VwGH vom 01.06.2021, Ro 2019/15/0011

VwGH vom 01.06.2021, Ro 2019/15/0011

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der T CORP. LTD in M, vertreten durch die KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft in 1090 Wien, Porzellangasse 51, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/2100826/2016, betreffend Erstattung von Vorsteuern für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Die revisionswerbende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1Die Revisionswerberin ist eine in Australien ansässige Mobilfunkgesellschaft, die an ihre ebenfalls in Australien ansässigen Kunden im Revisionszeitraum Telekommunikationsdienstleistungen erbracht hat.

2Um den Kunden der Revisionswerberin während derer Aufenthalte in Österreich die Benützung von Mobiltelefonen zu ermöglichen, stellte ein österreichischer Netzbetreiber (Provider) der Revisionswerberin sein Netz gegen Verrechnung von Benützungsgebühren unter Ausweis österreichischer Umsatzsteuer zur Verfügung. Die Revisionswerberin verrechnete ihren Kunden für die Nutzung des österreichischen Netzes Roaming-Gebühren.

3Die Revisionswerberin beantragte für den Zeitraum Jänner bis Dezember 2014 die Erstattung der ihr vom österreichischen Netzbetreiber in Rechnung gestellten Umsatzsteuer nach dem Verfahren gemäß der Verordnung BGBl. Nr. 279/1995.

4Das Finanzamt versagte die Erstattung der Vorsteuern.

5Der dagegen eingebrachten Beschwerde der Revisionswerberin gab das Bundesfinanzgericht nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung keine Folge und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens sei ausgeschlossen, weil die im Revisionsfall anwendbare Telekom VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 eine Leistungsortverlagerung der Umsätze der Revisionswerberin, soweit es das „Roaming“ in Österreich betreffe, ins Inland bewirke. Von einer Leistungsortverlagerung in das Inland sei in unionsrechtskonformer Interpretation jedenfalls dann auszugehen, wenn die Leistung im Drittland keiner der inländischen Umsatzsteuerbelastung vergleichbaren Steuerbelastung unterliege. Ein Steuersatz von 10%, der dem inländischen ermäßigten Steuersatz entspreche, könne nicht als vergleichbare Steuerbelastung angesehen werden.

6In der dagegen gerichteten Revision wird unter anderem geltend gemacht, das Bundesfinanzgericht habe sich mit der in § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009 geforderten Nutzung oder Auswertung im Inland nicht auseinandergesetzt, obwohl eine solche nach Meinung der Revisionswerberin nur vorliege, wenn der Leistungsempfänger im Inland ansässig sei. Es habe nicht geprüft, ob der Tatbestand des § 1 der VO BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, nämlich ob die Leistung im Inland genutzt oder ausgewertet werde, überhaupt erfüllt sei.

7Mit Beschluss vom hat der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union über die mit Beschluss des Bundesfinanzgerichtes vom , Zl. RE/2100001/2019, vorgelegten Fragen ausgesetzt, weil der Beantwortung dieser Fragen auch für die Behandlung der vorliegenden Revision Bedeutung zukommt.

8Mit Urteil vom , SK Telecom Co. Ltd, C-593/19, hat der Gerichtshof der Europäischen Union über das Vorabentscheidungsersuchen des Bundesfinanzgerichtes vom entschieden.

9Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

10Gemäß § 21 Abs. 9 UStG 1994 kann der Bundesminister für Finanzen für Unternehmer, die im Inland weder ihren Sitz noch eine Betriebsstätte haben, durch Verordnung die Erstattung der Vorsteuern abweichend von den Abs. 1 bis 5 sowie den § 12 und 20 regeln.

11Auf Grund des § 21 Abs. 9 UStG 1994 erging die Verordnung des Bundesministers für Finanzen, BGBl. Nr. 279/1995 in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. II Nr. 222/2009 bzw. BGBl. II Nr. 158/2014, „mit der ein eigenes Verfahren für die Erstattung der abziehbaren Vorsteuern an ausländische Unternehmer geschaffen wird“, wenn der Unternehmer (von gegenständlich nicht in Betracht kommenden Ausnahmen abgesehen) keine Umsätze iSd § 1 Abs. 1 Z 1 und 2 und Art. 1 UStG 1994 ausgeführt hat.

12Nach § 3a Abs. 13 lit. a iVm Abs. 14 Z 12 UStG 1994 idF BGBl. I Nr. 52/2009 werden Telekommunikationsdienste im Drittland ausgeführt, wenn der Empfänger ein Nichtunternehmer ist und er keinen Wohnsitz, Sitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gemeinschaftsgebiet hat.

13Nach § 3a Abs. 16 UStG 1994 in der angeführten Fassung kann der Bundesminister für Finanzen, um Doppelbesteuerungen, Nichtbesteuerungen oder Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden, durch Verordnung festlegen, dass sich bei sonstigen Leistungen, deren Leistungsort sich u.a. nach Abs. 13 lit. a UStG 1994 bestimmt, der Ort der sonstigen Leistungen danach richtet, wo die sonstige Leistung genutzt oder ausgewertet wird. Der Ort der sonstigen Leistung kann danach statt im Drittlandsgebiet als im Inland gelegen behandelt werden.

14§ 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen, BGBl. II Nr. 383/2003 idF BGBl. II Nr. 221/2009, bestimmt:

„Liegt bei einer in § 3a Abs. 14 Z 12 und 13 des Umsatzsteuergesetzes 1994, BGBl. Nr. 663, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 52/2009, bezeichneten Leistung der Ort der Leistung gemäß § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1994 außerhalb des Gemeinschaftsgebietes, so wird die Leistung im Inland ausgeführt, wenn sie dort genutzt oder ausgewertet wird.“

15Das Bundesfinanzgericht vertrat im angefochtenen Erkenntnis den Standpunkt, die Revisionswerberin habe im Streitzeitraum - aufgrund der (unionsrechtskonform ausgelegten) Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Verlagerung des Ortes der sonstigen Leistung bei Telekommunikationsdiensten sowie Rundfunk- und Fernsehdienstleistungen - Umsätze in Österreich ausgeführt, weshalb die Anwendung des Vorsteuererstattungsverfahrens ausgeschlossen sei.

16Diese Rechtsansicht des Bundesfinanzgerichts steht im Einklang mit den Ausführungen des SK Telecom Co. Ltd, C-593/19, wonach Art. 59a Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der durch die Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom mit Wirkung vom geänderten Fassung dahin auszulegen ist, dass Roamingleistungen, die von einem in einem Drittland ansässigen Mobilfunkbetreiber an seine Kunden, die ebenfalls in diesem Drittland ansässig sind bzw. dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, erbracht werden und die es diesen Kunden ermöglichen, das nationale Mobilfunknetz des Mitgliedstaats, in dem sie sich vorübergehend aufhalten, zu nutzen, als Dienstleistungen anzusehen sind, deren „tatsächliche Nutzung oder Auswertung“ im Sinne dieser Bestimmung im Gebiet dieses Mitgliedstaats erfolgt, so dass dieser den Ort der Roamingleistungen so behandeln kann, als läge er in seinem Gebiet, wenn dadurch eine Nichtbesteuerung der Roamingleistungen in der Union vermieden wird und ohne dass es hierbei darauf ankommt, welcher steuerlichen Behandlung die Roamingleistungen nach dem nationalen Steuerrecht des Drittlands unterliegen.

17Die Revision erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

18Von der Durchführung einer Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.

19Die Kostenentscheidung stützt sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019150011.J00

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