VwGH vom 10.05.2021, Ro 2019/11/0014

VwGH vom 10.05.2021, Ro 2019/11/0014

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator sowie den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, vertreten durch die Graf & Pitkowitz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Stadiongasse 2, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zl. VGW-162/034/8232/2016-56, betreffend Befreiung vom Wohlfahrtsfonds (mitbeteiligte Partei: Dr. M R in W, vertreten durch Dr. Walter Fleissner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 21; weitere Partei: Wiener Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag des Revisionswerbers auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1Mit Schreiben vom richtete der Mitbeteiligte an den Revisionswerber folgenden Antrag:

„Ich bin seit 1987 Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Aerztekammer fuer Vorarlberg und habe dort bis jetzt ununterbrochen die vollen Beiträge einbezahlt. Ich war von 2009 bis Mai 2015 in Grossbritannien tätig und bin nun seit hier in Wien am H. Krankenhaus angestellt. Da ein Wechsel zum Wiener Wohlfahrtsfonds fuer mich einen grossen Nachteil bedeuten würde, bitte ich sie hoeflichst mich von der Mitgliedschaft in Wien zu befreien.“

2Mit Bescheid vom wies der Revisionswerber den „Antrag auf Befreiung von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien“ gemäß § 109 Ärztegesetz 1998 (ÄrzteG 1998) iVm § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien (im Folgenden auch kurz: Satzung) ab.

3In der Begründung wurde ausgeführt, die genannte Bestimmung der Satzung setze für die Befreiung den Nachweis der ordentlichen Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds einer anderen Landesärztekammer voraus. Diese Voraussetzung erfülle der Mitbeteiligte nicht, weil er seit Oktober 2009 nur außerordentliches Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg sei.

4Dagegen erhob der Mitbeteiligte Beschwerde und führte aus, er sei durch den genannten Bescheid in seinem subjektiven Recht, „von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gemäß § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung befreit zu werden“, verletzt. Er sei seit dem Jahr 1987 ununterbrochen Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg gewesen. Während seiner Tätigkeit im Vereinigten Königreich in den Jahren 2009 bis 2015 sei er zwar außerordentliches Mitglied des letztgenannten Wohlfahrtsfonds gewesen, habe dort aber laufend die regulären Beiträge eines ordentlichen Mitgliedes entrichtet. Bei richtiger Auslegung sei § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung dahin zu verstehen, dass die „Befreiung nicht auf ordentliche Mitglieder“ eines anderen Wohlfahrtsfonds beschränkt sei, sondern auch auf außerordentliche Mitglieder, wenn diese, wie der Mitbeteiligte, Beiträge in der Höhe eines ordentlichen Mitglieds entrichtet hätten.

5Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde nach durchgeführter mündlicher Verhandlung gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG Folge und sprach aus, dass der Mitbeteiligte gemäß § 112 Abs. 2 erster Fall ÄrzteG 1998 iVm § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für den Zeitraum vom bis „von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien befreit“ werde.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

6In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht (nach breiter Darstellung des Verfahrensganges) als maßgebenden Sachverhalt fest, der Mitbeteiligte sei als Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie zunächst vom bis zum in Vorarlberg ärztlich berufstätig und insoweit ordentliches Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg gewesen. Durch Bescheid des Verwaltungsausschusses des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg vom sei er außerordentliches Mitglied des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg („mit vollen Beiträgen“) geworden, zumal der Mitbeteiligte von 2009 bis 2015 im Vereinigten Königreich und anschließend seit in einem Wiener Krankenhaus als Arzt gearbeitet habe.

Nachdem sein Antrag auf Befreiung von der [offensichtlich durch die ärztliche Tätigkeit in Wien begründete] Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien mit dem eingangs erwähnten Bescheid vom wegen der bestehenden bloß außerordentlichen Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Vorarlberg abgewiesen worden sei, habe er die ärztliche Tätigkeit in Wien (vorübergehend) beendet und in Vorarlberg aufgenommen, sodass er von bis ordentlicher Kammerangehöriger und ordentliches Wohlfahrtsfondsmitglied der Ärztekammer für Vorarlberg gewesen sei.

Daraufhin habe er seine ärztliche Tätigkeit in einem Wiener Krankenhaus ab fortgesetzt und sei über Antrag ab diesem Zeitpunkt mit Bescheid vom gemäß § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien „von seiner Wiener Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft befreit“ worden.

7In der rechtlichen Beurteilung gelangte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe hier wesentlicher Bestimmungen des ÄrzteG 1998 (v.a. § 68, 109 und 112 leg. cit.) und der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien zu dem Ergebnis, dem Antrag des Mitbeteiligten sei gemäß § 112 Abs. 2 erster Fall ÄrzteG 1998 iVm. § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien stattzugeben gewesen.

8Dazu führte das Verwaltungsgericht (zusammengefasst) aus, der zweite Anwendungsfall des § 112 Abs. 2 ÄrzteG 1998 sehe eine Befreiungsmöglichkeit von der Beitragspflicht für ordentliche Kammerangehörige vor, denen „ein zumindest annähernd gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zu einem berufsständischen Versorgungswerk im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusteht“. Es dürfe in einem Fall wie dem vorliegenden, in welchem angesichts der ärztlichen Berufsausübung des Mitbeteiligten im Vereinigten Königreich ein Unionsrechtsbezug nicht verneint werden könne, keinen Unterschied machen, ob jemand (iSd. § 112 Abs. 2 zweiter Anwendungsfall ÄrzteG 1998) freiwillig seine soziale Absicherung (Ruhegenuss) durch die Zugehörigkeit zu einem berufsständischen Versorgungswerk in einem anderen EWR-Staat fortsetze (Hinweis auf Art. 14 Abs. 3 der Verordnung [EG] Nr. 883/2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, sowie auf ) oder ob er diese soziale Absicherung (iSd. § 112 Abs. 2 erster Anwendungsfall ÄrzteG 1998) durch die freiwillige Fortsetzung der Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer im Bundesgebiet gewährleiste, weil eine Differenzierung zwischen diesen beiden Fällen die Niederlassungs- bzw. Arbeitnehmerfreizügigkeit beeinträchtigen könnte.

9Auch wenn daher § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien als „Durchführungsverordnung“ (offenbar gemeint: zu § 112 Abs. 2 ÄrzteG 1998) für das, so das Verwaltungsgericht, „Ende der Mitgliedschaft (Befreiung von der Beitragspflicht)“ ausdrücklich die „ordentliche“ Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds einer anderen Landesärztekammer voraussetze, so sei diese Bestimmung bei „gesetzes- und verfassungskonformer“ Interpretation auch dann erfüllt, wenn - wie gegenständlich - die gleichwertige Absicherung durch eine freiwillige, während der Berufsausübung im EWR aufrecht erhaltene (außerordentliche) Mitgliedschaft zu einer österreichischen Landesärztekammer erfolge.

10Dem Antrag auf „Befreiung von der Wohlfahrtsfondsmitgliedschaft“ sei daher für den Zeitraum der Zugehörigkeit des Mitbeteiligten zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien ( bis ) stattzugeben gewesen.

11Die Zulässigkeit der Revision ergebe sich aus dem „offenkundigen Fehlen einschlägiger höchstgerichtlicher Judikatur zur betreffenden Fallkonstellation, die über den Einzelfall hinausreicht“.

12Dagegen richtet sich die vorliegende ordentliche Revision der belangten Behörde, zu welcher der Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.

13Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

14Die Revision führt zu ihrer Zulässigkeit ergänzend (u.a.) aus, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht von einem unionsrechtlichen Bezug des gegenständlichen Sachverhalts ausgegangen (Hinweis auf Judikatur des EuGH) und habe daher die Notwendigkeit der Gleichsetzung der beiden Befreiungstatbestände des § 112 Abs. 2 ÄrzteG 1998 zu Unrecht aus dem Unionsrecht abgeleitet. Es fehle Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit nach Rückkehr aus dem EWR in einem anderen österreichischen Bundesland überhaupt einen Unionsrechtsbezug verwirkliche und zur Anwendung der genannten Verordnung (EG) Nr. 883/2004 führen könne.

15Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den Fragen, ob der Befreiungstatbestand des § 112 Abs. 2 erster Anwendungsfall ÄrzteG 1998 auch dann zur Anwendung komme, wenn zum Wohlfahrtsfonds der „anderen“ Ärztekammer im Sinne dieser Bestimmung lediglich eine „außerordentliche“ Zugehörigkeit bestehe und ob (bejahendenfalls) auch § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung in diesem Sinne auszulegen sei, obwohl die letztgenannte Bestimmung nach ihrem Wortlaut ausdrücklich verlange, dass der Betreffende „ordentliches Mitglied“ des Wohlfahrtsfonds einer anderen Landesärztekammer ist.

16Die Revision ist zulässig, sie ist - im Ergebnis - auch begründet:

17Die hier maßgebenden Bestimmungen des ÄrzteG 1998 lauten:

2. Abschnitt

Ärztekammern in den Bundesländern

Einrichtung der Ärztekammern

§ 65. (1) Zur Vertretung des Ärztestandes ist für den räumlichen Bereich eines jeden Bundeslandes eine Ärztekammer eingerichtet. ...

...

Kammerangehörige

§ 68. (1) Einer Ärztekammer gehört als ordentlicher Kammerangehöriger jeder Arzt an, der

1.in die von der Österreichischen Ärztekammer geführte Ärzteliste gemäß § 4 eingetragen worden ist und

2.seinen Beruf im Bereich dieser Ärztekammer ausübt und

3.keine Alters- oder ständige Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds bezieht.

Bezieher einer Alters- oder ständigen Invaliditätsversorgung aus dem Wohlfahrtsfonds sind ordentliche Kammerangehörige, wenn sie auf Grund regelmäßiger ärztlicher Tätigkeit fortlaufend Beiträge zum Wohlfahrtsfonds und die Kammerumlage entrichten.

...

(3) Ärzte gemäß Abs. 1 und 2 haben sich zwecks Feststellung der Kammerzugehörigkeit innerhalb von vier Wochen nach Erhalt der Bestätigung über die Eintragung bei ihrer Ärztekammer zu melden.

(4) Die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer erlischt, wenn der Arzt

1.seinen Berufssitz (seine Berufssitze), seinen Dienstort (seine Dienstorte) oder, sofern es sich um einen Wohnsitzarzt handelt, seinen Wohnsitz (§ 47) in den Bereich einer anderen Ärztekammer verlegt hat oder

2.von der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 59 aus der Ärzteliste gestrichen worden ist.

Eine Verlegung des Dienstortes gemäß Z 1 liegt nicht vor, wenn der Arzt auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften, insbesondere auf Grund von Karenzierung und Dienstzuteilung, vorübergehend im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland ärztlich tätig wird.

(5) Ärzte, die nicht die Erfordernisse der Abs. 1 oder 2 erfüllen, sowie Amtsärzte können sich bei der Ärztekammer, in deren Bereich sie ihren Hauptwohnsitz haben, freiwillig als außerordentliche Kammerangehörige eintragen lassen.

...

3. Abschnitt

Wohlfahrtsfonds

Sondervermögen für Versorgungs- und Unterstützungszwecke

§ 96. (1) Der Wohlfahrtsfonds bildet ein zweckgebundenes Sondervermögen der Ärztekammer. Die Beschlussfassung über den Wohlfahrtsfonds obliegt der Erweiterten Vollversammlung.

...

(3) Aus den Mitteln des Wohlfahrtsfonds sind den Kammerangehörigen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Versorgungs- und Unterstützungsleistungen zu gewähren.

...

Beiträge zum Wohlfahrtsfonds

...

§ 109. (1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Übt ein Kammerangehöriger seinen Beruf im Bereich mehrerer Ärztekammern aus, so bleibt er Mitglied im Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer, in deren Bereich er zuerst die Berufstätigkeit aufgenommen hat, solange diese Tätigkeit in dem betreffenden Bundesland aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer oder im Ausland auf Grund dienstrechtlicher Vorschriften (§ 68 Abs. 4 letzter Satz) gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung. Nimmt er seine ärztliche Tätigkeit gleichzeitig im Bereich mehrerer Ärztekammern auf, so obliegt ihm die Wahl, zu welchem Wohlfahrtsfonds er seine Beiträge leistet.

...

§ 110. (1) Personen gemäß § 68 Abs. 5 dieses Bundesgesetzes sowie gemäß § 10 Abs. 2 des Zahnärztekammergesetzes (ZÄKG), BGBl. I Nr. 154/2005, können vom Verwaltungsausschuss über Antrag als außerordentliche Wohlfahrtsfondsmitglieder aufgenommen werden.

(2) Die Wohlfahrtsfondsbeiträge für die in Abs. 1 angeführten Personen sind in der Wohlfahrtsfondsbeitragsordnung festzusetzen.

...

Befreiung von der Beitragspflicht

§ 112. (1) ...

(2) Erbringt ein ordentlicher Kammerangehöriger den Nachweis darüber, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zum Wohlfahrtsfonds einer anderen Ärztekammer des Bundesgebietes oder ein zumindest annähernd gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs) Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zu einem berufsständischen Versorgungswerk im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusteht, wie dieser gegenüber dem Wohlfahrtsfonds besteht, wird er auf Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 109 befreit. Eine diesbezügliche, längstens bis zum rückwirkende Befreiung ist zulässig.

...

(6) Die Beitragsordnung hat zu regeln, wie die nach Maßgabe der Bestimmungen des § 115 nicht rückerstatteten Beiträge verwendet werden, wenn die Kammerangehörigkeit oder Beitragspflicht wieder entsteht. Bei Zuständigkeit und Leistungsverpflichtung einer anderen Ärztekammer gelten die Überweisungsbestimmungen des § 115 sinngemäß.

...

Verwaltung des Wohlfahrtsfonds

§ 113. (1) Die Verwaltung des Wohlfahrtsfonds ist von der Verwaltung des übrigen Kammervermögens getrennt zu führen und obliegt einem Verwaltungsausschuß, der sich zur Unterstützung eines Dritten bedienen darf.

...

§ 115. (1) Verlegt ein Kammerangehöriger seinen Berufssitz (Dienstort) dauernd in den Bereich einer anderen Ärztekammer oder Landeszahnärztekammer, ist ein Betrag in der Höhe von mindestens 70 vH der von ihm zum Wohlfahrtsfonds der bis her zuständigen Ärztekammer entrichteten Beiträge der nunmehr zuständigen Ärztekammer zu überweisen. Die für bestimmte Zwecke, insbesondere Bestattungsbeihilfe, Hinterbliebenenunterstützung und Krankenunterstützung, satzungsgemäß vorgesehenen Beitragsteile bleiben bei der Berechnung des Überweisungsbetrages außer Betracht. ...“

18Die hier relevanten Bestimmungen der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien lauten (auszugsweise):

Mitglieder des Wohlfahrtsfonds

§ 4

(1) Mitglieder des Wohlfahrtsfonds, im folgendem kurz „Fondsmitglieder“ genannt, sind

a)die ordentlichen Fondsmitglieder und

b)...

(2) Ordentliche Fondsmitglieder sind alle ordentlichen Kammerangehörigen, sofern sie nicht nach § 8 Abs. 1 lit. g) der Satzung von der Verpflichtung, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds zu leisten, befreit worden sind.

...

Befreiung von der Beitragspflicht

§ 7

...

Ende der Mitgliedschaft

§ 8

(1) Die Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds endet

...

g)über Antrag, wenn das Fondsmitglied nachweist, dass es ordentliches Mitglied des Wohlfahrtsfonds einer anderen Landesärztekammer ist; dies gilt nicht, wenn der ärztliche Beruf zuerst im Bereich der Ärztekammer für Wien bzw. der Landeszahnärztekammer für Wien aufgenommen wurde, solange diese Tätigkeit im Bereich der Ärztekammer für Wien bzw. der Landeszahnärztekammer für Wien weiterhin aufrecht ist. Eine Unterbrechung dieser Tätigkeit für weniger als sechs Monate sowie eine ärztliche Tätigkeit im Bereich einer anderen Ärztekammer bzw. einer anderen Landeszahnärztekammer oder im Ausland aufgrund dienst rechtlichen Vorschriften gilt diesbezüglich als ununterbrochene Berufsausübung,

...“

19Der vorliegende Revisionsfall ist dadurch gekennzeichnet, dass der dem Verfahren zugrunde liegende Antrag des Mitbeteiligten vom dahin lautete, ihn „von der Mitgliedschaft“ zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien „zu befreien“. Dementsprechend wird mit dem Bescheid des Revisionswerbers vom in seinem Spruch über diesen „Antrag auf Befreiung von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien“ abgesprochen. In der dagegen erhobenen Beschwerde erachtete sich der Mitbeteiligte wiederum im subjektiven Recht, „von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gemäß § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung befreit zu werden“, verletzt.

20Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom , 2002/11/0095, zur im Wesentlichen gleichlautenden Rechtslage betreffend eine ähnliche Fallkonstellation ausgeführt (Unterstreichungen im Original):

„Nach dem insoweit klaren Wortlaut des Spruchs des erstbehördlichen Bescheides wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers ‚um Befreiung von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien für die Zeit ab ‘ abgewiesen. Dieser abweisende Abspruch über den als Ansuchen auf Befreiung von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien gedeuteten Antrag des Beschwerdeführers - dieser Deutung tritt der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde nicht entgegen - bildete die ‚Sache‘ des Berufungsverfahrens. ...

Wer Kammerangehöriger einer Ärztekammer ist, ergibt sich aus § 68 Abs. 1 und 2 ÄrzteG 1998. Aus § 68 Abs. 4 ÄrzteG ergibt sich, unter welchen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zu einer Ärztekammer erlischt. Ob ein Arzt Mitglied einer Ärztekammer bzw. des Wohlfahrtsfonds einer solchen ist, ist als Vorfrage nicht nur dann zu beantworten, wenn ein Arzt Rechte in Anspruch nimmt, die nur Kammerangehörigen zustehen (z.B. Wahlrechte), sondern auch dann, wenn ihm Verpflichtungen auferlegt werden, die nur für Kammerangehörige bestehen, so z.B. bei der Vorschreibung von Umlagen und Wohlfahrtsfondsbeiträgen. Werden einem Arzt Wohlfahrtsfondsbeiträge vorgeschrieben, obwohl er nicht Mitglied der entsprechenden Ärztekammer ist, hat er die Möglichkeit, die Vorschreibung dieser Beiträge - letztlich durch Beschwerde an die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts - zu bekämpfen und dabei eine unzutreffende Beantwortung der Vorfrage seiner Mitgliedschaft zur Ärztekammer bzw. seiner Verpflichtung zur Entrichtung von Beiträgen an einen Wohlfahrtsfonds zu rügen.

Das ÄrzteG 1998 (sowohl in der Fassung vor der 2. Ärztegesetz-Novelle als auch in der Fassung dieser Novelle) sieht hingegen - ebenso wie die Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien - keine Befreiung von der Mitgliedschaft zur Kammer oder zum Wohlfahrtsfonds durch Bescheid, mithin durch konstitutiven Akt, vor. Weder die in § 111 ÄrzteG 1998 vorgesehene Ermäßigung der Fondsbeiträge noch die in § 112 ÄrzteG vorgesehene Befreiung von der Beitragspflicht ermöglichen eine Befreiung von der Mitgliedschaft zur Kammer bzw. zum Wohlfahrtsfonds, sie setzen eine solche vielmehr notwendigerweise voraus.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Befreiung vom Wohlfahrtsfonds in demjenigen Verständnis, das ihm die belangte Behörde beigemessen hat (und dem der Beschwerdeführer auch nicht entgegentritt), erweist sich vor diesem rechtlichen Hintergrund als unzulässiger Antrag. Die belangte Behörde hätte ebenso wie die Erstbehörde diesen Antrag als unzulässig zurückweisen müssen. Indem sie den Antrag - ohne dass hiefür eine gesetzliche Grundlage bestünde - meritorisch behandelte und in der Sache abwies, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.

Nach seiner ständigen Rechtsprechung hat freilich der Verwaltungsgerichtshof den angefochtenen Bescheid nur im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte zu prüfen (vgl. die bei Mayer, B-VG3 (2002) § 28 VwGG V. angegebene hg. Rechtsprechung). In dem vom Beschwerdeführer ausschließlich und unmissverständlich geltend gemachten, oben (Pkt. 1.2.) wiedergegebenen Recht ist er nach dem bisher Gesagten durch den rechtswidrigen inhaltlichen Abspruch über seinen Antrag auf Befreiung von der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien jedoch nicht verletzt worden.

Die Beschwerde war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, ohne dass auf die Frage eingegangen zu werden brauchte, ob das Ärztegesetz 1998 ein subjektives Recht auf Feststellung des Nichtvorliegens eines die Zwangsmitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds einer Ärztekammer auslösenden Beschäftigungsverhältnisses überhaupt einräumt.“

21Auch im vorliegenden Revisionsfall war „Sache“ des Verfahrens vor der belangten Behörde der Antrag des Mitbeteiligten auf „Befreiung von der Mitgliedschaft“ zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien, den die belangte Behörde - als solchen - meritorisch behandelt und gemäß § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung abgewiesen hat (dass der Antrag des Mitbeteiligten keine andere Deutung - etwa als Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds - zuließ, ergibt sich nicht zuletzt durch die Bezeichnung des erwähnten Beschwerdepunkts).

22Indem daher das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis den Mitbeteiligten „von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Wien“ befreite, sprach es über eine andere Sache ab und verkannte dabei, dass der auf Befreiung „von der Mitgliedschaft“ zum Wohlfahrtsfonds, also auf Rechtsgestaltung gerichtete Antrag des Mitbeteiligten vom vor dem Hintergrund der Ausführungen im zitierten Erkenntnis 2002/11/0095 als unzulässig zurückzuweisen gewesen wäre, woran nach dem Gesagten § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung („Die Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds endet über Antrag“) nichts ändert.

23Da sohin das Begehren des Mitbeteiligten ausschließlich auf Rechtsgestaltung gerichtet war, kann dahingestellt bleiben, ob, wie in den Schlussausführungen des letztzitierten Erkenntnisses angedeutet wurde, die Frage der Beendigung der Mitgliedschaft zum Wohlfahrtsfonds erforderlichenfalls einem Feststellungsbegehren zugänglich wäre.

24Vor diesem Hintergrund erübrigen sich auch Ausführungen dazu, wie das Verwaltungsgericht bei der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation über einen (hypothetischen) Antrag des Mitbeteiligten auf Befreiung von der Beitragspflicht hätte absprechen müssen (wobei doch darauf hinzuweisen ist, dass für einen solchen Antrag einerseits der - das Ende der Mitgliedschaft regelnde - § 8 Abs. 1 lit. g der Satzung nicht einschlägig wäre und andererseits der maßgebende § 112 Abs. 2 ÄrzteG 1998 für die Befreiung von der Beitragspflicht nicht voraussetzt, dass der Betreffende „ordentliches“ Mitglied des Wohlfahrtsfonds der „anderen“ Ärztekammer des Bundesgebietes bzw. eines berufsständischen Versorgungswerkes im EWR ist; vgl. zur letztgenannten Bestimmung insbesondere ).

25Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

26Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 47 Abs. 4 VwGG iVm. Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG.

Wien, am

Zusatzinformationen


Tabelle in neuem Fenster öffnen
ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2021:RO2019110014.J00

Dieses Dokument entstammt dem Rechtsinformationssystem des Bundes.