichtanwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 in jenen Fällen, in denen tatsächlich keine Sachbezugsbesteuerung zu erfolgen habe, weil die vom Gesetzgeber angenommene Sachverhaltskonstellation nicht vorliege (Hinweis auf ).
17Weiters erklärte das Bundesfinanzgericht die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Anwendbarkeit des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1998 bei monatlichem Kostenersatz des Dienstnehmers in Höhe des vollen Sachbezugswertes fehle.
18Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision des Finanzamts.
19Das revisionswerbende Finanzamt bringt vor, der Gesetzgeber gehe in typisierender Betrachtung offensichtlich davon aus, dass in der Zurverfügungstellung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeugs für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Vorteil liege, der unabhängig davon bestehe, ob beim Arbeitnehmer ein Sachbezugswert zum Ansatz gelange. Hätte der Gesetzgeber den Ausschluss des Pendlerpauschales gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 in einem Konnex mit dem Ansatz eines Sachbezugswertes beim Arbeitnehmer gesehen, hätte er dies auch ausdrücklich normiert bzw. normieren müssen. Verdeutlicht werde der fehlende Konnex insbesondere in jenen Fällen, in denen der Arbeitnehmer laufende Kostenbeiträge in einer Höhe leiste, bei welcher noch ein restlicher Sachbezugswert beim Arbeitnehmer verbleibe.
20Das revisionswerbende Finanzamt teile die verfassungsrechtlichen Bedenken des Bundesfinanzgerichts im Hinblick auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom , E 110/2016, nicht. Das Berechnungstool des ÖAMTC weise beim gegenständlichen, dem Mitbeteiligten zur Verfügung gestellten PKW (Marke Volkswagen Touran 1,6 TDI SCR Comfortlinie) bezogen auf eine Behaltedauer von 6 Jahren und einer Kilometerleistung von 20.000 km/jährlich eine monatliche Belastung von 662,82 € aus. Auch bei einer jährlichen Fahrleistung von 6.000 km ergebe sich eine monatliche Belastung von mehr als 500 €. Daher sei aufgrund dieser - in dieser Berechnung zum Ausdruck kommenden - Lebenserfahrung jedenfalls davon auszugehen, dass der Vorteil des Mitbeteiligten für die private Nutzung des Fahrzeugs höher gewesen sei als der monatliche Kostenbeitrag.
21Beim pauschalen Sachbezugswert würden lediglich die Anschaffungskosten, nicht jedoch die Betriebskosten berücksichtigt. Basis für den Sachbezug bildeten die tatsächlichen Anschaffungskosten des Kfz. Laufender Aufwand wie etwa Service-, Reparatur- und Treibstoffaufwand, der vom Arbeitgeber getragen werde, führe zu keinem Zuschlag zum Sachbezug. Konsequenterweise hätten daher Beiträge des Arbeitnehmers für Treibstoffkosten, ja für jeglichen Aufwand keine mindernde Auswirkung auf den steuerpflichtigen Sachbezug.
22Aus der Staffelung der Beträge der Pendlerpauschale bzw. der Bemessung der „Freibeträge“ in Abhängigkeit von der zurückgelegten Entfernung ergebe sich, dass durch die geschätzten Pendlerpauschalbeträge vor allem die laufenden Aufwendungen im Zusammenhang mit den Fahrten Wohnung - Arbeitsstätte abgegolten werden sollten, die vom Sachbezug gar nicht abgedeckt werden.
23Das Bundesfinanzgericht legte die Verwaltungsakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
24Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
25Gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 53/2013 steht dem Arbeitnehmer kein Pendlerpauschale zu, wenn ihm ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zur Verfügung gestellt wird. Ein Pendlereuro in Höhe von jährlich zwei Euro pro Kilometer der einfachen Fahrtstrecke zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ist gemäß § 33 Abs. 5 Z 4 EStG 1988 in der angeführten Fassung in Abhängigkeit vom Anspruch auf ein Pendlerpauschale gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 EStG 1988 zu gewähren.
26Im Revisionsfall leistete der Mitbeteiligte einen monatlichen Kostenbeitrag in Höhe des für das dienstgebereigene Kraftfahrzeug anzusetzenden Sachbezugswertes. Das Bundesfinanzgericht folgerte daraus, dass dem Mitbeteiligten damit der Vorteil der ersparten Aufwendungen für den Weg Wohnung - Arbeitsstätte nicht mehr zukomme und der Ausschluss gemäß § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 daher in verfassungskonformer Interpretation nicht anzuwenden sei.
27Eine verfassungskonforme Interpretation findet - wie auch jede andere - ihre Grenze im eindeutigen Wortlaut des Gesetzes (vgl. ). Wenn in der Bestimmung des § 16 Abs. 1 Z 6 lit. b EStG 1988 von der „Zurverfügungstellung eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges“ die Rede ist, welche dem Anspruch auf Pendlerpauschale abträglich ist, kann das Zutreffen dieses Ausschlussgrundes nach dem äußersten Wortsinn nicht schon dann verneint werden, wenn der Arbeitnehmer einen „Kostenbeitrag“ (in Höhe des lohnsteuerlichen Sachbezuges) leistet. Der Begriff der „Zurverfügungstellung“ eines arbeitgebereigenen Kraftfahrzeuges kann unter Zugrundelegung der ratio des Gesetzes, welche vom Bestehen eines im Dienstverhältnis gelegenen Vorteils ausgeht, erst dann verneint werden, wenn die Überlassung des Kraftfahrzeuges an den Arbeitnehmer zu Bedingungen erfolgen sollte, wie sie auch ohne Vorliegen eines Dienstverhältnisses üblich wären. In diesem Fall läge keine bloße „Zurverfügungstellung“, sondern eine Fahrzeugmiete vor.
28Das gegenständliche Kostenbeitragsmodell ist - wie das revisionswerbende Finanzamt aufzeigt - nicht darauf ausgerichtet, Kostenbeiträge der Dienstnehmer in einer Höhe zu bemessen, die das Vorliegen eines im Dienstverhältnis begründeten geldwerten Vorteiles ausschließen würden.
29Die vom Bundesfinanzgericht angestellten Erwägungen stehen im Übrigen auch in Widerspruch zu den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes im Beschluss vom , E 110/2016. Der Verfassungsgerichtshof hat zur Versagung des Pendlerpauschales bei gleichzeitigem Ansatz eines Sachbezugs ausgeführt, im Rahmen einer Durchschnittsbetrachtung sei davon auszugehen, dass jenen Arbeitnehmern, denen für den Arbeitsweg ein arbeitgebereigenes Kraftfahrzeug zur Verfügung stehe, geringere Aufwendungen erwachsen, da die laufenden Kosten für den Betrieb in der Regel vom Arbeitgeber getragen würden. Vor dem Hintergrund der ständigen Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Pauschalierungen lasse sich eine Gleichheitswidrigkeit oder die Verletzung in einem anderen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht als so wenig wahrscheinlich erkennen, dass die Beschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg habe.
30Der Verfassungsgerichtshof hat demnach die Behandlung einer Beschwerde abgelehnt, in der geltend gemacht wurde, dass durch den Ansatz eines Sachbezuges für die private Kfz-Nutzung bereits eine völlige Gleichstellung mit jenen Arbeitnehmern erreicht werde, denen dieser Vorteil aus dem Dienstverhältnis nicht zukomme. Er teilte daher die vom Bundesfinanzgericht vertretene Auffassung, wonach der ausschließlich an den Anschaffungskosten des arbeitgebereigenen Fahrzeuges anknüpfende Sachbezugswert in einer Durchschnittsbetrachtung auch die laufenden Kosten für den Betrieb des Fahrzeuges abdeckt, nicht.
31Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150185.J00 |
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