VwGH vom 25.06.2020, Ro 2019/15/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der A BVBA in S, vertreten durch die N & N Steuerberatungsgesellschaft m.b.H in 8010 Graz, Schubertstraße 68, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RS/2100015/2018, betreffend Verletzung der Entscheidungspflicht hinsichtlich der Rückzahlung eines Guthabens, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1Die revisionswerbende Partei beantragte am über Finanz-Online die Rückzahlung des auf ihrem Steuerkonto ausgewiesenen Guthabens in Höhe von 130.800,20 €.
2Mit Schreiben vom , und urgierte die Revisionswerberin die Bearbeitung ihres Rückzahlungsantrages.
3Eine Reaktion des Finanzamtes auf diese Eingaben ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.
4Am erhob die Revisionswerberin Säumnisbeschwerde an das Bundesfinanzgericht, weil der Rückzahlungsantrag vom bis dato unerledigt geblieben sei.
5Mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Säumnisbeschwerde als unzulässig zurück. Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, ein dem Abgabepflichtigen erwachsender Bescheiderlassungsanspruch bestehe allein in dem Fall, dass die Abgabenbehörde die Rückzahlung verweigere. Entschließe sich die Abgabenbehörde, ein Guthaben zurückzuzahlen, falle ihre Pflicht zur Bescheiderlassung weg. Die durch das Einlangen eines Antrages auf Rückzahlung von Guthaben ausgelöste behördliche Handlungspflicht bestehe daher abhängig vom Ergebnis der Prüfung entweder in einer Bescheiderlassung oder in der Setzung des Realaktes der Rückzahlung. Zu einer Rückzahlung fehle dem Verwaltungsgericht aber eine Zuständigkeit, weil es nur eine rechtsprechende Tätigkeit entfalten, nicht aber faktische Leistungen erbringen und Realakte setzen könne. Das Verwaltungsgericht würde damit der behördlichen Säumigkeit über einen Antrag auf Rückzahlung nur in einer der beiden denkmöglichen Entscheidungsrichtungen, nämlich durch Erlassung eines antragsabweisenden Bescheides, nicht aber durch Rückzahlung eines Guthabens begegnen können. Daher sei der Erledigungsanspruch mit dem Instrument der Säumnisbeschwerde nicht verfolgbar (Hinweis auf , zur Verbuchung eines angemeldeten Überschusses an Umsatzsteuer als Gutschrift).
6Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte das Bundesfinanzgericht für zulässig.
7Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Revision, zu der das Finanzamt eine Revisionsbeantwortung erstattet hat, in der es sich gegen die „isolierte Betrachtung des Guthabens“ wendet. Das Guthaben sei nur wegen der Aussetzung der Einhebung einer entsprechenden Umsatzsteuernachforderung aus einer Außenprüfung am Abgabenkonto entstanden. Die Rückzahlung sei maßgeblich im Hinblick auf die Bestimmung des § 29 FinStrG hintangehalten worden. Die der Abgabenbehörde bekannten und gebuchten Abgabennachforderungen überstiegen das Abgabenguthaben, wobei die revisionswerbende Partei insgesamt über kein Aktivvermögen zur späteren Abgabenentrichtung verfüge.
8Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9Gemäß § 239 Abs. 1 BAO kann die Rückzahlung von Guthaben auf Antrag des Abgabepflichtigen oder von Amts wegen erfolgen.
10Rückzahlungsanträge unterliegen der Entscheidungspflicht iSd § 85a BAO idF BGBl. I Nr. 14/2013 (vgl. , zur Vorgängerbestimmung des § 311 Abs. 1 BAO). Über den Antrag ist mit Bescheid abzusprechen, soweit ihm nicht entsprochen wird (vgl. Ritz, BAO6, § 239 Tz 14). Wird dem Antrag stattgegeben, findet er in der Rückzahlung seine Erledigung (vgl. Stoll, BAO, 2478).
11Gemäß § 284 Abs. 1 BAO kann die Partei Säumnisbeschwerde beim Verwaltungsgericht erheben, wenn ihr Bescheide der Abgabenbehörden nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben werden. Das Verwaltungsgericht hat der Abgabenbehörde nach § 284 Abs. 2 BAO aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten ab Einlangen der Säumnisbeschwerde zu entscheiden und gegebenenfalls eine Abschrift des Bescheides vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.
12Die Vorlage einer Bescheidabschrift hat „gegebenenfalls“ zu erfolgen. Dieser Wortlaut berücksichtigt Fälle, in denen ein Bescheid nur insoweit zu erlassen ist, als die begehrte Amtshandlung nicht erfolgt (vgl. Ellinger/Sutter/Urtz, BAO³, § 284 Anm 18). Ein solcher Fall liegt etwa bei einem Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens (§ 239 BAO) vor (vgl. Ritz, BAO6, § 284 Tz 23).
13Im Revisionsfall ist unstrittig, dass bis zum Ergehen des vorliegenden Zurückweisungsbeschlusses weder die beantragte Rückzahlung noch eine bescheidmäßige Erledigung des Antrags durch die Abgabenbehörde erfolgt war. Entgegen der Bestimmung des § 284 Abs. 2 BAO hat das Bundesfinanzgericht der Abgabenbehörde nicht aufgetragen, über den Antrag zu entscheiden, sondern die Säumnisbeschwerde mit der Begründung zurückgewiesen, dass dem Bundesfinanzgericht eine der Handlungsalternativen, nämlich die Auszahlung des Guthabens, verwehrt sei.
14Dass das Bundesfinanzgericht im Falle des Übergangs der Zuständigkeit den Antrag nicht durch Setzung des Realaktes der Rückzahlung einer Erledigung zuführen könnte, ändert jedoch nichts am Anspruch des Antragstellers auf Bescheiderlassung.
15Wenn - wie im Revisionsfall - einem Antrag auf Rückzahlung nach § 239 BAO nicht durch den Realakt der Rückzahlung entsprochen wird, bedarf es eines das Anbringen erledigenden Bescheides. Ergeht ein solcher nicht und kommt es nach Maßgabe des § 284 Abs. 3 BAO zum Übergang der Zuständigkeit auf das Verwaltungsgericht, hat das Verwaltungsgericht - bei Bestehen eines entsprechenden Rückzahlungsanspruches und unter Beachtung der Ermessensregelung des § 239 Abs. 2 BAO - auszusprechen, dass der betreffende Betrag zurückzuzahlen ist (vgl. sinngemäß ).
16Der Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom , 2001/13/0146, ist zu einer anderen Rechtslage, nämlich den Bestimmungen der § 27 Abs. 1 und 36 Abs. 2 VwGG idF vor dem BGBl. I Nr. 33/2013, ergangen. Anders als der gegenständlich anzuwendende § 284 Abs. 2 BAO sah § 36 Abs. 2 VwGG in der angeführten Fassung die in der Rz. 12 behandelte Einschränkung nicht vor.
17Der angefochtene Beschluss erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
18Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das Mehrbegehren findet in diesen Bestimmungen keine Deckung.
Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019150001.J00 |
Schlagworte: | Ermessen VwRallg8 |
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