VwGH vom 12.12.2019, Ro 2019/01/0010
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek und die Hofräte Dr. Kleiser, Dr. Fasching, Mag. Brandl sowie Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision der Tiroler Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom , Zl. LVwG- 2019/30/0252-1, betreffend Staatsbürgerschaft (mitbeteiligte Partei: A S in I, vertreten durch Dr. Bernhard Waldhof, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Defreggerstraße 16), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Vorgeschichte
1 Mit Bescheid der Tiroler Landesregierung als Staatsbürgerschaftsbehörde (Behörde) vom , wurde der Antrag der Mitbeteiligten auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) abgewiesen.
2 Begründend führte die Behörde aus, die Mitbeteiligte sei (im Jahre 1994) in Armenien geboren und lebe gemeinsam mit ihren Eltern, den Geschwistern und der Großmutter im gemeinsamen Haushalt. Die Großmutter der Mitbeteiligten beziehe seit durchgehend Mindestsicherung (in Form einer monatlichen Unterstützung zur Sicherung des Lebensunterhalts). 3 In rechtlicher Hinsicht vertrat die Behörde die Auffassung, gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG gelte der Lebensunterhalt als nicht gesichert, wenn die Antragstellerin zwar über ein dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG entsprechendes Einkommen verfüge, ihr jedoch - zusätzlich - in den letzten sechs Monaten vor Antragstellung bzw. in den geltend gemachten Einkommensmonaten Sozialhilfe (Mindestsicherung) "zugutegekommen" sei.
4 Für einen Fall wie den gegenständlichen, in dem eine Antragstellerin vom Sozialhilfebezug einer mit ihr im gemeinsamen Haushalt lebenden Person profitiere, ohne von den Unterhaltszahlungen dieser Person abhängig zu sein, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
5 Nach Ansicht der Behörde könne dieser Fall jedoch nicht anders beurteilt werden, als jene Fälle, in denen eine Unterhaltspflicht bestehe und nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Verweis auf ) als Berechnungsgrundlage das (Haushalts)Einkommen heranzuziehen sei. Zweifellos komme die von der Großmutter der Mitbeteiligten bezogene Sozialhilfe allen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zugute, da sich die Belastungen für den Lebensunterhalt anteilig verringerten. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt lebten, auch die notwendigen Aufwendungen für Wohnen und Haushalt gemeinschaftlich aufbrächten. In diesem Sinne müsste sich die Mitbeteiligte den Mindestsicherungsbezug der Großmutter anrechnen lassen.
6 Somit sei die zwingende Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG nicht gegeben.
7 Gegen diesen Bescheid erhob die Mitbeteiligte Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht). Angefochtenes Erkenntnis
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde stattgegeben (1.) und der Mitbeteiligten gemäß § 20 Abs. 1 StbG die Verleihung der Staatsbürgerschaft für den Fall zugesichert, dass sie binnen zwei Jahren das Ausscheiden aus dem bisherigen Heimatstaat (nach der Begründung: Armenien) nachweise (2.). 9 Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für zulässig erklärt (3.).
10 Begründend stellte das Verwaltungsgericht zunächst im Wesentlichen fest, das gesetzlich erforderliche Mindesteinkommen werde bei der Mitbeteiligten monatlich um EUR 174,00 überschritten.
11 Die in der gemeinsamen Unterkunft wohnhafte Großmutter der Mitbeteiligten habe im Zeitraum zwischen dem und dem durchschnittlich monatlich EUR 641,65 Mindestsicherung (Sozialhilfe) erhalten (Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts). Nach Abzug des erforderlichen Beitrages für die Pflichtversicherung stünden für die Bestreitung des Lebensunterhalts monatlich rund EUR 550,00 zur Verfügung. 12 Die Mitbeteiligte wohne in der vom Vater angemieteten Wohnung, wobei sich die Mitbeteiligte mit einem Beitrag von EUR 100,00 an den monatlichen Wohnkosten (Mietzins inklusive Betriebskosten) von EUR 1.100,00 beteilige. Eine Unterhaltsverpflichtung der Mitbeteiligten gegenüber ihren im gemeinsamen Haushalt lebenden Eltern bzw. ihrer Großmutter bzw. eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber der Mitbeteiligten bestünde nicht. Auch leiste die Mitbeteiligte freiwillig keine Unterhaltszahlung an ihre Eltern bzw. ihre Großmutter.
13 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, entgegen der Rechtsansicht der Behörde schade im gegenständlichen Fall der Mindestsicherungsbezug der Großmutter nicht.
14 Die der Großmutter zur Verfügung stehenden Mindestsicherungsmittel seien für deren Lebensführung notwendig und erforderlich. Dass der "überschaubare" Mindestsicherungsbezug der Großmutter auch "spürbar" zum Lebensunterhalt der Mitbeteiligten beigetragen habe, könne schon aufgrund der geringen Höhe nicht angenommen werden.
15 Die Mitbeteiligte habe im Verfahren nachgewiesen, dass sie aufgrund ihres eigenen Einkommens in der Lage sei, den erforderlichen gesicherten Lebensunterhalt nachzuweisen. 16 Den Mindestsicherungsbezug der Großmutter müsse sie sich nicht anrechnen lassen. Würde die Großmutter nicht im gemeinsamen Haushalt, sondern in einer eigenen Wohnung oder altersbedingt in einem Pflegeheim untergebracht werden, wären die zu leistenden Sozialhilfekosten der betreffenden Gebietskörperschaften beträchtlich höher und könnten diese jedenfalls nicht der Mitbeteiligten als Enkelkind im Staatsbürgschaftsverfahren negativ angerechnet werden.
17 Daher sei der Mitbeteiligten - da die übrigen Verleihungsvoraussetzungen gegeben seien - die Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs. 1 StbG zuzusichern gewesen.
18 Die Zulassung der (ordentlichen) Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, zur Rechtsfrage, ob nach § 10 Abs. 5 StbG der Sozialhilfebezug der im gemeinsamen Haushalt lebenden, nicht unterhaltspflichtigen und nicht unterhaltsberechtigten Großmutter bei der Beurteilung und bei der Berechnung des erforderlichen Lebensunterhalts der antragstellenden Enkeltochter zu berücksichtigen sei, fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes.
Vorverfahren
19 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision der Behörde, die vom Verwaltungsgericht gemäß § 30a Abs. 6 VwGG mit der Revisionsbeantwortung der Mitbeteiligten unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorgelegt wurde.
20 Die Mitbeteiligte beantragt in der Revisionsbeantwortung die Abweisung der Revision und Kostenersatz.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Revisionswerber auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichtes für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er eine andere Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. , mwN).
22 Vorliegend bringt die Revision vor, zu der vom Verwaltungsgericht aufgezeigten Rechtsfrage des Sozialhilfebezugs von Personen, die mit dem Antragsteller im gemeinsamen Haus wohnten, diesem gegenüber jedoch nicht unterhaltspflichtig seien, liege keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Diese Rechtsfrage sei von grundsätzlicher Bedeutung und gehe über den konkreten Einzelfall hinaus, da die Staatsbürgerschaftsbehörden bei der Prüfung des gesicherten Lebensunterhalts nach § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG laufend mit identischen Sachverhalten konfrontiert seien.
23 Die Revision ist zulässig. Sie ist auch begründet. Grundsätzliche Rechtsfrage
24 In der vorliegenden Revisionssache stellt sich die (gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG) grundsätzliche Rechtsfrage, ob gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch dritte Personen, die mit der Antragstellerin (ohne Unterhaltsverpflichtungen) im gemeinsamen Haushalt leben, der Antragstellerin zugerechnet werden müssen und sie daher keine "Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften" nachweisen kann.
25 Die Behörde bejaht dies und führt in ihrer Amtsrevision aus, zweifellos komme die von der dritten Person (hier der Großmutter) bezogene Sozialhilfe allen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zugute. Die Antragstellerin sei insofern Nutznießerin der Sozialhilfeleistungen, als sich dadurch die Belastungen der Antragstellerin (hier der Mitbeteiligten) anteilig verringerten. Fallbezogen sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Mitbeteiligte an Wohnungskosten lediglich EUR 100,00 aufzuwenden habe. Es mehrten sich in letzter Zeit Fälle, in denen Antragsteller zwar über ein eigenes Einkommen verfügten, jedoch gratis oder zu einem geringen Unkostenbeitrag in einer Wohngemeinschaft mit einem Bezieher von Sozialhilfe lebten, ohne jedoch formell im Sinne einer Unterhaltsberechtigung abhängig zu sein.
26 Die Mitbeteiligte bringt in ihrer Revisionsbeantwortung dagegen vor, diese Annahme sei durch die Ergebnisse des Beweisverfahrens nicht gedeckt. Im Übrigen sei der von der Großmutter bezogene Betrag von EUR 550,00 ohne einen relevanten wirtschaftlichen Nutzen für die Mitbeteiligte als Antragstellerin. Daher sei die von der Großmutter bezogene Sozialhilfe nicht zulasten der Antragstellerin bei der Berechnung nach § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG einzubeziehen.
Rechtslage
27 § 10 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG). BGBl. Nr. 311 idF BGBl. I Nr. 136/2013, lautet auszugsweise wie folgt (Unterstreichungen durch den Verwaltungsgerichtshof):
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft darf einem Fremden, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, nur verliehen werden, wenn
...
7. sein Lebensunterhalt hinreichend gesichert ist oder der Fremde seinen Lebensunterhalt aus tatsächlichen, von ihm nicht zu vertretenden Gründen dauerhaft nicht oder nicht in ausreichendem Maße sichern kann ...
...
(5) Der Lebensunterhalt (Abs. 1 Z 7) ist dann hinreichend gesichert, wenn feste und regelmäßige eigene Einkünfte aus Erwerb, Einkommen, gesetzlichen Unterhaltsansprüchen oder Versicherungsleistungen zum Entscheidungszeitpunkt im Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt vom Fremden nachgewiesen werden, wobei jedenfalls die letzten geltend gemachten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt liegen müssen. Im geltend gemachten Zeitraum müssen die eigenen Einkünfte des Fremden ihm eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften ermöglichen und der Höhe nach dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955, der letzten drei Jahre entsprechen. Feste und regelmäßige eigene Einkünfte werden durch regelmäßige Aufwendungen geschmälert, insbesondere durch Mietbelastungen, Kreditbelastungen, Pfändungen und durch Unterhaltszahlungen an Dritte nicht im gemeinsamen Haushalt lebende Personen. Dabei bleibt einmalig ein Betrag bis zu der in § 292 Abs. 3 ASVG festgelegten Höhe unberücksichtigt und führt zu keiner Erhöhung der notwendigen Einkünfte im Sinne des ersten Satzes. Bei Nachweis der Unterhaltsmittel durch Unterhaltsansprüche ist zur Berechnung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten nur der das pfändungsfreie Existenzminimum gemäß § 291a der Exekutionsordnung (EO), RGBl. Nr. 79/1896, übersteigende Einkommensteil zu berücksichtigen. Wird in den letzten geltend gemachten sechs Monaten unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt Kinderbetreuungsgeld gemäß den Bestimmungen des Kinderbetreuungsgeldgesetzes - KBGG, BGBl. I Nr. 103/2001, bezogen, so gilt in dem Zeitraum in dem Kinderbetreuungsgeld bezogen wird, der Lebensunterhalt jedenfalls als hinreichend gesichert."
"Inanspruchnahme" von Sozialhilfeleistungen
Kumulative Voraussetzungen in § 10 Abs. 5 StbG 28 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits klargestellt, dass nach dem klaren Wortlaut des § 10 Abs. 5 zweiter Satz StbG die Voraussetzungen der Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen einerseits und die den Ausgleichszulagenrichtsätzen entsprechende durchschnittliche Höhe der Einkünfte andererseits kumulativ vorliegen müssen (vgl. ).
29 Daher kommt es bei der Beantwortung der oben ausgeführten Rechtsfrage allein darauf an, ob bei der Antragstellerin eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen vorliegt.
Wirtschaftliche Betrachtungsweise?
30 Die Behörde versteht den Begriff "Inanspruchnahme" in wirtschaftlicher Betrachtungsweise, wenn sie entscheidend darauf abstellt, ob die Sozialhilfeleistungen der (im gemeinsamen Haushalt lebenden) dritten Person der Antragstellerin "zugutegekommen" seien.
31 Es stellt sich somit grundsätzlich die Frage, ob eine solche weite Auslegung des Begriffes "Inanspruchnahme" dem Gesetz entspricht. Dafür ist Folgendes voranzustellen:
Regelungsziel des § 10 Abs. 5 StbG
32 § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG müssen unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, nämlich die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben. Diese gesetzlichen Voraussetzungen müssen objektiv erfüllt sein. Zur Vermeidung einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft hat der Gesetzgeber in § 10 Abs. 5 StbG die Höhe der nachzuweisenden Einkünfte an die Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor dem Antragszeitpunkt angeknüpft.
Mit der Adaptierung des Durchrechnungszeitraums durch die Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 für den Nachweis eines gesicherten Lebensunterhalts auf den Durchschnitt von 36 Monaten aus den letzten sechs Jahren vor dem Antragszeitpunkt wird - ausweislich der Gesetzesmaterialien - klargestellt, dass die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können, wobei die letzten sechs Monate unmittelbar vor dem Antragszeitpunkt jedenfalls vom Fremden geltend zu machen sind. Darüber hinaus wird verdeutlicht, dass die eigenen Einkünfte des Fremden ihm lediglich in den 36 geltend gemachten Monaten eine Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen zu ermöglichen haben. Ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre steht somit der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 StbG nicht entgegen. Vielmehr ist der Lebensunterhalt des Fremden dann gemäß § 10 Abs. 5 StbG hinreichend gesichert, wenn in der geltend gemachten Zeit der letzten sechs Jahre vor Antragstellung sein Einkommen durchgehend dem Durchschnitt der Richtsätze des § 293 ASVG der letzten drei Jahre vor Antragstellung erreicht hat, ohne dass dabei Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften in Anspruch genommen wurden (vgl. zu allem , sowie , jeweils mwN, unter anderem die Erläuterungen in RV 2303 BlgNR 24. GP, 8).
33 Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Ziel der Regelung des § 10 Abs. 5 StbG festgehalten, dass die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft(en) bestreiten kann. Daher erfordert die Annahme eines "hinreichend gesicherten Lebensunterhalts" eine Nachhaltigkeit der Einkommenssicherung. Berücksichtigt man dieses Ziel der Regelung, so werden nur jene Einkünfte nach § 10 Abs. 5 StbG heranzuziehen sein, welche die Prognose erlauben, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen auch künftig ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft(en) bestreiten kann (vgl. , mwN).
"Inanspruchnahme" in wirtschaftlicher Betrachtungsweise 34 Vor dem Hintergrund dieses Regelungszieles des § 10 Abs. 5 StbG besteht die Auffassung der Behörde zu Recht, man müsse den Begriff der "Inanspruchnahme" weit und in wirtschaftlicher Betrachtungsweise verstehen (vgl. zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise in anderen Materien etwa , und , jeweils mwN).
35 Auch in der Rechtsprechung zu § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG idF der Staatsbürgerschaftsrechts-Novelle 2005, BGBl. I Nr. 37/2006, wurde der Begriff der "Inanspruchnahme" von Sozialhilfeleistungen bereits weit verstanden. So hielt der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom , 2007/01/0459, fest:
"Die belangte Behörde vertrat vielmehr die Rechtansicht, § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG stelle nur (formal) auf die Inanspruchnahme von Sozialhilfe innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt ab. ...
Vorweg sei erwähnt, dass die behördliche Sichtweise schon in sich unschlüssig ist. Käme es für die Versagung der Verleihung der Staatsbürgerschaft - wie die belangte Behörde vermeint - tatsächlich nur darauf an, ob der Verleihungswerber selbst (innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Entscheidungszeitpunkt) Sozialhilfe in Anspruch genommen hat, könnte dies dem Beschwerdeführer im gegenständlichen Fall nicht zur Last gelegt werden. Nicht er, sondern seine Ehegattin hat nämlich die Sozialhilfe des Landes Tirol bezogen.
Richtigerweise muss § 10 Abs. 1 Z 7 und Abs. 5 StbG aber unter dem Blickwinkel des damit verfolgten Zwecks gesehen werden, die Staatsbürgerschaft nur an Fremde zu verleihen, die ihren Lebensunterhalt in Österreich durch entsprechendes Einkommen (oder gleichzusetzende Leistungen) ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften hinreichend gesichert haben."
36 Dies zeigt ein Verständnis, nach dem die "Inanspruchnahme" von Sozialhilfeleistungen nicht in einem engen, formalen Sinn, also dahin auszulegen ist, dass der jeweilige Antragsteller (Verleihungswerber) Anspruchsberechtigter sein muss, sondern vielmehr unter dem Blickwinkel des mit § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG verfolgten Zwecks.
37 Die zwischenzeitlich ergangene Novelle BGBl. I Nr. 136/2013 bietet keine ausreichenden Anhaltspunkte, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
38 Zwar hat der Gesetzgeber das Regelungsziel des § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG relativiert, indem die geltend gemachten Monate aus den letzten sechs Jahren beliebig vom Fremden in diesem Durchrechnungszeitraum gewählt werden können und dass ein vorübergehender Sozialhilfebezug in der nicht geltend gemachten Zeit der Erfüllung der Voraussetzung des hinreichend gesicherten Lebensunterhalts nicht entgegen steht (vgl. wie oben ausgeführt , mwN, unter anderem auf die Erläuterungen in RV 2303 BlgNR 24. GP, 8).
39 Jedoch lässt der Gesetzgeber nicht erkennen, dass er vom grundsätzlichen Regelungsziel des § 10 Abs. 5 StbG abgehen wollte, wonach die Verleihung der Staatsbürgerschaft den Abschluss einer (erfolgreichen) Integration des Fremden in Österreich darstellen soll, zu der nach der Wertung des Gesetzgebers auch gehört, dass der Verleihungswerber sein Fortkommen ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft(en) bestreiten kann (vgl. wie oben angeführt , mwN). 40 Vielmehr wird nach wie vor gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG eine Prognose vorzunehmen sein, ob der Verleihungswerber sein Fortkommen auch künftig ohne Unterstützung durch Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaft(en) bestreiten kann (vgl. zu dieser Prognose wie oben angeführt , mwN). Eine solche Prognose wird nur dann verlässlich sein, wenn sie eine wirtschaftliche Betrachtungsweise bei der Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen erlaubt. 41 Daher ist die in der vorliegenden Revisionssache aufgeworfene grundsätzliche Rechtsfrage wie folgt zu beantworten:
42 Gemäß § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG muss der Bezug von Sozialhilfeleistungen durch dritte Personen, die mit der Antragstellerin (ohne Unterhaltsverpflichtungen) im gemeinsamen Haushalt leben, der Antragstellerin zugerechnet werden, wenn die Sozialhilfeleistungen der Antragstellerin in wirtschaftlicher Betrachtungsweise zugutekommen. In diesem Fall kann sie daher keine "Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen der Gebietskörperschaften" nachweisen. Einzelfallbezogene Beurteilung
43 Im vorliegenden Fall hat die revisionswerbende Behörde - nach dem Obgesagten zutreffend - eine wirtschaftliche Betrachtungsweise gewählt.
44 Bei dieser ist die Behörde zum Ergebnis gekommen, dass die von der Großmutter der Mitbeteiligten bezogene Sozialhilfe zweifellos allen im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen zugutegekommen sei, da sich die Belastungen für den Lebensunterhalt anteilig verringerten. Es entspreche der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Personen, die in einem gemeinsamen Haushalt lebten, auch die notwendigen Aufwendungen für Wohnen und Haushalt gemeinschaftlich aufbrächten.
45 Diese Sichtweise findet ihre Grundlage im Gesetz, weil gemäß § 10 Abs. 5 dritter Satz StbG feste und regelmäßige eigene Einkünfte durch regelmäßige Aufwendungen, insbesondere etwa durch Mietbelastungen, geschmälert werden und sich daher notwendig jede Minderung dieser Aufwendungen positiv auf die nachzuweisenden Einkünfte auswirkt. Zusätzlich ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzung der "Lebensführung ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfeleistungen" unabhängig von der den Ausgleichszulagenrichtsätzen entsprechende durchschnittliche Höhe der Einkünfte zu sehen ist (vgl. nochmals ).
46 Daher legt eine gemeinsame Haushaltsführung in wirtschaftlicher Betrachtungsweise nahe, dass die von der Großmutter der Mitbeteiligten bezogene Sozialhilfe auch der Mitbeteiligten zugutekommt. In einem solchen Fall obliegt es der Mitbeteiligten als Antragstellerin, im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht diese Annahme zu widerlegen (vgl. zur Mitwirkungspflicht im Verleihungsverfahrens nach § 4 StbG , mwN).
47 Das Verwaltungsgericht hat dieser Annahme der Behörde zunächst entgegengehalten, es könne aufgrund der geringen Höhe des "überschaubaren" Mindestsicherungsbezugs der Großmutter nicht angenommen werden, dass dieser "spürbar" zum Lebensunterhalt der Mitbeteiligten beigetragen habe. Ein solches Kalkül der "Spürbarkeit" ist nach dem Obgesagten § 10 Abs. 1 Z 7 iVm Abs. 5 StbG nicht zu entnehmen.
48 Ebenso wenig kann der von der Mitbeteiligten in der Revisionsbeantwortung vorgebrachte fehlende "relevante" wirtschaftliche Nutzen der Sozialhilfeleistung die von der Behörde getroffene Annahme widerlegen.
49 Die vom Verwaltungsgericht weiters angestellte Überlegung, die zu leistenden Sozialhilfekosten der betreffenden Gebietskörperschaften wären beträchtlich höher, würde die Großmutter nicht im gemeinsamen Haushalt sondern in einer eigenen Wohnung oder altersbedingt in einem Pflegeheim untergebracht werden, ist gemäß § 10 Abs. 5 StbG nicht maßgeblich. Ergebnis
50 Da das Verwaltungsgericht aus diesen Erwägungen die Rechtslage verkannt hat, war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 1 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
51 Wien, am
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ECLI: | ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019010010.J00 |
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