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VwGH vom 24.04.2019, Ro 2019/11/0004

VwGH vom 24.04.2019, Ro 2019/11/0004

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des Dr. S Z in W, vertreten durch Dr. Daniel Stanonik, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salztorgasse 2/8, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W170 2210811-1/2E, betreffend Unzuständigkeit zur Behandlung einer Beschwerde i.A. Streichung aus der Ärzteliste (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsident der Österreichischen Ärztekammer), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit Bescheid vom stellte die mitbeteiligte Partei fest, dass der Revisionswerber nicht über die gemäß § 4 Abs. 2 Z 3 ÄrzteG 1998 zur Erfüllung der ärztlichen Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung verfüge. Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs sei somit gemäß § 59 Abs. 1 Z 1 des Ärztegesetzes 1998 (ÄrzteG 1998) erloschen und der Revisionswerber aus der Ärzteliste zu streichen. In der Rechtsmittelbelehrung wurde auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen. 2 Der Revisionswerber erhob Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

3 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 31 Abs. 1 VwGVG wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurück.

4 Das Bundesverwaltungsgericht begründet seinen Beschluss, auf das Wesentliche zusammengefasst, damit, das ÄrzteG 1998 stütze sich im vorliegenden Zusammenhang auf den Kompetenztatbestand "Gesundheitswesen" gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 12 B-VG, der einer Besorgung unmittelbar durch Bundesbehörden nicht zugänglich sei. Bei der Vollziehung des ÄrzteG 1998 durch den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes handle es sich um keine Besorgung einer Angelegenheit der Bundesvollziehung iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG, weshalb eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes nicht bestehe. 5 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende, vom Bundesverwaltungsgericht gemeinsam mit den Akten des Verfahrens und einer Revisionsbeantwortung der belangten Behörde vorgelegte Revision. Die Revision vertritt zusammengefasst den Standpunkt, der Präsident der Österreichischen Ärztekammer sei, wenn er im übertragenen Wirkungsbereich des Bundes zur Bescheiderlassung berufen werde, als Bundesbehörde anzusehen. Im Übrigen komme die Zurückweisung der Beschwerde einer unzulässigen Verweigerung einer Sachentscheidung gleich.

6 Die belangte Behörde trat in ihrer Revisionsbeantwortung hinsichtlich der Zuständigkeit der Auffassung der Revision bei. 7 Mit Erkenntnis vom , G 242/2018-16, hat der Verfassungsgerichtshof - über Anträge des Verwaltungsgerichtshofes und des Bundesverwaltungsgerichtes in mehreren Anlassverfahren - im ÄrzteG 1998 idF. BGBl. I Nr. 56/2015 folgende Teile als verfassungswidrig aufgehoben:

§ 27 Abs. 10, die Wort- und Zeichenfolge "1 und" in § 59 Abs. 3 Z 1, § 59 Abs. 3 Z 2, die Wort- und Zeichenfolgen "1 und" und "2", "§ 4 Abs. 2 oder" und "Eintragung in die oder" in § 117c Abs. 1 Z 6 und die Wort- und Zeichenfolge "10 und" in § 125 Abs. 4.

Die Aufhebung trete mit Ablauf des in Kraft.

Die Kundmachung des Bundeskanzlers gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG erfolgte mit BGBl. I Nr. 28/2019.

8 Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Entscheidung - auf das Wesentliche zusammengefasst - wie folgt:

Ein mit hoheitlichen Aufgaben betrauter Selbstverwaltungskörper sei iSd. Art. 120b Abs. 2 B-VG ausdrücklich an Weisungen des zuständigen obersten Organs der Vollziehung zu binden (Hinweis VfSlg. 17.023). Da § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 eine Weisungsbefugnis des (zuständigen) Landeshauptmannes nicht ausdrücklich anordne, eine solche vielmehr ausdrücklich (nur) dem Bundesminister für Gesundheit (jetzt:

Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz) zuweise, könne eine unausgesprochene Zuständigkeit des Landeshauptmannes, die im Ergebnis eine Besorgung von Aufgaben der Bundesverwaltung in Unterordnung unter diesen und damit in mittelbarer Bundesverwaltung bewirken würde, nicht angenommen werden. Da das ÄrzteG 1998 normiere, dass der Präsident der Österreichischen Ärztekammer die Eintragung in die und die Streichung aus der Ärzteliste - als eine Angelegenheit des Gesundheitswesens - nur unter Bindung an Weisungen des zuständigen Bundesministers vollziehe, umgehe es den in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung zentralen Landeshauptmann schlechthin. Dies wäre nur mit Zustimmung der beteiligten Länder gemäß Art. 102 Abs. 4 B-VG zulässig. Da eine solche Zustimmung fehle, erweise sich die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion als ein Eingriff in das System der mittelbaren Bundesverwaltung (Hinweis VfSlg. 11.403). Ein solcher Eingriff sei verfassungsrechtlich nicht zulässig und belaste die aufgehobenen Passagen des ÄrzteG 1998 mit Verfassungswidrigkeit. 9 Zur Herstellung eines Rechtszustands, gegen den die geltend gemachten Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit nicht bestehen, genüge die Aufhebung der im Spruch genannten Passagen des ÄrzteG 1998. § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 normiere hingegen iSd. Art. 120b Abs. 2 B-VG die Bindung an Weisungen des zuständigen obersten Verwaltungsorgans für Angelegenheiten, die die Österreichische Ärztekammer im übertragenen Wirkungsbereich vollziehe. Durch die Aufhebung der Zuständigkeitszuweisung zur Eintragung in die und die Streichung aus der Ärzteliste sei ein verfassungskonformer Zustand hergestellt. Diese dem Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom Ärztegesetzgeber übertragenen Aufgaben seien - in der durch den Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes fortgeltenden Fassung (Hinweis auf Art. 140 Abs. 7 B-VG) - der unmittelbaren Bundesverwaltung zuzurechnen, woraus im Fall der Bekämpfung von Akten der Vollziehung die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes folge (Hinweis auf Art. 131 Abs. 2 B-VG und VfSlg. 19.953).

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Revision erwogen:

11 1. Im Revisionsfall ist das ÄrzteG 1998 idF. BGBl. I Nr. 59/2018 maßgebend. Seit der dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom zugrundeliegenden Fassung BGBl. I Nr. 56/2015, auf die sich die Aufhebungen beziehen, sind Änderungen der im Folgenden wiedergegebenen einschlägigen Bestimmungen nicht erfolgt. Diese Bestimmungen des ÄrzteG 1998 lauten (auszugsweise; die vom Verfassungsgerichtshof mit Ablauf des aufgehobenen Passagen sind unterstrichen):

"Erfordernisse zur Berufsausübung

§ 4. (1) Zur selbständigen Ausübung des ärztlichen Berufes als approbierter Arzt, als Arzt für Allgemeinmedizin oder als Facharzt bedarf es, unbeschadet der § 34 bis 37, des Nachweises der Erfüllung der nachfolgend angeführten allgemeinen und besonderen Erfordernisse sowie der Eintragung in die Ärzteliste.

(2) Allgemeine Erfordernisse im Sinne des Abs. 1 sind

...

3. die zur Erfüllung der Berufspflichten erforderliche gesundheitliche Eignung,

...

Ärzteliste und Eintragungsverfahren

§ 27. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) jedenfalls mit folgenden Daten zu führen:

...

(9) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse, so hat ihn die Österreichische Ärztekammer in die Ärzteliste einzutragen und ihm einen mit seinem Lichtbild versehenen Ausweis (Ärzteausweis)

auszustellen. ... .

(10) Erfüllt der Eintragungswerber die für die Art der Berufsausübung vorgeschriebenen Erfordernisse nicht, so hat der Präsident der Österreichischen Ärztekammer dies im Rahmen des Verfahrens gemäß § 117c Abs. 1 Z 6 mit Bescheid festzustellen.

...

Erlöschen und Ruhen der Berechtigung zur Berufsausübung, Streichung aus der Ärzteliste

§ 59. (1) Die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufes erlischt:

1. durch den Wegfall einer für die ärztliche Berufsausübung erforderlichen Voraussetzung,

2. wenn hervorkommt, daß eine für die Eintragung in die Ärzteliste erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht bestanden hat,

3. auf Grund einer länger als sechs Monate dauernden Einstellung der Berufsausübung, wobei

...

4. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Berufsausübung befristet untersagt worden ist,

5. auf Grund eines Disziplinarerkenntnisses, mit dem die Streichung aus der Ärzteliste ausgesprochen worden ist, oder

6. auf Grund eines Verzichtes auf die Berufsausübung.

...

(3) Der Präsident der Österreichischen Ärztekammer hat im Rahmen eines Verfahrens gemäß § 117b Abs. 1 oder § 117c Abs. 1

1. in den Fällen des Abs. 1 Z 1 und 5 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

2. im Fall des Abs. 1 Z 2 mit Bescheid festzustellen, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht bestanden hat und die Streichung aus der Ärzteliste zu veranlassen;

...

Übertragener Wirkungsbereich

§ 117c. (1) Die Österreichische Ärztekammer hat im übertragenen Wirkungsbereich folgende Aufgaben wahrzunehmen:

...

6. Durchführung von Verfahren zur Prüfung des Vorliegens oder Nichtvorliegens der Erfordernisse gemäß § 4 Abs. 2 oder§ 59 Abs. 1 Z 1 und 2 für die damit verbundene Eintragung in die oder Austragung aus der Ärzteliste,

...

Präsident und Vizepräsidenten

§ 125.

...

(4) Der Präsident leitet die Geschäfte und fertigt die Geschäftsstücke. Er entscheidet mit Bescheid in den Verfahren gemäß § 15 Abs. 6, § 27 Abs. 10 und 11 und § 59 Abs. 3 sowie gemäß § 4 Abs. 3 Z 3 ÄsthOpG. ... .

...

Weisungsrecht gegenüber der Österreichischen Ärztekammer

§ 195f. (1) Die Österreichische Ärztekammer sowie Dritte, derer sich die Österreichische Ärztekammer zur Aufgabenerfüllung bedient, sind im übertragenen Wirkungsbereich bei der Vollziehung der Angelegenheiten einschließlich der Erlassung von Verordnungen an die Weisungen des Bundesministers für Gesundheit gebunden.

..."

12 2. Die Revision ist mangels einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte in Angelegenheiten der Führung der Ärzteliste in den Nichtanlassfällen zum Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom , G 242/2018, zulässig. 13 3. Die Revision ist im Ergebnis begründet.

14 3.1. Gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG ist ein wegen Verfassungswidrigkeit aufgehobenes Gesetz auf die vor der Aufhebung verwirklichten Tatbestände - mit Ausnahme des Anlassfalls - weiter anzuwenden.

15 Der Revisionsfall ist kein Anlassfall. Er ist folglich auf der Grundlage der oben wiedergegebenen, bis zum Inkrafttreten der Aufhebung unanfechtbaren, Rechtslage zu entscheiden. 16 3.2. Es ist davon auszugehen, dass § 195f Abs. 1 ÄrzteG 1998 den Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer (die belangte Behörde) in Angelegenheiten des übertragenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer nicht dem Landeshauptmann, sondern nur dem zuständigen Bundesminister unterstellt (so auch der Verfassungsgerichtshof im aufhebenden Erkenntnis , G 242/2018).

17 Die Feststellung mit Bescheid, dass die Berechtigung zur Ausübung des ärztlichen Berufs nicht besteht, sowie die Streichung aus der Ärzteliste (§ 59 Abs. 3 ÄrzteG 1998) zählen - bis zum Inkrafttreten der Aufhebung - (weiterhin) zu den Aufgaben des übertragenen Wirkungsbereichs der Österreichischen Ärztekammer. 18 Der Verwaltungsgerichtshof hat sich bereits bisher der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes, ein Fall der unmittelbaren Bundesverwaltung könne auch dann vorliegen, wenn ein Organ eines anderen Rechtsträgers als des Bundes tätig werde ("bundesnahe" Organe; vgl. VfSlg. 19.953) angeschlossen und gefolgert, dass die hoheitliche Besorgung von Aufgaben der Bundesvollziehung (etwa durch Erlassung von Bescheiden) durch Organe eines nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers grundsätzlich auch in einer Weise in Betracht komme, die als Besorgung "unmittelbar durch Bundesbehörden" iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG zu verstehen sei. Eine solche liege dann vor, wenn die hoheitliche Besorgung von Aufgaben der Bundesvollziehung durch das Organ eines "bundesnahen" nichtgemeindlichen Selbstverwaltungskörpers ohne Einbindung des Landeshauptmanns (als wesentliches Element der mittelbaren Bundesverwaltung) erfolge (vgl. ). 19 Der Revisionsfall gibt keinen Anlass, von dieser Auffassung abzugehen.

20 Der Beschluss des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer vom (der belangten Behörde) ist folglich als Tätigwerden im übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer in unmittelbarer Unterordnung unter den zuständigen Bundesminister und damit als Tätigwerden in einer Angelegenheit der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von einer Bundesbehörde besorgt wird, iSd. Art. 131 Abs. 2 B-VG zu qualifizieren (vgl. erneut das aufhebende Erkenntnis ). Für die Entscheidung über die Beschwerde dagegen ist somit das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

21 3.3. Der angefochtene Beschluss war aus diesen Erwägungen gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

22 4. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die § 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019110004.J00

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