VwGH vom 16.10.2019, Ro 2019/02/0009
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom , Zlen. 1. I.1 GZ: VGW-002/011/156/2019-10,
2. I.2 GZ: VGW-002/V/011/157/2019, 3. II.1 GZ: VGW- 002/011/158/2019, 4. II.2 GZ: VGW-002/V/011/159/2019,
5. III.1 GZ: VGW-002/011/1324/2019, 6. III.2 GZ: VGW- 002/V/011/1325/2019, 7. IV.1 GZ: VGW-002/011/1326/2019,
8. IV.2 GZ: VGW-002/V/011/1327/2019, 9. V.1 GZ: VGW- 002/011/1328/2019 und 10. V.2 GZ: VGW-002/V/011/1329/2019, jeweils betreffend eine Übertretung des Wiener Wettengesetzes (mitbeteiligte Parteien: 1. A GmbH und 2. P, beide in G und beide vertreten durch die SHMP Schwartz Huber-Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang der Anfechtung (Punkte 1. und 2. sowie 5. bis 10.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit insgesamt fünf Straferkenntnissen hat der revisionswerbende Magistrat die Zweitmitbeteiligte schuldig erkannt, sie habe als verantwortliche Beauftragte der Erstmitbeteiligten in näher genannten Zeitpunkten im September und Oktober 2017 in fünf Betriebsstätten unter anderem jeweils die Verpflichtung des § 19 Abs. 2 1. Satz Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 insofern verletzt, als sie nicht für Zutrittskontrollen im Sinne dieser Bestimmung gesorgt habe. Die Erstrevisionswerberin hafte für den Strafbetrag und die Verfahrenskosten.
2 Der dagegen von den Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge gegeben, die Straferkenntnisse behoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 und 3 VStG eingestellt. Die Revision hat das Verwaltungsgericht für zulässig erklärt.
3 Nach der wesentlichen Begründung sei auf die vorliegenden Sachverhalte nach dem Günstigkeitsprinzip nunmehr § 19 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 40/2018 anzuwenden, wonach es nicht auf die Zutrittskontrolle, sondern auf die Aufenthaltskontrolle ankomme. Da keine der neuen Rechtslage entsprechenden Tatanlastungen erfolgt seien, widersprächen die Sprüche der Straferkenntnisse dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG. Das Verwaltungsgericht schließe sich in der Rechtsfrage einem von den Mitbeteiligten vorgelegten Rechtsgutachten an, das "die Wirksamkeit des Günstigkeitsprinzipes einfordert". Das Vorhandensein einer Beschilderung zur Kennzeichnung des Zutrittsverbotes für Kinder und Jugendliche sei nachgewiesen worden.
4 Gegen die Punkte 1. und 2. sowie 5. bis 10. dieses Erkenntnisses richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit einem Aufhebungsantrag wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. 5 Die Mitbeteiligten beantragen in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück- bzw. Abweisung der Revision. 6 Die revisionswerbende Partei erachtet die Revision unter anderem als zulässig, weil vorliegend das Günstigkeitsprinzip keine Anwendung finde.
7 Die Revision ist schon aus diesem Grund zulässig und auch berechtigt.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem mit der hier vorliegenden Konstellation sachlich und rechtlich vergleichbaren Verfahren Ra 2019/02/0107, 0108 mit Beschluss vom zur Frage eines Günstigkeitsvergleiches zwischen
§ 19 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 und § 19 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 40/2018 Folgendes klargestellt:
"Im (dortigen) Revisionsfall sind sowohl die Strafdrohung als auch die Strafart unverändert geblieben (§ 24 Wiener Wettengesetz).
Das Tatbild im Tatzeitpunkt und das Tatbild im Entscheidungszeitpunkt unterscheiden sich vom Unwerturteil her in keiner Weise. In beiden Fällen soll das Wetten von minderjährigen Personen pönalisiert werden. Das Verwaltungsgericht ist daher zu Recht von der Anwendung des Tatzeitrechtes ausgegangen."
9 Auf die nähere Begründung dieses Beschlusses wird gemäß § 43 Abs. 2 iVm Abs. 9 VwGG verwiesen.
10 Das Verwaltungsgericht hätte daher die von der revisionswerbenden Behörde der Bestrafung zu Grunde gelegte Rechtslage des § 19 Wiener Wettengesetz in der Fassung LGBl. Nr. 48/2016 heranzuziehen gehabt. Schon aus diesem Grund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als rechtswidrig. 11 Ausgehend von der vom Verwaltungsgericht im ersten Rechtsgang vertretenen Rechtsansicht bedurfte es zwar keiner Sachverhaltsfeststellungen. Solche werden mit Blick auf die im fortzusetzenden Verfahren anzuwendende Rechtslage zur abschließenden Beurteilung der Rechtssache jedoch erforderlich sein.
12 Anzumerken ist an dieser Stelle, dass Rechtsfragen stets durch die erkennende Behörde bzw. das erkennende Gericht zu beantworten sind. Das Verwaltungsgericht ist in diesem Zusammenhang mit Bezug auf die im vorliegenden Verfahren in Form einer Urkundenvorlage gekleideten Ausführungen des von den Mitbeteiligten vorgelegten "Gutachtens" darauf hinzuweisen, dass einem Sachverständigen keinesfalls die Lösung von Rechtsfragen zukommt und er auch nicht in den Bereich der Beweiswürdigung vordringen darf. Das hat nicht nur für einen von der Behörde beigezogenen Sachverständigen zu gelten, sondern auch für einen Privatgutachter (vgl. , mwN, insbesondere mit Verweis auf ). 13 Eine über ein Parteivorbringen zur Rechtsfrage hinausgehende Bedeutung kommt solchen Ausführungen in vorgelegten Urkunden daher nicht zu.
14 Schließt sich demnach das Verwaltungsgericht "den Ausführungen des Rechtsgutachtens", das dem Erkenntnis folgend "zur Untermauerung" der von den Mitbeteiligten vertretenen Ansicht von der Sach- und Rechtslage vorgelegt wurde, ohne eigene Auseinandersetzung mit der zu beantwortenden Rechtsfrage an, erweist sich das angefochtene Erkenntnis auch aus diesem Grund als rechtswidrig.
15 Bei der Einstellung der Verwaltungsstrafverfahren hinsichtlich der Verletzung der Hinweispflicht (§ 19 Abs. 3 Wiener Wettengesetz) zu den Spruchpunkten III.1 und III.2 (= Punkte 5. und 6.) sowie zu V.1 und V.2 (= Punkte 9. und 10.) lässt das Verwaltungsgericht jede Auseinandersetzung mit den vorliegenden Beweisergebnissen vermissen und hat dazu auch keine Feststellungen getroffen. Diese Verfahrenseinstellung entbehrt ihrer Nachvollziehbarkeit und damit ihrer Rechtmäßigkeit. 16 Schließlich ist zu der von den Mitbeteiligten aufgeworfenen Frage der Zuständigkeit der revisionswerbenden Behörde auf das diese Frage bejahende hg. Erkenntnis vom , Ra 2019/02/0125 bis 0126, zu verweisen.
17 Insgesamt war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. 18 Wien, am
Zusatzinformationen
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019020009.J00 |
Schlagworte: | Beweismittel Sachverständigenbeweis Gutachten rechtliche Beurteilung Sachverständiger Aufgaben |
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