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VwGH vom 20.11.2019, Ro 2019/03/0022

VwGH vom 20.11.2019, Ro 2019/03/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed und Mag. Samm als Richter sowie die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Dipl.-Ing. J K in W, vertreten durch Frieders, Tassul & Partner Rechtsanwälte in 1010 Wien, Stadiongasse 6-8, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom , Zl. W258 2111294- 2/15E, betreffend Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Präsidentin des Handelsgerichts Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Mit Eingaben vom und beantragte der Revisionswerber die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten

Sachverständigen (Gerichtssachverständigenliste) für fünf näher genannte Fachgebiete der Fachgruppe "94 Immobilien" mit der örtlichen Beschränkung "Handelsgericht Wien".

2 Mit Teilbescheid vom wies die belangte Behörde diesen Antrag hinsichtlich der Fachgebiete "94.10 Gewerblich oder industriell genutzte Liegenschaften (Baugründe)",

"94.15 Mehrfamilienhäuser, gemischt genutzte Liegenschaften (Baugründe, Wohnungseigentumsobjekte)", "94.17 Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser (Baugründe)" und "94.65 Baugründe" ab. Begründend führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, der Revisionswerber verfüge laut dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten der Begutachtungskommission, vor der der Revisionswerber am eine mündliche Prüfung abgelegt hatte, in diesen Fachgebieten über keine ausreichenden Kenntnisse, weswegen die Voraussetzungen für die Eintragung gemäß § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG nicht gegeben seien.

3 Für das Fachgebiet "94.70 Nutzwertfeststellung, Parifizierung" wurde der Revisionswerber hingegen auf Basis des genannten Gutachtens der Kommission mit Bescheid vom in die Gerichtssachverständigenliste eingetragen.

4 Gegen den abweisenden Teilbescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde.

5 Des Weiteren stellte der Revisionswerber am einen "Erweiterungsantrag" betreffend das Fachgebiet "72.01 Hochbau und Architektur".

6 Mit Beschluss vom behob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) den Teilbescheid vom gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die belangte Behörde zurück.

7 Dies begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass das die behördliche Entscheidung tragende Gutachten der Kommission nach § 4a SDG unvollständig und daher nicht nachvollziehbar sei. Auch sei das von den Kommissionsmitgliedern erstellte Prüfungsprotokoll samt Beilagen mangelhaft. Zudem ergebe sich aus § 4a Abs. 2 SDG, dass der Revisionswerber als Ziviltechniker auf dem Gebiet der "Sachkunde" nicht zu prüfen sei. Die belangte Behörde werde daher neuerlich ein Gutachten einzuholen und dieses anschließend auf Vollständigkeit und Schlüssigkeit zu prüfen haben, um es seiner Entscheidung zugrunde legen zu können.

8 Mit Bescheid vom wies daraufhin die belangte Behörde die Anträge auf Eintragung in die Gerichtssachverständigenl iste hinsichtlich der Fachgebiete 94.10, 94.15, 94.17 und 94.65 erneut, hinsichtlich des Fachgebiets 72.01 erstmals, ab. 9 Begründend hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, nach Behebung des Teilbescheids habe der Revisionswerber - mit dem Hinweis, er sei als Ziviltechniker hinsichtlich des Fachgebiets 72.01 von der Sachkundeprüfung befreit, die weiteren Prüfungsgebiete seien bereits bei der am durchgeführten Prüfung geprüft worden - die Ablegung einer weiteren Prüfung verweigert und die unmittelbare Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste beantragt. Die Kommissionsvorsitzende habe daraufhin mitgeteilt, die Kommission könne aufgrund der Mitteilung des Revisionswerbers, er werde der Ladung zur Prüfung nicht Folge leisten, keine begründete Stellungnahme abgeben. Die Abgabe einer Stellungnahme und damit die Ablegung einer mündlichen Prüfung vor der Kommission sei aber Eintragungsvoraussetzung: Ungeachtet der Befreiung von der Sachkundeprüfung seien nämlich die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a und b SDG zu prüfen und zu begutachten. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass dem Revisionswerber, der eine positive Prüfung zum Fachgebiet 94.70 abgelegt habe, das positive Prüfungsergebnis zum Verfahrensrecht und Sachverständigenwesen allenfalls "angerechnet" werden könnte, treffe dies hinsichtlich der "Kenntnisse von Befundaufnahme sowie Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens" (Gutachtenstechnik) nicht zu, weil sich die Befundaufnahme und der Aufbau eines Gutachtens für unterschiedliche Fachgruppen bzw. auch innerhalb einer Fachgruppe wesentlich unterscheiden könnten. Die Beurteilung der Gutachtenstechnik sei Aufgabe der Kommission, die eine begründete Stellungnahme zu erstatten habe. Weil sie dies wegen fehlender Mitwirkung des Revisionswerbers nicht konnte, seien die Anträge des Revisionswerbers abzuweisen gewesen. 10 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die gegen den behördlichen Bescheid erhobene Beschwerde ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es für zulässig.

11 In der Begründung legte das Verwaltungsgericht zunächst den Verfahrensgang dar und gab Auszüge aus den aktuellen Prüfungsstandards (des Hauptverbands der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen Österreichs) für die Fachgruppe 94 und das Fachgebiet 72.01 wieder. In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht zusammengefasst aus, die Annahme des Revisionswerbers, die Befreiung von der Sachkundeprüfung umfasse auch etwaige fachliche Aspekte der anderen Prüfungsgebiete iSd § 2 Abs. 2 SDG, stehe im Widerspruch zu den einschlägigen Gesetzesmaterialien (Verweis auf ErlRV 1384 BlgNR 20. GP 12). Der Befundaufnahme, also der Feststellung beweiserheblicher Tatsachen, sei eine fachliche Komponente inhärent und es bliebe von diesem Prüfungsgebiet kein nennenswerter Rest übrig, würde sich die Befreiung in Sachkunde auch auf die fachliche Komponente der Befundaufnahme erstrecken. Zudem solle der Zertifizierungsprozess eine ausgezeichnete Qualität der Sachverständigen sicherstellen, weshalb Bestimmungen, die den Zertifizierungsprozess für Bewerber erleichtern, im Zweifel einschränkend zu interpretieren seien. Es sei daher zulässig und geboten, etwaige fachliche Anforderungen auf dem Gebiet der Befundaufnahme auch bei Eintragungswerbern zu prüfen, die von der Sachkundeprüfung befreit seien.

Der Revisionswerber könne sich auch nicht darauf berufen, dass er die Prüfung für ein Fachgebiet aus derselben Fachgruppe (94.70) bereits bestanden habe, weil zwischen diesem und den anderen Fachgebieten dieser Fachgruppe (zumindest) hinsichtlich der Befundaufnahme - näher dargelegte - fachgebietsspezifische Unterschiede bestünden.

Die belangte Behörde sei daher berechtigt gewesen, die Kommission, die den Revisionswerber in Folge zu prüfen gehabt habe, um eine begründete Stellungnahme über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG zu ersuchen. Da dieser erklärt habe, sich keiner weiteren Prüfung zu unterziehen, habe er gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen, weshalb die Eintragungsanträge zu Recht abgewiesen worden seien. 12 Die Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil es zur Frage, ob die Befreiung für das Prüfungsgebiet Sachkunde nach § 4a Abs. 2 SDG auch etwaige fachliche Aspekte umfasse, die in einem der weiteren Prüfungsgebiete iSd § 2 Abs. 2 Z 1 SDG (insbesondere Gutachtensmethodik) enthalten seien, an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs fehle.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die zusammen mit den Verfahrensakten vorgelegte ordentliche Revision (Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet), über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

14 Die Revision ist im Sinne der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts zulässig; sie ist aber nicht begründet. 15 Die im Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Bestimmungen des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG), BGBl. Nr. 137/1975 idF BGBl. I Nr. 10/2017, lauten - auszugsweise -

wie folgt:

"Voraussetzungen für die Eintragung in die Liste der

allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten

Sachverständigen und Dolmetscher

§ 2. (1) Die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen sind von den Präsidenten der Landesgerichte (§ 3) als Zertifizierungsstellen in die elektronische Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) einzutragen.

(2) Für die Eintragung in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste für ein bestimmtes Fachgebiet müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

1. in der Person des Bewerbers

a) Sachkunde und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften

des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens,

b) zehnjährige, möglichst berufliche Tätigkeit in verantwortlicher Stellung auf dem bestimmten oder einem verwandten Fachgebiet unmittelbar vor der Eintragung; eine fünfjährige Tätigkeit solcher Art genügt, wenn der Bewerber als Berufsvorbildung ein entsprechendes Hochschulstudium oder Studium an einer berufsbildenden höheren Schule erfolgreich abgeschlossen hat,

c) bis i) ...

1a. die ausreichende Ausstattung mit der für eine Gutachtenserstattung im betreffenden Fachgebiet erforderlichen Ausrüstung;

...

§ 3a. (1) In der Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste sind die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen nach Fachgruppen und innerhalb der Fachgruppen nach Fachgebieten unter Anführung eines allenfalls eingeschränkten sachlichen Wirkungsbereichs einzutragen.

(2) Die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen sind mit Vor- und Familiennamen, Jahr der Geburt, Beruf und Zustellanschrift, Telefonnummer, den von der Zertifizierung umfassten Fachgruppen und Fachgebieten samt den sich aus der Zertifizierung ergebenden Beschränkungen und der Zertifizierungsdauer einzutragen.

...

Eintragungsverfahren

§ 4. (1) Die Eintragung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen darf nur auf Grund eines schriftlichen Antrags vorgenommen werden. Im Antrag sind die Angaben nach § 3a Abs. 2 zwingend anzuführen. (...)

(2) Der Bewerber hat die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a, b, f, g und i sowie Z 1a nachzuweisen, wobei sämtliche vorhandenen schriftlichen Nachweise bereits dem Antrag anzuschließen sind. Der Antrag und die beizufügenden Unterlagen sind, soweit sie vom Antragsteller stammen, in deutscher Sprache einzureichen; sonstige, nicht in deutscher Sprache abgefasste Unterlagen sind mit einer beglaubigten Übersetzung vorzulegen. Hat der entscheidende Präsident Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben c, d, e oder h, so hat er dem Bewerber die Bescheinigung dieser Voraussetzungen aufzutragen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a und b sowie Z 1a hat der entscheidende Präsident eine begründete Stellungnahme einer Kommission (§ 4a) einzuholen. Im Rahmen der Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a und b haben der entscheidende Präsident und die Kommission (§ 4a) auch sämtliche in anderen Staaten erworbene Qualifikationen des Antragstellers angemessen zu berücksichtigen.

(3) Der entscheidende Präsident hat über die begründete Stellungnahme der Kommission hinaus alle ihm erforderlich scheinenden Ermittlungen anzustellen. Über den Antrag auf Eintragung ist mit Bescheid zu entscheiden.

§ 4a. (1) Den Vorsitz der in § 4 Abs. 2 genannten Kommission führt ein vom entscheidenden Präsidenten zu bestimmender - allenfalls auch im Ruhestand befindlicher - Richter, der auch einem anderen Gerichtssprengel angehören kann. Erforderlichenfalls hat der entscheidende Präsident mehrere Richter zu bestellen, welche in gleichmäßiger Reihenfolge heranzuziehen sind. Der Vorsitzende hat unter Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe in ausgewogener Weise mindestens zwei weitere qualifizierte und unabhängige Fachleute in die Kommission zu berufen, die

1. nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste eingetragen sind und

2. von der Kammer (gesetzlichen Interessensvertretung), zu der das betreffende Fachgebiet gehört, sowie vom Hauptverband der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten

Sachverständigen Österreichs (Hauptverband der Gerichtssachverständigen) oder von einer anderen Vereinigung, die sich die Wahrnehmung der Belange der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen zahlreicher Fachgebiete zur Aufgabe macht und eine große Anzahl dieser Sachverständigen für das Fachgebiet des Bewerbers als Mitglieder in sich vereinigt, namhaft gemacht wurden.

(2) Die Kommissionsmitglieder haben ihre Tätigkeit unparteiisch auszuüben. Die Kommission hat den Bewerber grundsätzlich mündlich zu prüfen. Wenn dies zweckmäßig ist, ist der Bewerber auch schriftlich zu prüfen, wobei ihm insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann. Die Kommission hat die Prüfungsschritte zu dokumentieren und eine begründete Stellungnahme zu erstatten. Sie entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Hat eine Bewerberin oder ein Bewerber eine Lehrbefugnis für das betreffende wissenschaftliche Fach an einer Hochschule eines EWR-Vertragsstaats oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft oder die Befugnis, einen Beruf auszuüben, dessen Zugangs- und Ausübungsvoraussetzungen in einer österreichischen Berufsordnung umfassend gesetzlich festgelegt sind und zu dem auch die Erstattung von Gutachten gehört, so ist die Sachkunde nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a nicht zu prüfen.

..."

16 Die Stammfassung des SDG (BGBl. Nr. 137/1975) nannte in § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a als Eintragungsvoraussetzung nur "Sachkunde". 17 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 168/1998 erhielt § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG die nunmehr geltende, also um die Wendung "und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens" erweiterte Fassung.

18 Gleichzeitig wurden mit dieser Novelle § 4 neu gefasst und ein § 4a angefügt; diese Bestimmungen lauteten (auszugsweise):

"§ 4. (1) Der Sachverständige darf nur in eine einzige Liste und nur auf Grund eines schriftlichen Antrags des Bewerbers eingetragen werden. Im Antrag sind das Fachgebiet und der allenfalls angestrebte besondere sachliche oder eingeschränkte örtliche Wirkungsbereich anzugeben.

(2) Der Bewerber hat die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a, b, f, g und i sowie Z 1a nachzuweisen. Hat der entscheidende Präsident Zweifel am Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben c, d, e oder h, so hat er dem Bewerber die Bescheinigung dieser Voraussetzungen aufzutragen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstaben a und b sowie Z 1a hat der entscheidende Präsident ein Gutachten einer Kommission (§ 4a) einzuholen.

(3) Der entscheidende Präsident hat über das Gutachten der Kommission hinaus alle ihm erforderlich scheinenden Ermittlungen anzustellen. Der Bewerber hat keinen Anspruch auf Eintragung.

§ 4a. (1) Den Vorsitz der in § 4 Abs. 2 genannten Kommission führt ein vom entscheidenden Präsidenten zu bestimmender - allenfalls auch im Ruhestand befindlicher - Richter, der auch einem anderen Gerichtssprengel angehören kann. Erforderlichenfalls hat der entscheidende Präsident mehrere Richter zu bestellen, welche in gleichmäßiger Reihenfolge heranzuziehen sind. Der Vorsitzende hat unter Beachtung allfälliger Befangenheitsgründe in ausgewogener Weise mindestens zwei weitere qualifizierte und unabhängige Fachleute in die Kommission zu berufen, die

1. nach Möglichkeit für das betreffende Fachgebiet in eine Sachverständigenliste eingetragen sind und

2. von der Kammer (gesetzlichen Interessensvertretung), zu der das betreffende Fachgebiet gehört, sowie vom Hauptverband der allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen Österreichs oder von einer anderen Vereinigung, die sich die Wahrnehmung der Belange der Sachverständigen zahlreicher Fachgebiete zur Aufgabe macht und eine große Anzahl der Sachverständigen des Fachgebiets des Bewerbers als Mitglieder in sich vereinigt, namhaft gemacht wurden.

(2) Die Kommissionsmitglieder haben ihre Tätigkeit unparteiisch auszuüben. Die Kommission hat den Bewerber grundsätzlich mündlich zu prüfen. Wenn dies zweckmäßig ist, ist der Bewerber auch schriftlich zu prüfen, wobei ihm insbesondere die Erstattung eines Probegutachtens aufgetragen werden kann. Die Kommission hat die Prüfungsschritte zu dokumentieren und ein Gutachten zu erstatten. Sie entscheidet mit Stimmenmehrheit; bei Stimmengleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden den Ausschlag. Hat ein Bewerber eine Lehrbefugnis für das betreffende wissenschaftliche Fach an einer in einem EWR-Vertragsstaat gelegenen Hochschule oder ist er befugt, einen Beruf auszuüben, zu dem nach der gesetzlichen Berufsordnung auch die Erstattung von Gutachten gehört, so ist das Vorliegen der Voraussetzung der Sachkunde nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe a nicht zu prüfen."

19 Die Gesetzesmaterialien (ErlRV 1384 BlgNR 20. GP) führen zu dieser Novelle u.a. Folgendes aus:

"Allgemeiner Teil

1. Das Wesen der gerichtlichen Sachverständigen- und Dolmetscherlisten beruht auf dem österreichischen Verständnis der Rolle des Sachverständigen im gerichtlichen Verfahren. Im Unterschied zu manchen anderen europäischen Rechtsordnungen, die den Experten nur als eine Form des Zeugenbeweises sehen, ist der Sachverständige im österreichischen Verfahrensrecht nicht nur ein eigenständiges Beweismittel, dem im Vergleich zu den anderen Beweismitteln, insbesondere dem Personalbeweis, eine überragende Beweiskraft zukommt, sondern vor allem auch Helfer des Gerichts, der dem Richter das für den Erkenntnisprozeß nötige Fachwissen verschafft. Die dem Gericht zur Verfügung zu stellenden Fachleute müssen daher über eine besonders hohe Fachkunde und Erfahrung, über Objektivität, Unabhängigkeit und Verläßlichkeit sowie über ausreichende Kenntnisse des Wesens und der Bedeutung der gerichtlichen Sachverständigentätigkeit und der einschlägigen Verfahrensbestimmungen verfügen.

...

Besonderer Teil

Zu Z 4 (§ 2 Abs. 2):

Die allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen oder Dolmetscher müssen nicht nur über die erforderliche Sachkunde auf dem Fachgebiet verfügen, für das sie eingetragen werden, sondern auch über Kenntnisse der wesentlichen Bestimmungen des Verfahrensrechts und des Sachverständigenwesens, also insbesondere des Kosten- und Gebührenrechts und der die Sachverständigen im allgemeinen betreffenden Bestimmungen. Darüber hinaus muß der Sachverständige in der Lage sein, sein Gutachten nach erhaltenem Auftrag, erhobenem Befund und fachlichen Schlußfolgerungen zu gliedern und durch entsprechend eingehende Begründung für die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens zu sorgen. Die die erforderlichen Fähigkeiten und Kenntnisse des gerichtlichen Sachverständigen umschreibende Z 1 Buchstabe a soll daher in diesem Sinn erweitert werden. ...

...

Zu Z 7 (§ 4):

...

Während bisher der Nachweis der Sachkunde durch ein Gutachten nur fakultativ vorgesehen war (bisheriger Abs. 1 letzter Satz), soll diese bewährte Einrichtung nach dem Abs. 2 nunmehr dahingehend ausgestaltet werden, daß der entscheidende Präsident im Hinblick auf die erforderliche Qualitätssicherung verpflichtet ist, ein Gutachten der dafür qualifizierten Kommission (§ 4a) einzuholen.

...

Zu Z 8 (§ 4a):

Die im Abs. 1 vorgesehene Zusammensetzung der Kommission bietet Gewähr für die Erzielung objektiver Prüfungsergebnisse. Den Vorsitz führt ein vom listenführenden Gerichtshofpräsidenten bestimmter aktiver oder pensionierter Richter, der die erforderlichen Kenntnisse des Verfahrens- und Sachverständigenrechts abdeckt. (...) Er hat grundsätzlich zwei weitere Kommissionmitglieder einzuberufen, die die erforderliche fachliche Kompetenz für die Prüfung der Sachkunde und der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe b und Z 1a haben. In manchen Fällen (etwa bei der Eintragung für mehrere Fachgebiete bzw. falls das Fachgebiet verschiedenen gesetzlichen Interessensvertretungen angehört) kann auch die Beiziehung von mehr als zwei Kommissionsmitgliedern notwendig sein.

...

Der Abs. 2 regelt den grundsätzlichen Ablauf der Prüfung des Bewerbers durch die Kommission und gewährleistet die Nachvollziehbarkeit der vorgenommenen Prüfungsschritte. Bei jenen Bewerbern, die eine Lehrbefugnis für das die Eintragung betreffende wissenschaftliche Fach an einer inländischen Hochschule haben, und bei jenen, die schon nach ihrer gesetzlichen Berufsordnung auch zur Erstattung von Gutachten berechtigt sind (zB § 1 Abs. 3 Ärztegesetz 1984), ist die erforderliche Sachkunde bereits hinreichend nachgewiesen, sodaß die Kommission das Vorliegen der Voraussetzung der Sachkunde nicht mehr zu prüfen hat. Die sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe a (Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens) sowie die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe b sind aber auch hier zu prüfen bzw. zu begutachten."

20 Durch die Novelle BGBl. I Nr. 111/2007 erhielt § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG die nunmehr geltende (oben wiedergegebene) Fassung.

21 Mit der Novelle BGBl. I Nr. 10/2017 schließlich wurde das SDG dahin geändert, dass die Kommission nach § 4a SDG nicht ein "Gutachten", sondern eine "begründete Stellungnahme" zu erstatten habe. Die Neuformulierung solle, so die Materialien (ErlRV 1346 BlgNR 25. GP) - als Reaktion auf den im gegenständlichen Revisionsverfahren ergangenen Beschluss des BVwG - verdeutlichen, dass die Kommission eine "fachkundige kommissionelle Einschätzung im Sinn eines Werturteils über das Vorliegen von Kenntnissen und Fähigkeiten" abzugeben habe, nicht aber ein "Gutachten im Sinn des in den Verfahrensgesetzen geregelten Beweismittels des (Sachverständigen)-Beweises".

22 § 4 des Ziviltechnikergesetzes 1993 (ZTG), BGBl. Nr. 156/1994 idF BGBl. I Nr. 164/2005, lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 4. (1) Ziviltechniker sind, sofern bundesgesetzlich nicht eine besondere Berechtigung gefordert wird, auf dem gesamten, von ihrer Befugnis umfassten Fachgebiet zur Erbringung von planenden, prüfenden, überwachenden, beratenden, koordinierenden, mediativen und treuhänderischen Leistungen, insbesondere zur Vornahme von Messungen, zur Erstellung von Gutachten, zur berufsmäßigen Vertretung vor Behörden und Körperschaften öffentlichen Rechts, zur organisatorischen und kommerziellen Abwicklung von Projekten, ferner zur Übernahme von Gesamtplanungsaufträgen, sofern wichtige Teile der Arbeiten dem Fachgebiet des Ziviltechnikers zukommen, berechtigt. (...)"

23 Das BVwG hat im angefochtenen Erkenntnis die Auffassung vertreten, der Revisionswerber habe gegen seine Mitwirkungspflicht verstoßen, weil er sich geweigert habe, eine (weitere) mündliche Prüfung abzulegen. Die Befreiung von der Sachkundeprüfung nach § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG erstrecke sich nämlich nicht auf die anderen Prüfungsgebiete nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG. Der Revisionswerber wäre deshalb verpflichtet gewesen, sich auf diesen Gebieten einer mündlichen Prüfung zu unterziehen. Da er dem nicht nachgekommen sei, hätte die belangte Behörde seine Eintragungsanträge zu Recht abgewiesen.

24 Die Revision macht dagegen (zusammengefasst) Folgendes geltend: Der Revisionswerber - als Architekt, der die Ziviltechnikerprüfung abgelegt habe - sei gemäß § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG von der Prüfung der Sachkunde befreit. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei die Sachkunde eines Bewerbers auch nicht etwa über den "Umweg" der erforderlichen Kenntnisse über die Befundaufnahme und den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens zu prüfen. Gegenstand dieses Prüfungsgebiets sei vielmehr die Kenntnis der in der Zivil- bzw. Strafprozessordnung festgelegten Erfordernisse für eine Befundaufnahme und Gutachtenserstattung. Alle darüber hinausgehenden inhaltlichen Erfordernisse im jeweils fachspezifischen Bereich seien Gegenstand der Sachkunde, von deren Prüfung der Revisionswerber befreit sei. Andernfalls läge es im Belieben der Prüfungskommission, Themenbereiche der Sachkunde trotz der gesetzlichen Befreiung willkürlich in andere Prüfungsgebiete einzubeziehen. Die vom Verwaltungsgericht angesprochene erforderliche Qualität von Gerichtssachverständigen werde auch durch die Befristung der Eintragung (§ 6 SDG) und die Möglichkeit der Entziehung der Eigenschaft als Gerichtssachverständiger (§ 10 Abs. 1 Z 1 SDG) sichergestellt.

Der Revisionswerber sei aufgrund der (am ) abgehaltenen kommissionellen Prüfung für den Fachbereich 94.70 als Gerichtssachverständiger eingetragen worden. Dies bedeute "im Umkehrschluss", dass der Revisionswerber - abgesehen von der Sachkunde, die nicht zu prüfen gewesen sei - sämtliche sonstige Voraussetzungen für die Eintragung als Gerichtssachverständiger iSd § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG erfüllt habe. Für eine weitere kommissionelle Prüfung sei deshalb kein Raum gewesen, weshalb er seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt habe.

25 Mit diesem Vorbringen vermag der Revisionswerber keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses aufzuzeigen. 26 Gemäß § 2 Abs. 2 SDG müssen für die Eintragung in die Liste der allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Dolmetscher (Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste) "für ein bestimmtes Fachgebiet" die in Z 1 bis 2 leg. cit. genannten Voraussetzungen gegeben sein. Dazu zählt - als in der Person des Bewerbers gelegene Voraussetzung - (u.a.) "Sachkunde und Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens" (Z 1 lit. a).

27 Gemäß § 4 Abs. 2 SDG hat der Bewerber die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a, b, f, g und i sowie Z 1a nachzuweisen. Über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a und b sowie Z 1a SDG ist vom Entscheidungsorgan, und zwar (seit der Novelle BGBl. Nr. 168/1998) verpflichtend (so ausdrücklich auch die Erläuterungen), eine begründete Stellungnahme der Kommission nach § 4a SDG einzuholen (§ 4 Abs. 2 vierter Satz SDG). Dieser Stellungnahme hat - ebenfalls zwingend - eine mündliche Prüfung vorauszugehen (§ 4a Abs. 2 zweiter Satz SDG). Dies ergibt sich schon aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des Gesetzes, wonach die Kommission "den Bewerber grundsätzlich mündlich zu prüfen" hat, in Verbindung mit dem nächsten Satz, wonach der Bewerber "auch" schriftlich zu prüfen ist, wenn dies zweckmäßig ist; eine schriftliche Prüfung hat also gegebenenfalls zur mündlichen hinzuzutreten, kann diese aber nicht ersetzen. 28 Der vom Bewerber zu erbringende Nachweis, über die erforderliche Sachkunde auf dem Fachgebiet zu verfügen, für das er eingetragen werden soll, kann auch dadurch erbracht werden, dass er für das betreffende Fachgebiet entweder über eine Lehrbefugnis oder über eine Berufsausübungsbefugnis, wie jeweils in § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG umschrieben, verfügt; diesfalls ist die "Sachkunde" nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG nicht zu prüfen. 29 Von dieser Befreiung sind aber die weiteren in § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a genannten, als Voraussetzung für die Eintragung normierten Erfordernisse, also die "Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens" nicht umfasst. Insoweit bleibt es also dabei, dass das Bestehen dieser Voraussetzungen durch die von der Kommission zu erstattende begründete Stellungnahme, der eine mündliche Prüfung vorauszugehen hat, nachzuweisen ist. In diesem Sinne halten die Erläuterungen ausdrücklich fest, dass die "sonstigen Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe a (Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens) sowie die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 Buchstabe b ... aber auch hier zu prüfen bzw. zu begutachten (sind)."

30 Das SDG geht also davon aus, dass die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 1 Z 1 lit. a SDG im Eintragungsverfahren grundsätzlich im Rahmen einer mündlichen Prüfung des Bewerbers zu prüfen sind, wovon das Bestehen einer in § 4a Abs. 2 letzter Satz SDG umschriebenen Lehr- bzw. Berufsausübungsbefugnis nur hinsichtlich der "Sachkunde" dispensiert.

31 Auf den Revisionsfall bezogen bedeutet dies, dass der Revisionswerber, indem er sich geweigert hat, sich der (im zweiten Rechtsgang neuerlich anberaumten) mündlichen Prüfung zu unterziehen, seine Mitwirkungspflicht verletzt hat. Entgegen der Auffassung des Revisionswerbers war für die Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG - abgesehen von der schon nachgewiesenen "Sachkunde" - seine Mitwirkung und damit seine Teilnahme an der anberaumten Prüfung erforderlich; durch seine Weigerung hat er also die ihm obliegende Mitwirkungspflicht verletzt (vgl. zur erhöhten Mitwirkungspflicht bei der Prüfung nach § 4a Abs. 2 SDG ; , Ra 2018/03/0122):

32 Die Mitwirkungspflicht der Partei hat insbesondere dort Bedeutung, wo ein Sachverhalt nur im Zusammenwirken mit der Partei geklärt werden kann, etwa weil die Behörde außerstande ist, sich die Kenntnis von ausschließlich in der Sphäre der Partei liegenden Umständen von Amts wegen zu beschaffen. Die Verweigerung der Mitwirkung an der Feststellung des Sachverhaltes ist nur dann berechtigt, wenn hiefür ausreichende Gründe vorliegen oder der Partei der Nachweis gelingt, dass die Anordnung der Prüfung den Bestimmungen des § 39 Abs. 2 AVG widerstreitet, also dass sie unbegründet angeordnet worden ist (vgl. , mwN).

33 Dass der Revisionswerber als Architekt bzw. Ziviltechniker von der Prüfung aus "Sachkunde" befreit ist (was das BVwG nicht festgehalten hat, wovon es aber erkennbar ausgegangen ist), ändert nach dem Gesagten nichts daran, dass er sich einer mündlichen Prüfung zwecks Nachweis der weiteren in § 2 Abs. 2 Z 1 lit a SDG normierten Voraussetzungen, also von ausreichenden Kenntnissen über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens, zu unterziehen hatte.

34 Es ist nämlich auch das weitere Argument der Revision, der Revisionswerber habe bereits im Zuge der am vor der Kommission abgehaltenen Prüfung, aufgrund derer er für das Fachgebiet 94.70 eingetragen wurde, hinreichend dargetan, er erfülle auch für die übrigen beantragten Fachgebiete die von ihm nachzuweisenden Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG, weshalb er sich keiner Prüfung mehr hätte unterziehen müssen, nicht zielführend:

35 In die Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste ist der Betreffende "für ein bestimmtes Fachgebiet" einzutragen; es ist das Vorhandensein der für die Eintragung normierten Voraussetzungen bezogen auf das konkrete Fachgebiet zu prüfen (§ 2 Abs. 2 SDG). Jeder Antrag auf Eintragung in die Gerichtssachverständigenliste für ein bestimmtes Fachgebiet löst das in § 4, 4a SDG vorgesehene Eintragungsverfahren aus, und zwar unabhängig davon, ob dem Bewerber zu diesem Zeitpunkt bereits die Gerichtssachverständigeneigenschaft (für ein anderes Fachgebiet) zukommt. Das Entscheidungsorgan hat daher für jedes neu beantragte Fachgebiet eine begründete Stellungnahme der Kommission nach § 4a SDG über das Vorliegen der Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a und b sowie Z 1a SDG einzuholen. Eine - dem Revisionswerber offenbar vorschwebende - "Anrechnung" einer bereits für ein anderes Fachgebiet absolvierten kommissionellen Prüfung ist dem Eintragungsverfahren nach § 4, 4a SDG fremd (in diesem Sinne auch Krammer/Schmidt/Guggenbichler, SDG-GebAG4 (2018), § 3a SDG, Anm 4).

36 Die in § 4a Abs. 2 SDG normierte Befreiung von der Prüfung der Sachkunde gründet (ausgehend von den Gesetzesmaterialien) darauf, dass die davon betroffenen Personen die erforderliche Sachkunde iSd § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG für das jeweils beantragte Fachgebiet ohnehin bereits aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation hinreichend nachgewiesen haben, sodass eine (umfassende) Fachkundeprüfung für entbehrlich erachtet werden kann (vgl. ErlRV 1384 BlgNR 20. GP 11f; ErlRV 303 BlgNR 23. GP 53). Gleichzeitig weisen die Gesetzesmaterialien jedoch ausdrücklich darauf hin, dass auch bei diesen Bewerbern die sonstigen in § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG genannten Voraussetzungen (Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, des Sachverständigenwesens sowie über die Befundaufnahme und Gutachtenserstattung) zu prüfen sind (ErlRV 1384 BlgNR 20. GP 11f). Dies verdeutlicht, dass hinsichtlich der in diesen Bereichen nachzuweisenden Kenntnisse für alle Bewerber, d.h. unabhängig von einer allfälligen "Sachkundebefreiung", dieselben Anforderungen gelten. Demnach wird auf dem Gebiet der Befundaufnahme und Gutachtenserstattung gefordert, dass der Sachverständige in der Lage sein muss, "sein Gutachten nach erhaltenem Auftrag, erhobenem Befund und fachlichen Schlußfolgerungen zu gliedern und durch entsprechend eingehende Begründung für die Nachvollziehbarkeit des Gutachtens zu sorgen" (ErlRV 1384 BlgNR 20. GP 10). Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass die auf diesem Gebiet nachzuweisenden Kenntnisse nur die entsprechenden Vorschriften in der Zivilprozessordnung und der Strafprozessordnung umfassen. 37 Die Erläuterungen betreffend die in § 4a Abs. 1 SDG geregelte Zusammensetzung der Kommission (ErlRV 1384 BlgNR 20. GP 11) stützen diese Auslegung. Danach werden die erforderlichen Kenntnisse des Verfahrens- und Sachverständigenrechts vom vorsitzenden Richter abgedeckt, während die Sachkunde und die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. b und Z 1a SDG von den in die Kommission berufenen Fachleuten zu prüfen sind. Nicht erwähnt, und damit keinem der Kommissionsmitglieder eindeutig zugewiesen, wird darin die Überprüfung der Kenntnisse der Befundaufnahme und Gutachtenserstattung. Auch dies spricht dafür, dass die Prüfung in diesem Teilbereich sowohl allgemeine als auch fachgebietsspezifische Aspekte umfasst und daher je nach beantragtem Fachgebiet unterschiedlich ausgestaltet sein kann. 38 Dass dem Revisionswerber mit der Eintragung für das Fachgebiet 94.70 der Nachweis gelungen ist, in diesem Fachgebiet über ausreichende Kenntnisse über die wichtigsten Vorschriften des Verfahrensrechts, über das Sachverständigenwesen, über die Befundaufnahme sowie über den Aufbau eines schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachtens zu verfügen, ändert nach dem Gesagten also nichts daran, dass er den Bestand der nach § 2 Abs. 2 SDG erforderlichen Voraussetzungen (auch) für die weiteren Fachgebiete (der gleichen - 94.10, 94.15, 94.17 und 94.65 - sowie einer anderen - 72.01 - Fachgruppe) nachzuweisen hat, wofür die Absolvierung einer mündlichen Prüfung vor der Kommission erforderlich ist.

39 Im Ergebnis war daher die Weigerung, sich der (hier: im zweiten Rechtsgang) anberaumten Prüfung nach § 4a Abs. 2 SDG zu unterziehen, unberechtigt.

40 Es ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen, wenn das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die unterbliebene Mitwirkung des Revisionswerbers zum Ergebnis gelangte, dass der Revisionswerber die Voraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Z 1 lit. a SDG für die Fachgebiete 94.10, 94.15, 94.17, 94.65 sowie 72.01 nicht nachgewiesen hat.

41 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

Zusatzinformationen


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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019030022.J00
Schlagworte:
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

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