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VwGH vom 18.12.2019, Ro 2019/14/0008

VwGH vom 18.12.2019, Ro 2019/14/0008

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Mag. Eder und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schweinzer, über die Revision der A B in C, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , W189 2108833-1/158E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl),

Spruch

I. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird in seinen Spruchpunkten A) II. bis A) IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

II. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation, stellte am einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das auf Grund einer Säumnisbeschwerde zuständig gewordene Bundesverwaltungsgericht diesen Antrag nach Durchführung einer Verhandlung sowohl in Bezug auf das Begehren auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt A) I.) als auch auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 (Spruchpunkt A) II.) ab. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass der Revisionswerberin kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nach § 57 AsylG 2005 erteilt und gegen sie gestützt auf § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 sowie § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) eine Rückkehrentscheidung erlassen werde (Spruchpunkt A) III.). Allerdings stellte das Verwaltungsgericht gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin in die Russische Föderation nicht zulässig sei (Spruchpunkt A) IV.). Die Erhebung einer Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig (Spruchpunkt B)).

3 In seiner Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - aus, die Revisionswerberin habe am in den Niederlanden um die Gewährung von Asyl angesucht. Dieser Antrag sei mit Entscheidung vom rechtskräftig abgewiesen worden. In weiterer Folge sei der Revisionswerberin dort eine vorübergehende Aufenthaltsberechtigung ausgestellt worden, die mit abgelaufen sei. Sie habe nicht um Verlängerung angesucht. Sie sei seit über 20 Jahren nicht mehr im Herkunftsstaat gewesen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass sie dort über Familienangehörige verfüge. Es herrsche in der Russischen Föderation zwar keine solche Situation, in der jeder Rückkehrer einer existenzbedrohenden Lage ausgesetzt wäre. Allerdings leide die Revisionswerberin an einer psychischen Erkrankung, aufgrund derer sie nicht mehr in der Lage sei, ihre Interessen ohne Gefahr eines Nachteils wahrzunehmen.

4 In seiner rechtlichen Beurteilung verwies das Bundesverwaltungsgericht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ra 2018/01/0106, sowie auf dessen Beschluss vom , Ra 2018/01/0461, und führte aus, dass es der Richtlinie 2011/95/EU (im Weiteren: Statusrichtlinie) widerspreche, wenn einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Bedrohung durch Akteure im Herkunftsstaat oder einer im Rahmen eines bewaffneten Konflikts bestehenden Bedrohung zuerkannt würde.

5 Sodann legte das Bundesverwaltungsgericht dar, weshalb sich die Erlassung einer Rückkehrentscheidung aus dem Blickwinkel des § 9 BFA-VG nicht als unverhältnismäßig darstelle.

6 Das Bundesverwaltungsgericht ging allerdings davon aus, dass jene Umstände, die im Fall der Rückführung in das Heimatland zu einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK führen würden, aber die Zuerkennung von subsidiärem Schutz nicht rechtfertigten, beim Ausspruch nach § 52 Abs. 9 FPG zu berücksichtigen seien. Es führte des Näheren aus, weshalb davon auszugehen sei, dass im Fall der Abschiebung der Revisionswerberin in ihr Heimatland vor dem Hintergrund ihrer Erkrankung - für sie war mittlerweile auch ein Erwachsenenvertreter bestellt worden - ein reales Risiko der Verletzung des Art. 3 EMRK bestehe.

7 Die Erhebung einer Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für zulässig, weil nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Status des subsidiär Schutzberechtigten unterschiedslos zuzuerkennen sei, wenn die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK bedeuten würde. Der Verwaltungsgerichtshof habe aber in seinem Erkenntnis vom , Ra 2018/01/0106 - im Hinblick auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union - darauf hingewiesen, dass es für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erforderlich sei, dass der ernsthafte Schaden durch das Verhalten von Dritten (Akteuren) verursacht werden oder von einer Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt ausgehen müsse. Daher sei mit der gegenständlichen Entscheidung der Status der subsidiär Schutzberechtigten nicht zuerkannt worden. Die reale Gefahr der Verletzung des Art. 3 EMRK werde hier nicht durch das Verhalten von Dritten verursacht, sondern sei letztlich die Folge des schlechten Gesundheitszustandes der Revisionswerberin. Damit weiche die gegenständliche Entscheidung von der früheren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab.

8 Das Bundesverwaltungsgericht hat nach Einbringung der dagegen erhobenen ordentlichen Revision das Verfahren nach § 30a VwGG durchgeführt, in deren Rahmen eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde. Im Anschluss hat das Verwaltungsgericht die Revision samt den Verfahrensakten dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

10 Die Revisionswerberin schließt sich den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts, warum es die Revision zugelassen habe, an und verweist ergänzend auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom , Ro 2019/19/0006. Darin habe der Verwaltungsgerichthof festgehalten, dass für die Gewährung von subsidiärem Schutz weiterhin uneingeschränkt auf eine drohende Verletzung des Art. 3 EMRK abzustellen sei. Da das Bundesverwaltungsgericht davon ausgehe, dass der Revisionswerberin im Fall der Rückführung eine Verletzung von Art. 3 EMRK drohe, hätte ihr der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werden müssen.

11 Die Revision ist teilweise zulässig und begründet. 12 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich - was die Revisionswerberin zu Recht ins Treffen führt - in seinem Erkenntnis vom , Ro 2019/19/0006, mit der Frage, ob in Bezug auf die in § 8 Abs. 1 AsylG enthaltene Anordnung eine unionsrechtskonforme Lösung gefunden werden kann (und allenfalls das Abgehen von der bisherigen Rechtsprechung in Erwägung zu ziehen wäre), beschäftigt. Er ist dort zum Ergebnis gelangt, dass eine Interpretation, mit der die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit dem in der Judikatur des EuGH dargelegten Verständnis des subsidiären Schutzes nach der Statusrichtlinie in Übereinstimmung gebracht würde, die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer - unionsrechtlich nicht geforderten - Auslegung contra legem führen würde. Damit würde der Statusrichtlinie zu Unrecht eine ihr im gegebenen Zusammenhang nicht zukommende unmittelbare Wirkung zugeschrieben. Infolge dessen sei an der bisherigen Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und Art. 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann, festzuhalten. Es wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG des Näheren auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen (vgl. dazu auch bis 0053; , Ra 2019/14/0436 bis 0438).

13 Sohin hat das Bundesverwaltungsgericht, das davon ausging, das Unionsrecht gebiete es, § 8 Abs. 1 AsylG 2005 in einer anderen Weise auszulegen, die Rechtslage verkannt. Dies führt fallbezogen auch zur Verletzung im insoweit geltend gemachten subjektiven Recht, weil das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen ist, die Rückführung der Revisionswerberin werde zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen.

14 Das angefochtene Erkenntnis war daher in Bezug auf die Versagung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sowie der rechtlich darauf aufbauenden Aussprüche, die ihre Grundlage verlieren, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

15 Hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten vermag hingegen die Revision, die insoweit lediglich substanzloses Vorbringen enthält, nicht aufzuzeigen, dass der Verwaltungsgerichtshof eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu lösen hätte. Insoweit war die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG gemäß § 34 Abs. 1 und Abs. 3 VwGG zurückzuweisen.

16 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff, insbesondere § 50 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019140008.J00

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