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VwGH vom 04.09.2019, Ro 2019/13/0024

VwGH vom 04.09.2019, Ro 2019/13/0024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom , Zl. RV/7100962/2013, betreffend Einkommensteuer 2006 (mitbeteiligte Partei: K in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

1 Der Mitbeteiligte bezog im Streitjahr als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer von der X Wirtschaftsprüfungs GmbH (in der Folge nur: X GmbH) Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. In der Erklärung zur Arbeitnehmerveranlagung machte er das Berufsgruppenpauschale für Vertreter geltend.

2 Auf Vorhalt des Finanzamts legte er u.a. eine Bestätigung seines Dienstgebers für das Jahr 2006 vor. Demnach sei der Mitbeteiligte als Geschäftsführer "in einer bzw. mehreren Gesellschaften" der X-Gruppe Österreich bestellt. Zu seinen Aufgaben zähle insbesondere der Verkauf von Beratungsprojekten im Bereich der Steuerberatung und Wirtschaftsprüfung. Im Rahmen seiner Tätigkeit verbringe er mehr als die Hälfte seiner Arbeitszeit im Außendienst. Die Außendiensttätigkeit diene dem "Targeting" und der "Akquisition" (Vertrieb neuer Produkte), wobei regelmäßige Kontakte mit Kunden unterhalten würden. 3 Mit Bescheid vom setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2006 fest. Das Vertreterpauschale wurde dabei nicht berücksichtigt. Das Finanzamt führte hiezu aus, der Mitbeteiligte sei laut der vorgelegten Dienstgeberbestätigung auch als Geschäftsführer in einer bzw. mehreren Gesellschaften der X-Gruppe bestellt. Da dadurch die Vertretertätigkeit nicht ausschließlich ausgeübt werde, könne das Vertreterpauschale nicht berücksichtigt werden.

4 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht

- nach Berufungsvorentscheidung des Finanzamts und Vorlageantrag des Mitbeteiligten - der (nunmehrigen) Beschwerde teilweise Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Mitbeteiligte sei im Streitjahr als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer bei der X GmbH nichtselbständig tätig gewesen. Er sei neu zum Partner bestellt worden und habe einen eigenen Klientenstock aufgebaut. Er sei weiters Geschäftsführer zweier Kapitalgesellschaften der X-Gruppe gewesen. Bei der (richtig:) X GmbH seien im Jahr 2006 753 (nach "Zählung" des Bundesfinanzgerichts) oder mehr als 850 Personen (nach "Zählung" des Finanzamts) zur Sozialversicherung angemeldet gewesen.

7 Der Mitbeteiligte sei Partner und damit Mitglied der Geschäftsleitung gewesen. Die Geschäftsführerbefugnisse seien nach der vorgelegten Geschäftsordnung der X Österreich intern beschränkt gewesen. Der Mitbeteiligte sei nach den vorgelegten Unterlagen nur im Bereich der Auftragsabwicklung als Partner benannt worden. Für die eigenverantwortliche Abwicklung im Sinne des Berufsrechtes habe der Mitbeteiligte auf ihm zugeteilte Mitarbeiter zurückgreifen können.

8 Laut dem vorgelegten Verzeichnis der Vertretertätigkeit sei der Mitbeteiligte überwiegend im Außendienst tätig gewesen. 9 Es sei dem Vorbringen des Mitbeteiligten, dass er überwiegend im Außendienst tätig gewesen sei, um Geschäftsabschlüsse herbeizuführen, zu folgen. Der Mitbeteiligte habe einen eigenen Klientenstock aufbauen müssen. Die Akquisition von Kunden sei die Grundvoraussetzung für das Tätigwerden als Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer. Das Herbeiführen von Geschäftsabschlüssen sei die Gewinnung von Klienten in den verschiedensten Bereichen des Berufsfeldes. Es sei unbestritten, dass dies mit Kundenbesuchen im Außendienst verbunden sei; bei wertmäßig hohen Geschäftsabschlüssen sei dies auch mit viel persönlichem Einsatz im Außendienst verbunden. Für die Vorbereitung und Nachbereitung habe der Mitbeteiligte auf Mitarbeiter zurückgreifen können, die Letztverantwortung habe aus berufsrechtlichen Gründen der Mitbeteiligte selbst getragen. 10 Es könne daher dem Mitbeteiligten insofern gefolgt werden, dass sein Außendienst im Jahr 2006 der Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen gedient habe, da er neu zum Partner bestellt worden sei und er kaum bestehende Mandate habe übernehmen können. 11 Zum Vorbringen des Finanzamts, eine Vertretertätigkeit sei mit dem Berufsbild des Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers nicht vereinbar, sei festzuhalten, dass der Vertreterbegriff nach der Judikatur als Ziel die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen definiere. Dies sei bei einem Steuerberater und Wirtschaftsprüfer mit der Akquisition von Klienten der Fall.

12 Da am Beginn der Partnerschaft der Verkauf der Produkte und Dienstleistungen - Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen - im Außendienst ausschließlich im Vordergrund gestanden sei, sei im Jahr 2006 von einer Vertretertätigkeit auszugehen.

13 Die Funktion als Geschäftsführer zweier Kapitalgesellschaften schade dem Mitbeteiligten nicht. Seine Geschäftsführungsbefugnis sei allgemein beschränkt gewesen. Im Jahr 2006 sei der Mitbeteiligte überwiegend in der Akquisition von Klienten tätig gewesen. Aus dem vom Mitbeteiligten vorgelegten Diagramm ergebe sich, dass die Geschäftsordnung X Österreich (u.a.) für beide Kapitalgesellschaften gelte, bei denen der Mitbeteiligte Geschäftsführer sei. Eine interne Beschränkung der Geschäftsführerbefugnisse für beide Gesellschaften sei daher gegeben gewesen. Dies werde durch die Bestätigung des Dienstgebers untermauert, die den Verkauf von Beratungsprojekten als Aufgabenbereich des Mitbeteiligten nenne. Die Außendiensttätigkeit habe dem Vertrieb neuer Produkte gedient.

14 Wegen der Beschränkung der Geschäftsführerbefugnisse und der Mitarbeit der zugeteilten Mitarbeiter sei dem Vorbringen des Mitbeteiligten zu folgen, dass seine Tätigkeiten, die nicht auf die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen gezielt hätten, im Streitjahr nur im völlig untergeordneten Ausmaß gegeben gewesen seien.

15 Da der Mitbeteiligte im Streitjahr überwiegend im Außendienst tätig gewesen sei, um Geschäftsabschlüsse zu tätigen, und nur in völlig untergeordnetem Ausmaß anderen Aufgaben nachgegangen sei, stehe ihm für dieses Jahr ein Vertreterpauschale zu. Der Berechtigungsumfang gemäß § 3 und 5 WTBG werde nicht als Einschränkung des Begriffes "Vertreter" verstanden, da auch ein Steuerberater bzw. Wirtschaftsprüfer Geschäftsabschlüsse tätige. Dies sei am Beginn einer Partnerschaft - ohne Übernahme eines entsprechenden Klientenstocks - vorrangig. Dass in diesem Zeitraum die anderen Tätigkeiten nur in völlig untergeordnetem Ausmaß wahrgenommen worden seien, sei auf Grund der zugeteilten Mitarbeiter glaubwürdig.

16 Anstelle des Pauschbetrages nach § 16 Abs. 3 EStG 1988 seien daher die pauschalen Werbungskosten für Vertreter in Höhe von 2.190 EUR zu gewähren. Dem Beschwerdebegehren sei daher in diesem Umfang Folge zu geben.

17 Die Revision sei zulässig, weil keine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer Außendiensttätigkeit eines Steuerberaters und Wirtschaftsprüfers, der einen Klientenstock aufbaue und den Bestimmungen des WTBG unterliege, bestehe. Ob berufsrechtliche Bestimmungen und der damit verbundene Aufwand einer Vertretertätigkeit entgegenstünden, sei höchstgerichtlich nicht entschieden.

18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts.

19 Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung eingebracht.

20 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

21 Gemäß § 17 Abs. 6 EStG 1988 können vom Bundesminister für Finanzen zur Ermittlung von Werbungskosten Durchschnittssätze für Werbungskosten im Verordnungswege für bestimmte Gruppen von Steuerpflichtigen nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis festgelegt werden.

22 Die Verordnung des Bundesministers für Finanzen über die Aufstellung von Durchschnittssätzen für Werbungskosten von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, in der hier anwendbaren Stammfassung BGBl. II Nr. 382/2001, lautet auszugsweise:

"§ 1. Für nachstehend genannte Gruppen von Steuerpflichtigen werden nach den jeweiligen Erfahrungen der Praxis anstelle des Werbungskostenpauschbetrages gemäß § 16 Abs. 3 EStG 1988 folgende Werbungskosten auf die Dauer des aufrechten Dienstverhältnisses festgelegt:

(...)

9. Vertreter

5% der Bemessungsgrundlage, höchstens 2 190 Euro jährlich.

Der Arbeitnehmer muss ausschließlich Vertretertätigkeit ausüben. Zur Vertretertätigkeit gehört sowohl die Tätigkeit im Außendienst als auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst. Von der Gesamtarbeitszeit muss dabei mehr als die Hälfte im Außendienst verbracht werden. (...)" 23 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist zum Begriff des Vertreters auf die Verkehrsauffassung abzustellen. Danach sind Vertreter Personen, die im Außendienst zum Zwecke der Anbahnung und des Abschlusses von Geschäften und zur Kundenbetreuung tätig sind (vgl. zuletzt , mwN). Eine andere Außendiensttätigkeit, deren vorrangiges Ziel nicht die Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen ist, ist keine Vertretertätigkeit (z.B. Kontroll- oder Inkassotätigkeit, beratende Tätigkeit; vgl. , mwN). Auch die für konkrete Aufträge erforderliche Tätigkeit im Innendienst gehört zur Vertretertätigkeit. Hiezu zählen etwa Abrechnungen mit Kunden, Nachweis des Arbeitseinsatzes, Einholung von Weisungen oder Entgegennahme von Waren (vgl. 2885 und 2994/80).

24 Der Vertreter muss eine ausschließliche Vertretertätigkeit ausüben. Eine völlig untergeordnete andere Tätigkeit steht der Inanspruchnahme des Vertreterpauschales allerdings nicht entgegen (vgl. , VwSlg. 8732/F; , 2012/15/0125, mwN).

25 Für die Anwendbarkeit der Verordnung und für die Zuerkennung des Vertreterpauschales ist nicht die Berufsgruppe maßgeblich, der der Arbeitgeber des Steuerpflichtigen angehört. Entscheidend ist, dass die vom Steuerpflichtigen ausgeübte Tätigkeit dem Tätigkeitsbild der in der Verordnung genannten Berufsgruppe (hier: Vertreter) entspricht (vgl. ).

26 In der Revision bleibt unbestritten, dass der Mitbeteiligte mehr als die Hälfte der Gesamtarbeitszeit im Außendienst verbracht hat. Geltend gemacht wird jedoch, das Bundesfinanzgericht habe sich mit dem "Inhalt der Tätigkeit" des Mitbeteiligten nicht ausreichend auseinandergesetzt und nicht überprüft, ob sie "überhaupt eine Vertretertätigkeit" gewesen sei.

27 Diese Kritik trifft zu, weil das Bundesfinanzgericht in der Begründung seiner Entscheidung zwar Argumenten des Finanzamts entgegengetreten ist, über die konkreten Abläufe im Arbeitsalltag des Mitbeteiligten im Streitzeitraum aber keine näheren Feststellungen getroffen hat. Dass die Außendiensttätigkeit der Herbeiführung von Geschäftsabschlüssen und dem Aufbau eines Klientenstocks gedient habe, wie das Bundesfinanzgericht nur sehr allgemein und auf der Grundlage zum Teil abstrakter Überlegungen statt konkreter Ermittlungsergebnisse darlegt, ist ohne nähere Feststellungen über die Umstände dieser Tätigkeit keine ausreichende Begründung für die Ansicht, es habe sich um eine solche gehandelt, die nach der Verkehrsauffassung nur als Vertretertätigkeit und nicht in einem für den Anspruch auf das strittige Pauschale schädlichen Ausmaß auch als Steuerberatung zu werten sei. Ebenso wenig hat das Bundesfinanzgericht konkrete Feststellungen zu den Tätigkeiten des Mitbeteiligten im Innendienst getroffen, sodass nicht beurteilt werden kann, ob es sich hiebei um Vertretertätigkeiten handelt.

28 In diesem Zusammenhang ist zu der vom Mitbeteiligten geltend gemachten Verschwiegenheitsverpflichtung zu bemerken, dass Pauschalierungsregelungen (wie auch die vorliegende) zwangsläufig Elemente einer Begünstigung enthalten (vgl. , VwSlg. 8422/F). Der eine Begünstigung in Anspruch nehmende Abgabenpflichtige hat aber selbst einwandfrei das Vorliegen all jener Umstände darzulegen, auf die die abgabenrechtliche Begünstigung gestützt werden kann (vgl. z.B. ; Ritz, BAO6, § 115 Tz 12, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Wie sich aus dem vom Mitbeteiligten vorgelegten Verzeichnis seiner Tätigkeiten ergibt, wurde ein Teil dieser Tätigkeiten auch im Fürstentum Liechtenstein erbracht. Auch daraus ergibt sich eine erhöhte Mitwirkungspflicht der Partei (vgl. Ritz, aaO, Tz 10), insbesondere über dort erbrachte - behauptete - Vertretertätigkeiten. Die Geheimhaltungspflicht des § 91 WTBG (jetzt § 80 WTBG 2017) dient nicht der Behinderung oder Erschwerung der Erhebung von Abgaben bei Wirtschaftstreuhändern. Es ist deren Aufgabe, durch gesteigerte Mitwirkung im Verfahren, aber auch schon bei Führung der Bücher und Aufzeichnungen sowie bei Gestaltung der Unterlagen und Belege und durch sonstige Vorleistungen die Verminderung amtswegiger Erhebungsmöglichkeiten der Behörde im Rahmen des Zumutbaren auszugleichen (vgl. , mwN).

29 Da konkrete Feststellungen zur Tätigkeit des Mitbeteiligten fehlen und damit auch eine abschließende rechtliche Beurteilung durch den Verwaltungsgerichtshof nicht möglich ist, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019130024.J00

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