VwGH vom 26.05.2020, Ro 2019/11/0001
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick und den Hofrat Dr. Grünstäudl, die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des Finanzamts St. Veit Wolfsberg in Wolfsberg, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom , Zl. KLVwG-208/7/2018, betreffend eine Übertretung nach dem LSD-BG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt; mitbeteiligte Partei: A R in L (Deutschland), vertreten durch CMS Reich-Rohrwig Hainz Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Gauermanngasse 2), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
11.1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe es als gemäß § 9 VStG nach außen vertretungsbefugtes Organ der B GmbH zu verantworten, dass diese als Beschäftiger eines namentlich genannten, ihr grenzüberschreitend überlassenen slowenischen Arbeitnehmers Lohnunterlagen während der Dauer seiner Beschäftigung in Österreich nicht bereitgehalten und auch nicht unmittelbar vor Ort in elektronischer Form zugänglich gemacht habe. Dadurch habe der Mitbeteiligte § 22 Abs. 1 und 2 Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz - LSD-BG verletzt, weswegen über ihn gemäß § 28 Z 3 LSD-BG eine Geldstrafe und eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt werde.
21.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge, hob das angefochtene Straferkenntnis auf, stellte das Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.
3Das Verwaltungsgericht stellte - soweit hier maßgeblich - fest, die A d.o.o., eine slowenische Firma, habe den genannten Arbeitnehmer zur Erbringung von Arbeitsleistungen der B GmbH überlassen, welche diesen im Rahmen der grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung in Österreich beschäftigt habe. Bei der Kontrolle durch die Finanzpolizei seien der Arbeitsvertrag, Lohnzettel und Teile der Arbeitszeitaufzeichnungen „vor Ort“ gewesen. Lohnaufzeichnungen, Unterlagen für die Lohneinstufung und näher bezeichnete Teile der Arbeitszeitaufzeichnungen seien hingegen nicht bereitgehalten oder in elektronischer Form zugänglich gemacht worden. Von der A d.o.o. seien der B GmbH nur jene Lohnunterlagen, die vom Beschäftiger bei der Kontrolle vor Ort bereitgehalten worden seien, nachweislich bereitgestellt worden, nicht hingegen die zuvor genannten fehlenden Lohnunterlagen. Unterlagen, die einer Lohneinstufung dienlich seien, seien von der B GmbH bei der A d.o.o. nicht „nachgefragt“ worden.
4Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, für die Nichtbereithaltung oder Nichtzugänglichmachung der Lohnunterlagen von grenzüberschreitend überlassenen Arbeitnehmern sei gemäß § 28 Z 3 LSD-BG ausschließlich der Beschäftiger strafbar. Diese Strafbarkeit setze jedoch tatbestandsmäßig die Bereitstellung durch den Überlasser voraus. Dies ergebe sich „aus dem verwiesenen Zusammenhang mit § 22 Abs. 2 LSD-BG“. Habe der inländische Beschäftiger die Unterlagen nicht erhalten oder seien die erhaltenen Unterlagen nicht vollständig, sei der Beschäftiger gemäß § 28 Z 3 LSD-BG nicht strafbar, da keine Aufforderungs- oder Kontrollpflicht gegenüber dem Überlasser normiert sei und der genannte Straftatbestand nur die Nichtbereithaltung erhaltener Lohnunterlagen umfasse. Strafbar sei hingegen gemäß § 28 Z 2 LSD-BG der Überlasser. Da im vorliegenden Fall der Nachweis, dass der Überlasser dem Beschäftiger die Lohnunterlagen bereitgestellt habe, nicht gegeben sei, sei der Mitbeteiligte nicht strafbar.
5Die Revision sei zulässig, da Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob auch „bei nicht nachweislicher Bereitstellung der Lohnunterlagen nach § 22 Abs. 1 LSD-BG“ durch den Überlasser der Beschäftiger strafbar sei, der Straftatbestand des § 28 Z 3 LSD-BG also auch die Nichtbereithaltung von nicht erhaltenen Lohnunterlagen umfasse.
61.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.
7Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
82.1.Die § 7d und 7i Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz - AVRAG, BGBl. Nr. 459/1993, in der Fassung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG, BGBl. I Nr. 24/2011, lauteten (auszugsweise):
„Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen
§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 haben jene Unterlagen, die zur Überprüfung des dem/der Arbeitnehmer/in nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlich sind (Lohnunterlagen), in deutscher Sprache für die Dauer der Beschäftigung der Arbeitnehmer/innen am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Verlangen binnen 24 Stunden nachweislich zu übermitteln.
(2) Hat der/die Arbeitgeber/in im Sinne des § 7b Abs. 1 eine/n Beauftragte/nach § 7b Abs. 1 Z 4 bestellt, so trifft die Verpflichtung nach Abs. 1 diese/n. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die Beschäftiger/in, wobei der/die Überlasser/in dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen bereitzustellen hat.“
„Strafbestimmungen
§ 7i. ...
(2) Wer als Arbeitgeber/in im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 oder als Beauftragte/r im Sinne des § 7b Abs. 1 Z 4 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält oder als Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht bereitstellt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen.
...“
9In den Gesetzesmaterialien (RV 1076 BlgNR 24. GP 5) wird dazu ausgeführt:
„Die § 7d bis 7m enthalten eine Reihe von Maßnahmen, um Lohn- und Sozialdumping hintanzuhalten.
So verpflichtet § 7d den/die Arbeitgeber/in im Sinne des § 7, § 7a Abs. 1 oder des § 7b Abs. 1 im Fall einer Entsendung, die zur Ermittlung des dem/der Arbeitnehmer/in nach österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts erforderlichen Unterlagen in deutscher Sprache - wie auch bereits Unterlagen nach § 7b Abs. 5 AVRAG - am Arbeits(Einsatz)ort bereit zu halten. Wurde ein/e Beauftragte/r nach § 7b Abs. 1 Z 4 bestellt, so trifft diese/n diese Verpflichtung. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung aus Drittstaaten oder aus dem EWR-Raum trifft diese Verpflichtung den/die Beschäftiger/in, wobei der/die Überlasser/in dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen bereit zu stellen hat. Ist die Bereithaltung am Arbeits(Einsatz)ort etwa wegen der Beschaffung des Arbeits(Einsatz)ortes nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und auf Verlangen eines Organs der Abgabenbehörde nachweislich (z.B. mittels Einschreiben mit Rückschein) binnen 24 Stunden zu übermitteln; die Beweislast trifft die Person, die zur Bereithaltung der Unterlagen verpflichtet ist. Die Unterlagen sind für die Dauer der Beschäftigung in Österreich bereit zu halten. Ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen stellt eine Verwaltungsübertretung dar (siehe § 7i Abs. 2). ...“
102.2. Die § 7d und 7i AVRAG in der Fassung des Arbeits- und Sozialrechts-Änderungsgesetzes 2014 (ASRÄG 2014), BGBl. I Nr. 94/2014, lauteten (auszugsweise):
„Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen
§ 7d. (1) Arbeitgeber/innen im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 haben während des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 7b Abs. 4 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel (§ 7b Abs. 1 Z 4), Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem/der entsandten Arbeitnehmers/in für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten, auch wenn die Beschäftigung des/der einzelnen Arbeitnehmers/in in Österreich früher geendet hat. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten. Ist die Bereithaltung der Unterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht zumutbar, sind die Unterlagen jedenfalls im Inland bereitzuhalten und der Abgabenbehörde auf Aufforderung nachweislich zu übermitteln, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktags abzusenden sind. Für die Übermittlung gebührt kein Ersatz der Aufwendungen.
(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen den/die inländische/n Beschäftiger/in. Der/Die Überlasser/in hat dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen.“
„Strafbestimmungen
§ 7i. ...
(4) Wer als
1.Arbeitgeber/in im Sinne der § 7, 7a Abs. 1 oder 7b Abs. 1 und 9 entgegen § 7d die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder
2.Überlasser/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen dem/der Beschäftiger/in nicht nachweislich bereitstellt, oder
3.Beschäftiger/in im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 7d Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jede/n Arbeitnehmer/in mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer/innen betroffen, für jede/n Arbeitnehmer/in von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.
...“
11In den Gesetzesmaterialien (RV 319 BlgNR 25. GP 7 f, 11 f) wird dazu ausgeführt:
„Zu § 7d AVRAG:
Das Regierungsprogramm für die XXV. Gesetzgebungsperiode sieht im Bereich der Lohn- und Sozialdumpingbekämpfung unter anderem die ‚Verschärfung hinsichtlich der Bereithaltung von Lohnunterlagen‘ vor.
...
Weiters wird in Abs. 2 zweiter Satz die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen auf den/die inländische/n Beschäftiger/in eingeschränkt, was im Einklang mit den neuen § 7a Abs. 1 letzter Satz und 7b Abs. 1 letzter Satz AVRAG steht, wonach der/die ausländische Beschäftiger/in in Bezug auf die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen als Arbeitgeber/in gilt und damit bereits ein Anwendungsfall des Abs. 1 vorliegt. Schließlich hat der/die Überlasser/in dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen, um etwa Beweisproblemen, die im vorsätzlichen Zusammenwirken von Überlasser/in und Beschäftiger/in ausgenützt werden können, entgegenzuwirken.
...
Zu § 7i AVRAG:
...
Abs. 4 betrifft - anstelle des derzeitigen Abs. 2 - das Nicht-Bereithalten von Lohnunterlagen bzw. das Nicht-Bereitstellen durch den/die Überlasser/in. Dabei werden die Strafrahmen an jene des § 7i Abs. 5 AVRAG betreffend Unterentlohnung angeglichen. In der Praxis hat sich nämlich gezeigt, dass Arbeitgeber/innen oftmals eine Anzeige wegen des mit einer wesentlich geringeren Strafe bedrohten Tatbestands des Nicht-Bereithaltens von Lohnunterlagen in Kauf genommen haben, um Unterentlohnungen zu ‚verschleiern‘, weil ohne diese Lohnunterlagen eine erfolgversprechende Anzeige wegen Lohndumping de facto regelmäßig nicht möglich ist. Mit der Anhebung der Strafrahmen entfällt die Möglichkeit eines solch ‚günstigen Freikaufens‘. Konsequenterweise wird für die Strafandrohung - wie bei der Unterentlohnung - auf jede/n Arbeitnehmer/in abgestellt. Weiters wird die Strafdrohung gegenüber dem/der Überlassers/in entsprechend der nach § 7d Abs. 2 AVRAG vorgesehenen Verpflichtung des/der Überlassers/in, dem/der Beschäftiger/in die Unterlagen nachweislich bereitzustellen, angepasst. Darüber hinaus wird auch das Nicht-Bereithalten von Lohnunterlagen durch den/die Beschäftiger/in unter Strafe gestellt. Schließlich erfolgt der besseren Lesbarkeit wegen eine Gliederung des Absatzes in Ziffern. ...“
122.3. Die im Revisionsfall maßgeblichen Bestimmungen des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes - LSD-BG, BGBl. I Nr. 44/2016, lauten (auszugsweise):
„Erhebungen der Abgabenbehörden
§ 12. (1) Die Abgabenbehörden sind berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den § 21 und 22 zu überwachen sowie in Bezug auf Arbeitnehmer mit gewöhnlichem Arbeitsort außerhalb Österreichs, die nicht dem ASVG unterliegen, die zur Kontrolle des unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien zustehenden Entgelts (Lohnkontrolle) im Sinne des § 29 erforderlichen Erhebungen durchzuführen und
...
3.in die zur Erhebung erforderlichen Unterlagen (§§ 21 und 22) Einsicht zu nehmen, Ablichtungen dieser Unterlagen anzufertigen und die Übermittlung dieser Unterlagen zu fordern, wobei die Unterlagen bis zum Ablauf des der Aufforderung zweitfolgenden Werktages abzusenden sind. ...
...
Bereithaltung von Lohnunterlagen
§ 22. (1) Arbeitgeber im Sinne der § 3 Abs. 2, 8 Abs. 1 oder 19 Abs. 1 haben während der Dauer der Beschäftigung (im Inland) oder des Zeitraums der Entsendung insgesamt (§ 19 Abs. 3 Z 6) den Arbeitsvertrag oder Dienstzettel im Sinne der Richtlinie 91/533 des Rates über die Pflicht des Arbeitgebers zur Unterrichtung des Arbeitnehmers über die für seinen Arbeitsvertrag oder sein Arbeitsverhältnis geltenden Bedingungen, Lohnzettel, Lohnzahlungsnachweise oder Banküberweisungsbelege, Lohnaufzeichnungen, Arbeitszeitaufzeichnungen und Unterlagen betreffend die Lohneinstufung zur Überprüfung des dem entsandten Arbeitnehmer für die Dauer der Beschäftigung nach den österreichischen Rechtsvorschriften gebührenden Entgelts in deutscher Sprache, ausgenommen den Arbeitsvertrag, am Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder diese den Abgabebehörden oder der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich zu machen, auch wenn die Beschäftigung des einzelnen Arbeitnehmers in Österreich früher geendet hat. Der Arbeitsvertrag ist entweder in deutscher oder in englischer Sprache bereitzuhalten. Bei innerhalb eines Arbeitstages wechselnden Arbeits(Einsatz)orten sind die Lohnunterlagen am ersten Arbeits(Einsatz)ort bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Ein Beschäftiger, der einen Arbeitnehmer zu einer Arbeitsleistung nach Österreich entsendet, gilt in Bezug auf die Verpflichtung nach dieser Bestimmung als Arbeitgeber. § 21 Abs. 2 findet sinngemäß Anwendung. Bei mobilen Arbeitnehmern im Transportbereich sind die vorgenannten Unterlagen bereits ab der Einreise in das Bundesgebiet im Fahrzeug bereitzuhalten oder in elektronischer Form zugänglich zu machen. Im Fall eines mobilen Arbeitnehmers im Transportbereich sind nur die Z 2 und 3 des § 21 Abs. 2 sinngemäß anzuwenden.
(2) Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung trifft die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen nach Abs. 1 den inländischen Beschäftiger. Der Überlasser hat dem Beschäftiger die Lohnunterlagen nach Abs. 1 nachweislich bereitzustellen.
...
Vereitelungshandlungen im Zusammenhang mit der Lohnkontrolle
§ 27. (1) Wer die erforderlichen Unterlagen entgegen den § 12 Abs. 1 Z 3 nicht übermittelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit Geldstrafe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall von 1 000 Euro bis 10 000 Euro zu bestrafen. ...
...
Nichtbereithalten der Lohnunterlagen
§ 28. Wer als
1.Arbeitgeber entgegen § 22 Abs. 1 die Lohnunterlagen nicht bereithält, oder
2.Überlasser im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung nach Österreich entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen dem Beschäftiger nicht nachweislich bereitstellt, oder
3.Beschäftiger im Falle einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung entgegen § 22 Abs. 2 die Lohnunterlagen nicht bereithält
begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 1 000 Euro bis 10 000 Euro, im Wiederholungsfall von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, sind mehr als drei Arbeitnehmer betroffen, für jeden Arbeitnehmer mit einer Geldstrafe von 2 000 Euro bis 20 000 Euro, im Wiederholungsfall von 4 000 Euro bis 50 000 Euro zu bestrafen.“
13In den Gesetzesmaterialien (RV 1111 BlgNR 25. GP 18) wird dazu ausgeführt:
„Zu § 22 LSD-BG:
...
In § 22 Abs. 2 LSD-BG wird entsprechend der bisherigen Rechtslage (§ 7d Abs. 2 AVRAG) die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung auf den inländische/n Beschäftiger eingeschränkt. Dieses steht im Einklang mit den § 22 Abs. 1 letzter Satz LSD-BG, wonach der ausländische Beschäftiger in Bezug auf die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen als Arbeitgeber gilt und damit bereits ein Anwendungsfall des Abs. 1 vorliegt. Schließlich hat der Überlasser dem Beschäftiger die Unterlagen nachweislich bereitzustellen, um etwa Beweisproblemen, die im vorsätzlichen Zusammenwirken von Überlasser und Beschäftiger ausgenützt werden können, entgegenzuwirken.
...
Zu § 28 LSD-BG:
Diese Bestimmung entspricht inhaltlich dem bisherigen § 7i Abs. 4 AVRAG und sanktioniert entsprechend der bisherigen Rechtslage das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen durch den Arbeitgeber (§ 28 Z 1 LSD-BG) bzw. im Fall einer grenzüberschreitenden Überlassung das Nichtbereithalten der Lohnunterlagen durch den Beschäftiger (§ 28 Z 2 LSD-BG) sowie das Nichtbereitstellen der Lohnunterlagen durch den Überlasser (§ 28 Z 3 LSD-BG). Der Strafrahmen entspricht wie bisher dem Strafrahmen nach § 29 Abs. 1 LSD-BG betreffend Unterentlohnung. Die Strafdrohung gegenüber dem Überlassers ist entsprechend der nach § 22 Abs. 2 LSD-BG vorgesehenen Verpflichtung des Überlassers, dem Beschäftiger die Unterlagen nachweislich bereitzustellen, angepasst worden.“
143.1. Die Revisionslegitimation des Revisionswerbers ergibt sich aus § 32 Abs. 1 Z 1 LSD-BG.
153.2. Die Revision ist aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründenzulässig, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den strafbewehrten Verpflichtungen des § 22 Abs. 2 LSD-BG besteht.
164. Die Revision ist im Ergebnis auch begründet.
174.1. § 22 LSD-BG sieht die Verpflichtung zur Bereithaltung von Lohnunterlagen vor. Diese Verpflichtung soll eine wirksame Lohnkontrolle zwecks Sicherstellung einer Mindestentlohnung der nach Österreich entsandten oder überlassenen Arbeitnehmer ermöglichen (vgl. , unter Hinweis auf das zur Vorgängerbestimmung des § 7d AVRAG ergangene Erkenntnis ).
184.2. Die Verpflichtung zur Bereithaltung der Lohnunterlagen trifft bei einer Entsendung die in § 22 Abs. 1 LSD-BG genannten Arbeitgeber. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitkräfteüberlassung hingegen ist gemäß § 22 Abs. 2 LSD-BG der inländischen Beschäftiger zur Bereithaltung verpflichtet, wobei der Überlasser nach dieser Bestimmung dem inländischen Beschäftiger die Lohnunterlagen nachweislich bereitzustellen hat.
194.3. Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 22 Abs. 2 LSD-BG bereits ausgesprochen, dass sich die Verpflichtung des Beschäftigers zur Bereithaltung der in Abs. 1 leg.cit. genannten Lohnunterlagen und die Verpflichtung des Überlassers, dem inländischen Beschäftiger diese Unterlagen nachweislich bereitzustellen, nur auf solche Unterlagen bezieht, die (schon) vorliegen können (vgl. , mwN).
204.4.1. Nach den oben wiedergegebenen Gesetzesmaterialien zu § 22 LSD-BG ist der Überlasser zur nachweislichen Bereitstellung der Lohnunterlagen an den Beschäftiger verpflichtet, „um etwa Beweisproblemen, die im vorsätzlichen Zusammenwirken von Überlasser und Beschäftiger ausgenützt werden können, entgegenzuwirken“. Durch die „nachweisliche“ Bereitstellungsverpflichtung des Überlassers werden die Verpflichtungen in Zusammenhang mit der Bereithaltung der Lohnunterlagen bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung zwischen dem Überlasser einerseits und dem Beschäftiger andererseits so voneinander abgegrenzt, dass deren jeweilige Verpflichtung auch nicht durch ein (kollusives) Zusammenwirken verschoben werden kann. Während also der Überlasser - als Arbeitgeber der überlassenen Arbeitskraft im arbeitsvertraglichen Sinn (vgl. ) - zur Bereitstellung der Lohnunterlagen an den Beschäftiger verpflichtet ist und die Bereitstellung im Rahmen einer Lohnkontrolle nachzuweisen hat, trifft den Beschäftiger - dieser steht regelmäßig in keinem Vertragsverhältnis zur überlassenen Arbeitskraft (vgl. neuerlich ) - die Bereithaltungsverpflichtung, sobald ihm die Lohnunterlagen bereitgestellt wurden oder soweit er über sie aus eigenem verfügen kann (wie etwa über die vom Beschäftiger gemäß § 26 Abs. 1 AZG iVm § 6 Abs. 1 AÜG zu führenden Arbeitsaufzeichnungen).
4.4.2. Die in § 22 Abs. 2 erster und zweiter Satz LSD-BG normierten Tatbilder ergänzen einander, überschneiden sich demnach aber nicht. Kommt der Überlasser seiner Verpflichtung zur Bereitstellung der Lohnunterlagen nicht nach, wodurch er eine Übertretung des § 28 Z 2 iVm § 22 Abs. 2 zweiter Satz LSD-BG begeht, so verwirklicht der Beschäftiger, der diese Unterlagen nicht bereithält, nicht (auch) das Tatbild des § 28 Z 3 iVm § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG. Eine Bestrafung sowohl des Überlassers als auch des Beschäftigers in Zusammenhang mit der Bereithaltung derselben Lohnunterlagen ist auch zur Erreichung des dargestellten Zwecks der Bereithaltungsverpflichtung - die Ermöglichung einer wirksamen Lohnkontrolle zwecks Sicherstellung einer Mindestentlohnung der nach Österreich überlassenen Arbeitnehmer - nicht erforderlich.
214.4.3. Der Beschäftiger verwirklicht folglich das Tatbild des § 22 Abs. 2 erster Satz LSD-BG nicht schon dann, wenn er die Lohnunterlagen am Arbeits(Einsatz)ort nicht bereit oder unmittelbar vor Ort und im Zeitpunkt der Erhebung in elektronischer Form zugänglich macht. Die Verwirklichung dieses Tatbildes setzt überdies voraus, dass der Beschäftiger über die Lohnunterlagen auch verfügen kann, entweder weil sie ihm vom Überlasser bereitgestellt wurden, oder weil er über sie (wie etwa über die Arbeitszeitaufzeichnungen) aus eigenem verfügen kann.
224.4.4. Entgegen der Auffassung der Revision führt diese Auslegung auch nicht zu einer Kontrolllücke. Die Abgabenbehörden sind nämlich gemäß § 12 Abs. 1 LSD-BG berechtigt, das Bereithalten der Unterlagen nach den § 21 und 22 LSD-BG zu überwachen. Dazu zählt - angesichts des uneingeschränkten Verweises auf die gesamte Bestimmung des § 22 - bei einer grenzüberschreitenden Arbeitskräfteüberlassung auch die Bereitstellung dieser Unterlagen durch den Überlasser. Die Abgabenbehörden können dabei gemäß § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG vom Überlasser die Übermittlung der zum Zweck der Lohnkontrolle erforderlichen Lohnunterlagen, die (schon) vorliegen oder deren Beschaffung zumutbar ist, fordern (vgl. in Bezug auf die Entsendung von Arbeitnehmern , Rn 31, zur Vorgängerbestimmung des § 7f Abs. 1 Z 3 AVRAG). Insoweit hingegen der Beschäftiger aus eigenem über Lohnunterlagen nach § 22 Abs. 1 LSD-BG verfügen kann (wie etwa über die Arbeitszeitaufzeichnungen), können die Abgabenbehörden deren Übermittlung vom Beschäftiger fordern. Damit steht den Abgabenbehörden eine - verwaltungsstrafrechtlich bewehrte (vgl. § 27 Abs. 1 LSD-BG) - Handhabe gegen eine versuchte Vereitelung der Lohnkontrolle zur Verfügung (vgl. in diesem Zusammenhang , zur vergleichbaren Möglichkeit des - insoweit dem § 12 Abs. 1 Z 3 LSD-BG entsprechenden - § 7g Abs. 2 AVRAG, der Vorgängerbestimmung des § 14 Abs. 2 LSD-BG).
234.5. Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass die vom Mitbeteiligten als Beschäftiger nicht bereitgehaltenen Lohnunterlagen - Lohnaufzeichnungen, Unterlagen betreffend die Lohneinstufung und bestimmte Teile der Arbeitszeitaufzeichnungen - diesem vom Überlasser nicht „nachweislich“ bereitgestellt wurden. Hinsichtlich der Lohnaufzeichnungen und der Unterlagen betreffend die Lohneinstufung ist das Verwaltungsgericht daher zu Recht davon ausgegangen, dass für den Mitbeteiligten mangels Bereitstellung durch den Überlasser keine Verpflichtung zur Bereithaltung bestanden hat. Hinsichtlich der - vom Mitbeteiligten als Beschäftiger selbst zu führenden - Arbeitszeitaufzeichnungen hat das Verwaltungsgericht hingegen zu Unrecht angenommen, dass auch deren Bereithaltung die Bereitstellung durch den Überlasser voraussetzt. Dadurch hat es das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
245. Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2020:RO2019110001.J00 |
Schlagworte: | Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 |
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