VwGH vom 20.11.2019, Ro 2019/08/0019
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, den Hofrat Dr. Strohmayer, die Hofrätin Dr. Julcher sowie die Hofräte Mag. Berger und Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt in Wien, vertreten durch Dr. Josef Milchram, Dr. Anton Ehm, Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Singerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W164 2138098-1/12E, betreffend Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG (mitbeteiligte Partei: K M in B, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12; weitere Partei: Bundesministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Die revisionswerbende Pensionsversicherungsanstalt hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Mitbeteiligte beantragte am bei der revisionswerbenden Pensionsversicherungsanstalt (im Folgenden: PVA) rückwirkend ab gemäß § 18b ASVG die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege seines Vaters H. N. und seiner Mutter E. N.
2 Mit Bescheid vom lehnte die PVA diesen Antrag u.a. mit der Begründung ab, der Mitbeteiligte sei vom bis gemäß § 17 ASVG zur freiwilligen Weiterversicherung in der Pensionsversicherung berechtigt gewesen und habe die entsprechenden Beiträge entrichtet. Für diesen Zeitraum scheide eine Berechtigung zur Selbstversicherung nach § 18b ASVG aus.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Mitbeteiligte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Dieses hat der Beschwerde mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis stattgegeben und ausgesprochen, dass der Mitbeteiligte vom bis laufend zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18b ASVG berechtigt sei. Die Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht u.a. aus, seit der Aufhebung des § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG idF BGBl. I Nr. 132/2005 durch die Novelle BGBl. I Nr. 2/2015 bringe das ASVG nicht mehr zum Ausdruck, dass mehrere freiwillige Selbstversicherungen nicht nebeneinander bestehen könnten. Das Nebeneinander einer Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG und einer (pflichtversicherten) Erwerbstätigkeit sei zulässig. Die Weiterversicherung gemäß § 17 ASVG sei einer (pflichtversicherten) Erwerbstätigkeit gleichzuhalten, weshalb auch sie neben einer Selbstversicherung gemäß § 18b ASVG bestehen könne. 5 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Frage fehle.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der PVA. Der Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der er die kostenpflichtige Abweisung der Revision beantragt.
7 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
8 Die PVA bringt vor, § 18b Abs. 5 ASVG stelle als Voraussetzung für eine Weiterversicherung in der Pensionsversicherung nach § 17 ASVG das Ende der Selbstversicherung nach § 18b ASVG einem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gleich. Eine Weiterversicherung nach § 17 ASVG sei erst zulässig, wenn eine Selbstversicherung nach § 18b ASVG nicht mehr vorliege. Ein gleichzeitiges Bestehen beider Versicherungen sei gesetzlich nicht vorgesehen.
9 Dem entgegnete der Mitbeteiligte in der Revisionsbeantwortung, § 18b Abs. 5 ASVG solle lediglich sicherstellen, dass sich jemand, der aus der Selbstversicherung nach § 18b ASVG ausscheide, weiterversichern könne. Die Bestimmung sage nichts darüber aus, ob ein Nebeneinander dieser beiden Versicherungen zulässig sei. Im vorliegenden Fall habe zunächst die freiwillige Weiterversicherung bestanden und der Versicherte danach einen Antrag auf Selbstversicherung nach § 18b ASVG gestellt.
10 Die Revision ist aus dem vom Bundesverwaltungsgericht genannten Grund zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. 11 Gemäß § 17 Abs. 1 ASVG können sich ua Personen, die aus der Pflichtversicherung nach dem ASVG ausgeschieden sind oder ausscheiden (und die in den letzten 24 Monaten vor dem Ausscheiden mindestens zwölf oder in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden jährlich mindestens drei Versicherungsmonate in einer oder mehreren gesetzlichen Pensionsversicherungen erworben haben), in der Pensionsversicherung weiterversichern, solange sie nicht in einer gesetzlichen Pensionsversicherung pflichtversichert sind oder einen bescheidmäßig zuerkannten Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung haben. Gemäß § 17 Abs. 8 ASVG endet die Weiterversicherung in der Pensionsversicherung ua mit dem Wegfall der Voraussetzungen, mit der Erklärung des Austritts oder bei Nichtentrichtung der Beiträge für mehr als sechs aufeinanderfolgende Monate. Gemäß § 76a Abs. 1 ASVG ist Beitragsgrundlage für den Kalendertag für Weiterversicherte in der Pensionsversicherung grundsätzlich der
360. Teil der Summe der Beitragsgrundlagen des letzten Kalenderjahres vor dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung. Gemäß § 77 Abs. 2 ASVG ist in der Pensionsversicherung der Beitragssatz für alle Weiter- und Selbstversicherten 22,8 % der allgemeinen Beitragsgrundlage (§ 51 Abs. 1 Z 3 ASVG). Die Beiträge sind gemäß § 77 Abs. 5 ASVG grundsätzlich zur Gänze vom Versicherten zu tragen. Für Weiterversicherte nach § 17 ASVG, die aus der Pflichtversicherung ausgeschieden sind, um einen nahen Angehörigen mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 unter gänzlicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung zu pflegen, sind jedoch gemäß § 77 Abs. 6 ASVG die Beiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes zu tragen. Eine solche Beitragstragung durch den Bund kommt pro Pflegefall nur für eine einzige Person in Betracht und erfolgt auch während eines zeitweiligen stationären Pflegeaufenthaltes der pflegebedürftigen Person.
12 Gemäß § 18a Abs. 1 ASVG können sich Personen, die ein behindertes Kind unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Bis zur Novellierung des § 18a ASVG durch das Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz - SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, ab war gemäß § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG die Selbstversicherung nach § 18a ASVG u.a. für eine Zeit ausgeschlossen, während der eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung oder andere Selbstversicherung in einer gesetzlichen Pensionsversicherung (oder ein bescheidmäßig zuerkannter Anspruch auf eine laufende Leistung aus einer eigenen gesetzlichen Pensionsversicherung) bestand. Mit der genannten Novelle wurde § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG aufgehoben. Nach den dazu ergangenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage 321 BlgNR
25. GP, 3, sollte dadurch die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG
"an die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger nach § 18b angeglichen werden, und zwar im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Pflege und die Höhe der relevanten Beitragsgrundlage für diese Versicherung".
13 Gemäß § 76b Abs. 5a ASVG ist die monatliche Beitragsgrundlage für die Selbstversicherten nach § 18a ASVG der Betrag nach § 44 Abs. 1 Z 18 ASVG (im verfahrensgegenständlichen Zeitraum EUR 1.694,39). Gemäß § 77 Abs. 2 ASVG ist in der Pensionsversicherung der Beitragssatz für alle Weiter- und Selbstversicherten 22,8 % der allgemeinen Beitragsgrundlage (§ 51 Abs. 1 Z 3 ASVG). Gemäß § 77 Abs. 7 ASVG sind für die nach § 18a ASVG Selbstversicherten die Beiträge zu zwei Dritteln aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und zu einem Drittel aus Mitteln des Bundes zu tragen.
14 § 18b ASVG in der hier anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 138/2013 lautet samt Überschrift:
"Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger
§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.
(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.
(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.
(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,
1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder
2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.
(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.
(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.
(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig."
15 Gemäß § 76b Abs. 5a ASVG ist die monatliche Beitragsgrundlage auch für die Selbstversicherten nach § 18b ASVG der Betrag nach § 44 Abs. 1 Z 18 ASVG (im verfahrensgegenständliche n Zeitraum EUR 1.694,39). Überschneiden sich Zeiten einer solchen Selbstversicherung mit anderen Beitragszeiten nach diesem oder einem anderen Bundesgesetz, so ist die Beitragsgrundlage für die Selbstversicherten nach § 18b ASVG (wie für die nach § 18a ASVG) so festzusetzen, dass sie zusammen mit den übrigen Beitragsgrundlagen die jeweils geltende monatliche Höchstbeitragsgrundlage (§ 70 Abs. 1 letzter Satz ASVG) nicht übersteigt. Gemäß § 77 Abs. 2 ASVG ist in der Pensionsversicherung der Beitragssatz für alle Weiter- und Selbstversicherten 22,8 % der allgemeinen Beitragsgrundlage (§ 51 Abs. 1 Z 3 ASVG). Für die nach § 18b ASVG Selbstversicherten sind gemäß § 77 Abs. 8 ASVG die Beiträge zur Gänze aus Mitteln des Bundes zu tragen.
16 § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG schloss bis zur Novelle BGBl. I Nr. 2/2015 die Selbstversicherung nach § 18a ASVG für eine Zeit aus, während der eine Pflichtversicherung oder Weiterversicherung (der eine Beanspruchung der Arbeitskraft durch Pflege des nahen Angehörigen zu Grunde liegt) bestand. § 18b ASVG sah einen solchen Ausschluss für die Selbstversicherung nach § 18b ASVG von vornherein nicht vor. Das mit der Novelle BGBl. I Nr. 2/2015 zum Ausdruck gebrachte Ziel, neben der Pflege von Angehörigen (und der daraus erwachsenden Möglichkeit der Selbstversicherung nach § 18a oder § 18b ASVG) die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zuzulassen, bezieht sich auch auf die Ermöglichung einer gleichzeitigen Weiterversicherung, zumal diese es dem Versicherten ermöglicht, die mit seiner früheren Erwerbstätigkeit verbundene pensionsrechtliche Absicherung weiter zu führen.
17 Hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung steht das Ende der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a ASVG gleich (§ 18a Abs. 7 und § 18b Abs. 5 ASVG). Aus dieser Gleichstellung einer Selbstversicherung auf Grund der Pflege von Angehörigen mit einer Pflichtversicherung kann aber nicht abgeleitet werden, dass zu einer bestehenden Weiterversicherung nach § 17 ASVG keine Selbstversicherung nach § 18b ASVG hinzutreten dürfte, zumal der pflegende Angehörige bei Versagung einer solchen Selbstversicherung von der Begünstigung durch Beitragstragung des Bundes (§ 77 Abs. 8 iVm § 18b Abs. 1 ASVG: "erhebliche Beanspruchung ihrer Arbeitskraft", vgl. zu diesem Begriff ) in wohl gleichheitswidriger Weise ausgeschlossen würde. Dass der pflegende Angehörige hinsichtlich seiner Weiterversicherung nach § 17 ASVG unter Umständen auch in den Genuss der Begünstigung durch Beitragstragung des Bundes gemäß § 77 Abs. 6 ASVG ("gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft") kommen könnte, ändert daran nichts.
18 Eine zeitliche Überschneidung einer Weiterversicherung nach § 17 ASVG und einer Selbstversicherung nach § 18b ASVG (unter Bildung der Beitragsgrundlage nach § 76b Abs. 5a ASVG) ist somit zulässig.
19 Die Revision war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
20 Die Zuerkennung von Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013.
Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019080019.J00 |
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