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VwGH vom 15.03.2018, Ro 2018/21/0002

VwGH vom 15.03.2018, Ro 2018/21/0002

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofräte Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Samonig, über die Revision des A O in W, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom , G311 2145430- 1/10E, betreffend Ausweisung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein serbischer Staatsangehöriger, heiratete am in Serbien eine ungarische Staatsangehörige. Am übersiedelten der Revisionswerber und seine Ehefrau nach Österreich, begründeten in Wien einen gemeinsamen Hauptwohnsitz und begannen hier eine Berufstätigkeit. Am wurde der Ehefrau des Revisionswerbers antragsgemäß eine Anmeldebescheinigung ausgestellt; hierauf erhielt der Revisionswerber am eine (bis befristete) Aufenthaltskarte gemäß § 54 Abs. 1 NAG als Angehöriger einer unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgerin.

2 Die erwähnte Ehe wurde infolge einer vom Revisionswerber eingebrachten Scheidungsklage mit dem rechtskräftigen Urteil eines serbischen Gerichtes vom geschieden. Davon verständigte der Revisionswerber entsprechend § 54 Abs. 6 NAG die Niederlassungsbehörde am . Hierauf übermittelte die Niederlassungsbehörde mit Schreiben vom gemäß § 55 Abs. 3 NAG den Verwaltungsakt dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) "zur Überprüfung einer möglichen Aufenthaltsbeendigung", weil nach deren Auffassung die Voraussetzungen für das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers weggefallen seien.

3 Mit Bescheid des BFA vom wurde der Revisionswerber, der am durch seinen anwaltlichen Vertreter eine Stellungnahme zur beabsichtigten Aufenthaltsbeendigung erstattet hatte, sodann gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen. In der Begründung ging das BFA davon aus, dass die Ehefrau des Revisionswerbers bereits Ende Dezember 2013 ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben habe. Dadurch habe sie ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht verloren und demzufolge seien bereits damals auch die Voraussetzungen für das davon abgeleitete Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers weggefallen.

4 In der dagegen erhobenen Beschwerde bekämpfte der Revisionswerber nur die erwähnte Annahme des BFA betreffend den Wegzug seiner Ehefrau bereits Ende Dezember 2013 und bemängelte, dass sich diese Feststellung ausschließlich auf die entsprechenden Meldedaten gründe. Tatsächlich hätten der Revisionswerber und seine Ehefrau jedoch - auch wenn sie häufig ihre kranken Eltern in Ungarn besucht habe - bis Ende 2015 in Österreich zusammengelebt, wobei erst mit Rechtskraft der Scheidung für den Revisionswerber die Gewissheit bestanden habe, dass es zu keiner Wiederherstellung der Beziehung kommen werde.

5 In der am durchgeführten mündlichen Verhandlung gab der Revisionswerber zum Vorbringen in der Beschwerde befragt an, nach Weihnachten 2015 sei seine Ehegattin nicht mehr in die gemeinsame Wohnung zurückgekommen; sie habe ihm telefonisch mitgeteilt, dass sie in Ungarn einen anderen Mann kennengelernt habe. In der weiteren Vernehmung äußerte der Revisionswerber sodann, es sei ihm "nichts anderes übrig geblieben", als Mitte März 2016 in Serbien "die Scheidung einzureichen". Unmittelbar darauf brachte der Rechtsvertreter des Revisionswerbers vor, "es wird auf § 54 Abs. 5 Z 4 NAG verwiesen und seien diese Ziffern alternativ zu lesen". Dem Protokoll lässt sich dazu keine weitere Begründung entnehmen. Auch die mit anwaltlichem Schriftsatz vom erstatteten "Schlussausführungen" enthalten als Begründung für die Ehescheidung nur den Umstand, dass die Ehefrau des Revisionswerbers ihm im Dezember 2015 mitgeteilt habe, in Ungarn einen anderen Mann kennengelernt zu haben. "Nach ein paar Monaten des Wartens" - so heißt es dort wörtlich - habe dem Revisionswerber, der noch auf eine Rückkehr seiner Ehefrau gehofft habe, "ein Festhalten an der Beziehung im Sinne des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG nicht mehr zugemutet werden" können und er "fühlte" sich "gezwungen, eine Scheidungsklage einzubringen".

6 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis vom wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) sodann die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom als unbegründet ab. In der rechtlichen Beurteilung dieser Entscheidung ging das BVwG zunächst davon aus, dass im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für das Weiterbestehen des Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers nach § 54 Abs. 5 Z 1 NAG nicht vorlägen, weil er mit seiner ungarischen Ehefrau nicht mindestens drei Jahre verheiratet gewesen sei. Aber auch die Voraussetzungen des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG, mit dem Art. 13 Abs. 2 (Unterabs. 1 Buchst. c) der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38/EG) umgesetzt worden sei, seien gegenständlich nicht gegeben, weil "besonders schwierige Umstände" im Sinne der genannten Bestimmung beim Revisionswerber "nicht erblickt werden können". Vielmehr liege "ein typischer Fall einer Ehescheidung vor, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet". Nach Durchführung einer näher begründeten Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG (iVm § 66 Abs. 2 FPG) kam das BVwG sodann zum Ergebnis, dass die Ausweisung des Revisionswerbers gerechtfertigt sei. Schließlich sprach das BVwG noch aus, die (ordentliche) Revision sei gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil sich der Verwaltungsgerichtshof bisher noch nicht damit auseinandergesetzt habe, wie § 54 Abs. 5 Z 4 NAG auszulegen sei.

7 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Durchführung des Vorverfahrens und Vorlage der Akten durch das BVwG (§ 30a Abs. 4 bis 6 VwGG) - Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet - erwogen hat:

8 Gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG sind EWR-Bürger "auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie" zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer sind. Bei Vorliegen dieser Voraussetzung ist dem EWR-Bürger gemäß § 53 Abs. 1 letzter Satz NAG von der Behörde auf Antrag eine Anmeldebescheinigung auszustellen. Das war in Bezug auf die ungarische Ehefrau des Revisionswerbers, die diese Dokumentation ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts (vgl. § 9 Abs. 1 Z 1 NAG) am erhielt, der Fall. Gemäß § 54 Abs. 1 iVm § 52 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG sind Drittstaatsangehörige, die - wie der Revisionswerber - Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer, mit denen ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht dokumentiert wird (vgl. § 9 Abs. 1 Z 3 NAG), auszustellen. Dem entsprechend erhielt der Revisionswerber am eine auf fünf Jahre befristete Aufenthaltskarte.

9 Nach § 55 Abs. 1 NAG kommt EWR-Bürgern und ihren Angehörigen das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 und 54 NAG solange zu, als die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Nach § 55 Abs. 2 NAG kann der Fortbestand der Voraussetzungen (u.a.) bei einer Meldung gemäß § 54 Abs. 6 NAG oder sonst bei Kenntnis von der Scheidung (einer für das Aufenthaltsrecht des Ehegatten maßgeblichen Ehe) überprüft werden. Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51 und 54 NAG nicht, weil die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen, hat die Behörde gemäß § 55 Abs. 3 NAG den Betroffenen davon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das BFA hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst worden sei. Das BFA ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Betroffenen, zu befassen.

10 § 54 Abs. 5 NAG umschreibt (u.a.) jene Fälle, in denen trotz Scheidung der Ehe das Aufenthaltsrecht des drittstaatsangehörigen Ehegatten des EWR-Bürgers ausnahmsweise erhalten bleibt. Die fallbezogen relevanten Tatbestände der Z 1 und 4 dieser Bestimmung lauten:

"§ 54.

(5) Das Aufenthaltsrecht der Ehegatten oder eingetragenen

Partner, die Drittstaatsangehörige sind, bleibt bei Scheidung oder

Aufhebung der Ehe oder Auflösung der eingetragenen Partnerschaft

erhalten, wenn sie nachweisen, dass sie die für EWR-Bürger

geltenden Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 erfüllen und

1. die Ehe bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs-

oder Aufhebungsverfahrens mindestens drei Jahre bestanden hat,

davon mindestens ein Jahr im Bundesgebiet;

2. ...

3. ...

4. es zur Vermeidung einer besonderen Härte erforderlich

ist, insbesondere weil dem Ehegatten oder eingetragenem Partner wegen der Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Interessen ein Festhalten an der Ehe oder eingetragenen Partnerschaft nicht zugemutet werden kann, oder

5. ..."

11 Mit der Frage, ob der Revisionswerber die im vorstehend zitierten Einleitungssatz genannten Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erfüllt, hat sich das BVwG im bekämpften Erkenntnis zwar nicht ausdrücklich befasst. Es stellte jedoch fest, der Revisionswerber sei in Österreich bei einem Bauunternehmen beschäftigt, sodass es unterstellt haben dürfte, er sei Arbeitnehmer iSd § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall FPG (siehe dazu aus der letzten Zeit etwa , Rn 13, mwN).

12 Die (demnach) vom BVwG vorgenommene weitere Prüfung, ob im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen nach der Z 1 des § 54 Abs. 5 NAG vorliegen, führte zum Ergebnis, dass dieser Tatbestand deshalb nicht erfüllt sei, weil die Ehe des Revisionswerbers nicht "mindestens" drei Jahre bestanden habe. Das trifft angesichts des Abschlusses der Ehe am , der Einleitung des Scheidungsverfahrens Mitte März 2016 sowie der rechtskräftigen Scheidung am jedenfalls zu und wird auch in der Revision nicht in Frage gestellt.

13 Die Revision rekurriert vielmehr - so wie auch zuletzt im Rahmen des Beschwerdeverfahrens - nur auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen nach § 54 Abs. 5 Z 4 NAG. Diesbezüglich hat schon das BVwG zutreffend darauf verwiesen, dass mit dieser Bestimmung Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Freizügigkeitsrichtlinie im nationalen Recht umgesetzt werden sollte. In diesem Sinn heißt es auch in den Gesetzesmaterialien zum FrÄG 2009 (RV 330 BlgNR 24. GP 52), "Abs. 5 implementiert die Regelungen des Art. 13 Abs. 2 Freizügigkeitsrichtlinie betreffend die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts des Ehegatten im Falle von Scheidung oder Aufhebung der Ehe mit dem Zusammenführenden". Der genannte Art. 13 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie lautet auszugsweise:

"Artikel 13

Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts der Familienangehörigen bei Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder bei Beendigung der eingetragenen Partnerschaft

(1) ...

(2) Unbeschadet von Unterabsatz 2 führt die Scheidung oder Aufhebung der Ehe oder die Beendigung der eingetragenen Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b für Familienangehörige eines Unionsbürgers, die nicht die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen, nicht zum Verlust des Aufenthaltsrechts, wenn

a) die Ehe oder die eingetragene Partnerschaft im Sinne von Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe b bis zur Einleitung des gerichtlichen Scheidungs- oder Aufhebungsverfahrens oder bis zur Beendigung der eingetragenen Partnerschaft mindestens drei Jahre bestanden hat, davon mindestens ein Jahr im Aufnahmemitgliedstaat, oder

  1. ...

  2. es aufgrund besonders schwieriger Umstände erforderlich ist, wie etwa bei Opfern von Gewalt im häuslichen Bereich während der Ehe oder der eingetragenen Partnerschaft, oder

  3. d)..."

  4. 14 Aus Anlass des vorliegenden Falles ist nicht weiter auf die unterschiedlichen Formulierungen unter Buchst. c der zitierten unionsrechtlichen Norm einerseits und in der korrespondierenden nationalen Bestimmung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG andererseits einzugehen. Vor dem Hintergrund des in Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Freizügigkeitsrichtlinie genannten Beispielsfalls kann es nämlich jedenfalls keinem Zweifel unterliegen, dass der - mit den Worten des BVwG - "typische Fall einer Ehescheidung, bei dem ein Eheteil einen anderen Partner findet", keine "besonders schwierigen Umstände" darstellt, aufgrund derer die Aufrechterhaltung des bisherigen Aufenthaltsrechts des Revisionswerbers "erforderlich" gewesen wäre.

  5. 15 Dieser auch dem angefochtenen Erkenntnis zugrundeliegenden Auffassung wird in der Revision nicht konkret entgegen getreten. Dort wird vielmehr ein näheres Vorbringen dazu erstattet, dass der Revisionswerber von seiner Ehefrau im Laufe des Jahres 2015 psychisch immer mehr unter Druck gesetzt worden sei, den gemeinsamen Wohnsitz nach Ungarn zu verlegen, und dass er durch ständige, völlig ungerechtfertigte Vorwürfe sowie durch Beschimpfungen und Drohungen "psychisch misshandelt" worden sei, wodurch er Depressionen "erlitten" habe. Dem Revisionswerber habe daher ein Festhalten an der Ehe nicht mehr zugemutet werden können. Dieses Vorbringen verstößt jedoch - wie sich schon aus der oben vorgenommenen Darstellung des Verfahrensganges ergibt - gegen das aus § 41 Abs. 1 VwGG abzuleitende Neuerungsverbot im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof. Darauf ist daher nicht weiter einzugehen.

  6. 16 In erster Linie stellt sich im vorliegenden Fall allerdings ohnehin schon die (vorgelagerte) grundsätzliche Frage, ob sich der Revisionswerber auf die Ausnahmebestimmung des § 54 Abs. 5 Z 4 NAG berufen kann, obwohl die Ehefrau des Revisionswerbers unbestritten ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Österreich nicht mehr in Anspruch genommen hat. Diesbezüglich ist das BFA davon ausgegangen, die Ehefrau des Revisionswerbers habe bereits Ende Dezember 2013 ihren Wohnsitz in Österreich aufgegeben. Dem trat der Revisionswerber in der Beschwerde entgegen und behauptete - so wie auch in seiner Vernehmung in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG - deren Inlandsaufenthalt am gemeinsamen Wohnsitz bis Ende 2015. Das hielt das BVwG für nicht glaubwürdig und ging aufgrund näher begründeter Beweiswürdigung in seiner Entscheidung davon aus, die Lebensgemeinschaft des Revisionswerbers mit seiner Ehefrau sei seit "spätestens" aufgelöst, wobei allerdings unklar bleibt, ob das BVwG damit auch ihren Inlandsaufenthalt für beendet ansah. In der Revision wird unter Bekämpfung der genannten Feststellung des BVwG - wie bisher - geltend gemacht, die Ehefrau des Revisionswerbers habe Österreich endgültig erst durch ihre Rückkehr nach Ungarn Ende Dezember 2015 verlassen.

  7. 17 Das bedarf letztlich keiner Klärung, weil selbst bei Zugrundelegung des Vorbringens des Revisionswerbers für ihn nichts gewonnen wäre. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat nämlich in einem rezenten Urteil (siehe NA, C- 115/15, Rn. 31 bis 51) mit näherer Begründung die erste Frage des damals an ihn gerichteten Vorabentscheidungsersuchens wie folgt zusammenfassend beantwortet:

"Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2004/38 dahin auszulegen ist, dass ein Drittstaatsangehöriger, der von einem Unionsbürger geschieden wurde, dessen Gewalttaten im häuslichen Bereich er während der Ehe ausgesetzt war, auf der Grundlage dieser Bestimmung keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung seines Aufenthaltsrechts im Aufnahmemitgliedstaat hat, wenn das gerichtliche Scheidungsverfahren erst nach dem Wegzug des Ehegatten mit Unionsbürgerschaft aus diesem Mitgliedstaat eingeleitet wurde."

Die letztgenannte Einschränkung ist im vorliegenden Fall verwirklicht, weil die Ehefrau des Revisionswerbers - selbst wenn man seinem Standpunkt folgt - bereits Ende Dezember 2015 aus Österreich weggezogen ist und das Scheidungsverfahren erst Mitte März 2016 eingeleitet wurde. Damit wurde - wie bereits das BFA der Sache nach erkannte - nicht nur das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht der Ehefrau des Revisionswerbers beendet, sondern auch sein davon abgeleitetes Aufenthaltsrecht. Eine spätere Berufung auf die Ehescheidung und die diesbezüglichen Ausnahmetatbestände des Art. 13 Abs. 2 der Freizügigkeitsrichtlinie bzw. des § 54 Abs. 5 NAG für eine Aufrechterhaltung des Aufenthaltsrechts des nunmehr geschiedenen drittstaatsangehörigen Ehemannes kam dann aber nicht mehr in Betracht. Hierfür wäre es erforderlich gewesen, dass sich die mit dem drittstaatsangehörigen Revisionswerber verheiratete Unionsbürgerin bis zum Zeitpunkt der Einleitung des gerichtlichen Scheidungsverfahrens Mitte März 2016 nach Maßgabe von Art. 7 Abs. 1 der Freizügigkeitsrichtlinie - fallbezogen als Arbeitnehmerin iSd § 51 Abs. 1 Z 1 erster Fall NAG - im sogenannten "Aufnahmemitgliedstaat" Österreich aufgehalten hätte (vgl. NA, C-115/15, Rn 34 ff, unter Bezugnahme auf EuGH (Große Kammer) , Singh u.a., C- 218/14, Rn. 62, 66 und 67, dessen Aussagen zu Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Buchst. a der Freizügigkeitsrichtlinie auf den Tatbestand des Buchst. c der genannten Bestimmung vom EuGH als übertragbar angesehen wurden). Schon deshalb wäre daher im vorliegenden Fall davon auszugehen gewesen, dass das von seiner Ehefrau abgeleitete Aufenthaltsrecht des Revisionswerbers (spätestens) mit ihrem Wegzug aus Österreich erloschen war. Danach konnte der Revisionswerber von vornherein keine Rechte mehr aus § 54 Abs. 5 Z 1 oder 4 NAG ableiten.

18 Da die vorstehend behandelte Frage der Anwendungsvoraussetzungen des § 54 Abs. 5 NAG, die in der Revision durch die Berufung auf dessen Z 4 (implizit) auch releviert wurde, einer Klarstellung durch den Verwaltungsgerichtshof bedarf, ist die Revision iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zwar zulässig; sie ist jedoch aus den dargestellten Gründen nicht berechtigt, wobei zur Vollständigkeit noch anzumerken ist, dass sich die Revision nicht gegen die vom BVwG vorgenommene Interessenabwägung wendet.

19 Die Revision war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am

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ECLI:
ECLI:AT:VWGH:2018:RO2018210002.J00
Schlagworte:
Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

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