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VwGH vom 25.04.2019, Ro 2019/08/0005

VwGH vom 25.04.2019, Ro 2019/08/0005

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat Dr. Strohmayer als Richter sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revision des Arbeitsmarktservice Wien in 1200 Wien, Dresdnerstraße 110, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , Zl. W228 2200714-1/5E, betreffend Widerruf und Rückforderung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe (mitbeteiligte Partei: H O in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit zwei Bescheiden des revisionswerbenden Arbeitsmarktservice (im Folgenden: AMS) vom wurde gemäß § 24 Abs. 2 AlVG der Bezug des Arbeitslosengeldes für den Zeitraum vom 1. Jänner bis 29. März und der Bezug der Notstandshilfe vom 30. März bis widerrufen und der Mitbeteiligte zur Rückzahlung des unberechtigt empfangenen Arbeitslosengeldes in Höhe von EUR 2.797,52 bzw. der Notstandshilfe in Höhe von EUR 991,68 verpflichtet. Der Mitbeteiligte sei einer selbständigen Tätigkeit nachgegangen, die der Pensionsversicherung unterliege. Er habe dies nicht rechtzeitig dem AMS gemeldet.

2 In den dagegen erhobenen Beschwerden brachte der Mitbeteiligte vor, er habe seine selbständige Tätigkeit nicht verschwiegen. Sein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit bzw. sein Umsatz würden unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen, sodass ihm der Anspruch auf Arbeitslosengeld bzw. Notstandshilfe zustünde. 3 Das AMS hat diese Beschwerden mit Beschwerdevorentscheidung vom abgewiesen. Aus dem nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheid betreffend den Mitbeteiligten für das Jahr 2016 würden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 18.306,65 hervorgehen. Abzüglich der Topf-Sonderausgaben und der Einkommensteuer ergebe sich ein tägliches Nettoeinkommen von EUR 41,46. Der Mitbeteiligte sei als selbständig Erwerbstätiger in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 GSVG) pflichtversichert und somit in diesem Zeitraum nicht als arbeitslos anzusehen. Der Mitbeteiligte habe das Arbeitslosengeld bzw. die Notstandshilfe zu Unrecht bezogen. Das AMS sei bei der Entscheidung über den Widerruf und die Rückforderung an den Spruch des Einkommensteuerbescheides gebunden. Als monatliches Einkommen gelte bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorgelegen sei. Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG könne der Empfänger des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen verpflichtet werden, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuerbescheides ergebe, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebühre. In diesem Fall dürfe der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Der tägliche Arbeitslosengeldanspruch des Mitbeteiligten belaufe sich auf EUR 33,68, sein täglicher Notstandshilfeanspruch auf EUR 30,99. Beide Beträge unterschritten das vom Mitbeteiligten erzielte tägliche Nettoeinkommen von EUR 41,46, weshalb die Rückforderung zu Recht bestehe.

4 Der Mitbeteiligte stellte einen Vorlageantrag.

5 Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht den Beschwerden stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung des AMS gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Die Einkünfte des Mitbeteiligten bzw. 11,1 % seines Umsatzes würden im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unter der Geringfügigkeitsgrenze liegen. Für den Mitbeteiligten habe keine Möglichkeit bestanden, von der Pflichtversicherung ausgenommen zu werden. In analoger Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG sei er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum trotz bestehender Pflichtversicherung nach dem GSVG arbeitslos gewesen. Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil der Verwaltungsgerichtshof zur besagten analogen Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG noch nicht Stellung genommen habe (§ 25a Abs. 1 VwGG).

6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die ordentliche Revision. Der Mitbeteiligte hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

7 Das AMS bringt zur Zulässigkeit der Revision vor, die analoge Anwendung des § 12 Abs. 1 Z 2 AlVG widerspreche der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, wonach bei der Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG auf Grund des § 36a Abs. 2 Z 1 AlVG auf jenes Einkommen abzustellen sei, welches der Einkommensteuerbescheid für das jeweilige Kalenderjahr ausweise. Das Verwaltungsgericht habe lediglich auf das vom Mitbeteiligten für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum erklärte Einkommen abgestellt. Es habe übersehen, dass gemäß § 36a Abs. 7 AlVG bei einer durchgehenden selbständigen Tätigkeit das sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das betreffende Jahr ergebende Einkommen maßgeblich sei.

8 Die Revision ist zulässig, weil das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Maßgeblichkeit des Einkommensteuerbescheides bei der Beurteilung einer Pflichtversicherung nach dem GSVG bzw. eines Einkommens iSd § 12 Abs. 6 lit. c AlVG abgewichen ist. Die Revision ist auch berechtigt.

9 Aus dem im Akt erliegenden Einkommensteuerbescheid vom über das Jahr 2016 betreffend den Mitbeteiligten ergibt sich in Übereinstimmung mit den Feststellungen der Beschwerdevorentscheidung, dass der Mitbeteiligte im Jahr 2016 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von EUR 18.306,65 erzielt hat. Der Mitbeteiligte hat nicht bestritten, im gesamten verfahrensgegenständlichen Zeitraum selbständig tätig gewesen zu sein. Die Prämisse des Verwaltungsgerichtes, dass der Mitbeteiligte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ein unter der Geringfügigkeitsgrenze liegendes Einkommen erzielt hätte, trifft nicht zu. Der Mitbeteiligte war gemäß § 12 Abs. 3 lit. b unter Berücksichtigung des § 12 Abs. 6 lit. c AlVG nicht arbeitslos, weshalb der Widerruf gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu Recht erfolgte. 10 Gemäß § 25 Abs. 2 dritter Satz AlVG ist der Empfänger einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, dass die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen, was vorliegend nicht der Fall ist. 11 Das angefochtene Erkenntnis war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019080005.J00

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